Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_603/2024 vom 5. September 2025

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Gerne fasst das Bundesgerichtsurteil 2C_603/2024 vom 5. September 2025 detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (2C_603/2024)

1. Einführung und Verfahrensgegenstand Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 29. Oktober 2024. Gegenstand des Verfahrens ist der Familiennachzug für die Ehefrau (B.A._) und die beiden minderjährigen Kinder (C.A._, D.A._) des in der Schweiz niedergelassenen nordmazedonischen Staatsangehörigen A.A._ (Beschwerdeführer 1). Die Vorinstanzen (Dienststelle für Bevölkerung und Migration, Staatsrat des Kantons Wallis, Kantonsgericht Wallis) hatten den Nachzug allesamt abgelehnt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Familie ebenfalls ab.

2. Sachverhalt (massgebliche Fakten) Der Beschwerdeführer 1 reiste 1992 in die Schweiz ein und ist seit 1994 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Er heiratete die Beschwerdeführerin 2 im Jahr 2011 in Nordmazedonien, wo auch die Kinder 2012 und 2013 geboren wurden.

Die Familie reiste erstmals im Februar 2019 visumsfrei in die Schweiz ein. Ein im März 2019 eingereichtes Gesuch um Familiennachzug im Kanton Thurgau wurde im Februar 2020 abgelehnt, woraufhin die Ehefrau und die Kinder im März 2020 die Schweiz verliessen.

Im August 2022 kehrten die Beschwerdeführer 2-4 erneut in die Schweiz zurück. Der Beschwerdeführer 1 hatte kurz zuvor eine neue Anstellung im Wallis aufgenommen und eine Wohnung für die Familie gemietet. Die Kinder wurden im September 2022 in der Primarschule eingeschult. Ein erneutes Gesuch um Familiennachzug vom September 2022 wurde von den kantonalen Behörden erneut abgelehnt, insbesondere mit der Begründung, die gesetzlichen Nachzugsfristen seien nicht eingehalten worden und es lägen keine wichtigen Gründe für einen nachträglichen Nachzug vor.

3. Rechtliche Grundlagen und Argumentation des Bundesgerichts

3.1. Zulässigkeit der Beschwerde und Sachverhaltsprüfung Das Bundesgericht hält fest, dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Ausländerrecht nur zulässig ist, wenn Bundes- oder Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Da die Beschwerdeführenden einen potenziellen Anspruch auf Familiennachzug (Art. 43 i.V.m Art. 47 Abs. 4 AIG) in vertretbarer Weise geltend machen, ist auf die Beschwerde einzutreten (E. 1.1).

Bezüglich des Sachverhalts legt das Bundesgericht die Feststellungen der Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung ist nur möglich, wenn die Feststellungen offensichtlich unrichtig (willkürlich) sind oder auf einer Rechtsverletzung beruhen (Art. 105 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei eine qualifizierte Rügepflicht gilt (E. 2.2). Das Bundesgericht weist zudem darauf hin, dass echte Noven (Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid entstanden sind) im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig sind. Entsprechend wurden diverse, nach dem angefochtenen Urteil datierende Unterlagen der Beschwerdeführer nicht berücksichtigt (E. 2.3).

3.2. Materielle Anforderungen an den Familiennachzug

3.2.1. Ordentlicher Familiennachzug und Fristen Gemäss Art. 43 Abs. 1 AIG haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen (Zusammenwohnen, bedarfsgerechte Wohnung, keine Sozialhilfeabhängigkeit, Sprachkenntnisse) Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Der Anspruch auf Familiennachzug muss gemäss Art. 47 Abs. 1 AIG innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden; für Kinder über zwölf Jahre gilt eine kürzere Frist von zwölf Monaten. Diese Fristen beginnen mit der Erteilung der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses (Art. 47 Abs. 3 lit. b AIG) (E. 3.1).

3.2.2. Nachträglicher Familiennachzug und "wichtige familiäre Gründe" Wurde die Nachzugsfrist (wie im vorliegenden Fall unbestritten) versäumt, ist ein nachträglicher Familiennachzug nur möglich, wenn hierfür wichtige familiäre Gründe sprechen (Art. 47 Abs. 4 AIG i.V.m. Art. 73 Abs. 3 VZAE). Art. 75 VZAE nennt das Kindswohl als einen solchen Grund. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts interpretiert diese Bestimmung jedoch nicht ausschliesslich auf das Kindswohl bezogen, sondern verlangt eine Gesamtschau aller relevanten Elemente im Einzelfall (E. 3.2).

Als Beispiele für wichtige Gründe werden Fälle genannt, in denen die notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland wegen Todes oder Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle Alternative in der Heimat gefunden werden kann. Die Anforderungen an den Nachweis fehlender Betreuungsmöglichkeiten steigen, je älter das Kind ist und je grösser die drohenden Integrationsschwierigkeiten in der Schweiz erscheinen (Verweis auf BGE 137 I 284 E. 2.2 und E. 2.3.1 sowie neuere Urteile wie 2C_338/2024 E. 5.2.1).

Das Bundesgericht betont, dass die Bewilligung des Nachzugs nach Fristablauf die Ausnahme bleiben soll. Gleichzeitig muss Art. 47 Abs. 4 AIG im Lichte von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) ausgelegt werden (Verweis auf BGE 146 I 185 E. 7.1.1). Ein wichtiger Grund liegt nicht bereits vor, wenn es unmöglich ist, im Ausland ein Familienleben zu führen, aber auch der blosse Wunsch nach einem Familienleben in der Schweiz genügt nicht (Verweis auf BGE 146 I 185 E. 7.2 und E. 7.1.1). Es bedarf stets einer umfassenden Interessenabwägung, und die nachzugswillige Person trägt die Beweislast (Mitwirkungspflicht gemäss Art. 90 AIG) (E. 3.3).

3.3. Anwendung auf den konkreten Fall und Ablehnung der "wichtigen Gründe"

3.3.1. Argument des Autounfalls Der Beschwerdeführer 1 begründete die Fristversäumnis mit den Folgen eines Autounfalls im Jahr 2011, der ihn jahrelang arbeitsunfähig gemacht und die Familiengründung in der Schweiz verunmöglicht habe. Das Bundesgericht verweist jedoch auf die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz. Demnach litt der Beschwerdeführer 1 zwar unter einem Schleudertrauma und war bis Juli 2011 arbeitsunfähig, die Behandlung war aber bereits im August 2011 abgeschlossen. Eine langjährige, aktenkundige Arbeitsunfähigkeit wurde nicht festgestellt. Da der Behandlungsabschluss vor dem Beginn der relevanten Nachzugsfristen (für die Ehefrau und die Kinder) erfolgte, durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass der Unfall nicht kausal für die Fristversäumnis war (E. 4.2.1).

3.3.2. Argument der Integration der Kinder Die Beschwerdeführer machten geltend, die Kinder seien in der Schweiz integriert (Schule, Deutschkenntnisse) und würden aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Das Bundesgericht hält dem entgegen, dass die aktuelle Anwesenheit der Familie in der Schweiz auf die Missachtung der 90-tägigen Ausreisefrist im Jahr 2020 zurückzuführen ist. Gemäss ständiger Praxis können Vorgehensweisen, die die Behörden vor vollendete Tatsachen stellen, nicht zugunsten der Gesuchsteller berücksichtigt werden (Verweis auf 2C_338/2024 E. 5.4.3). Die Kinder haben zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils erst gut zwei Jahre in W.__ und zuvor ein Jahr im Kanton Thurgau verbracht, den Grossteil ihres Lebens aber in Nordmazedonien. Diese selbst geschaffenen Umstände stellen keine wichtigen familiären Gründe dar (E. 4.2.2).

3.3.3. Argument der Wichtigkeit des Beschwerdeführers 1 als Bezugsperson Schliesslich machte der Beschwerdeführer 1 die besondere Wichtigkeit seiner Person angesichts des Alters der Kinder geltend. Das Bundesgericht führt an, dass der Beschwerdeführer bereits bis zum ersten Nachzugsgesuch 2019 rund acht Jahre freiwillig getrennt von seiner Familie gelebt hatte. Die Familie pflegte die Beziehungen über viele Jahre grenzüberschreitend mittels Besuchen und Kommunikationsmitteln. Es ist dem Beschwerdeführer daher zumutbar, sein Familienleben weiterhin in Nordmazedonien zu pflegen oder die Beziehung von der Schweiz aus zu leben. Es wurde nicht dargelegt, dass in Nordmazedonien keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder (die mit ihrer Mutter leben) bestehen. Eine akute Gefährdung des Kindeswohls, die über die Trennungssituation der vergangenen 14 Jahre hinausginge, ist nicht ersichtlich. Auch hierin liegt kein wichtiger Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG (E. 4.2.3).

4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Basierend auf diesen Erwägungen kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die Vorinstanz das Vorliegen wichtiger familiärer Gründe im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG zu Recht verneint hat. Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Fristenversäumnis: Der Beschwerdeführer 1 hat die gesetzlichen Fristen für den Familiennachzug (Art. 47 Abs. 1 AIG) unbestrittenermassen verpasst.
  • Keine "wichtigen familiären Gründe": Die geltend gemachten Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug nach Art. 47 Abs. 4 AIG wurden vom Bundesgericht als nicht ausreichend befunden.
    • Autounfall: Die geltend gemachte jahrelange Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Autounfalls konnte nicht nachgewiesen werden; die medizinische Behandlung war vor Beginn der relevanten Nachzugsfristen abgeschlossen.
    • Kinderintegration: Die Integration der Kinder in der Schweiz ist primär auf die Missachtung einer behördlichen Ausreiseaufforderung zurückzuführen. Das Schaffen von "vollendeten Tatsachen" durch die Familie wird bei der Interessenabwägung nicht zugunsten der Gesuchsteller berücksichtigt.
    • Familiäre Bindung: Das Bundesgericht erachtete die Fortführung des Familienlebens in Nordmazedonien oder grenzüberschreitend als zumutbar, da die Familie bereits lange Jahre getrennt lebte und keine ungenügenden Betreuungsmöglichkeiten im Heimatland nachgewiesen wurden.
  • Rechtliche Massstäbe: Die Auslegung der "wichtigen familiären Gründe" erfordert eine Gesamtschau aller Umstände im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK, wobei das blosse Wunsch Familienleben in der Schweiz zu führen nicht ausreicht und die Beweispflicht beim Gesuchsteller liegt.
  • Resultat: Die Beschwerde wurde abgewiesen, der Familiennachzug verweigert.