Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Bundesgericht, Urteil 7B_46/2025 vom 20. August 2025
Gegenstand: Ablehnung (Récusation) von Sachverständigen
Parteien: * Beschwerdeführer: A._ (vertreten durch Me Baptiste Viredaz, avocat) * Beschwerdegegnerinnen: Dr. B._ und Dr. C.__ (Sachverständige)
I. Sachverhalt und Vorgeschichte
Der Beschwerdeführer A.__, geboren 1954, wurde in den Jahren 1994 und 1998 durch das Genfer Assisengericht wegen schwerer Sexualdelikte (Vergewaltigung von zwei Frauen, versuchte Vergewaltigung mit Grausamkeit) zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Strafe von 1998 wurde zugunsten einer Massnahme der Verwahrung (Internement) nach dem damaligen Art. 43 StGB (heute Art. 64 StGB) ausgesetzt. Zudem wurde eine lebenslange Landesverweisung angeordnet.
Im Rahmen dieser Verfahren und der späteren Überprüfung der Verwahrung wurden zahlreiche psychiatrische Gutachten erstellt (1989, 1998, 2006, 2008, 2012). Die jüngste Expertise vom 30. April 2021 wurde von Dr. F._ und Dr. G._ des Centre universitaire romand de médecine légale (CURML) erstellt. Gestützt darauf ordnete das Tribunal d'application des peines et des mesures (TAPEM) am 14. Oktober 2021 und zuletzt am 10. November 2022 die Fortsetzung der Verwahrung an. Das Bundesgericht bestätigte diese Entscheide am 27. November 2023 (Urteil 7B_96/2023), betonte jedoch, dass bei der nächsten Überprüfung der Massnahme nach Art. 64b Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen sei, ob eine neue Expertise oder ein Ergänzungsgutachten notwendig sei, insbesondere aufgrund des Zeitablaufs und einer möglichen Entwicklung der Situation des Beschwerdeführers.
Im Januar 2024 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Einholung eines neuen Gutachtens, welches er bei Ärzten ausserhalb des Kantons Genf (Dr. I._ oder Dr. J._ aus Neuenburg, dem Haftort) in Auftrag geben wollte. Das TAPEM ordnete die Wiederaufnahme an und ersuchte das CURML um Vorschläge für die Expertisen. Das CURML schlug Dr. B._ (Chefärztin an der Unité de psychiatrie légale [UPL] des CURML der Hôpitaux universitaires de Genève [HUG]) und Dr. C._ (Assistenzärztin an der UPL) vor. Der Beschwerdeführer erhob gegen deren Ernennung Einspruch, da er aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur selben Spitalstruktur (HUG) wie die früheren Gutachter (insbesondere Dr. F.__, welche die UPL leitet) an deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zweifelte. Er befürchtete zudem einen "Bestätigungsfehler", da die neuen Gutachterinnen sich nur schwer von den Schlussfolgerungen ihrer Kollegen und Vorgesetzten lösen könnten.
Das TAPEM ernannte die vorgeschlagenen Expertinnen. Die kantonale Strafkammer (Chambre pénale de recours) wies die von A._ dagegen erhobene Beschwerde (als Ablehnungsgesuch) am 4. Dezember 2024 ab. Der Beschwerdeführer gelangte daraufhin an das Bundesgericht, wobei im Laufe des Verfahrens Dr. K._ Dr. C._ ersetzte und ebenfalls Gegenstand des Ablehnungsgesuchs wurde. Dr. B._ versicherte, dass weder sie noch Dr. K._ die Expertise unabhängig durchführen würden und Dr. F._ nicht in den Prozess eingebunden sei.
II. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
1. Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs Das Bundesgericht hält fest, dass Ablehnungsentscheide von Sachverständigen, die in einer einzigen kantonalen Instanz ergangen sind, gemäss Art. 78, 80 Abs. 2 in fine und 92 Abs. 1 BGG sofort mit Beschwerde in Strafsachen angefochten werden können, ungeachtet ihres Zwischencharakters (Hinweis auf BGE 144 IV 90 E. 1). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.
2. Grundsätze der Ausstandsregeln für Sachverständige
2.1. Anwendbare Normen und allgemeine Anforderungen: Art. 56 StPO, der gemäss Art. 183 Abs. 3 StPO sinngemäss für Sachverständige gilt, listet verschiedene Ablehnungsgründe auf. Besonders relevant ist Art. 56 lit. f StPO, der als Generalklausel fungiert und die Ablehnung vorschreibt, "wenn andere Gründe, namentlich eine enge Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder ihrer Rechtsbeiständin oder ihrem Rechtsbeistand, geeignet sind, Misstrauen in die Unvoreingenommenheit zu erwecken". Diese Klausel konkretisiert die aus Art. 29 Abs. 1 BV (Anspruch auf faires Verfahren) und Art. 30 Abs. 1 BV (unabhängige und unparteiische Gerichte, sinngemäss auf Sachverständige anwendbar) abgeleiteten Rechte. Es genügt, wenn die Umstände den Anschein der Befangenheit erwecken und eine parteiische Tätigkeit des Sachverständigen befürchten lassen. Dabei sind jedoch nur objektiv festgestellte Umstände massgebend; rein subjektive Eindrücke des Verfahrensbeteiligten sind unerheblich (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 143 IV 69 E. 3.2).
2.2. Kriterien für Befangenheit: Der Anschein der Befangenheit kann aus persönlichen oder beruflichen Beziehungen des Sachverständigen zu einer Partei, ihrem Vertreter oder der Institution, in der er tätig ist, oder aus seinem Verhalten resultieren. Allerdings genügt nicht jede beliebige Verbindung des Sachverständigen zu den Parteien oder zum Untersuchungsgegenstand, um einen Befangenheitsverdacht zu begründen (BGE 121 I 225 E. 3). Insbesondere führt die blosse Tatsache, dass ein Sachverständiger im selben Institut tätig ist wie ein Kollege, dessen frühere Einschätzung beurteilt werden muss, für sich allein noch nicht zu einem Misstrauen (Hinweis auf EGMR, Brandstetter c. Österreich vom 28. August 1991, § 44). Auch die Anstellung als Spitalarzt bei einer öffentlichen Körperschaft begründet keine Befangenheit (BGE 125 II 541 E. 4b).
2.3. Hierarchische Abhängigkeiten: Besondere Aufmerksamkeit verdienen hierarchische Abhängigkeiten. Die EGMR-Rechtsprechung betont, dass insbesondere hierarchische Verbindungen zu einem anderen Akteur im Verfahren – deren Art und Ausmass im Einzelfall zu prüfen sind – objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts aufwerfen können (Hinweis auf EGMR, Donev c. Bulgarien, Kyprianou c. Zypern, Findlay c. Vereinigtes Königreich, Pullar c. Vereinigtes Königreich, Sramek c. Österreich). Die Lehre (Boog, Keller) weist darauf hin, dass die Auswirkungen der Ablehnung eines Vorgesetzten auf seine in derselben Sache tätigen Untergebenen – neben dem hierarchischen Subordinationsverhältnis – von den konkreten Anweisungen des abgelehnten Vorgesetzten im Einzelfall sowie von dessen Einflussmöglichkeiten abhängen.
2.4. Spezielle Norm im Massnahmenrecht (Art. 56 Abs. 4 StGB): Diese Bestimmung, die für die Begutachtung bei schweren Delikten nach Art. 64 Abs. 1 StGB gilt, schreibt vor, dass die Expertise von einem Sachverständigen zu erstellen ist, der den Täter weder behandelt noch in anderer Weise betreut hat. Das Bundesgericht präzisiert, dass diese Norm – entgegen einer möglicherweise breiteren französischen Formulierung – auf den therapeutischen und betreuenden Kontext abzielt. Die blosse Tatsache, dass ein Sachverständiger ein früheres Gutachten erstellt oder daran mitgewirkt hat, begründet für sich allein noch keinen objektiven Anschein der Befangenheit (BGE 132 V 93 E. 7.2.2; BGer 6B_480/2022 E. 1.4). Dies schliesst jedoch nicht aus, dass ein früheres Gutachten aufgrund seines Inhalts oder anderer Umstände im Einzelfall einen Befangenheitsverdacht wecken könnte.
3. Anwendung auf den vorliegenden Fall und Würdigung der Argumente des Beschwerdeführers
3.1. Keine objektive Befangenheit der Sachverständigen: Das Bundesgericht befindet, dass die Argumentation der kantonalen Vorinstanz, die Expertinnen seien in der Lage, ihre Aufgabe unabhängig und objektiv zu erfüllen, nicht zu beanstanden ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Expertinnen B._ und C._ (bzw. K._) nicht in der Lage wären, von den bereits geäusserten Meinungen abweichende Ansichten oder Ansätze zu entwickeln. Die Tatsache, dass Dr. F._ als Leiterin der UPL normalerweise die dem CURML angehörenden Sachverständigen vorschlägt und nicht selbst erneut als Expertin tätig wird, ist unproblematisch.
