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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_173/2024 vom 16. September 2025:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 2C_173/2024
I. Einleitung Das Bundesgericht hatte über einen Rekurs einer italienischen Staatsangehörigen, A._, zu entscheiden, die gegen ein Urteil des Tessiner Verwaltungsgerichts vom 22. Februar 2024 vorging. Die Vorinstanz hatte die Verlängerung ihrer EU/EFTA-Aufenthaltsbewilligung sowie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf nationales Recht verweigert. Der Rekurs konzentrierte sich im Wesentlichen auf die Frage, ob A._ nach ihrer Scheidung und angesichts von Vorwürfen häuslicher Gewalt einen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz geltend machen kann.
II. Sachverhalt und Verfahrensverlauf A._, eine italienische Staatsangehörige, reiste am 1. Oktober 2004 mit ihren drei Kindern in die Schweiz ein und erhielt eine EU/EFTA-Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem damaligen Ehemann B._, der ebenfalls eine solche Bewilligung besass und 2007 eine Niederlassungsbewilligung erhielt. Eines ihrer Kinder verstarb im November 2005.
Im März 2018 lehnte die Sektion Bevölkerung des Departements für Institutionen einen Antrag von A.__ auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ab, verlängerte jedoch ihre Aufenthaltsbewilligung bis Oktober 2018. Die Ablehnung basierte auf Vorstrafen, dem Bezug von Sozialhilfeleistungen seit Januar 2018 und einem laufenden Betreibungsverfahren. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft, da sie nicht angefochten wurde.
Im September 2018 stellte A._ erneut einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung. Im Februar 2019 lehnte die Invalidenversicherung (IV) ihren Rentenantrag ab, stellte jedoch ab Oktober 2014 eine Restarbeitsfähigkeit fest. Zwischen November 2019 und Oktober 2023 bezog A._ Sozialhilfe.
Von März 2019 bis April 2020 wohnte A._ in einer Schutzstruktur (C._) für Frauen in Konfliktsituationen oder Opfer von Gewalt. Im September 2019 wurde ihr und ihrem Ehemann richterlich die Trennung erlaubt, die im März 2022 in eine Scheidung mündete. Eine im Mai 2019 erstattete Strafanzeige wegen Drohung und Nötigung gegen ihren Ehemann führte im April 2020 zu einem Nichtanhandnahmeentscheid.
Im Juli 2020 verweigerte die Sektion Bevölkerung die Verlängerung von A._s EU/EFTA-Aufenthaltsbewilligung und setzte ihr eine Ausreisefrist. Diese Entscheidung wurde im Juni 2022 vom Staatsrat und im Februar 2024 vom Verwaltungsgericht bestätigt. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass der Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung mangels Anfechtung rechtskräftig abgelehnt worden war und prüften nur noch die Frage der Aufenthaltsbewilligung. Sie verneinten, dass A._ als Arbeitnehmerin im Sinne des Freizügigkeitsabkommens (FZA) qualifiziert werden könne und ihr die notwendigen finanziellen Mittel für einen Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit fehlten.
Im November 2022 wurde A._ wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand strafrechtlich verurteilt. Seit Februar 2023 ist sie zu 50 % in einem geschützten Labor einer Stiftung (Fondazione D._) tätig. Im März 2023 wurde ihr von der IV eine Teilleistung zugesprochen.
III. Zulässigkeit des Rekurses Das Bundesgericht stellte fest, dass der Rekurs zulässig ist, da die Beschwerdeführerin als italienische Staatsangehörige grundsätzlich das Freizügigkeitsabkommen (FZA) zur Geltendmachung eines Aufenthaltsrechts anrufen kann (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Weiterhin wurde die Anwendbarkeit von Art. 50 AIG (in der bis zum 31. Dezember 2018 gültigen Fassung) bejaht, da diese Norm auch für ehemalige Ehepartner von EU-Bürgern gilt und die Scheidung im März 2022 erfolgte, die massgebenden Tatsachen aber vor der Gesetzesänderung lagen.
Andere von der Beschwerdeführerin angerufene internationale Normen, wie Art. 16 Abs. 1 lit. c CEDAW und die Istanbul-Konvention, wurden als nicht direkt justiziabel (nicht self-executing) eingestuft und verliehen kein individuelles Aufenthaltsrecht. Allerdings betonte das Bundesgericht, dass die Bestimmungen der CEDAW und der Istanbul-Konvention bei der Auslegung von Art. 50 Abs. 2 AIG (Schutz von Gewaltopfern) zu berücksichtigen sind. Art. 5 CDPD (Antidiskriminierungsgebot) wurde als direkt anwendbar beurteilt, seine Prüfung jedoch dem materiellen Entscheid zugeordnet.
IV. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung Das Bundesgericht lehnte die Rügen der Beschwerdeführerin bezüglich willkürlicher Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung ab. Es stellte fest, dass die Beschwerdeführerin lediglich eine eigene Interpretation der Tatsachen und der IV-Entscheide darlegte, ohne eine manifeste Willkür der Vorinstanz schlüssig darzulegen. Das Bundesgericht ist an die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen gebunden, sofern diese nicht willkürlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Beweismittel (Projekt eines IV-Entscheids vom Dezember 2024) wurden als unzulässig ("echte Nova") zurückgewiesen.
V. Materielle rechtliche Prüfung
V.I. Anspruch gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (erfolgreiche Integration) Das Bundesgericht prüfte zunächst, ob A._ die Voraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf eine erfolgreiche Integration nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (alte Fassung) erfüllt. Die Ehe dauerte länger als drei Jahre, was unbestritten ist. Die Vorinstanz verneinte jedoch die erfolgreiche Integration. Das Bundesgericht bestätigte diese Einschätzung unter Bezugnahme auf die konstante Rechtsprechung. A._ hatte seit ihrer Einreise nur geringfügige Erwerbstätigkeiten ausgeübt (Jahreseinkommen zwischen ca. CHF 1'000 und 19'000, teils aus Arbeitslosenentschädigung) und über längere Zeiträume, insbesondere von November 2019 bis Oktober 2023, Sozialhilfe bezogen (Stand Urteilsfällung der Vorinstanz: CHF 74'625.25). Ihre aktuelle 50%-Tätigkeit in einem geschützten Labor, obwohl regelmässig, wird aufgrund der symbolischen Entlöhnung (CHF 2.60/Stunde) nicht als normale Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt gewertet. Diese Tatsachen waren ausreichend, um eine erfolgreiche Integration im Sinne der Norm zu verneinen.
V.II. Anspruch gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG (schwerwiegende persönliche Gründe, häusliche Gewalt) Dies bildete den zentralen Streitpunkt und den ausschlaggebenden Grund für den Bundesgerichtsentscheid. Das Bundesgericht rekapitulierte die Grundsätze zur häuslichen Gewalt: Sie muss eine gewisse Intensität erreichen und in der Regel systematischen Charakter haben, kann aber auch in einem einzigen, besonders schweren Akt bestehen. Psychische Gewalt ist inbegriffen. Opfer müssen glaubhaft darlegen, dass die Fortsetzung der Ehebeziehung unzumutbar war. Eine umfassende Mitwirkungspflicht (ärztliche Zeugnisse, Polizeiberichte, Berichte von Fachorganisationen) ist erforderlich. Ein Strafverfahrenseinstellungsbeschluss schliesst häusliche Gewalt nicht zwingend aus; die Gründe für die Einstellung sind massgebend. Verwaltungsbehörden können von den Feststellungen eines Strafurteils abweichen, insbesondere bei Nichtanhandnahmeentscheiden oder wenn nicht alle Fakten geprüft wurden.
Das Bundesgericht gelangte zu einer abweichenden Würdigung der Tatsachen als die Vorinstanz: 1. Aufenthalt in Schutzstruktur: Der über einjährige Aufenthalt von A._ (15 Monate) in der Schutzstruktur C._, die Frauen in schwierigen sozialen und psychologischen Notlagen aufnimmt, stellt ein starkes Indiz für häusliche Gewalt dar. Die Vorinstanz hatte dies nicht als ausreichend erachtet. 2. Kohärente und konstante Darstellung: Die Beschwerdeführerin hat in einem Schreiben vom November 2019 und in einer Erklärung der Mitarbeiterinnen von C._ vom September 2020 konstant und kohärent ihre Situation der häuslichen Gewalt (physisch, psychisch und ökonomisch), Drohungen, Erpressungen und Ängste beschrieben. Sie schilderte, wie sie aufgrund der finanziellen Abhängigkeit und der Kinder jahrelang keine Alternative sah, bis die Situation unerträglich wurde. 3. Nichtanhandnahmeentscheid des Staatsanwalts: Auch wenn der Staatsanwalt im April 2020 keine strafrechtlich relevanten Fakten (Drohung, Nötigung) im Verhalten des Ex-Mannes sah, hielt er dennoch einen seit Jahren schwierigen Familienkontext fest, der durch Gesundheitsprobleme, traumatische Ereignisse und finanzielle Schwierigkeiten geprägt war. Dies deckt sich mit den Schilderungen der Beschwerdeführerin. Das Bundesgericht betonte, dass eine strafrechtliche Irrelevanz ständigen Druck und Drohverhalten nicht ausschliesst, welche bei der Frau zu einer Situation der Angst geführt haben können. 4. Risiko des Aufenthaltsrechts: A._ hatte bewusst das Risiko einer Ablehnung ihrer Aufenthaltsbewilligung in Kauf genommen, indem sie sich von ihrem Ehemann trennte, wie sie selbst den Migrationsbehörden darlegte. Dies untermauert die Glaubwürdigkeit und die Ernsthaftigkeit der von ihr erlebten Situation der Gewalt.
Aus diesen Gründen kam das Bundesgericht zum Schluss, dass im vorliegenden Fall häusliche Gewalt anzunehmen ist. Folglich hat A.__ einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG. Die Berufung ist in diesem Punkt begründet.
VI. Fazit und Endentscheid Das Bundesgericht hiess den Rekurs insoweit gut, als er zulässig war. Es annullierte das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Februar 2024 und wies die Angelegenheit an die Sektion Bevölkerung des Departements für Institutionen des Kantons Tessin zurück mit der Anweisung, der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG zu erteilen.
Aufgrund dieser Entscheidung erachtete es das Bundesgericht als nicht mehr notwendig, die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin bezüglich des FZA, des Art. 8 EMRK oder anderer internationaler Bestimmungen zu prüfen.
VII. Kosten und Entschädigung Der Kanton Tessin wurde von den Gerichtskosten befreit. Er wurde jedoch angewiesen, der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 3'000 für das Bundesgerichtsverfahren zu zahlen. Der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin wurde damit gegenstandslos. Die Kosten- und Entschädigungsregelung für das kantonale Verfahren wurde zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht des Kantons Tessin zurückgewiesen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: