Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_534/2024 vom 19. September 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgerichtsurteil 5A_534/2024 vom 19. September 2025

1. Parteien und Streitgegenstand: * Rekurrentin (Beschwerdeführerin): A._ SA (Gläubigerin 3. Klasse im Konkursverfahren der B._ Sagl) * Opponentin (Beschwerdegegnerin): Suva (Gläubigerin 2. Klasse im Konkursverfahren der B._ Sagl) * Gegenstand: Abtretung einer Forderung gemäss Art. 260 SchKG im Konkursverfahren der B._ Sagl.

2. Sachverhalt: Im Konkursverfahren der B._ Sagl beantragten sowohl die A._ SA (am 4. März 2022) als auch die Suva (am 10. März 2022) die Abtretung einer Forderung von CHF 140'216.45 gegenüber der C._ SA, die Gegenstand eines Gerichtsverfahrens war. Das Konkursamt (UF) Lugano trat die Forderung mit Verfügung vom 5. April 2022 ausschliesslich an die A._ SA ab. Der Antrag der Suva wurde dabei versehentlich übersehen. Die A._ SA schloss daraufhin am 30. Juni 2022 einen Vergleich mit der C._ SA, wobei diese den vollen Forderungsbetrag zahlte und die A._ SA im Gegenzug auf Anwaltskosten, Zinsen und Gerichtskosten verzichtete. Das Gericht nahm den Vergleich zur Kenntnis und schrieb das Verfahren ab. Am 2. September 2022 fragte die Suva beim Konkursamt nach ihrer Abtretungsanfrage. Das Konkursamt teilte am 19. September 2022 mit, den Antrag der Suva verlegt zu haben und dass eine Abtretung nun, nach der Realisierung der Forderung durch die A._ SA und der Verfahrenserledigung, nicht mehr möglich sei. Auf Suvas Verlangen vom 23. November 2022 nach einer formellen, anfechtbaren Entscheidung, lehnte das Konkursamt ab und verwies auf seine frühere E-Mail-Stellungnahme.

3. Verfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde: Die Suva focht die Kommunikation des Konkursamtes vom 23. November 2022 mit Beschwerde vom 2. Dezember 2022 bei der Kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs an. Die Aufsichtsbehörde behandelte diese als "Beschwerde wegen Rechtsverzögerung" im Sinne von Art. 17 Abs. 3 SchKG. Mit Urteil vom 4. Juli 2024 hiess die Aufsichtsbehörde die Beschwerde der Suva gut. Sie wies das Konkursamt an, den von der A._ SA erzielten Erlös zwischen dieser und der Suva gemäss Art. 260 Abs. 2 SchKG aufzuteilen, wobei der Suva aufgrund ihres besseren Ranges (2. Klasse) Vorrang zukommen sollte. Das Konkursamt wurde ferner beauftragt, einen Verteilungsplan zu erstellen und von der A._ SA die Zahlung des der Suva zustehenden Betrags zu fordern. Die Aufsichtsbehörde war der Ansicht, die A._ SA habe von einem Fehler des Konkursamtes profitiert und hätte mit weiteren Abtretungsgläubigern rechnen müssen. Ein allfälliger Schaden der A._ SA sei gegebenenfalls über eine Staatshaftungsklage (Art. 5 SchKG) geltend zu machen.

4. Beschwerde an das Bundesgericht: Die A.__ SA focht das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde am 19. August 2024 mit Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht an. Sie beantragte primär die Unzulässigkeit der Beschwerde der Suva bei der kantonalen Instanz, subsidiär deren Abweisung in der Sache, und sub-subsidiär die Aufhebung des Urteils und Rückweisung zur Neubeurteilung.

5. Erwägungen des Bundesgerichts:

5.1. Zulässigkeit der kantonalen Beschwerde (Rüge der Rechtsverzögerung): Das Bundesgericht prüfte zunächst die Rüge der A._ SA bezüglich der (angeblich verspäteten) kantonalen Beschwerde der Suva. Die A._ SA hatte argumentiert, die E-Mail des Konkursamtes vom 19. September 2022, welche die Unmöglichkeit der Abtretung feststellte, habe die 10-tägige Beschwerdefrist in Gang gesetzt. Das Bundesgericht wies diese Rüge als ungenügend begründet zurück, da die A.__ SA sich nicht ausreichend mit der Begründung der kantonalen Aufsichtsbehörde auseinandergesetzt hatte, wonach das Konkursamt keine formelle Verfügung über den Abtretungsantrag der Suva erlassen, sondern lediglich Sachverhalte dargelegt und einen Fehler eingeräumt hatte. Somit wurde die Beschwerde der Suva bei der kantonalen Aufsichtsbehörde zurecht als Beschwerde wegen Rechtsverzögerung qualifiziert, die jederzeit eingelegt werden kann.

