Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_293/2024 vom 8. September 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_293/2024 und 2C_642/2024 vom 8. September 2025

1. Einführung und Verfahrensgegenstand Das Bundesgericht hatte in den verbundenen Verfahren 2C_293/2024 und 2C_642/2024 über zwei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu befinden. Gegenstand der Beschwerden war das vom Gemeinderat der Stadt Lancy (Kanton Genf) am 18. April 2024 verabschiedete "Règlement relatif à l'interdiction de la publicité à des fins commerciales" (Reglement zum Verbot kommerzieller Aussenwerbung). Dieses Reglement wurde nach erfolgreichem Referendum am 24. November 2024 in einer kommunalen Abstimmung angenommen. Die Beschwerdeführerinnen, darunter ein Werbeunternehmen (A._ SA), zwei Grundeigentümerinnen (B._, C._) und eine Betreiberin von Stadionwerbeflächen (D._ SA), beantragten die Aufhebung des gesamten Reglements, eventualiter von dessen Artikel 1 Absatz 1. Die Beschwerden wurden im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle direkt vor Bundesgericht erhoben, da gegen kommunale Normen im Kanton Genf keine kantonale Rechtsmittelinstanz zur Verfügung steht.

2. Inhalt des angefochtenen Reglements Das Reglement sieht im Wesentlichen Folgendes vor: * Art. 1 Abs. 1: Ein Verbot kommerzieller Werbung jeglicher Art auf dem öffentlichen Grund der Stadt Lancy sowie auf Privatgrund, der vom öffentlichen Grund aus sichtbar ist. * Art. 1 Abs. 2: Eine Definition von kommerzieller Werbung, die auf das kantonale Recht verweist (Art. 3 RPR). * Art. 1 Abs. 3: Eine Ausnahme für Eigenwerbung mittels firmeneigener Anschriften (Art. 18 Abs. 2 LPR). * Art. 3: Der Gemeinderat stellt gemeinnützigen oder nicht-gemeinnützigen Einrichtungen Werbeflächen auf dem öffentlichen Grund ausschliesslich für kulturelle oder edukative Zwecke, die Förderung von Veranstaltungen, die Kommunikation von lokalen Vereinen oder die freie künstlerische und bürgerschaftliche Ausdrucksform zur Verfügung.

3. Sachverhaltliche Feststellungen des Bundesgerichts Das Bundesgericht stellte fest, dass die Ziele des Lancy-Reglements jenen der bereits in der Rechtsprechung behandelten Genfer "Zéro pub"-Initiative und des Reglements der Stadt Vernier ähneln. Es handelt sich um umwelt- und sozialpolitische Anliegen wie die Bewahrung der urbanen Landschaftsqualität, die Erleichterung der Mobilität im öffentlichen Raum, die Bekämpfung der visuellen Umweltverschmutzung und den Schutz der Bevölkerung vor unerwünschter Werbung. Vor dem Reglement gab es 239 Werbeflächen auf öffentlichem und 51 auf privatem, von öffentlichem Grund sichtbarem, Gebiet in Lancy; nach dem Reglement sollen noch 40 Flächen für die erlaubte, nicht-kommerzielle Werbung verbleiben. Besonders relevant war, dass die Rekurrentin 1 (Werbeunternehmen) ihre Konzession für öffentliche Werbeflächen in Lancy im Oktober 2023 unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer möglichen Einführung eines kommerziellen Werbeverbots verlängert bekommen hatte.

4. Rechtliche Würdigung der Rügen

4.1. Prüfung der Beschwerdebefugnis und allgemeinen Grundsätze der abstrakten Normenkontrolle Das Bundesgericht bestätigte seine Kompetenz zur direkten Prüfung kommunaler Normen im Kanton Genf. Die Beschwerdeführerinnen wurden als beschwerdebefugt erachtet, da sie als Werbeunternehmen, Grundeigentümerinnen und Betreiberin von Werbeflächen virtuell betroffen sind und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der Norm haben. Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle übt das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung aus und hebt eine kantonale oder kommunale Norm nur auf, wenn diese sich keiner verfassungskonformen Auslegung leiht.

