Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_553/2025 vom 3. September 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (7B_553/2025) Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. Strafrechtliche Abteilung, 7B_553/2025 vom 3. September 2025) befasst sich mit einem Rekurs gegen einen Entscheid des Zwangsmassnahmenrichters des Kantons Tessin betreffend die Entsiegelung elektronischer Unterlagen. Der Beschwerdeführer A._ wehrte sich gegen die Entsiegelung eines bei der in Liquidation befindlichen Gesellschaft B._ SA sichergestellten elektronischen Datenträgers und machte primär die Unverwertbarkeit der Beweismittel aufgrund einer unrechtmässigen Erhebung sowie eine formelle Rechtsverweigerung durch die Vorinstanz geltend.

Sachverhalt und Verfahrensablauf

Das Ministerium Publico della Confederazione (MPC, Bundesanwaltschaft) führt seit dem 6. August 2024 ein Strafverfahren gegen A._. Ihm wird vorgeworfen, über die Gesellschaft B._ SA (deren alleiniger Verwalter und später Liquidator er war) unerlaubt mit Software für Internet- und Mobilkommunikationsüberwachung sowie dazugehöriger Technologie gehandelt, diese vermittelt und exportiert zu haben, ohne die erforderliche Genehmigung des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zu besitzen (Verletzung des Güterkontrollgesetzes, LBDI; RS 946.202).

Im Rahmen dieses Verfahrens delegierte die Bundesanwaltschaft am 8. August 2024 die Bundeskriminalpolizei (PGF) mit der Ausführung einer Herausgabepflicht gemäss Art. 265 StPO. Ziel war die Sicherstellung jeglicher Dokumente im Zusammenhang mit der verdächtigen Tätigkeit bei der B._ SA in Liquidation. Am 29. August 2024 wurde dieser Herausgabeanordnung bei der Gesellschaft nachgekommen, wobei der elektronische Datenträger mit der ID xxx sichergestellt wurde. Bemerkenswert ist, dass A._, der als Liquidator die Gesellschaft vertrat, auf dem anlässlich dieser Sicherstellung erstellten "Durchsuchungsprotokoll" ausdrücklich auf die Anbringung von Siegeln verzichtete und die sofortige Einsichtnahme durch die Ermittler zur Kenntnis nahm.

Trotz dieses Verzichts reichte A.__ am 2. September 2024 persönlich ein Gesuch um Siegelung der "Gesamtheit der übergebenen Informationen und Dokumente" ein. Er behauptete, diese enthielten schützenswerte Geschäfts- und Berufsgeheimnisse. Am 5. September 2024 entsprach die Bundesanwaltschaft diesem Gesuch A.__s – in Anerkennung seiner Stellung als Berechtigter, der ein eigenes Interesse an der Geheimhaltung geltend machen konnte – bezüglich des einzigen sichergestellten elektronischen Datenträgers (ID xxx).

A._ und die B._ SA in Liquidation fochten am 9. September 2024 die Modalitäten der Ausführung der Herausgabeanordnung sowie den Siegelungsentscheid des MPC bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts an. Diese wies die Beschwerden am 24. Oktober 2024 ab, soweit sie darauf eintrat.

Am 23./25. September 2024 stellte die Bundesanwaltschaft beim Zwangsmassnahmenrichter (ZMR) ein Gesuch um Entsiegelung des Datenträgers ID xxx. A.__ erhob am 7. Oktober 2024 Einsprache. Mit Entscheid vom 14. Mai 2025 hiess der ZMR das Entsiegelungsgesuch gut und ordnete die Rückgabe des Datenträgers an die Bundesanwaltschaft nach Rechtskraft an.

Gegen diesen Entscheid legte A.__ Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein. Er beantragte die Abweisung des Entsiegelungsgesuchs und insbesondere festzustellen, dass der Datenträger ID xxx unter Verletzung von Art. 140 Abs. 1 StPO erhoben und absolut unverwertbar gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO sei. Entsprechend sei die Bundesanwaltschaft anzuweisen, diesen Datenträger aus der Akte zu entfernen und gesondert zu verwahren. Zudem beantragte er die Feststellung, dass die Bundeskriminalpolizei ihn bei der Ausführung der Herausgabeanordnung ohne die Belehrungen gemäss Art. 158 Abs. 1 StPO befragt habe und seine allfälligen Erklärungen absolut unverwertbar seien, wobei entsprechende Notizen zu vernichten seien.

