Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_412/2025 vom 6. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 6B_412/2025 vom 6. August 2025

1. Einleitung und Parteien Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 6. August 2025, Az. 6B_412/2025, betrifft einen Strafsachenrechtsstreit zwischen A._ (Rekurrentin) und dem Ministère public des Kantons Wallis sowie B.B._, C.B._ und D._ (Intimierte). Gegenstand des Rekurses war die Bestätigung der Verurteilung der Rekurrentin wegen Sachbeschädigung (Art. 144 StGB), Nötigung (Art. 181 StGB) und Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahme mit einem Aufnahmegerät (Art. 179quater StGB) durch das Kantonsgericht Wallis.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen

  • Hintergrund: Die Rekurrentin A._ und die Intimierten B.B._, C.B._ (Sohn und Tochter des ursprünglichen Aktionärs F.B._) sowie D._ (Ehemann von C.B._) sind in einem Konflikt um den Zugang zu einem Korridor in einem Mehrparteienhaus (Immeuble E._) in V._. Die Intimierten besitzen das Recht zur Miete des Studios Nr. xxx, das nur über diesen strittigen Korridor zugänglich ist. Die Rekurrentin besitzt die angrenzenden Studios n° yyy bis zzz.
  • Vorgeschichte der Konflikte: Der Verwaltungsrat der E.__ SA hatte die Rekurrentin im April 2021 darauf hingewiesen, dass der fragliche Korridor keinem ausschliesslichen Nutzungsrecht unterliege und jederzeit zugänglich bleiben müsse. Die Rekurrentin hatte in der Vergangenheit bereits Lösungen zur Regelung der Situation (z.B. Tausch oder Kauf der Studios) vorgeschlagen.
  • Strafrechtlich relevante Handlungen:
    • Juni 2021: Die Rekurrentin wechselte den Schliesszylinder der Zugangstür zum Korridor, wodurch die Intimierten keinen Zugang zu ihrem Studio hatten, im Hotel übernachten und einen Schlüsseldienst rufen mussten.
    • Herbst 2021 / März 2022: Die Rekurrentin installierte eine neue, ebenfalls verschlossene Tür. Im März 2022 mussten die Intimierten erneut einen Schlüsseldienst bemühen und stellten die Installation von zwei Überwachungskameras im Korridor fest.
    • April 2022: Die Rekurrentin installierte eine dritte Tür und führte die Überwachung mit Kameras fort.
  • Zivilrechtliche Massnahmen: Im [Monat] 2022 erliess das Bezirksgericht Sierre eine vorsorgliche Massnahme, die die Rekurrentin unter Strafandrohung (Art. 292 StGB) zur sofortigen Wiederherstellung des Zugangs zu Studio Nr. xxx (Entfernung der Tür oder Aushändigung der Schlüssel) verpflichtete und ihr untersagte, den Zugang in irgendeiner Weise zu behindern oder einzuschränken.
  • Urteile der Vorinstanzen:
    • Bezirksgericht Sierre (17. Juli 2023): Freispruch von der Anklage wegen Ungehorsam gegenüber einer amtlichen Verfügung; Verurteilung wegen Sachbeschädigung, Nötigung und Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs; Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 900 Franken bedingt (Probezeit 2 Jahre) und Busse von 1'500 Franken. Zivilrechtliche Forderungen wurden teilweise zugesprochen, teilweise auf den Zivilweg verwiesen.
    • Kantonsgericht Wallis (8. April 2025): Bestätigung des Schuldspruchs der Rekurrentin. Anpassung der Strafe auf 50 Tagessätze à 900 Franken und Busse von 1'200 Franken aufgrund einer festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgebots. Erhöhung der Parteientschädigung zugunsten der Intimierten.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Rekurrentin, welche im Wesentlichen auf einen Freispruch abzielten.

3.1. Zulässigkeit der Anschlussberufung der Intimierten (Geschädigtenstatus) Die Rekurrentin rügte, die Intimierten seien nicht geschädigt und hätten daher keine wirksame Anschlussberufung einlegen können, da sie das Aktienzertifikat für Studio Nr. xxx nicht gültig erworben hätten.