4.2. Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) Die Beschwerdeführerinnen machten eine schwere Verletzung ihrer Rechte geltend. Das Bundesgericht prüfte die Einschränkung gemäss den Bedingungen von Art. 36 BV:

  • Gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV): Das Reglement wurde vom gesetzgebenden Organ der Gemeinde erlassen und stellt eine genügende formelle Gesetzesgrundlage dar.
  • Öffentliches Interesse (Art. 36 Abs. 2 BV): Die von Lancy verfolgten Ziele (Umweltschutz, Stadtbildqualität, Mobilität, Schutz vor unerwünschter Werbung) wurden als zulässiges öffentliches Interesse anerkannt. Das Bundesgericht verwies hierbei auf seine frühere Rechtsprechung in ATF 151 I 3 (Vernier-Reglement) und den Urteilen zur "Genève zéro pub"-Initiative (1C_427/2020), in denen diese umwelt- und sozialpolitischen Ziele bereits als legitim anerkannt wurden. Es betonte, dass der Begriff des öffentlichen Interesses sich wandelt und primär der politischen Bewertung des Gesetzgebers obliegt.
  • Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV):
    • Eingriff in erworbene Rechte (Rekurrentin 1): Die Rechte aus einer Konzession sind grundsätzlich durch Art. 26 BV geschützt. Die Rekurrentin 1 hatte ihre Konzession jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer möglichen Einführung eines Werbeverbots erhalten. Sie hat keinen Anspruch auf Beibehaltung der früheren Rechtslage. Die Rüge, der Eingriff sei unverhältnismässig, wurde abgewiesen.
    • Werbung auf öffentlichem und privatem Grund:
      • Öffentlicher Grund: Monopole sind zulässig (ATF 128 I 3). Eine Gemeinde kann die kommerzielle Werbung auf ihrem öffentlichen Grund verbieten, ohne die Wirtschaftsfreiheit zu verletzen.
      • Privater Grund (von öffentlichem Grund sichtbar): Das Bundesgericht bestätigte, dass das Verbot kommerzieller Werbung auf Privatgrund, der vom öffentlichen Grund aus sichtbar ist, als zulässige Erweiterung eines Verbots auf öffentlichem Grund gilt (ATF 151 I 3, E. 7.9). Dies ist notwendig, um eine Umgehung des Verbots auf öffentlichem Grund zu verhindern und die gesetzgeberischen Ziele (Stadtbild, Mobilität, Schutz vor unerwünschter Werbung) effektiv zu erreichen. Die Rekurrentin 4 kann beispielsweise weiterhin interne Stadionwerbung betreiben, die vom öffentlichen Raum nicht sichtbar ist.
    • Geeignetheit und Erforderlichkeit der Massnahme:
      • "quel que soit le procédé": Die Formulierung, das Verbot gelte "unabhängig vom verwendeten Reklameverfahren", sei keine unzulässige Erweiterung. Das Hauptziel sei die Beseitigung fester Werbung. Die Massnahme ist geeignet, das Stadtbild zu verbessern und die Mobilität zu erleichtern, auch wenn Werbung auf TPG-Fahrzeugen bestehen bleibt (da Lancy hierfür nicht zuständig ist und es sich um mobile vs. feste Werbung handelt).
      • Weniger einschneidende Massnahmen: Vorschläge für begrenzte Werbeflächen für kommerzielle Werbung wurden als unzureichend abgelehnt, da sie das Ziel, die Bevölkerung vor unerwünschter Werbung zu schützen, nicht erreichen würden (ATF 151 I 3, E. 7.8.2).
      • Öffentliches Interesse an Werbevielfalt: Ein spezielles öffentliches Interesse an der Aussenwerbung wurde nicht anerkannt, da der Informationszweck der Werbung durch vielfältige andere Kanäle (digitale Medien, lokale Radio/TV etc.) weiterhin gewährleistet ist.
    • Verhältnis zu älterer Rechtsprechung: Das Bundesgericht stellte klar, dass ältere Urteile wie ATF 128 I 3 (betreffend Monopole auf Privatgrund) oder P.593/1985 und 1P.122/1998 nicht einschlägig sind. Diese betrafen andere Konstellationen (Monopole auf Privatgrund oder undifferenzierte generelle Verbote). Die neue Rechtsprechung (ATF 151 I 3) erlaubt die hier vorliegende Art des Verbots aus sozial- und umweltpolitischen Gründen.

4.3. Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 BV) und des Binnenmarktgesetzes (BGBM) Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, das Reglement stelle eine unzulässige Beschränkung des freien Marktzugangs gemäss Art. 2 Abs. 1 BGBM dar.

  • Anwendungsbereich des BGBM: Das BGBM zielt darauf ab, interkantonale Marktzugangsbeschränkungen zu beseitigen. Kantonale und kommunale Monopole fallen grundsätzlich nicht unter das BGBM, mit Ausnahme von Art. 2 Abs. 7 BGBM (Ausschreibungspflicht bei Übertragung von Monopolen an Private). Da das Reglement die Ausgestaltung des Monopols auf öffentlichem Grund betrifft (und nicht dessen Übertragung), ist Art. 2 Abs. 7 BGBM nicht tangiert.
  • Werbung auf Privatgrund (von öffentlichem Grund sichtbar): Das Bundesgericht verneinte, dass das Verbot auf Privatgrund eine Marktzugangsbeschränkung i.S.d. BGBM darstellt. Es handle sich um eine Regelung des Standorts der Werbung, die keine Benachteiligung ausserkantonaler Anbieter schafft. Die Rüge wurde zurückgewiesen, da keine Korrelation zwischen dem Reglement und dem freien Marktzugang für Anbieter aus anderen Kantonen dargelegt wurde. Die Bedingungen des Art. 3 BGBM (Gleichbehandlung, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit) wären zudem erfüllt.

4.4. Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips (Art. 8 und Art. 27 BV) Die Beschwerdeführerinnen rügten eine Ungleichbehandlung in dreifacher Hinsicht:

  • Bekannte vs. neue Produkte/Firmen: Die Behauptung, das Verbot treffe hauptsächlich neue Produkte, wurde als nicht substanziiert befunden. Neue Unternehmen hätten Zugang zu zahlreichen anderen Werbekanälen.
  • Aussenwerbung vs. Online-Werbung: Dies sind zwei unterschiedliche Wirtschaftssektoren. Das Reglement schafft keine Ungleichbehandlung im Online-Werbemarkt. Die Beschwerdeführerinnen konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Aussenwerbeverbot und einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Online-Werbemarkt aufzeigen.
  • Rekurrentin 1 vs. TPG-Werbung (E.__ SA): Das Reglement von Lancy betrifft nicht die Werbung auf TPG-Fahrzeugen, die einer Bundeskonzession unterliegt. Die Möglichkeit der Rekurrentin 1, sich um solche Werbeaufträge zu bewerben, wird durch das Reglement nicht beeinträchtigt.

5. Schlussfolgerung Das Bundesgericht wies alle Beschwerden ab.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hat das Reglement der Stadt Lancy, das kommerzielle Aussenwerbung auf öffentlichem und von öffentlichem Grund sichtbarem Privatgrund verbietet, als verfassungs- und bundesrechtskonform bestätigt.

  1. Grundrechte: Die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) ist durch überwiegende öffentliche Interessen (Stadtbild, Umweltschutz, Mobilität, Schutz vor unerwünschter Werbung) gerechtfertigt und verhältnismässig. Das Verbot auf Privatgrund ist eine zulässige Erweiterung zur Sicherstellung der Effektivität des Verbots auf öffentlichem Grund, wie bereits in der ATF 151 I 3 festgehalten. Erworbene Rechte aus Konzessionen sind nicht verletzt, wenn die Verlängerung der Konzession unter dem Vorbehalt der neuen Regelung stand.
  2. Binnenmarktgesetz (BGBM): Das Verbot stellt keine unzulässige Marktzugangsbeschränkung im Sinne des BGBM dar, da es sich um eine Standortregelung handelt, die keine Diskriminierung ausserkantonaler Anbieter bewirkt und sich auf die Ausgestaltung eines Monopols auf öffentlichem Grund bezieht, das nicht dem BGBM untersteht.
  3. Gleichbehandlungsprinzip: Es liegt keine Verletzung der Gleichbehandlung von Konkurrenten vor, weder zwischen bekannten und neuen Unternehmen, noch zwischen Anbietern von Aussenwerbung und Online-Werbung, noch im Verhältnis zu Werbeanbietern im öffentlichen Verkehr.

Die Klage der Beschwerdeführerinnen wurde vollumfänglich abgewiesen.