Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_382/2022 vom 5. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgericht, Urteil 2C_382/2022 vom 5. August 2025

1. Einleitung und Streitgegenstand

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) zu entscheiden. Gegenstand des Verfahrens war die Frage der Zuständigkeit für die Anerkennung eines in Deutschland erworbenen Weiterbildungstitels im Bereich der Geriatrie durch den Beschwerdegegner A.__. Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hatte zuvor die Medizinalberufekommission (MEBEKO) als zuständig erachtet und die Sache zur materiellen Entscheidung an diese zurückgewiesen. Das EDI als Beschwerdeführerin, unterstützt von MEBEKO und dem Schweizerischen Institut für ärztliche Weiterbildung und Fortbildung (SIWF), beantragte die Aufhebung dieses Urteils.

2. Sachverhalt im Überblick

A._, ein in Deutschland ausgebildeter Internist, beantragte 2016 bei der MEBEKO die Anerkennung seiner in Deutschland erworbenen "Zusatzbezeichnung Geriatrie". Die MEBEKO anerkannte sein Arztdiplom und den Facharzttitel Internist, teilte ihm aber mit, dass der Schwerpunkt Geriatrie kein eigenständiger eidgenössischer Weiterbildungstitel sei und das SIWF für private Fähigkeitsausweise und Schwerpunkte zuständig sei. Nach einer erneuten Eingabe von A._ im Jahr 2018 trat die MEBEKO im Dezember 2019 auf das Gesuch um Anerkennung des Geriatrie-Titels nicht ein, da sie sich für unzuständig hielt. Das BVGer hob diese Verfügung im März 2022 auf und wies die Sache zur materiellen Beurteilung an die MEBEKO zurück, da es die MEBEKO für zuständig erachtete. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des EDI an das Bundesgericht.

3. Eintreten des Bundesgerichts und Vorfragen

  • Zulässigkeit der Beschwerde (Art. 92 BGG): Das Bundesgericht stellte fest, dass es sich beim angefochtenen BVGer-Urteil um einen Rückweisungsentscheid handelte, der die Zuständigkeit betrifft. Solche Entscheide sind als selbstständig eröffnete Zwischenentscheide gestützt auf Art. 92 Abs. 1 BGG vor dem Bundesgericht anfechtbar. Die Ausnahmebestimmung von Art. 83 lit. t BGG (Entscheide über Prüfungsergebnisse) war nicht einschlägig, da es um die Zuständigkeitsfrage für die Anerkennung eines Titels ging und nicht um die Beurteilung individueller Fähigkeiten. Die Beschwerde des EDI war daher zulässig.
  • Schutzwürdiges Interesse des Beschwerdegegners vor dem BVGer (Art. 48 Abs. 1 lit. c VwVG): Das EDI monierte, A.__ habe während des BVGer-Verfahrens den privatrechtlichen Schwerpunkt Altersmedizin (Geriatrie) beim SIWF erworben und daher kein aktuelles schutzwürdiges Interesse mehr an der Beschwerde gehabt. Das Bundesgericht bejahte jedoch das schutzwürdige Interesse des Beschwerdegegners ausnahmsweise, indem es die Voraussetzungen für den Verzicht auf dieses Erfordernis prüfte. Es befand, dass die aufgeworfene Frage jederzeit und unter ähnlichen Umständen wieder auftreten könnte, an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die Rechtssicherheit ein gewichtiges öffentliches Interesse bestehe und eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall aufgrund der Verfahrensdauer kaum je möglich gewesen wäre. Somit durfte das BVGer über die Beschwerde materiell entscheiden.
  • Novenausschluss (Art. 99 Abs. 1 BGG): Das Bundesgericht wies darauf hin, dass neue Tatsachen und Beweismittel nur berücksichtigt werden, wenn erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Insbesondere die erstmals vor Bundesgericht eingereichten Unterlagen betreffend den Erwerb des Weiterbildungstitels bei der SIWF durch A.__ waren für die materielle Beurteilung nicht zu berücksichtigen.

