Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_161/2025 vom 13. August 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer 2C_161/2025 vom 13. August 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_161/2025 vom 13. August 2025

1. Parteien und Gegenstand des Verfahrens

  • Beschwerdeführer: A.__, marokkanischer Staatsangehöriger, geboren 1995. Vertreten durch Rechtsanwältin Chanlika Saxer.
  • Beschwerdegegnerinnen: Staatsrat des Kantons Wallis (Conseil d'État du canton du Valais), Dienststelle für Bevölkerung und Migration des Kantons Wallis (Service de la population et des migrations du canton du Valais).
  • Gegenstand: Rückstufung einer Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) in eine Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis).
  • Vorinstanz: Kantonsgericht Wallis, Cour de droit public, Urteil vom 13. Februar 2025.

2. Sachverhalt und Verfahrensgang

A.__ reiste 2001 in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. Am 10. Oktober 2005 wurde ihm eine Niederlassungsbewilligung erteilt, die zuletzt bis zum 30. September 2023 verlängert wurde.

Seine strafrechtliche Vorgeschichte ist lang und gravierend: * Jugendstrafen (2011-2013): Zwischen dem 25. Januar 2011 und dem 16. Oktober 2013 wurde A._ als Minderjähriger fünfmal wegen diverser Delikte verurteilt, darunter Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Diebstahl (auch geringfügiger), Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. * Erwachsenenstrafen vor Inkrafttreten des AIG 2019: * 13. Juni 2016: Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 CHF (teilbedingt mit 3 Jahren Probezeit) und einer Busse von 1'000 CHF durch die Staatsanwaltschaft Wallis. Delikte: Widerhandlungen gegen das BetmG, Fahren in fahrunfähigem Zustand, missbräuchliche Verwendung von Ausweisen und Kontrollschildern, Fahren ohne Berechtigung, Fahren ohne Haftpflichtversicherung, einfache Körperverletzung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz. * 1. September 2016: Verurteilung zu einer Zusatzgeldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 CHF (teilbedingt mit 3 Jahren Probezeit) wegen Angriffs und versuchten Raubes. * Erste administrative Warnung: Am 25. September 2017 erteilte die kantonale Dienststelle für Bevölkerung und Migration A._ eine erste Warnung und wies darauf hin, dass eine weitere strafrechtliche Verurteilung die Rückstufung seiner Niederlassungsbewilligung zur Folge haben könnte. * Weitere Erwachsenenstrafen vor Inkrafttreten des AIG 2019: * 7. Juni 2018: Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 CHF (davon 90 Tagessätze unbedingt, der Rest bedingt mit 4 Jahren Probezeit) und einer Busse von 300 CHF wegen Tätlichkeiten und Raubes. Das Strafgericht verzichtete explizit auf eine Landesverweisung. * Zweite administrative Warnung: Am 10. Oktober 2018 erfolgte eine zweite Warnung durch die Dienststelle. * Erwachsenenstrafen nach Inkrafttreten des AIG 2019: * 21. April 2020: Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 CHF und einer Busse von 500 CHF wegen einfacher Verkehrsregelverletzung, qualifizierter Trunkenheit am Steuer, Fahren ohne Berechtigung, Fahren ohne Fahrzeugausweis und Fahren ohne Haftpflichtversicherung. * 18. Januar 2022: Eröffnung einer Untersuchung wegen eines schweren BetmG-Delikts (Art. 19 Abs. 2 BetmG), worauf A._ in Untersuchungshaft genommen wurde. * Wirtschaftliche Situation: A._ bezog von Juni 2014 bis Dezember 2015 Sozialhilfeleistungen (19'602.25 CHF). Gemäss Betreibungsauszug vom 29. April 2024 bestehen keine Betreibungen oder Verlustscheine. Seit dem 1. März 2023 übt er eine Erwerbstätigkeit als Hilfsmonteur aus und gibt an, eine Ausbildung zum Gesundheitsassistenten zu absolvieren. * Rückstufungsentscheid: Mit Entscheid vom 3. März 2023 widerrief die kantonale Dienststelle die Niederlassungsbewilligung von A._ und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung mit der Auflage, dass er sich keiner weiteren strafrechtlichen Verurteilung schuldig machen dürfe. * Neueste und schwerwiegendste Verurteilung (strafrechtlich): Am 18. Dezember 2023 verurteilte das Bezirksgericht Martigny und St-Maurice A._ zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten (teilbedingt mit 14 Monaten Probezeit) und einer Busse von 1'000 CHF wegen schwerer Widerhandlungen gegen das BetmG (gewerbsmässiges und bandenmässiges Verbrechen gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. b und c in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. a, b, c, d BetmG). Zudem wurde eine Landesverweisung von fünf Jahren gemäss Art. 66a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil hat A._ Berufung eingelegt, die noch hängig ist. Die im erstinstanzlichen Urteil festgestellten Sachverhalte wurden von A._ jedoch zugestanden. * Administratives Beschwerdeverfahren: Der Staatsrat des Kantons Wallis wies die Beschwerde von A.__ gegen den Rückstufungsentscheid am 31. Juli 2024 ab. Das Kantonsgericht Wallis bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 13. Februar 2025.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht von Amtes wegen, die Verletzung von Grundrechten nur, wenn dies explizit gerügt und begründet wurde (Art. 95 lit. a und b, Art. 106 Abs. 1 und 2 BGG). Der Sachverhalt wird grundsätzlich aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz beurteilt, es sei denn, diese wurden offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder rechtsverletzend festgestellt (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

