Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_268/2025 vom 26. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen.

Bundesgerichtsurteil 7B_268/2025 vom 26. August 2025

1. Parteien und Gegenstand des Verfahrens Die Beschwerdeführerin A._, vertreten durch ihren Anwalt, reichte eine Beschwerde in Strafsachen gegen einen Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Gericht des Vorinstanz) ein. Dieser Entscheid bestätigte eine Verfügung der Bundesanwaltschaft (BA), welche ein Gesuch um "n'empêche" – eine Art faktische Arrestaufhebung zur Ermöglichung einer Transaktion – abgelehnt hatte. Gegenstand des Streits war die Freigabe von Vermögenswerten auf dem Bankkonto Nr. xxx der Beschwerdeführerin, die im Rahmen einer Strafuntersuchung wegen Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) und ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB, Art. 314 StGB) arrestiert worden waren. Die Gelder sollten zur teilweisen Rückzahlung einer Hypothek auf einer Liegenschaft der Tochter der Beschwerdeführerin (W._) und zur vollständigen Rückzahlung einer Hypothek auf einer weiteren Liegenschaft (V._) verwendet werden. Die staatliche Institution C._ war als Geschädigte und Beschwerdegegnerin im Verfahren involviert.

2. Sachverhalt (relevant für die rechtliche Beurteilung) Die Bundesanwaltschaft hatte am 1. Mai 2012 eine Strafuntersuchung unter anderem gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin, B._, wegen Geldwäscherei eröffnet. Am 7. August 2013 wurde die Untersuchung auf A._ wegen Geldwäscherei und später (ab 9. Mai 2014) wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung öffentlicher Interessen ausgedehnt. Bereits am 6. Juli 2012 ordnete die BA den Arrest von Vermögenswerten auf verschiedenen Bankkonten an, darunter die Konten Nr. xxx und yyy der Beschwerdeführerin.

Im Mai 2021 informierte die Bank D._ AG die BA, dass sie zwei Hypotheken kündigen wolle, welche mit den Konten Nr. xxx und yyy verbunden waren, und die auf Konto Nr. xxx deponierten Vermögenswerte zur teilweisen Tilgung dieser Hypotheken verwenden wolle. Am 9. Dezember 2021 teilte die BA der Bank und den Vertretern von A._ mit, sie sei bereit, ein "n'empêche" (Freigabe zur Transaktion trotz Arrest) für das Konto Nr. xxx zu bewilligen, um die Rückzahlung der Hypothekendarlehen zu ermöglichen. Allerdings forderte die BA gleichzeitig zusätzliche Informationen von der Bank an. Die geschädigte Institution C.__ sprach sich am 13. Dezember 2021 gegen jegliche Rückzahlung aus "Korruptionsgeldern" aus. Die BA nahm diese Opposition zur Kenntnis und kündigte an, eine formelle Entscheidung über die Arrestaufhebung zu treffen, sobald diese beantragt werde.

Im Mai 2023 beantragte die Bank formell das "n'empêche". Die BA forderte daraufhin weitere Informationen von der Bank und insbesondere von A._, ob sie über andere finanzielle Mittel verfüge, da die auf Konto Nr. xxx befindlichen Vermögenswerte der illegalen Herkunft verdächtigt würden. A._ verweigerte die Übermittlung dieser Informationen, da sie sich an keinem diesbezüglichen "Abkommen" gebunden sah und die Auskünfte nicht für relevant erachtete. C.__ sprach sich wiederholt gegen die Gewährung des "n'empêche" aus.

Am 24. Oktober 2024 lehnte die BA den Antrag auf "n'empêche" ab, was am 19. Februar 2025 von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts bestätigt wurde.

3. Rechtliche Problematik und Argumente der Beschwerdeführerin Die Beschwerdeführerin A.__ machte vor Bundesgericht im Wesentlichen geltend, die Bundesanwaltschaft habe gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV, Art. 9 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) verstossen. Sie argumentierte, das Schreiben der BA vom 9. Dezember 2021 sei als verbindliche Bestätigung einer bereits getroffenen Vereinbarung zu verstehen, die die Nutzung der arrestierten Gelder zur Tilgung der Hypotheken erlaubt hätte. Die nachträgliche Weigerung der BA stelle daher ein widersprüchliches Verhalten dar. Die Beschwerdeführerin zog dabei auch zivilrechtliche Prinzipien der Vertragsauslegung (Art. 18 OR) heran und rügte eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung.

4. Begründung des Bundesgerichts im Detail

Das Bundesgericht wies die Beschwerde in allen Punkten zurück und bestätigte die Argumentation der Vorinstanz:

  • Anwendbarkeit von Treu und Glauben: Das Bundesgericht stellte klar, dass die BA im Kontext der Arrestaufhebung als hoheitliche Behörde mit einseitiger Entscheidungsbefugnis handelte und nicht als Vertragspartnerin. Daher seien die zivilrechtlichen Grundsätze der Vertragsauslegung (Art. 18 OR) nicht massgebend. Vielmehr sei das Gebot von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV, Art. 9 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO anwendbar, welches unter anderem das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) beinhaltet.

  • Analyse des Schreibens vom 9. Dezember 2021: Das Gericht verneinte eine Verletzung von Treu und Glauben. Es hielt fest, dass die BA in ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2021 ihre Bereitschaft, das "n'empêche" zu gewähren, ausdrücklich an die Bedingung geknüpft hatte, zusätzliche Informationen zu erhalten. Es wurde keine formelle oder unbedingte Zusage erteilt. Die BA behielt sich somit eine abschliessende Prüfung vor.

  • Zwei verbundene Problemkreise: Entscheidend für das Bundesgericht war, dass die BA zwei Problemkreise "parallèlement" (gleichzeitig) behandeln wollte: die Freigabe der arrestierten Gelder und die Sicherstellung, dass die Arrestzwecke durch die beabsichtigte Transaktion nicht vereitelt würden. Die Arrestzwecke sind gemäss Art. 263 Abs. 1 StPO insbesondere die Rückerstattung an Geschädigte (lit. c), die Einziehung von Vermögenswerten (lit. d) oder die Sicherstellung einer Ersatzforderung (lit. e). Das Bundesgericht betonte, es obliege der Untersuchungsbehörde, sicherzustellen, dass die geplante Transaktion den Arrestzweck nicht beeinträchtigt.

    • Im vorliegenden Fall ging es insbesondere um die Sicherstellung der Hypothekarurkunden. Die Bank war zögerlich, die Urkunde für die Liegenschaft in W._ (die im Eigentum der Tochter von A._ stand) zu übertragen. Die BA hatte diesbezüglich eine konkrete Lösung verlangt, um eine "Streuung des Werts" zu vermeiden. Da die Beschwerdeführerin keine Lösung für diese parallel zu klärende Frage vorlegte, konnte die BA ihren Entscheid nicht als widersprüchlich angesehen werden.
  • Willkürliche Sachverhaltsfeststellung und fehlende Informationen: Die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung wurde ebenfalls verworfen. Die Beschwerdeführerin konzentrierte ihre Argumentation ausschliesslich auf die angebliche "Vereinbarung" und ignorierte die Notwendigkeit der Klärung der parallel laufenden Sicherungsfragen. Die behaupteten hohen Kosten für Auslandskontakte zur Einholung der Zustimmung der Institution C.__ wurden nicht substanziiert dargelegt.

    • Das Bundesgericht wies zudem die Argumentation der Beschwerdeführerin zurück, sie sei nicht verpflichtet gewesen, Auskünfte über ihre anderen finanziellen Mittel zu geben. Die Beschwerdeführerin begründete ihre Weigerung ebenfalls mit dem angeblichen "Abkommen". Das Gericht hielt fest, dass die Beschwerdeführerin, um eine teilweise Arrestaufhebung (z.B. wegen Mittellosigkeit zur Begleichung von Schulden) zu erwirken, hätte darlegen müssen, dass sie die Hypothekarschulden nicht aus anderen frei verfügbaren Vermögenswerten begleichen konnte (Querverweis auf BGer 7B_182/2023 E. 9.2.2 und 9.4). Eine solche Argumentation wurde von ihr nicht vorgebracht.
  • Pfandrecht der Bank: Auch das von der Beschwerdeführerin erwähnte Pfandrecht der Bank auf den arrestierten Vermögenswerten vermochte nicht zu überzeugen. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Bank sich auf ein solches Recht bereits bei Anordnung des Arrests oder zur Durchsetzung der Arrestaufhebung berufen hätte, wäre es unzweifelhaft gegen jegliche konservatorische Massnahmen durchsetzbar. Da dies nicht geschehen ist und ohne Klärung der parallel erforderlichen Sicherungsmassnahmen, sah das Gericht keinen Anlass, diesen Punkt weiter zu prüfen.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Beschwerde von A.__ gegen die Ablehnung einer faktischen Arrestaufhebung ("n'empêche") abgewiesen. Die zentralen Punkte des Urteils sind:

  1. Keine Verletzung von Treu und Glauben: Die Bereitschaft der Bundesanwaltschaft zur Arrestaufhebung war im Schreiben vom 9. Dezember 2021 ausdrücklich konditional an die Bereitstellung weiterer Informationen geknüpft und stellte keine unbedingte Zusage dar.
  2. Parallele Klärung von Arrestzwecken: Die Bundesanwaltschaft war berechtigt, neben der Freigabe der Gelder gleichzeitig die Sicherstellung der Arrestzwecke (Rückerstattung, Einziehung, Ersatzforderung) zu verlangen, insbesondere durch Regelungen zu den Hypothekarurkunden.
  3. Fehlende Kooperation der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin verweigerte die angeforderten Informationen über ihre anderen finanziellen Ressourcen, welche für eine umfassende Beurteilung der Arrestaufhebung, insbesondere bei einer allfälligen Notwendigkeit zur Schuldentilgung, unerlässlich gewesen wären.
  4. Verpflichtung zur Sicherstellung des Arrestzwecks: Solange die illegalen Herkunft der Gelder vermutet wird und keine parallelen Sicherungsmassnahmen für die Arrestzwecke geklärt sind, war die Ablehnung der Freigabe durch die Bundesanwaltschaft sachgerecht und nicht widersprüchlich.