Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_180/2025 vom 11. Juli 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (5A_180/2025 vom 11. Juli 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsentscheids 5A_180/2025

1. Parteien und Streitgegenstand: Die Beschwerdeführerin, A._ & B._ Sàrl (in Nachlassliquidation), rekurriert gegen einen Entscheid der Genfer Kantonalen Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter. Streitgegenstand ist die Ansetzung einer Frist zur Klageerhebung gemäss Art. 107 Abs. 5 SchKG im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens sowie die Sistierung dieses Verfahrens. Der Schuldner, A.__ (Geschäftspartner der Beschwerdeführerin), ist Gegenstand zahlreicher Betreibungen.

2. Sachverhaltliche Ausgangslage: Das kantonale Betreibungsamt Genf pfändete im Rahmen von Betreibungen gegen A._ verschiedene Vermögenswerte, darunter Forderungen gegenüber Dritten (Notar T1._, Justizfinanzdienstleistungen), einen Erbanteil und im Grundbuch eingetragene Immobilien. Auffallend ist, dass die meisten dieser gepfändeten Vermögenswerte bereits in den Jahren 2014 und 2015 im Rahmen eines gegen A._ und B._ gerichteten Strafverfahrens (P/2880/2013) strafrechtlich beschlagnahmt worden waren.

Die Beschwerdeführerin machte im April 2022 geltend, einen Teil dieser gepfändeten und strafrechtlich beschlagnahmten Vermögenswerte als ihr Eigentum zu beanspruchen. Sie beantragte die Sistierung des betreibungsrechtlichen Widerspruchsverfahrens gemäss Art. 106 ff. SchKG, bis die Eigentums- oder Berechtigungsfrage im laufenden Strafverfahren abschliessend geklärt sei. Eventualiter verlangte sie die Anwendung von Art. 108 SchKG, da ihre Rechte als wahrscheinlicher erscheinen würden.

Das Betreibungsamt informierte die Gläubiger über die Widersprüche und kündigte die Absicht an, der Beschwerdeführerin eine Frist zur Klageerhebung nach Art. 107 Abs. 5 SchKG anzusetzen. Dies führte zu weiteren Beschwerden der Sàrl bei der Aufsichtsbehörde, insbesondere gegen die implizite Ablehnung der Sistierung.

Im parallellaufenden Strafverfahren P/2880/2013 hatte das Genfer Strafgericht im Oktober 2021 die Anträge der Sàrl auf Aufhebung der Beschlagnahmungen und Rückgabe von Geldern abgewiesen, mit der Begründung, die Vermögenswerte gehörten A._ und B._ persönlich. Das kantonale Berufungsgericht bestätigte dies im Januar 2023, wobei es die Finanzberichte der Sàrl nicht als ausreichendes Eigentumsnachweis betrachtete. Das Bundesgericht hob dieses Urteil jedoch im März 2023 (6B_253/2023) aus prozeduralen Gründen (Nichtvorliegen der Voraussetzungen für ein schriftliches Verfahren) auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Schliesslich setzte das Betreibungsamt im Januar 2024 der Beschwerdeführerin eine 20-tägige Frist gemäss Art. 107 Abs. 5 SchKG zur Klageerhebung an. Die dagegen erhobene Beschwerde der A._ & B._ Sàrl bei der kantonalen Aufsichtsbehörde wurde im November 2024 (notifiziert im Februar 2025) in den Punkten Sistierung und Zirkularbrief als unzulässig erklärt, im Hauptpunkt der Fristansetzung nach Art. 107 Abs. 5 SchKG jedoch als zulässig, aber in der Sache abgewiesen. Die Aufsichtsbehörde bestätigte die Rechtmässigkeit der Ansetzung der Klagefrist für die Beschwerdeführerin.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:

3.1. Zulässigkeit des Rekurses und Prüfungsraster: Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen den Endentscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft aber nur gerügte Rechtsverletzungen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Eine Verletzung von Grundrechten (wie Willkür nach Art. 9 BV) wird nur geprüft, wenn sie ausdrücklich und detailliert gerügt wurde (Art. 106 Abs. 2 BGG). Sachverhaltsfeststellungen sind grundsätzlich bindend (Art. 105 Abs. 1 BGG) und können nur bei offensichtlich unrichtiger oder willkürlicher Feststellung korrigiert werden (Art. 105 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 BGG).