5.2. Materielle Prüfung (Verletzung von Art. 260 SchKG und Treu und Glauben):

a) Grundlagen zur Abtretung gemäss Art. 260 SchKG: Das Bundesgericht rekapitulierte die Grundsätze der Forderungsabtretung nach Art. 260 SchKG: * Sie verleiht dem Zessionar ein Prozessführungsrecht im eigenen Namen und auf eigenes Risiko, ohne dass er Eigentümer der Forderung wird. Die Forderung verbleibt bei der Masse. * Es handelt sich um ein Sui-generis-Institut des Vollstreckungsrechts, vergleichbar einem Inkassomandat. * Die Abtretung ist für alle Gläubiger, die einen Antrag stellen, möglich, sofern ihre Forderungen noch im Kollokationsplan aufgeführt sind. Diese bilden eine notwendige Streitgenossenschaft. * Jeder Zessionar erhält eine individuelle Verfügung des Konkursamtes, die eine Ermächtigung, aber keine Pflicht zur Klage darstellt. * Ein Konsortium entsteht nur unter den Gläubigern, die die Abtretung tatsächlich nutzen und prozessieren. * Der erzielte Erlös dient, abzüglich Kosten, zur Befriedigung der Gläubiger nach ihrem Rang. Ein Überschuss fällt an die Masse (Art. 260 Abs. 2 SchKG). * Das Privileg der vorzeitigen Befriedigung steht nur denjenigen zu, die tatsächlich aktiv geworden sind. * Die Rechtsprechung hat keine fixe Frist für den Beitritt weiterer Zessionare zum Konsortium festgelegt. * Entscheidend für den vorliegenden Fall ist die Möglichkeit, auf frühere Entscheidungen zur Abtretung zurückzukommen, sofern dadurch keine Rechte Dritter verletzt werden. Das Bundesgericht verwies auf seine Rechtsprechung, wonach ein Widerruf der Abtretung dann nicht mehr möglich ist, wenn der Abtretungsgläubiger bereits entscheidende Massnahmen zur Realisierung der Forderung oder zur Fortsetzung des Verfahrens ergriffen hat. Solche Massnahmen können auch vorprozessuale oder aussergerichtliche Handlungen sein, wenn sie für den Erfolg des Verfahrens massgeblich waren. In solchen Fällen wäre ein Widerruf treuwidrig (Verweis auf DTF 84 III 40 f.; BGE 65 III 1).

b) Anwendung auf den konkreten Fall: Die A._ SA hatte gerügt, die Vorinstanz habe ihre erworbenen Rechte missachtet, da sie bereits alle entscheidenden Schritte zur Realisierung der Forderung (Vergleich mit C._ SA und Verfahrenserledigung) unternommen hatte. Dies verstosse gegen die ratio legis von Art. 260 SchKG, die diesbezügliche Rechtsprechung und den Grundsatz von Treu und Glauben. Das Bundesgericht befand diese Rüge als begründet. Es kritisierte, dass die kantonale Aufsichtsbehörde die Anwendung der Prinzipien zum Schutz erworbener Rechte zu schnell beiseitegeschoben hatte, nur weil der konkrete Fall nicht exakt einer der zitierten Konstellationen entsprach. Das Bundesgericht stellte klar, dass der aussergerichtliche Vergleich und die anschliessende Abschreibung des Verfahrens unzweifelhaft relevante Schritte darstellten, die darauf abzielten, die Forderung der Konkursmasse geltend zu machen, und somit schützenswert waren. Entscheidend sei nicht, ob die Suva ihren Antrag "rechtzeitig" gestellt hatte, sondern ob sie die Abtretung zu diesem späten Zeitpunkt noch hätte erhalten und effektiv geltend machen können, ohne die Rechte der A._ SA zu verletzen. Dies sei zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die kantonale Aufsichtsbehörde der A._ SA den Schutz ihrer erworbenen Rechtsposition verweigert und damit den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe. Zudem habe sie Art. 260 SchKG verletzt, indem sie der Suva das Privileg der vorzeitigen Befriedigung gewährte, obwohl diese sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt und das Prozessrisiko nicht getragen hatte. Der subsidiäre Antrag der A.__ SA (Abweisung der Beschwerde der Suva) wurde daher gutgeheissen. Allfällige Schäden der Suva aufgrund des Fehlers des Konkursamtes müssten gegebenenfalls mittels einer Staatshaftungsklage (Art. 5 SchKG) geltend gemacht werden.

6. Entscheid des Bundesgerichts: Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in Zivilsachen der A._ SA gut, soweit zulässig. Es reformierte den angefochtenen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde dahingehend, dass die Beschwerde der Suva vom 2. Dezember 2022 (gemäss Art. 17 SchKG) abgewiesen wird. Die Gerichtskosten wurden der Suva auferlegt, die auch zur Zahlung einer Parteientschädigung an die A._ SA verurteilt wurde.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Schutz erworbener Rechte: Ein Gläubiger, dem eine Forderung gemäss Art. 260 SchKG abgetreten wurde und der diese Forderung durch entscheidende Schritte (wie einen erfolgreichen Vergleich und die anschliessende Verfahrenserledigung) realisiert hat, kann seine erworbene Rechtsposition nicht nachträglich verlieren, auch wenn das Konkursamt den Antrag eines anderen Gläubigers versehentlich übersehen hat.
  2. Keine nachträgliche Beteiligung ohne aktives Handeln: Ein Gläubiger, der sich nicht aktiv an der Geltendmachung der abgetretenen Forderung beteiligt und das damit verbundene Prozessrisiko nicht getragen hat, hat keinen Anspruch auf Beteiligung am erzielten Erlös im Sinne von Art. 260 Abs. 2 SchKG.
  3. Verletzung von Treu und Glauben und Art. 260 SchKG: Der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, der die nachträgliche Aufteilung des Erlöses anordnete, verletzte den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und 9 BV) sowie Art. 260 SchKG.
  4. Staatshaftung bei Fehlern des Konkursamtes: Allfällige Schäden eines Gläubigers, die durch Fehler des Konkursamtes entstehen, müssen gegebenenfalls mittels einer Staatshaftungsklage gemäss Art. 5 SchKG geltend gemacht werden.