3.1. Keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung Der Beschwerdeführer rügte Willkür in der Sachverhaltsfeststellung, da das Kantonsgericht seine aktuelle Situation und insbesondere die Verurteilung vom 18. Dezember 2023 nicht berücksichtigt und ihm somit das Einhalten der Bedingung ("keine weiteren Verurteilungen") verunmöglicht habe. Das Bundesgericht weist diese Rüge zurück. Die Vorinstanz habe die aktuelle Situation und die erwähnte Verurteilung sehr wohl in die Beurteilung einbezogen. Die Konsequenzen dieser Verurteilung für die Rückstufung seien eine Rechtsfrage, keine Sachverhaltsfrage.

3.2. Rückstufung der Niederlassungsbewilligung nach Art. 63 Abs. 2 AIG

Die Kernfrage ist, ob die Voraussetzungen für die Rückstufung der Niederlassungsbewilligung nach Art. 63 Abs. 2 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) erfüllt sind und ob die Massnahme verhältnismässig ist.

3.2.1. Rechtsgrundlagen und Integrationskriterien * Art. 63 Abs. 2 AIG: Seit dem 1. Januar 2019 kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen und durch eine Aufenthaltsbewilligung ersetzt werden, wenn der Ausländer die Integrationskriterien gemäss Art. 58a Abs. 1 AIG nicht (mehr) erfüllt. * Integrationskriterien (Art. 58a Abs. 1 AIG): Dazu gehören die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (lit. a) sowie die Teilnahme am Wirtschaftsleben (lit. d). * Konkretisierung in der VZAE: Art. 77a Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Ausübung einer Erwerbstätigkeit (VZAE) präzisiert die Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn die Person Rechtsvorschriften oder Behördenentscheide verletzt (lit. a) oder öffentlichen oder privaten Verpflichtungen nicht nachkommt (lit. b). Art. 77e VZAE definiert die Teilnahme am Wirtschaftsleben als Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu decken und Unterhaltspflichten zu erfüllen. * Grundsatzentscheide des Bundesgerichts: Eine erfolgreiche Integration bedeutet nicht zwingend eine makellose Erwerbsbiografie, sondern primär die Selbstversorgung (keine Sozialhilfe, keine übermässige Verschuldung). Geringfügige strafrechtliche Verurteilungen schliessen Integration nicht per se aus, umgekehrt ist die blosse Abwesenheit von Straftaten kein ausreichender Nachweis. Die Integration ist in einer umfassenden Würdigung der Umstände zu beurteilen (vgl. BGE 148 II 1 E. 4.3.2 ff.; 149 I 207 E. 5.3.1 f.).

3.2.2. Voraussetzungen der Rückstufung und Verhältnis zur strafrechtlichen Landesverweisung * Die Rückstufung kann bereits bei einem "Integrationsdefizit" erfolgen, es muss kein Widerrufsgrund im Sinne einer schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. * Der Verzicht des Strafgerichts auf eine Landesverweisung (Art. 66a Abs. 2 oder 66a bis StGB) hindert die administrative Behörde nicht, die Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 63 Abs. 2 AIG zurückzustufen, selbst wenn diese auf den gleichen Straftaten basiert. Dies steht nicht im Widerspruch zu Art. 63 Abs. 3 AIG (vgl. BGE 148 II 1 E. 4.3.2).

3.2.3. Rückwirkungsverbot und Relevanz früherer Taten * Anwendbarkeit auf Altbewilligungen: Art. 63 Abs. 2 AIG ist auch auf Niederlassungsbewilligungen anwendbar, die vor dem 1. Januar 2019 (also unter dem alten Ausländergesetz) erteilt wurden (BGE 148 II 1 E. 2.3.1). * Beachtung des Rückwirkungsverbots: Aufgrund des Rückwirkungsverbots muss sich die Rückstufung aber primär auf Sachverhalte stützen, die nach dem 1. Januar 2019 stattgefunden oder sich nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt haben (BGE 148 II 1 E. 5.3). Das Integrationsdefizit muss aktuell und von einer gewissen Bedeutung sein. Vor dem 1. Januar 2019 erfolgte Taten können jedoch zur Bewertung der neuen Situation im Lichte der alten herangezogen werden.

3.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall

3.3.1. Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung * Das Bundesgericht bestätigt die Einschätzung der Vorinstanz, wonach A._ seit fast 15 Jahren die Strafjustiz beschäftigt und eine "chronische Delinquenz" aufweist. * Wesentliche, nach dem 1. Januar 2019 erfolgte oder sich fortsetzende Taten: * Die Verurteilung vom 21. April 2020 wegen mehrfacher Strassenverkehrsdelikte erfolgte klar nach Inkrafttreten des AIG. * Die Fakten, die der Verurteilung vom 18. Dezember 2023 (schwere gewerbsmässige und bandenmässige BetmG-Verbrechen mit einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten) zugrunde liegen, wurden vom Beschwerdeführer zugestanden und ereigneten sich vor dem Rückstufungsentscheid. Sie können daher bei der Beurteilung des Integrationsdefizits herangezogen werden, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. * Trotz zweier ausdrücklicher administrativer Warnungen und teilbedingter Strafen durch die Strafbehörden setzte A._ seine deliktische Tätigkeit fort. Die Delinquenz hat sich sogar verstärkt, von einfachem Drogenkonsum über den Verkauf für Dritte bis zur Organisation eines eigenen Drogenhandels. * Fazit: Die Feststellung eines Integrationsdefizits im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Art. 58a Abs. 1 lit. a AIG) ist rechtmässig. Das Rückwirkungsverbot wurde nicht verletzt, da die Rückstufung nicht ausschliesslich auf vor 2019 liegenden Taten basiert, sondern auf aktuellen und sich fortsetzenden Delikten.

3.3.2. Teilnahme am Wirtschaftsleben * A._ übt eine Erwerbstätigkeit aus und hat keine Schulden, was grundsätzlich positiv wäre. Das Kantonsgericht stellte jedoch fest, dass er seinen Lebensstil teilweise durch strafbare Handlungen finanziert hat. * Fazit: Die wirtschaftliche Integration hat in der Gesamtwürdigung der Situation von A._ einen neutralen Einfluss.

3.3.3. Rüge der "versteckten Aufhebung" der Aufenthaltsbewilligung * A.__ argumentiert, er sei Opfer einer "versteckten Aufhebung" seines Aufenthaltsrechts, da er die Bedingung, keiner neuen Verurteilung zu unterliegen, nicht erfüllen könne, solange sein Berufungsverfahren gegen das Urteil vom 18. Dezember 2023 hängig sei. * Das Bundesgericht weist dies zurück: Die Vorinstanz hat die genannte Verurteilung bereits in ihre Würdigung einbezogen, als sie die Rückstufung der Niederlassungsbewilligung anordnete. Sollte diese Verurteilung in der Berufung bestätigt werden, würde sie nicht als "neue Verurteilung" gelten, die eine erneute Widerrufung der bereits erteilten Aufenthaltsbewilligung rechtfertigen könnte.

3.4. Verhältnismässigkeit der Massnahme

  • Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV): Wie jeder staatliche Akt muss auch die Rückstufung dem Verhältnismässigkeitsprinzip genügen (Eignung, Erforderlichkeit, Verhältnismässigkeit im engeren Sinne). Ein blosses Warnung wäre das mildere Mittel.
  • Anwendung auf den Fall:
    • A.__ setzte sein deliktisches Verhalten trotz zweier administrativer Warnungen und teilbedingter Strafen fort. Eine dritte Warnung wäre daher nicht ausreichend.
    • Die Rückstufung hindert ihn nicht daran, in der Schweiz zu bleiben, seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen oder eine Ausbildung zu absolvieren.
    • Er kann nach fünf Jahren, sofern er die Integrationsanforderungen erfüllt, erneut eine Niederlassungsbewilligung beantragen (Art. 34 AIG).
  • Fazit: Die Massnahme ist verhältnismässig.
  • Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung: Die vom Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung (BGer 2C_48/2021 vom 16. Februar 2022), wonach eine vor 2019 erteilte Warnung im Rahmen einer Rückstufung nicht zwingend berücksichtigt werden kann, wird als nicht einschlägig befunden. Jener Fall betraf eine Person, die nach Sozialhilfebezug und Warnungen eine Niederlassungsbewilligung erhielt und bei erneuter Sozialhilfeabhängigkeit eine neue Warnung benötigte, bevor die Rückstufung erfolgte. Der vorliegende Fall ist anders gelagert, da die fortgesetzte, schwerwiegende Delinquenz entscheidend ist.

4. Ergebnis

Das Bundesgericht weist die Beschwerde vollumfänglich ab. Die Gerichtsgebühren werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Rückstufung der Niederlassungsbewilligung: Das Bundesgericht bestätigt die Rückstufung der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers in eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund eines massiven Integrationsdefizits.
  • Chronische Delinquenz: A.__ hat eine lange und sich steigernde strafrechtliche Vorgeschichte mit schwerwiegenden Delikten (insbesondere Drogendelikte, Raub, Körperverletzung, Verkehrsdelikte).
  • Relevanz von Taten nach 2019: Der Rückstufungsentscheid stützt sich primär auf Delikte, die nach dem 1. Januar 2019 begangen oder fortgesetzt wurden, insbesondere eine Verurteilung von 2020 und die zugestandenen Fakten eines schweren Drogendelikts von 2023 (trotz noch nicht rechtskräftigem Urteil).
  • Keine Verletzung des Rückwirkungsverbots: Vor 2019 begangene Taten wurden lediglich zur Kontextualisierung der aktuellen Situation herangezogen.
  • Missachtung von Warnungen: Der Beschwerdeführer setzte sein deliktisches Verhalten trotz zweier administrativer Warnungen und bedingter Strafen fort.
  • Verhältnismässigkeit: Die Rückstufung wird als verhältnismässig erachtet, da weitere Warnungen angesichts der wiederholten Delinquenz nicht ausreichen und die Massnahme den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und Ausbildung in der Schweiz weiterhin ermöglicht. Eine erneute Beantragung einer Niederlassungsbewilligung ist nach fünf Jahren möglich.
  • Bedeutung der laufenden Berufung: Die pendente Berufung gegen die Verurteilung von 2023 macht die Bedingung für die Aufenthaltsbewilligung ("keine weiteren Verurteilungen") nicht hinfällig, da diese Verurteilung bereits bei der Rückstufung berücksichtigt wurde und somit keine "neue" Verurteilung wäre.