3.2. Sistierungsbegehren und Art. 92 SchKG: Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung von Art. 17 und Art. 92 SchKG, da die Aufsichtsbehörde nicht auf ihre Sistierungsbegehren eingetreten sei. Das Bundesgericht hält fest, dass die Weiterführung des Verfahrens durch das Betreibungsamt trotz der Sistierungsanträge eine implizite Ablehnung oder einen Entscheid darstellt. Da die Aufsichtsbehörde jedoch in der Sache über die Klagefristansetzung entschieden hat, werden die früheren Sistierungsbegehren als gegenstandslos erachtet. Das Bundesgericht betont, dass der Streit nur die Verteilung der Klägerrolle im Widerspruchsverfahren betrifft, nicht die materielle Rechtslage. Es bestehe kein Risiko widersprüchlicher Urteile, da die Begehren nicht identisch seien. Eine allfällige Sistierung der materiellen Klage obliegt dem Zivilrichter, nicht dem Betreibungsamt.

Den Vorwurf der Verletzung von Art. 92 SchKG (Schutz des Schuldners vor Pfändung bestimmter Güter) weist das Bundesgericht als unzulässig zurück. Diese Bestimmung schützt den Schuldner, nicht aber einen Dritten, der Eigentumsansprüche geltend macht. Die Argumentation der Beschwerdeführerin verkennt den Zweck des Widerspruchsverfahrens, das eben die Klärung von Drittansprüchen auf gepfändete Güter bezweckt.

3.3. Verteilung der Klägerrolle im Widerspruchsverfahren (Art. 107 Abs. 5 vs. Art. 108 SchKG) – Das "wahrscheinlichere Recht":

a) Grundlagen des Widerspruchsverfahrens: Das Widerspruchsverfahren nach Art. 106 ff. SchKG dient dazu, einem Dritten, der ein besseres Recht an einem gepfändeten Vermögenswert beansprucht, die Möglichkeit zu geben, diesen der Zwangsvollstreckung zu entziehen oder seine Rechte im Verfahren zu berücksichtigen. Die einzige Frage, die hierbei zu entscheiden ist, ist, ob der streitige Gegenstand im laufenden Verfahren verwertet werden kann oder aus der Pfändung freizugeben ist.

Bei strittigen Forderungen (nicht Wertpapieren) entscheidet nicht der Besitz, sondern die grösste Wahrscheinlichkeit des materiellen Rechts über die Verteilung der Klägerrolle (Art. 107 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 5 SchKG vs. Art. 108 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 SchKG). Massgebend ist, wer – der betriebene Schuldner oder der widersprechende Dritte – mit grösster Wahrscheinlichkeit der Gläubiger ist oder am besten über die Forderung verfügen bzw. sie ausüben kann (z.B. aufgrund einer gültigen Abtretung). Der massgebende Zeitpunkt für diese Beurteilung ist der Zeitpunkt der Pfändung. Die Pfändung schränkt die Verfügungsbefugnis des Schuldners ein; ohne Zustimmung des Betreibungsamtes sind Verfügungen gegenüber den Pfändungsgläubigern unwirksam, soweit deren Rechte verletzt werden.

b) Anwendung auf den vorliegenden Fall: Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin weder sachverhaltlich noch rechtlich überzeugend ist. Sie vermag nicht glaubhaft zu machen – und erst recht nicht die Willkür der gegenteiligen Feststellung der Vorinstanz darzulegen –, dass sie nach der strafrechtlichen Beschlagnahme der Gelder durch die Staatsanwaltschaft und ohne Aufhebung dieser Beschlagnahme Gläubigerin der gepfändeten Forderungen gegenüber den Drittschuldnern geworden sei.

  • Ursprung der Gelder: Es ist unbestritten, dass die im Strafverfahren beschlagnahmten und später gepfändeten Gelder aus dem Verkauf von Immobilien stammten, die dem Schuldner A.__ (und seinem Partner) persönlich gehörten.
  • Strafrechtliche Beschlagnahme: Die strafrechtliche Beschlagnahme ist eine vorsorgliche Massnahme, die dem Betroffenen vorübergehend die Verfügungsbefugnis entzieht.
  • "Ersatzmassnahmen" im Strafverfahren: Die von der Beschwerdeführerin erwähnte strafprozessuale Anordnung vom 20. November 2014, in der sich A.__ und sein Partner verpflichteten, der Sàrl Beträge zu zahlen und ihre Schulden mit ihren Immobilien zu sichern, enthielt weder einen Zahlungsbefehl an die Drittschuldner zugunsten der Sàrl noch eine Abtretung von Forderungen des Schuldners an die Sàrl bezüglich dieser spezifischen, hier gepfändeten Beträge. Es wurde auch nicht glaubhaft gemacht, dass die strittigen Gelder durch eine solche Abtretung zum Zeitpunkt der Pfändung bereits der Beschwerdeführerin zustanden.
  • Fehlende Aufhebung der Beschlagnahme: Die Beschwerdeführerin legt keine Aufhebung der Beschlagnahme für die zum Zeitpunkt der Pfändung streitigen Forderungen vor, die eine Zahlung oder Abtretung zugunsten der Sàrl ermöglicht hätte. Dies wird dadurch unterstrichen, dass die Sàrl im Strafverfahren weiterhin die Aufhebung der Beschlagnahmen beantragt.
  • Erklärungen der Drittschuldner: Der Notar T1._ erklärte im Juli 2022 gegenüber der Justiz ausdrücklich, Vermögenswerte "im Besitz von A._ und/oder B._, die von der Staatsanwaltschaft bei [ihm] beschlagnahmt wurden", zu halten. Eine spätere Ergänzung, die auf eine "Abstimmung der Konten zwischen A._ & B._ Sàrl und den Partnern" hinwies, erfolgte im Konditionalis und zog keine rechtliche Konsequenz auf die Inhaberschaft der Forderung gegenüber dem Notar. Auch die Justizfinanzdienstleistungen bestätigten, Gelder "von A._" zu halten.
  • Fazit zum wahrscheinlichen Recht: Die Beschwerdeführerin macht bestenfalls eine Forderung gegen den Schuldner glaubhaft, nicht aber eine Forderung gegen die Drittschuldner. Letztere haben ausdrücklich bestätigt, die Gelder für den betriebenen Schuldner zu halten. Der Schuldner selbst bestritt zum Zeitpunkt der Pfändung nicht, Eigentümer zu sein.

Das Bundesgericht gelangt daher zum Schluss, dass die Vorinstanz die Tatsachen bezüglich des wahrscheinlichen Rechts an den gepfändeten Forderungen nicht willkürlich festgestellt hat. Die Rügen der Beschwerdeführerin werden abgewiesen.

4. Entscheid: Die Beschwerde wird abgewiesen. Die Gerichtskosten von CHF 10'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der A._ & B._ Sàrl ab, welche die Sistierung eines betreibungsrechtlichen Widerspruchsverfahrens und die Anwendung von Art. 108 SchKG (Klageansetzung für Gläubiger) verlangte.

  1. Sistierungsbegehren sind gegenstandslos: Da die Aufsichtsbehörde in der Sache über die Klagefrist entschieden hat, sind frühere Anträge auf Sistierung oder die Rüge von Art. 92 SchKG irrelevant oder unzulässig.
  2. Verteilung der Klägerrolle nach Art. 107 Abs. 5 SchKG ist korrekt: Bei Forderungen ist das Betreibungsamt verpflichtet, die Klägerrolle nach dem wahrscheinlicheren materiellen Recht zu bestimmen.
  3. Kein Nachweis eines "wahrscheinlicheren Rechts" der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass sie zum Zeitpunkt der Pfändung Gläubigerin der strittigen Forderungen gegenüber den Drittschuldnern war.
  4. Herkunft der Gelder entscheidend: Die gepfändeten Gelder stammten aus dem Verkauf von persönlichem Eigentum des Schuldners A.__ und waren strafrechtlich beschlagnahmt.
  5. Keine wirksame Übertragung oder Aufhebung der Beschlagnahme: Die vorgelegten Beweismittel zeigten keine Abtretung der Forderungen an die Beschwerdeführerin oder eine Aufhebung der strafrechtlichen Beschlagnahme zum relevanten Zeitpunkt, die ihre Gläubigerstellung gegenüber den Drittschuldnern begründet hätte.
  6. Willkür verneint: Die Feststellung der Vorinstanz, dass das Recht des betriebenen Schuldners wahrscheinlicher sei, war nicht willkürlich. Die Beschwerdeführerin musste daher gemäss Art. 107 Abs. 5 SchKG eine Forderungsklage erheben.