Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_533/2024 vom 25. August 2025

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Im vorliegenden Urteil 1C_533/2024 vom 25. August 2025 hatte sich das Schweizerische Bundesgericht mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz zu befassen, der die Aufhebung einer Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses in Gersau bestätigte. Im Zentrum standen die Konformität des Bauvorhabens mit einem Gestaltungsplan sowie Fragen der Gemeindeautonomie und der Gleichbehandlung im Unrecht.

A. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

Die Beschwerdeführenden, A.A._ und B.A._, sind Eigentümer des Grundstücks KTN 1020 in Gersau, welches der Wohnzone 2 Geschosse (W2) zugeordnet ist und im Perimeter des Gestaltungsplans "Unterstrick" (nachfolgend: GP Unterstrick) liegt. Das Grundstück ist hanglagig und grenzt südlich an die Unterstrickstrasse sowie östlich an das Nachbargrundstück KTN 1039 (Eigentum von C.C._ und D.C._, nachfolgend: Beschwerdegegnerschaft).

Im November 2022 reichten die Beschwerdeführenden ein Baugesuch für den Neubau eines Wohnhauses ein. Gegen dieses Gesuch erhob die Beschwerdegegnerschaft Einsprache, unter anderem per E-Mail. Nach einer Überarbeitung des Projekts erteilten das Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz (ARE) die kantonale Baubewilligung und der Bezirksrat Gersau die Baubewilligung im August 2023. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hob diese Baubewilligung jedoch auf Beschwerde der Nachbarn im März 2024 auf. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen gerichtete Beschwerde der Bauherrschaft im Juli 2024 ab, woraufhin die Bauherrschaft das Bundesgericht anrief.

Das geplante Wohnhaus sollte ein Garagengeschoss mit Zufahrt zur Unterstrickstrasse, ein befenstertes 1. Untergeschoss (u.a. für Fitness/Wellness) und zwei Geschosse für Wohnnutzung umfassen. Westseitig war ein Anbau für ein Innenschwimmbad vorgesehen, mit einer überdachten Terrasse und einem Balkon auf dessen Flachdach. Die Breite des Wohnhauses wurde mit 17 m (ohne Anbau) bzw. 21.94 m (inkl. Pool-/Terrassenanbau) angegeben.

B. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführenden eingehend:

  1. Formmangel der Einsprache (E-Mail): Die Beschwerdeführenden machten geltend, der Bezirksrat Gersau hätte auf die per E-Mail und ohne Unterschrift eingereichte Einsprache der Beschwerdegegnerschaft nicht eintreten dürfen. Das Bundesgericht wies diesen Einwand ab. Es stellte fest, dass die Beschwerdeführenden die Einsprache entgegennahmen, darauf reagierten und ihr Bauprojekt aufgrund der vorgebrachten Punkte überarbeiteten, ohne zu diesem Zeitpunkt einen Formmangel geltend zu machen. Durch dieses Verhalten hätten sie ihren Anspruch, sich nachträglich auf einen Formmangel zu berufen, gemäss dem Grundsatz von Treu und Glauben verwirkt (BGE 135 III 334 E. 2.2).

  2. Konformität mit dem Gestaltungsplan "Unterstrick" und den Sonderbauvorschriften (SBV): Dies bildete den Kern der Auseinandersetzung. Der GP Unterstrick, insbesondere die im Jahr 2016 revidierten SBV, zielte auf eine "bauliche Einheit" und "einheitliche Formensprache" der Überbauung ab (Art. 7 Abs. 1 SBV). Art. 4 Abs. 4 SBV bezeichnete das Richtprojekt als "wegleitend". Art. 6 Abs. 1 SBV legte für Baubereich A explizit Aussenmasse von 12.00 x 10.00 x 10.00 / 12.00 m (Breite/Tiefe/Höhe/Firsthöhe) fest. Das Verwaltungsgericht hatte, dem Regierungsrat folgend, festgestellt, dass das Bauvorhaben massgeblich vom Richtprojekt A abweiche:

    • Breite: Das geplante Haus (17 m ohne, 21.94 m mit Anbau) überschritt die im Richtprojekt A vorgesehene Breite von 12 m erheblich (um über 41 % bzw. 82 %).
    • Höhe: Das Bauvorhaben sah zwei Untergeschosse vor, während das Richtprojekt A und der massgebliche Schnitt 3-3 des GP Unterstrick nur ein Unter-/Garagengeschoss vorsahen. Das geplante Garagengeschoss wurde als "sichtbares Vollgeschoss" qualifiziert. Die Firsthöhe von 524.88 m.ü.M. überschritt die im Schnitt 3-3 des GP Unterstrick vorgesehenen ca. 520 m.ü.M. um rund 4 m (über 25 %).
    • Anbau: Das Bauvorhaben enthielt einen ca. 5 m breiten Poolanbau mit Fenster, während Richtprojekt A seitliche Anbauten nur als überdachte Sitzplätze vorsah, die deutlich stärker gegenüber der Fassade zurückversetzt waren. Das Bundesgericht bestätigte, dass diese Abweichungen, insbesondere in ihrer Gesamtheit, dazu führen, dass das Bauprojekt "wesentlich grösser und dominanter" erscheint als das Richtprojekt A. Dies beeinträchtige das vom GP Unterstrick angestrebte harmonische Gesamtbild, das kompaktere Bauten oberhalb der Unterstrickstrasse vorsah. Eine "gleichwertige oder bessere Lösung" im Sinne der Planungshilfe "Der Gestaltungsplan im Kanton Schwyz" sei nicht gegeben.
  3. Falscher Sachverhalt (Gebäudehöhe): Die Beschwerdeführenden rügten eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung bezüglich der Gebäudehöhe. Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz das Garagengeschoss gestützt auf die eingereichten Pläne zu Recht als sichtbares Geschoss qualifiziert hatte, auch unter Berücksichtigung einer allfälligen Begrünung. Die Beschwerdeführenden hätten nicht substanziiert dargelegt, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sei.

  4. Gleichbehandlung im Unrecht: Die Beschwerdeführenden beriefen sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Unrecht, da angeblich im Perimeter des GP Unterstrick bereits ähnliche Abweichungen bewilligt worden seien. Das Bundesgericht wies diesen Einwand zurück. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht setze eine ständige Praxis derselben Behörde voraus, die vom Gesetz abweicht, und die Absicht der Behörde, auch in Zukunft nicht gesetzeskonform zu entscheiden. Da der Regierungsrat im vorliegenden Fall eingeschritten sei und der Bezirksrat Gersau im bundesgerichtlichen Verfahren auf eine Vernehmlassung verzichtet habe, gebe es keine Anzeichen für eine solche konstante und fortgesetzte rechtswidrige Praxis. Eine einzelne frühere Bewilligung für ein Doppeleinfamilienhaus reiche nicht aus, um eine "ständige Praxis" zu begründen (BGE 146 I 105 E. 5.3.1).

  5. Verletzung der Gemeindeautonomie (Art. 50 BV): Die Beschwerdeführenden machten geltend, das Verwaltungsgericht habe die Gemeindeautonomie des Bezirks Gersau verletzt, indem es die Würdigung des Bezirksrats bezüglich der Einordnung des Projekts missachtet habe. Das Bundesgericht anerkannte zwar, dass den Gemeinden bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im Baurecht ein gewisser Beurteilungs- und Ermessensspielraum zustehe (BGE 146 II 367 E. 3.1.4). Dieser Spielraum sei jedoch nicht unbegrenzt und könne überschritten werden, wenn die Gemeinde sich von unsachlichen, dem Zweck der Regelung fremden Erwägungen leiten lässt (BGE 145 I 52 E. 3.6). Im vorliegenden Fall hatte der Regierungsrat bei der Genehmigung des GP Unterstrick ausdrücklich auf die Bedeutung einer harmonischen Überbauung und die wegleitende Funktion des Richtprojekts A hingewiesen. Die Feststellung des Bezirksrats, die Proportionen und Formensprache des Wohnhauses entsprächen "weitestgehend" dem Richtprojekt, traf gemäss Bundesgericht nicht zu. Angesichts der massiven Abweichungen in Breite, Höhe und der Art des Anbaus sei das geplante Bauprojekt wesentlich grösser und dominanter als das Richtprojekt A und beeinträchtige das angestrebte harmonische Gesamtbild. Der Bezirksrat Gersau habe daher sein Ermessen überschritten, da er die Zielsetzung des Gestaltungsplans ungenügend beachtet habe. Die Vorinstanz habe folglich die Gemeindeautonomie nicht verletzt, indem sie die Aufhebung der Baubewilligung bestätigte.

C. Fazit

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Bauherrschaft ab.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Verwirkung des Formmangels: Die Rüge des Formmangels der Einsprache wurde aufgrund des Prinzips von Treu und Glauben und der Verwirkung abgewiesen, da die Beschwerdeführenden die Einsprache entgegennahmen und darauf reagierten, ohne den Mangel geltend zu machen.
  • Nichtkonformität mit Gestaltungsplan: Das Bauvorhaben wies erhebliche und in ihrer Gesamtheit wesentliche Abweichungen von den Massvorgaben und der Gestaltung des massgebenden Richtprojekts A des GP Unterstrick auf (Breite, Höhe, Anbau). Diese Abweichungen führten nicht zu einer gleichwertigen oder besseren Lösung und widersprachen dem Ziel einer harmonischen und kompakten Überbauung.
  • Keine Gleichbehandlung im Unrecht: Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (insbesondere eine ständige, fortgesetzte rechtswidrige Praxis) waren nicht erfüllt.
  • Keine Verletzung der Gemeindeautonomie: Der Bezirksrat Gersau hatte sein Beurteilungs- und Ermessen überschritten, indem er die erheblichen Abweichungen vom Richtprojekt A bewilligte, ohne die Zielsetzung des Gestaltungsplans hinreichend zu berücksichtigen. Die Aufhebung der Baubewilligung durch die kantonalen Rechtsmittelinstanzen stellte daher keine Verletzung der Gemeindeautonomie dar.