Rechtliche Würdigung der Hauptpunkte 1. Prozessuale Zulässigkeit

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde ein, da sie sich gegen einen direkten Entscheid des Zwangsmassnahmenrichters über ein Entsiegelungsgesuch richtet (Art. 78, 80 Abs. 2 i.f. BGG, Art. 248a Abs. 4, 380 und 393 Abs. 1 lit. c StPO). Obwohl es sich um einen Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG handelt, wurde die Frage des irreparablen Nachteils, der bei Entsiegelung von Geheimnissen grundsätzlich gegeben ist, offengelassen, da der Beschwerdeführer auch eine formelle Rechtsverweigerung geltend machte, bei der das Erfordernis des irreparablen Nachteils entfällt. Die Beschwerdelegitimation A.__s als Beschuldigter und Berechtigter (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG) wurde bejaht.

2. Formelle Rechtsverweigerung durch den Zwangsmassnahmenrichter

A.__ rügte eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV), weil der Zwangsmassnahmenrichter seine Rügen betreffend die Modalitäten der Ausführung der Herausgabeanordnung und die fehlenden Belehrungen über seine Verfahrensrechte nicht materiell behandelt habe.

Das Bundesgericht hielt dazu fest, dass die zur Entscheidung über ein Entsiegelungsgesuch berufene Behörde auch sogenannte akzessorische Rügen (wie ungenügende Tatverdachtsmomente, Verhältnismässigkeit oder Rechtmässigkeit des Durchsuchungsbefehls) prüfen muss, wenn sie geltend gemacht werden (vergleiche BGE 151 IV 30 E. 4.3; 142 IV 207 E. 7.1.5). Dies gelte auch für die Herausgabepflicht nach Art. 265 StPO.

Im vorliegenden Fall verneinte das Bundesgericht eine formelle Rechtsverweigerung. Es stellte fest, dass der Zwangsmassnahmenrichter die Rügen des Beschwerdeführers zwar nicht umfassend materiell gewürdigt, aber doch eine eigene Einschätzung vorgenommen hatte, indem er festhielt, die Ausführungsmodalitäten hätten dem Beschwerdeführer keinen Nachteil erwiesen, da er die Siegelung dennoch rechtzeitig beantragen konnte. Zudem habe der Zwangsmassnahmenrichter festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seiner Einsprache keine präzisen Angaben zu den Gründen für die Siegelung und die mangelnde Relevanz für das Verfahren gemacht habe, sondern hauptsächlich seine Kritik an den Ausführungsmodalitäten wiederholt habe. Der Zwangsmassnahmenrichter gelangte aufgrund der Aktenlage selbst zur Erkenntnis, dass genügende und konkrete Verdachtsmomente vorlagen, welche die Sicherstellung rechtfertigten, dass diese verhältnismässig war, dass die Daten für die Untersuchung potenziell nützlich waren und dass keine schutzwürdigen Geheimnisse hinreichend begründet wurden. Die Frage der allfälligen Unverwertbarkeit von Beweismitteln sei zudem grundsätzlich dem Sachgericht im Hauptverfahren vorbehalten.

3. Unrechtmässige Beweiserhebung (Art. 140, 141 StPO)

A.__ machte geltend, er sei über die Herausgabepflicht getäuscht worden, da die Bundeskriminalpolizei die Massnahme unzulässigerweise als Durchsuchung behandelt habe, ohne ihn über sein Recht, die Herausgabe zu verweigern, zu belehren. Die Beweismittel seien daher absolut unverwertbar.

Das Bundesgericht prüfte die rechtlichen Grundlagen: Gemäss Art. 265 Abs. 1 StPO sind Inhaber von Gegenständen oder Vermögenswerten, die sichergestellt oder vorläufig in Verwahrung genommen werden sollen, zur Herausgabe verpflichtet. Eine Ausnahme bilden unter anderem der Beschuldigte selbst (Art. 265 Abs. 2 lit. a StPO) und Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Der Staatsanwalt kann die Herausgabe anordnen und eine Frist setzen, verbunden mit einer Androhung der Strafbarkeit nach Art. 292 StGB oder einer Ordnungsbusse. Die Herausgabepflicht soll dem Empfänger ermöglichen, die Gegenstände oder Werte freiwillig und ohne Zwangsmassnahmen herauszugeben.

Im Rahmen des Entsiegelungsverfahrens wird zwar über die Offenbarung von allfälligen Geheimnissen definitiv entschieden, weshalb materiell-rechtliche Beweisfragen wie das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) oder gesetzliche Sicherstellungshindernisse (Art. 197 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 264 StPO) zu prüfen sind. Eine allgemeine Unverwertbarkeit von Beweismitteln gemäss Art. 140 und 141 StPO soll in diesem Vorverfahrensstadium jedoch nur dann angeordnet werden, wenn die Beweismittel offensichtlich unzulässig sind (BGE 143 IV 387 E. 4.4; 142 IV 207 E. 9.8).