4. Kernfrage: Zuständigkeit der MEBEKO für die Anerkennung des ausländischen Geriatrie-Titels

Die zentrale Frage war, welche Behörde in der Schweiz für die Anerkennung eines ausländischen Weiterbildungstitels zuständig ist, wenn dessen Entsprechung in der Schweiz nicht in einem eidgenössischen, sondern in einem privatrechtlichen Titel (Schwerpunkt) liegt.

  • Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer): Das BVGer hatte die MEBEKO gestützt auf Art. 21 Abs. 3 des Medizinalberufegesetzes (MedBG) als zuständig erachtet. Es argumentierte, ein Weiterbildungstitel im Sinne des MedBG sei ein Titel, der eine Erhöhung der Kompetenz und Spezialisierung bescheinige. Die "Zusatzbezeichnung Geriatrie" erfülle diese Kriterien, und die MEBEKO sei für die Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel allgemein zuständig.

  • Argumentation des Bundesgerichts: Das Bundesgericht verneinte die Zuständigkeit der MEBEKO und schloss sich der Argumentation des EDI an.

    • Auslegung von Art. 21 MedBG:
      • Wortlaut: Art. 21 Abs. 1 und 2 MedBG spricht explizit von der Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel, deren Gleichwertigkeit mit einem eidgenössischen Weiterbildungstitel in einem Vertrag vorgesehen ist oder die dem entsprechenden eidgenössischen Weiterbildungstitel gleichwertige Wirkungen haben. Art. 21 Abs. 3 MedBG, der die Zuständigkeit der MEBEKO regelt, muss sich auf diese in Abs. 1 und 2 definierten Titel beziehen. Der Wortlaut deutet daher darauf hin, dass die MEBEKO nur für die Anerkennung solcher ausländischer Weiterbildungstitel zuständig ist, die eine Entsprechung in einem eidgenössischen Weiterbildungstitel haben.
      • Materialien: Die Botschaft des Bundesrates zum MedBG enthält keine Hinweise darauf, dass Art. 21 Abs. 3 MedBG auch andere Titel als akkreditierte Weiterbildungsgänge erfassen sollte.
      • Sinn und Zweck und Systematik: Das MedBG regelt gemäss Art. 1 Abs. 3 lit. d MedBG die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Diplome und Weiterbildungstitel. Das 4. Kapitel des MedBG, das die Weiterbildung betrifft, unterscheidet klar zwischen der Erteilung eidgenössischer Weiterbildungstitel (Art. 20 MedBG) und der Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel (Art. 21 MedBG). Die eidgenössischen Weiterbildungstitel sind abschliessend in Anhang 1 der Medizinalberufeverordnung (MedBV) aufgeführt und unterliegen einer Akkreditierungspflicht (Art. 23 Abs. 2 MedBG). Das MedBG enthält keinerlei Regelungen für nicht eidgenössisch akkreditierte Weiterbildungen, wie die privatrechtlichen Schwerpunkte. Diese fallen in die alleinige Verantwortung der FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte) bzw. des SIWF. Da der schweizerische Schwerpunkt Geriatrie kein eidgenössischer Weiterbildungstitel ist, sondern eine privatrechtliche Weiterbildung, die nicht dem MedBG untersteht, kann aus Art. 21 Abs. 3 MedBG keine Zuständigkeit der MEBEKO abgeleitet werden.
      • Querverweis auf BGE 2C_39/2018: Das Bundesgericht verwies auf sein Urteil 2C_39/2018 vom 18. Juni 2019, in dem es bereits klargestellt hatte, dass das MedBG ausschliesslich ärztliche Weiterbildungen regelt, die zu einem eidgenössischen Weiterbildungstitel führen. Daneben bietet die FMH auch rein privatrechtliche Weiterbildungen (wie Schwerpunkte) an, die ausschliesslich der Weiterbildungsordnung (WBO-FMH) unterstehen und rein privatrechtlicher Natur sind. Diese Rechtsprechung ist für die Abgrenzung der Zuständigkeiten massgebend.
      • Abgrenzung zu anderen MedBG-Bestimmungen: Der Beschwerdegegner konnte auch aus Art. 15 Abs. 4 MedBG (Anerkennung von Diplomen) oder Art. 36 Abs. 3 MedBG (Zulassung zur Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung) keine Zuständigkeit der MEBEKO für die Anerkennung des Weiterbildungstitels ableiten, da diese Bestimmungen andere Sachverhalte betreffen (Diplome bzw. Zulassung von Drittstaatenangehörigen zur Berufsausübung).
  • Zuständigkeit des SIWF: Folgerichtig hielt das Bundesgericht fest, dass die Regelung nicht vom MedBG erfasster ärztlicher Weiterbildungen und die Erteilung entsprechender Titel im alleinigen Verantwortungsbereich der FMH bzw. des SIWF liegen. Entsprechend diesem etablierten System ist das SIWF auch für die Anerkennung von ausländischen Weiterbildungstiteln zuständig, die in der Schweiz einem privatrechtlichen Schwerpunkt entsprechen.

