Zusammenfassung von BGer-Urteil 8C_135/2025 vom 21. August 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 8C_135/2025 vom 21. August 2025

1. Einleitung und Parteien Das Urteil betrifft einen Fall im Bereich der Unfallversicherung und die Frage des Anspruchs auf eine Invalidenrente. Die Rekurrentin ist die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA, im italienischen Text als INSAI bezeichnet), die gegen ein Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Tessin vom 3. Februar 2025 rekurrierte. Die Opponentin, A.__, wurde von der SUVA wegen zweier Unfälle, die sich Ende 2020 ereigneten, versichert.

2. Sachverhalt und Prozessgeschichte A.__ erlitt am 14. November 2020 einen ersten Unfall (Sturz beim Aussteigen aus dem Auto) und am 4. Dezember 2020 einen zweiten Unfall (Sturz beim Treppensteigen, der zu Verletzungen im sakroiliakalen, zerviko-dorsalen Bereich und an der linken Schulter führte). Die SUVA anerkannte die Haftung für beide Unfälle und erbrachte die gesetzlichen Leistungen.

Im März 2022 verneinte die SUVA jedoch den Unfallzusammenhang (Etiologie) für verschiedene Beschwerden (Schulter, Lendenwirbelsäule, Hüfte, Knie, Ellbogen) und lehnte eine Invalidenrente ab, sprach jedoch eine Integritätsentschädigung (IMI) von 15% zu. Das kantonale Versicherungsgericht hob diese Verfügung im August 2022 auf und wies die Sache zur Einholung eines externen Gutachtens betreffend Beschwerden am rechten Handgelenk an die SUVA zurück.

Nach Einholung dieses Gutachtens und einer Ergänzung verneinte die SUVA im Juli und September 2024 erneut einen Anspruch auf Invalidenrente. Daraufhin hiess das kantonale Gericht den Rekurs von A._ im Februar 2025 gut, hob die SUVA-Verfügung auf und sprach A._ eine Invalidenrente von 18% ab dem 1. März 2022 zu. Gegen dieses Urteil gelangte die SUVA ans Bundesgericht.

3. Streitgegenstand vor Bundesgericht Strittig war einzig die Frage, ob das kantonale Urteil Bundesrecht verletzt, indem es der Opponentin eine Invalidenrente von 18% zusprach. Die Rekurrentin (SUVA) bestritt in erster Linie das von der Vorinstanz ermittelte Valideneinkommen und subsidiär das Invalideneinkommen.

4. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

4.1. Allgemeine Grundsätze und Prüfungsbefugnis Das Bundesgericht prüft die Anwendung des Bundesrechts von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG). Bei Beschwerden gegen Entscheide über Geldleistungen der Unfallversicherung kann eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 97 Abs. 2 BGG), und das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nicht gebunden (Art. 105 Abs. 3 BGG).

4.2. Bestimmung des Valideneinkommens (unversehrter Zustand)

4.2.1. Kantonale Argumentation zum Valideneinkommen: Das kantonale Gericht stellte die berufliche Laufbahn der Opponentin fest: * 2008: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) als Hauswirtschaftsangestellte. * 2008-2010: Springerin in verschiedenen Hotelleriebereichen. * Herbst 2009: Ausbildung zur Lehrmeisterin für Hauswirtschaft. * 2010-2011: Hauswirtschaftsangestellte in einem Hotel (umfassende Tätigkeiten von Service bis Reinigung). * 2013-2015: Hauswirtschaftsangestellte, später Gouvernante in einem Altersheim (Büro- und manuelle Tätigkeiten, Anleitung neuer Mitarbeiter). Das Jahresgehalt als Gouvernante betrug CHF 56'000. * Oktober 2016: Eidgenössischer Fachausweis (APF) als "Verantwortliche des Hotellerie- und Hauswirtschaftsbereichs" (dieser Abschluss erfolgte nach dem letzten Arbeitsverhältnis).

Die Vorinstanz befand, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gouvernante nicht ausschlaggebend sei, da die Opponentin ihren APF-Abschluss erst später erlangt habe. Sie analysierte das Berufsbild der "Verantwortlichen des Hotellerie- und Hauswirtschaftsbereichs APF" anhand von "orientamento.ch" und stellte fest, dass der Fokus auf Planung, Organisation und Überwachung liege, weniger auf direkter Ausführung. Dies werde auch durch die Ausbildungsmodule des APF (Mitarbeiterführung, Marketing, Finanzinstrumente, Betriebsplanung, Organisation von Reinigungs-, Textilpflege- und Gastronomieprozessen) bestätigt. Die Arbeitsbedingungen umfassten sowohl Büroarbeiten (Planung, Bestellungen) als auch die Überwachung der Arbeiten vor Ort. Das zusätzlich erworbene Lehrmeister-Attest untermauere die umfassenden Kenntnisse der Opponentin.

Auf dieser Grundlage gelangte das kantonale Gericht zum Schluss, dass für die Bestimmung des Valideneinkommens Anforderungsniveau 3 der Lohnstrukturerhebung (LSE, italienisch RSS) anzuwenden sei. Es verwies auf Tessiner Stelleninserate, die für diese Position deutlich höhere Löhne (CHF 68'115 - 106'941) auswiesen als die von der SUVA angenommenen CHF 62'796. Mittels LSE-Tabelle TA1_tirage_skill_level, Sektor 77, 79-82 (ohne 78), Frauen, Anforderungsniveau 3, ermittelte die Vorinstanz für 2022 ein monatliches Bruttoeinkommen von CHF 6'183, was bei 42,1 Wochenstunden einem Jahreslohn von CHF 78'091.20 entsprach. Dieser Betrag liege am unteren Ende der genannten Salärspanne.