3.2. Hierarchische Verantwortung und Vorlage früherer Gutachten: Das Gericht bekräftigt, dass die hierarchische Verantwortung gegenüber Dr. F.__ die Unabhängigkeit der Expertinnen nicht von vornherein beeinträchtigt. Ebenso wenig ist die blosse Kenntnis und Beiziehung früherer Gutachten ein Ablehnungsgrund; es gehört zur Aufgabe von Sachverständigen, sich von ihrer Funktion zu lösen, um ihren Bericht objektiv zu erstellen.
3.3. Art und Zweck der neuen Expertise: Die Expertinnen sind beauftragt, sich zur Entwicklung der Situation des Beschwerdeführers im Rahmen der regelmässigen Überprüfung der Verwahrung nach Art. 64b StGB zu äussern. Es geht nicht darum, ein Gegengutachten zu dem vier Jahre zuvor erstellten Bericht von Dr. F._ zu erstellen, dessen Schlussfolgerungen der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erstellung nicht bestritten hat. Art. 64b Abs. 2 lit. b StGB erlaubt es, sich auf ein früheres Gutachten zu stützen, wenn keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind. Theoretisch könnte sogar Dr. F._ diese erneute Prüfung vornehmen, ohne dass der Beschwerdeführer dies beanstandet. In diesem Kontext sieht das Bundesgericht keinen Grund, der die Expertinnen daran hindern würde, diese Prüfung vorzunehmen.
3.4. Zum "Bestätigungsfehler" und anderen Voreingenommenheiten: Das Bundesgericht geht auf das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Phänomen des "Bestätigungsfehlers" (biais de confirmation) sowie den "Konformitätsfehler" (biais de conformisme) und das "Autoritätsargument" (biais de l'argument d'autorité) ein. Es hält fest, dass solche theoretischen Verzerrungen im vorliegenden Fall nicht ausreichen, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Sachverständigen in Frage zu stellen. Dafür gibt es mehrere Gründe: * Es wird nicht behauptet, dass Dr. F.__ den Expertinnen konkrete Anweisungen für die Erstellung des Gutachtens geben oder ihre Arbeit beeinflussen könnte. * Die Expertinnen tragen die alleinige Verantwortung für das von ihnen erstellte Gutachten (BGE 144 IV 176 E. 4.6). * Angesichts ihrer menschlichen, sozialen und beruflichen Erfahrung kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage sind, sich mit Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zur Entwicklung des Beschwerdeführers zu äussern (Verweis auf ähnliche Argumentationen bei Richtern, BGer 7B_143/2024 E. 5.3.2.1). * Sachverständige sind wie Richter verpflichtet, sich nach Art. 56 StPO selbst abzulehnen, wenn Gründe vorliegen, was sie hier nicht getan haben.
3.5. Abgrenzung zu anderen Fällen: Der vom Beschwerdeführer zitierte Fall 1B_338/2021 (betreffend eine Expertise zur möglichen Verletzung der medizinischen Kunst durch einen Beschuldigten bei schwerer Körperverletzung) ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da es dort um die Beurteilung professioneller Standards und nicht um die Entwicklung des Gesundheitszustands einer Person im Rahmen von Art. 64b StGB ging.
3.6. Praktische Konsequenzen: Dem Argument des Beschwerdeführers ohne konkrete, objektive und ausreichend schwerwiegende Hinweise (vgl. BGer 7B_577/2023 E. 4.1.3) zu folgen, würde in der Praxis bedeuten, dass für jede psychiatrische Expertise im Zusammenhang mit Verwahrungsverfahren eine neue Spitalstruktur mandatiert werden müsste. Dies könnte die regelmässigen Verfahren lahmlegen, was unzumutbar wäre. Diese Überlegungen gelten auch für Dr. K.__.
3.7. Diskretion des TAPEM bei der Expertensuche: Das TAPEM war nicht verpflichtet, den Vorschlägen des Beschwerdeführers für Neuenburger Sachverständige zu folgen (BGE 148 IV 22 E. 5.5.2). Die Entscheidung, Sachverständige aus einer bekannten Struktur im Kanton Genf zu mandatieren, ist nicht zu beanstanden.
III. Fazit
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Die Ablehnung der Sachverständigen wird nicht gutgeheissen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: