Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_120/2025 vom 25. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (9C_120/2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 9C_120/2025 vom 25. August 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der 1968 geborenen A.__ gegen einen Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Januar 2025 zu befinden. Streitgegenstand war die Zulässigkeit und Rechtmässigkeit einer von der Invalidenversicherung (IV-Stelle des Kantons St. Gallen) angeordneten medizinischen polydisziplinären Verlaufsbegutachtung, welche beim bereits zuvor mandatierten ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH durchgeführt werden sollte. Die Beschwerdeführerin wehrte sich primär gegen die Wahl der Begutachtungsstelle, basierend auf dem Vorwurf der Befangenheit der Gutachter und der geltend gemachten Gefahr einer Retraumatisierung.

2. Sachverhaltsübersicht

Die Beschwerdeführerin meldete sich 2007 erstmals wegen Rückenbeschwerden bei der IV an. Nach anfänglicher Ablehnung und einer Rückweisung durch das kantonale Versicherungsgericht (2011) verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf Leistungen 2013 erneut, gestützt auf ein Gutachten der BEGAZ GmbH, welches eine 25%ige Leistungseinschränkung in einer adaptierten Tätigkeit annahm. Das kantonale Gericht bestätigte diese Verfügung 2015.

Im Oktober 2014 meldete sich A.__ wegen einer Gesundheitsverschlechterung erneut an. Versuche, eine polydisziplinäre Verlaufsbegutachtung einzuholen, scheiterten mehrfach (Operationen, instabiler Gesundheitszustand). Im September 2019 stellte die IV-Stelle zum dritten Mal ein polydisziplinäres Gutachten in Aussicht und beauftragte das ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH. Die Beschwerdeführerin verlangte eine andere Begutachtungsstelle, berief sich auf Presseberichte über das ABI und die angebliche Unzulänglichkeit der vorgeschlagenen Gutachter. Die IV-Stelle hielt jedoch an der Beauftragung des ABI fest.

Das ABI-Gutachten vom 27. Oktober 2020 kam zum Schluss, dass die bisherigen Tätigkeiten der Versicherten aufgrund chronischer Schmerzsyndrome und multifaktoriellen Schwindels nicht mehr zumutbar seien, jedoch seit 2014 eine Arbeits- und Leistungsfähigkeit von 80 % in einer leidensangepassten Tätigkeit bestehe. Kurz nach dem Gutachten erfolgte im Oktober 2020 eine fürsorgerische Unterbringung (FU) der Versicherten. Es folgten weitere Operationen (Halswirbelsäule 2021) und stationäre Behandlungen.

Nach einem Aufbautraining (April 2022 bis April 2023), bei dem das Arbeitspensum in geschütztem Rahmen auf maximal 30 % gesteigert werden konnte, lehnte die IV-Stelle weitere berufliche Massnahmen ab. Im September 2023 kündigte die IV-Stelle eine erneute umfassende medizinische Verlaufsuntersuchung durch das ABI an. Die Beschwerdeführerin widersprach vehement. Sie gab an, die letzte ABI-Begutachtung als unfreundlich und erniedrigend erlebt zu haben, das erste Gutachten weise schwere Mängel auf und eine erneute Begutachtung durch das ABI sei unzumutbar. Ihr Hausarzt, Dr. med. D._, unterstützte diese Position und verwies auf das erhöhte Risiko einer Retraumatisierung und depressiven Episode, da die Versicherte die frühere Begutachtung als traumatisierend erlebt habe und bereits jetzt unter Druck- und Unruhegefühlen leide. Die IV-Stelle hielt an ihrer Anordnung fest und verwies auf die Akkreditierung des ABI und das Fehlen von Ausstandsgründen. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde der A._ ab, soweit es darauf eintrat.

3. Rechtliche Problematik und Vorbringen der Parteien vor Bundesgericht

Die Beschwerde an das Bundesgericht richtete sich gegen einen Zwischenentscheid gemäss Art. 92 f. BGG, da es um die Anordnung einer Administrativbegutachtung ging. Ein solcher Entscheid kann grundsätzlich nur vor Bundesgericht getragen werden, wenn es um den Ausstand einer sachverständigen Person geht (Art. 92 Abs. 1 BGG) oder ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).

Die Beschwerdeführerin machte geltend: * Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liege vor, da eine erneute Begutachtung durch das ABI eine Retraumatisierung und damit eine gesundheitliche Verschlechterung drohe, gestützt auf das Schreiben ihres Hausarztes. * Es bestünden Ausstands- bzw. Befangenheitsgründe gegen die ABI-Gutachter. Sie fühlte sich durch die Gutachter, insbesondere den Neurologen, abwertend behandelt. Als Beispiel nannte sie die Beschreibung ihres Ganges als "grotesk" im Gutachten, was sie als herabwürdigend empfand. Weitere Einwände betrafen die angebliche Negierung eines PICA-Infarktes und das Nicht-Sichten von mitgebrachten Bildern.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde.

4.1. Zulässigkeit – Nicht wieder gutzumachender Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG)

Das Bundesgericht hielt fest, dass aus dem Vorbringen einer versicherten Person, wonach im Falle einer medizinischen Begutachtung eine gesundheitliche Verschlechterung (Dekompensation oder Retraumatisierung) drohe, regelmässig kein nicht wieder gutzumachender rechtlicher Nachteil abzuleiten ist (Verweis auf BGE 143 V 19 E. 1.2; Urteile 9C_560/2018 E. 1.4; 9C_922/2015 E. 2). Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine Begutachtung medizinisch verantwortbar ist, ist von den ärztlichen Sachverständigen zu beantworten. Insbesondere bei drohender psychischer Verschlechterung sei von einem psychiatrischen Gutachter zu erwarten, dass er dies erkenne und entsprechend reagiere.

Die Argumentation des Hausarztes Dr. med. D._, wonach die Versicherte die erste ABI-Begutachtung als traumatisierend erlebt habe und eine Retraumatisierung drohe, wurde vom Bundesgericht relativiert. Es wurde festgestellt, dass Dr. D._ die Versicherte zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung noch nicht in Behandlung hatte (Behandlungsbeginn fast zwei Jahre später) und seine Aussage primär auf den Berichten der Versicherten basierte. Zudem gelte, dass Hausärzte aufgrund des Vertrauensverhältnisses im Zweifel eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (Verweis auf BGE 125 V 351 E. 3b/cc). Der von der Beschwerdeführerin und dem Hausarzt nahegelegte Zusammenhang zwischen der fürsorgerischen Unterbringung im Herbst 2020 und negativen Erfahrungen während der ABI-Erstbegutachtung erschien dem Bundesgericht nach den für es verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) nicht überwiegend wahrscheinlich.

Folglich wurde ein nicht wieder gutzumachender Nachteil verneint.

4.2. Zulässigkeit – Befangenheit / Ausstand der Gutachter (Art. 92 Abs. 1 BGG)

Auf die Beschwerde wurde jedoch eingetreten, soweit sie sich auf die Befangenheit bzw. den Ausstand der ABI-Gutachter bezog. Das Bundesgericht präzisierte, dass ein pauschales Ausstandsbegehren gegen das ABI als Institution unzulässig sei; es müsse sich auf konkrete Umstände und Personen beziehen (Verweis auf BGE 137 V 210 E. 1.3.3).

  • Irrelevante Vorbringen: Diverse Rügen der Beschwerdeführerin, die eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren oder eine inhaltliche Beurteilung der Beweiskraft des ersten ABI-Gutachtens vom 27. Oktober 2020 betrafen, wurden als am Streitgegenstand vorbeigehend abgewiesen. Diese Fragen seien im Rahmen des Hauptverfahrens zu prüfen, nicht in diesem Zwischenentscheid.

  • Frühere Begutachtung: Die blosse Tatsache, dass die ABI-Gutachter im Jahr 2020 bereits einmal eine Begutachtung durchgeführt hatten, begründe für sich allein nicht den Anschein der Befangenheit. Entscheidend sei, dass das Ergebnis der zusätzlich geforderten Verlaufsbegutachtung, die die Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse zum Gegenstand habe, nach wie vor als offen und nicht vorbestimmt erscheine (Verweis auf BGE 132 V 93 E. 7.2.2). Dies unterscheide sich von Fällen, in denen Sachverständige die Schlüssigkeit ihrer früheren Beurteilung überprüfen oder objektiv kontrollieren müssten.

  • "Grotesker Gang" als Befangenheitsgrund: Dies war der Kernpunkt der Befangenheitsrüge. Die Beschwerdeführerin empfand die Bezeichnung ihres Ganges als "grotesk" durch den Neurologen als abwertend.

    • Das Bundesgericht stellte klar, dass der Neurologe festhielt, die Versicherte nehme beim Unterberger Tretversuch eine "breitbeinigere, zuletzt fast etwas grotesk wirkende Position" ein.
    • Entscheidend ist hier die Begründung des Gerichts: Der Ausdruck "groteskes Gangbild" werde von medizinischen Fachpersonen objektiv beschreibend verwendet, um ein deutlich abnormes, unkoordiniertes Gangbild darzustellen, beispielsweise im Sinne eines stark asymmetrischen Bewegungsmusters (Verweis auf medizinische Lexika und frühere SVR-Urteile). Da dieser Ausdruck im medizinischen Kontext mithin objektiv beschreibend und nicht abwertend verwendet werde, vermöge er keine Befangenheit zu begründen.
  • Weitere Einwände: Die weiteren von der Beschwerdeführerin genannten Umstände (Negierung des PICA-Infarktes, Nicht-Sichten der Bilder) wurden vom kantonalen Gericht bereits eingehend behandelt und als nicht geeignet zur Begründung einer Befangenheit beurteilt, was das Bundesgericht bestätigte.

  • Subjektives Empfinden: Das subjektive Gefühl der Beschwerdeführerin, nicht ernst genommen bzw. abfällig behandelt worden zu sein, konnte anhand der Akten nicht objektiviert werden. Der Verzicht des kantonalen Gerichts auf eine persönliche Befragung wurde als zulässige antizipierte Beweiswürdigung erachtet, die das Willkürverbot (Art. 9 BV) nicht verletze.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie eine Voreingenommenheit der ABI-Gutachter verneinte und die von der IV-Stelle angeordnete Verlaufsbegutachtung beim ABI als rechtens beurteilte. Die Beschwerde wurde somit abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde gegenstandslos. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Zwischenentscheid und Zulässigkeit: Die Beschwerde richtete sich gegen die Anordnung einer Administrativbegutachtung (Zwischenentscheid). Das Bundesgericht trat nur insoweit darauf ein, als es um die Frage des Ausstands/der Befangenheit der Gutachter ging (Art. 92 Abs. 1 BGG).
  2. Kein irreparabler Nachteil: Das Risiko einer Retraumatisierung oder gesundheitlichen Verschlechterung infolge einer Begutachtung stellt gemäss ständiger Rechtsprechung keinen irreparablen rechtlichen Nachteil dar. Die medizinische Einschätzung des Hausarztes wurde in diesem Kontext relativiert.
  3. Keine Befangenheit der Gutachter:
    • Die blosse Tatsache einer früheren Begutachtung durch dasselbe Institut begründet bei einer Verlaufsbegutachtung, deren Ergebnis offen ist, keine Befangenheit.
    • Die Bezeichnung eines Gangbildes als "grotesk" durch einen Neurologen ist ein objektiver medizinischer Fachausdruck und wurde vom Gericht nicht als abwertend oder befangenheitsbegründend angesehen.
    • Weitere subjektive Empfindungen der Beschwerdeführerin konnten nicht objektiviert werden und begründeten ebenfalls keine Befangenheit.
  4. Endentscheid: Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und bestätigte die Rechtmässigkeit der Anordnung der Verlaufsbegutachtung durch das ABI.