Das Bundesgericht verwarf die Rügen A._s: * Der von der Bundeskriminalpolizei erstellte Rapport betreffend die Ausführung der Herausgabeanordnung bei der B._ SA in Liquidation hielt ausdrücklich fest, dass es sich um eine Herausgabeanordnung und nicht um eine Durchsuchung handelte. A._ hatte diesen Rapport als Vertreter der Gesellschaft gelesen und unterzeichnet und dessen Vollständigkeit und Richtigkeit bestätigt. * Im Protokoll wurde A._ auf die Rechtsmittel und die Möglichkeit der Siegelung hingewiesen. Entscheidend war, dass A._ zunächst ausdrücklich auf die Anbringung von Siegeln verzichtete. Diese Feststellung des Zwangsmassnahmenrichters sei willkürfrei und daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). * A.__s Argumentation, er sei als juristischer Laie durch den Titel "Obbligo di consegna" irregeführt worden und habe die Hinweise in kleiner Schrift nicht beachtet, wurde als appellatorisch zurückgewiesen. * Der Wortlaut von Art. 265 StPO, einschliesslich der Ausnahme für den Beschuldigten (Art. 265 Abs. 2 lit. a StPO), war im Fussnotentext der Herausgabeanordnung vollständig wiedergegeben. A._ wusste somit, dass er als Beschuldigter nicht zur Herausgabe verpflichtet war. Es lag daher keine Täuschung im Sinne von Art. 140 Abs. 1 StPO vor, die zur Unverwertbarkeit der Beweismittel gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO führen würde. * Die Kritik des Beschwerdeführers an der Unmittelbarkeit und Dauer der Massnahme sowie der Bezeichnung als "Durchsuchungsprotokoll" war unerheblich, da er sein Recht zur Verweigerung der Herausgabe nicht ausgeübt hatte und die Siegelung später ohnehin beantragte. Es lag kein derart offensichtlicher Verfahrensmangel vor, der einen Beweismittelausschluss rechtfertigen würde. * Der Vorwurf, die Bundeskriminalpolizei habe ihn ohne die Belehrungen nach Art. 158 Abs. 1 StPO "befragt", wurde ebenfalls als unbegründet erachtet, da keine Anhaltspunkte für solche Erklärungen in den Akten vorlagen.

4. Begründung der Geheimhaltungsinteressen (Art. 248 Abs. 1 StPO)

Das Bundesgericht erinnerte an seine Rechtsprechung, wonach es Sache des Inhabers von gesiegelten Gegenständen ist, im Entsiegelungsverfahren seine Geheimhaltungsinteressen (zumindest glaubhaft) ausreichend zu substanziieren. Kommt er dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, ist der Zwangsmassnahmenrichter nicht gehalten, von Amtes wegen nach materiellen Sicherstellungshindernissen zu suchen (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 und 11).

A.__ hatte die Existenz eines hinreichenden Tatverdachts nicht bestritten und sich auch nicht spezifisch zu den gesiegelten Dokumenten geäussert. Er hatte lediglich deren Unverwertbarkeit aus anderen Gründen behauptet. Er hatte es versäumt, seine prozessuale Pflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG zu erfüllen und seine angeblichen Geheimnisse zumindest glaubhaft zu machen. Auch vor Bundesgericht unterliess er es, seine Geheimhaltungsinteressen darzulegen.

Fazit

Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, vollumfänglich ab. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen die Entsiegelung elektronischer Daten abgewiesen. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer keine formelle Rechtsverweigerung durch den Zwangsmassnahmenrichter nachweisen konnte, da dieser die vorgebrachten Rügen zwar summarisch, aber nicht völlig unbeachtet liess und eigene Feststellungen zur Legitimität und Verhältnismässigkeit der Sicherstellung traf. Die Behauptung einer unrechtmässigen Beweiserhebung wegen Täuschung und fehlender Belehrung wurde ebenfalls zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte ursprünglich auf die Siegelung verzichtet, war über sein Recht zur Verweigerung der Herausgabe als Beschuldigter informiert (Art. 265 Abs. 2 lit. a StPO wurde zitiert) und konnte keinen offensichtlichen Verfahrensfehler nachweisen, der die absolute Unverwertbarkeit der Beweismittel rechtfertigen würde. Schliesslich hatte der Beschwerdeführer seine angeblichen Geheimhaltungsinteressen im Entsiegelungsverfahren nicht hinreichend substanziiert, was nach ständiger Rechtsprechung aber seine Pflicht gewesen wäre.