  • Rechtliche Grundlagen: Das BGer präzisiert den Begriff des "Geschädigten" (Art. 115 StPO) als jede Person, deren Rechte durch eine Straftat direkt berührt wurden. Bei Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) ist der Geschädigte nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Mieter oder jede Person, die in ihrem Gebrauchsrecht an der Sache beeinträchtigt wird oder der die Verantwortung für die Erhaltung der Sache obliegt (Verweis auf BGE 144 IV 49 E. 1.2; BGE 118 IV 209 E. 2 und 3).
  • Anwendung auf den Fall: Das Bundesgericht wies die Rüge der Rekurrentin als appellatorisch und unbegründet zurück. Es stellte fest, dass die Akquisition des Aktienzertifikats im Jahr 1969 durch den Vater der Intimierten unbestritten sei und die Intimierten dieses Recht zur Miete des Studios Nr. xxx geerbt hätten. Da der strittige Korridor und die Tür den einzigen Zugang zu diesem Studio bilden, hatten die Intimierten zumindest ein Gebrauchsrecht an der Tür. Durch den Zylinderwechsel wurden sie direkt in diesem Recht beeinträchtigt. Sie galten somit als Geschädigte und waren berechtigt, als Privatkläger an der Strafprozess teilzunehmen und eine Anschlussberufung einzulegen.

3.2. Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) Die Rekurrentin machte einen Sachverhaltsirrtum (Art. 13 Abs. 1 StGB) geltend und behauptete, sie sei irrtümlich davon ausgegangen, ein ausschliessliches Nutzungsrecht am Korridor zu haben.

  • Rechtliche Grundlagen: Ein Sachverhaltsirrtum liegt vor, wenn der Täter einen Tatbestandsmerkmal einer Straftat nicht kennt oder falsch einschätzt, wodurch der Vorsatz entfällt. Dies ist abzugrenzen vom Rechtsirrtum (Art. 21 StGB), bei dem der Täter die Tatbestandsmerkmale kennt, aber irrtümlich annimmt, rechtmässig zu handeln.
  • Anwendung auf den Fall: Das BGer erachtete die Rüge der Rekurrentin erneut als appellatorisch, da sie ihre eigene Tatsachenwürdigung anstelle der willkürfrei festgestellten Tatsachen der Vorinstanz setzte. Die Vorinstanz hatte nicht nur den Brief der E.__ SA vom April 2021 berücksichtigt, der die Zugänglichkeit des Korridors für alle Nutzer betonte, sondern auch die langjährige unbestrittene Nutzung des Studios durch die Intimierten und die eigenen Lösungsvorschläge der Rekurrentin zur Regelung der Korridorsituation. Angesichts dieser Umstände konnte die Rekurrentin nicht irrtümlich davon ausgehen, ein exklusives Zugangsrecht zu besitzen. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Rekurrentin zumindest mit Eventualvorsatz (dol éventuel) gehandelt hatte, da sie die Folgen ihres Handelns (Aussperren der Intimierten) billigend in Kauf nahm. Ein Sachverhaltsirrtum wurde verneint.

3.3. Nötigung (Art. 181 StGB) Die Rekurrentin bestritt auch ihre Verurteilung wegen Nötigung und berief sich auf ihr vermeintliches exklusives Recht und die Proportionalität ihrer Handlung.

  • Begründung des Bundesgerichts: Das BGer bestätigte die kantonale Argumentation. Durch den Zylinderwechsel hinderte die Rekurrentin die Intimierten an der Ausübung ihrer Handlungsfreiheit (Zugang zum Studio) und zwang sie zu Handlungen (Hotelübernachtung, Schlüsseldienst). Obwohl das Ändern eines Zylinders an sich nicht rechtswidrig sein mag, war die Massnahme im vorliegenden Kontext unverhältnismässig im Vergleich zum angestrebten Ziel (Regelung der Korridorsituation). Die Rekurrentin hätte die zuständigen Gerichtsbehörden anrufen müssen. Die Rekurrentin handelte wissentlich und willentlich, da sie um die Notwendigkeit des Zugangs über diese Tür wusste und ihr Verhalten im März 2022 wiederholte, was ihren Vorsatz untermauerte.

3.4. Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahme mit einem Aufnahmegerät (Art. 179quater StGB) Die Rekurrentin rügte erneut, die Intimierten seien nicht geschädigt und die Anbringung der Kameras sei von ihrem vermeintlichen exklusiven Nutzungsrecht gedeckt.

  • Begründung des Bundesgerichts: Das BGer bestätigte, dass das Filmen des Korridors innerhalb des Gebäudes, der nicht öffentlich zugänglich ist, den privaten Bereich betrifft. Die Rekurrentin hatte weder die Zustimmung der Intimierten noch die der E.__ SA eingeholt; letztere hatte sogar die Entfernung der Kameras verlangt. Ein blosses Hinweisschild an der Tür reiche nicht als Einwilligung. Die Argumente bezüglich des vermeintlich fehlenden Nutzungsrechts der Intimierten wurden wiederum als appellatorisch und unbegründet zurückgewiesen. Als Geschädigter gilt jede Person, die ohne ihre Zustimmung beobachtet wurde (Verweis auf Henzelin/Massrouri).

3.5. Subsidiaritätsprinzip des Strafrechts Die Rekurrentin machte geltend, die Angelegenheit falle in den Bereich des Zivilrechts und das Strafrecht sei subsidiär. Sie verwies auf BGE 115 IV 207 (betreffend die unrechtmässige Verwendung von Vermögenswerten, Art. 141bis StGB).

  • Rechtliche Grundlagen und Anwendung: Das Bundesgericht erläuterte, dass das Subsidiaritätsprinzip des Strafrechts im Vermögensrecht bedeutet, dass primär das Zivilrecht zur Regelung vertraglicher und ausservertraglicher Beziehungen dient. Eine strafrechtliche Sanktion ist dort nicht notwendig, wo zivilrechtliche Wege zur Wahrung der Interessen des Berechtigten ausreichen. Im vorliegenden Fall jedoch erfüllten die der Rekurrentin vorgeworfenen Handlungen – anders als in den von der Rekurrentin zitierten Fällen, wo es um die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen ging, um eine Überstrapazierung des Strafrechts zu vermeiden – unzweifelhaft die Tatbestandsmerkmale der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB), der Nötigung (Art. 181 StGB) und der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs (Art. 179quater StGB). Sobald die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat erfüllt sind, ist eine strafrechtliche Verurteilung rechtmässig, und das Subsidiaritätsprinzip hindert diese nicht. Die Rüge wurde daher als unbegründet abgewiesen.

3.6. Strafmass und Zivilforderungen Die Rügen der Rekurrentin bezüglich des Strafmasses und der Zivilforderungen waren an ihren Freispruch geknüpft und wurden mangels Freispruchs gegenstandslos.

4. Ergebnis Das Bundesgericht wies den Rekurs der A.__, soweit er zulässig war, vollumfänglich ab. Die Gerichtskosten wurden der Rekurrentin auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die strafrechtliche Verurteilung der Rekurrentin A.__ wegen Sachbeschädigung, Nötigung und Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs. Es präzisierte, dass der Begriff des "Geschädigten" bei Sachbeschädigung auch den Mieter oder Gebrauchsrechtsinhaber umfasst. Ein von der Rekurrentin geltend gemachter Sachverhaltsirrtum bezüglich eines exklusiven Nutzungsrechts wurde verneint, da sie um die gemeinsame Nutzung des Korridors wusste und zumindest mit Eventualvorsatz handelte. Ihre Handlungen (Türeinbau, Zylinderwechsel, Kameraüberwachung) wurden als vorsätzliche Straftaten und nicht als zulässige zivilrechtliche Streitbeilegung gewertet. Das Prinzip der Subsidiarität des Strafrechts kommt nicht zur Anwendung, wenn die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat – wie hier – unzweifelhaft erfüllt sind.