4.2.2. Bundesgerichtliche Beurteilung des Valideneinkommens: Das Bundesgericht wies die Beschwerde der SUVA bezüglich des Valideneinkommens ab (E. 4.3.1). Es hielt fest, dass die Opponentin nicht nur das spezifische Diplom (APF) für die angestrebte Position besitze, sondern auch über umfassende Erfahrungen in diesem Bereich verfüge. Diese Erfahrungen habe sie durch die Vielfalt der bereits ausgeübten Tätigkeiten und die bekleideten Funktionen (u.a. als Gouvernante mit Führungs- und Überwachungsaufgaben) erworben. Das Bundesgericht bekräftigte, dass das Fehlen einer direkten und spezifischen Arbeitserfahrung in der genauen Funktion der "Verantwortlichen des Hotellerie- und Hauswirtschaftsbereichs" im konkreten Fall unerheblich sei. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der APF-Abschluss ihr vor den Unfallereignissen den Zugang zu dieser Funktion und die Übernahme der damit verbundenen Aufgaben ermöglicht hätte. Die kantonale Instanz habe daher korrekterweise das Anforderungsniveau 3 der LSE-Tabellen für die Bestimmung des Valideneinkommens angewendet. Diese Praxis stehe im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung der LSE-Tabellen (vgl. BGE 150 V 354 E. 6.1).

4.3. Bestimmung des Invalideneinkommens (E. 4.3.2 und 4.3.3)

4.3.1. Argumentation der SUVA zum Invalideneinkommen: Die SUVA bestritt, wenn auch erst vor Bundesgericht, das Invalideneinkommen, welches sie zuvor in ihrer eigenen Einspracheentscheidung unbestritten gelassen hatte. Sie machte geltend, dass die funktionellen Einschränkungen der Opponentin, wie sie vom Versicherungsarzt festgestellt worden seien, sie nicht daran hindern würden, die mit dem Anforderungsniveau 3 verbundenen Aufgaben auszuführen. Sollte daher das kantonale Gericht mit dem Anforderungsniveau 3 Recht haben, gäbe es keine Einschränkungen und folglich keinen Lohnausfall, was bedeuten würde, dass das Valideneinkommen dem Invalideneinkommen entspräche.

4.3.2. Bundesgerichtliche Beurteilung des Invalideneinkommens und Rückweisung: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestimmung des massgebenden Anforderungsniveaus eine Rechtsfrage darstellt (vgl. BGE 148 V 174 E. 6.5; 143 V 295 E. 2.2). Neue rechtliche Vorbringen sind zulässig, sofern sie auf den im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalt gestützt sind und den Streitgegenstand nicht erweitern (vgl. BGE 142 I 155 E. 4.4.3).

Im vorliegenden Fall erwies sich das Vorbringen der SUVA jedoch als unzulässig respektive ungenügend begründet. Die SUVA verwies auf funktionelle Einschränkungen, die von einem Versicherungsarzt festgestellt worden seien, diese Einschränkungen und ihre Tragweite wurden aber im kantonalen Urteil weder erwähnt noch diskutiert. Es war dem Bundesgericht nicht einmal möglich, sich auf den Namen des Arztes oder das Datum des Berichts zu stützen. Eine Ergänzung des Sachverhalts nach Art. 105 Abs. 3 BGG konnte daher nicht in Betracht gezogen werden.

Da das kantonale Gericht sich nicht zum Invalideneinkommen, zum anwendbaren Anforderungsniveau für diese Berechnung, zu allfälligen Korrekturen des Invalideneinkommens (Lohnparallelisierung oder Sozialabzug) oder zu den diesbezüglichen Positionen der Parteien geäussert hatte, hielt es das Bundesgericht für unangebracht, diese Aspekte erstmals in dieser Instanz zu prüfen und zu entscheiden. Die Sache musste daher zur neuen Entscheidung über das Invalideneinkommen an das kantonale Gericht zurückgewiesen werden.

5. Ergebnis und Kostenfolgen Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der SUVA teilweise gut, hob das angefochtene kantonale Urteil auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurück. Da die Rückweisung mit offenem Ausgang einem vollen Obsiegen gleichkommt (vgl. BGE 146 V 28 E. 7), wurden die Gerichtskosten von CHF 800.– der Opponentin auferlegt. Die SUVA hat als Beschwerdegegnerin im Sozialversicherungsrecht keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die kantonale Einschätzung des Valideneinkommens der Versicherten. Es befand, dass ihr Eidgenössischer Fachausweis (APF) als "Verantwortliche des Hotellerie- und Hauswirtschaftsbereichs" in Verbindung mit ihrer umfassenden Vorerfahrung die Anwendung des Anforderungsniveaus 3 der Lohnstrukturerhebung rechtfertigte, auch wenn sie diese spezifische Position vor den Unfällen nicht direkt ausgeübt hatte.

Hinsichtlich des Invalideneinkommens gab das Bundesgericht die Sache jedoch an die Vorinstanz zurück. Es rügte, dass die von der SUVA vorgebrachten Argumente zu funktionellen Einschränkungen durch einen Versicherungsarzt im kantonalen Urteil nicht ausreichend festgestellt und diskutiert wurden, wodurch dem Bundesgericht eine erstmalige Prüfung in letzter Instanz verwehrt war. Das kantonale Gericht muss daher eine neue Entscheidung zum Invalideneinkommen treffen und dabei die genannten Punkte berücksichtigen.