5. FZA- und Richtlinienkonformität der SIWF-Zuständigkeit

Das Bundesgericht prüfte auch, ob die Zuständigkeit des SIWF mit den Verpflichtungen der Schweiz aus dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) und der Richtlinie 2005/36/EG vereinbar ist:

  • Materielle Prüfung: Die Nichtzuständigkeit der MEBEKO ist unproblematisch. Das SIWF wies darauf hin, dass seine Weiterbildungsordnung (WBO-FMH) es der Titelkommission erlaubt, freizügigkeitsrechtliche Vorgaben ausreichend zu berücksichtigen. Art. 33 (i.V.m. Art. 51 für privatrechtliche Schwerpunkte) der WBO-FMH sieht die anteilsmässige Anerkennung ausländischer Weiterbildungen vor, und Art. 53 lit. c WBO-FMH ermöglicht die Erteilung von Schwerpunkten oder Fähigkeitsausweisen bei Vorliegen eines gleichwertigen ausländischen Diploms ohne weitere Voraussetzungen. Somit ist eine richtlinien- und FZA-konforme Anerkennungspraxis durch das SIWF möglich.
  • Private Natur des SIWF: Weder das FZA noch die Richtlinie 2005/36/EG stellen spezifische Anforderungen an die Art (staatlich vs. privat) der für die Anerkennung zuständigen Behörde. Art. 3 Abs. 1 lit. d der Richtlinie definiert eine zuständige Behörde breit als "jede von den Mitgliedstaaten mit der besonderen Befugnis ausgestattete Behörde oder Stelle". Auch private Stellen können mit solchen Befugnissen ausgestattet werden.

6. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches die MEBEKO für die Anerkennung des streitgegenständlichen Schwerpunkttitels für zuständig erklärte, bundesrechtswidrig ist. Die Beschwerde des EDI wurde gutgeheissen und das BVGer-Urteil aufgehoben.

7. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Nichtzuständigkeit der MEBEKO: Die MEBEKO ist nur für die Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel zuständig, die eine direkte Entsprechung in einem eidgenössischen Weiterbildungstitel nach MedBG haben.
  • Systematik des MedBG: Das MedBG regelt abschliessend die eidgenössischen Weiterbildungstitel; privatrechtliche Weiterbildungen (wie der Schwerpunkt Geriatrie) fallen nicht in seinen Anwendungsbereich.
  • Zuständigkeit des SIWF: Für die Anerkennung ausländischer Weiterbildungstitel, die in der Schweiz einem privatrechtlichen Schwerpunkt entsprechen, ist das Schweizerische Institut für ärztliche Weiterbildung und Fortbildung (SIWF) zuständig.
  • FZA- und Richtlinienkonformität: Die Zuständigkeit des SIWF ist mit den Verpflichtungen der Schweiz aus dem Freizügigkeitsabkommen und der Richtlinie 2005/36/EG vereinbar, da die WBO-FMH des SIWF Mechanismen für die Anerkennung gleichwertiger ausländischer Qualifikationen vorsieht und die private Natur der anerkennenden Stelle kein Hindernis darstellt.
  • Aufhebung des BVGer-Urteils: Das Bundesgericht hob das Urteil des BVGer auf, welches die MEBEKO als zuständig erachtete.