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Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_271/2024 vom 8. Oktober 2025 befasst sich mit der baurechtlichen Bewilligung für ein Bauvorhaben in Zell, Kanton Zürich, wobei die zentrale Fragestellung die Koordination zwischen Baubewilligungsverfahren und der (noch ausstehenden) definitiven Festlegung des Gewässerraums der Töss betrifft.
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 1C_271/20241. Einleitung und Sachverhalt
Die A.__ AG (Beschwerdegegnerin) erhielt für ihre Parzelle Nr. 7376 in der Industriezone I der Gemeinde Zell eine baurechtliche Bewilligung für die Erstellung von vier Mehrfamilienhäusern, Gewerbe- und Nebenbauten sowie einer Tiefgarage. Die Parzelle grenzt an die Töss, einen Fluss, dessen Gewässerraum gemäss Art. 36a des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) und Art. 41a der Gewässerschutzverordnung (GSchV) noch nicht grundeigentümerverbindlich festgelegt ist. Die erteilten Bewilligungen, insbesondere die wasserbaupolizeiliche und gewässerschutzrechtliche Bewilligung zum Bauen im Nahbereich der Töss, stützten sich auf die Übergangsbestimmungen zur Änderung der Gewässerschutzverordnung (ÜbBst GSchV). Diese verlangen für die Töss (mit einer bestehenden Gerinnesohlenbreite von 17 m) die Freihaltung eines Uferstreifens von 20 m Breite beidseits.
Der WWF Schweiz (Beschwerdeführer) rekurrierte gegen diese Bewilligungen. Er argumentierte, das Bauvorhaben hätte mit dem Verfahren zur definitiven Festsetzung des Gewässerraums der Töss koordiniert werden müssen. Gemäss einem Fachgutachten der Flussbau AG (2016) und dem kantonalen Gewässerentwicklungskonzept (GEK, 2017) liege die erwartete Breite des definitiven Gewässerraums der Töss zwischen 90 m und 168 m, deutlich mehr als die übergangsrechtlich geforderten 20 m. Die Vorinstanzen (Baurekursgericht und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich) wiesen die Rekurse des WWF ab, da vor der grundeigentümerverbindlichen Festlegung des Gewässerraums lediglich die Einhaltung der Übergangsbestimmungen verlangt werden könne.
2. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde und bejahte diese unter Verweis auf die besonderen Umstände des Falls.
2.1. Zulässigkeit der Beschwerde (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG)
Das Bundesgericht qualifizierte die Baubewilligung und die gewässerschutzrechtliche Bewilligung aufgrund zahlreicher Nebenbestimmungen, die vor Baufreigabe weitere Genehmigungen erforderten und somit noch einen Entscheidungsspielraum der Behörde offenliessen, als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG.
Trotzdem trat das Gericht auf die Beschwerde ein, da es einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG feststellte. Die Kantone waren gemäss Ziff. 1 ÜbBst GSchV verpflichtet, den definitiven Gewässerraum der Töss bis Ende 2018 festzulegen, was bis heute (Urteilsdatum 2025) nicht geschehen ist und voraussichtlich nicht vor 2026 erfolgen wird. Das Bundesgericht sah die Gefahr, dass: * Die bereits überfällige Gewässerraumfestlegung weiter verzögert wird, falls das Bundesgericht auf den Endentscheid warten müsste. * Die definitive Gewässerraumfestlegung durch die Erteilung der Baubewilligung negativ präjudiziert wird, da sich der Kanton an die erteilten Bewilligungen gebunden fühlen könnte, was zu einer restriktiveren Festlegung führen würde, die später nur schwer korrigierbar wäre. * Ähnliche Bauvorhaben in anderen Abschnitten der Töss, in denen der Gewässerraum ebenfalls noch nicht festgelegt ist, ebenfalls präjudiziert werden könnten, was eine systematische Anfechtung durch den Beschwerdeführer als unzumutbar erscheinen lässt.
Unter diesen ausserordentlichen Umständen bejahte das Bundesgericht das Eintreten aus Gründen der Prozessökonomie und zur Klärung der aufgeworfenen gewässerrechtlichen Fragen. Die Legitimation des WWF wurde gestützt auf Art. 12 NHG als gesamtschweizerisch tätige Naturschutzorganisation bejaht, da die Gewässerraumfestlegung eine kantonale Bundesaufgabe darstellt.
2.2. Materielle Beurteilung: Die Gewässerschutzrechtlichen Grundlagen und die Präjudizierung des Gewässerraums
a) Die Anforderungen an den Gewässerraum: Art. 36a Abs. 1 GSchG verpflichtet die Kantone, den Raumbedarf oberirdischer Gewässer für deren natürliche Funktionen, den Hochwasserschutz und die Gewässernutzung festzulegen. Für grosse Fliessgewässer mit einer natürlichen Gerinnesohlenbreite von über 15 m (wie die Töss) enthält Art. 41a Abs. 2 GSchV keine feste Minimalbreite, sondern die Festlegung erfolgt im Einzelfall anhand eines Fachgutachtens. Das Gericht stellte fest, dass die Übergangsbestimmungen der GSchV auf kleinere Gewässer zugeschnitten sind und für grosse Fliessgewässer oft eine Schutzlücke besteht, da der übergangsrechtliche Gewässerraum in der Regel kleiner ist als der definitive.
b) Das Fachgutachten und GEK für die Töss: Das im Auftrag des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) erstellte Fachgutachten (2016) und das Gewässerentwicklungskonzept (GEK, 2017) wiesen für den fraglichen Abschnitt der Töss eine natürliche Sohlenbreite von 60 m aus. Daraus ergab sich ein minimaler Gewässerraum von 90 m (60 m natürliche Sohle plus 2x 15 m Uferbereiche gemäss "Schlüsselkurve" des BAFU). Ein erhöhter Gewässerraum für ökologische Funktionen wurde mit 127-168 m angegeben. Auch das BAFU bestätigte in seiner Vernehmlassung, dass das Fachgutachten fundiert sei und der minimale Gewässerraum 90 m betrage, wodurch Teile des Bauvorhabens in diesen Raum zu liegen kämen.
c) Reduktionsmöglichkeiten und Asymmetrie: Eine Reduktion des Gewässerraums auf das für den Hochwasserschutz minimal Erforderliche (hier 54 m) ist gemäss Art. 41a Abs. 4 lit. a GSchV nur in dicht überbauten Gebieten zulässig, wobei eine tatsächlich vorhandene dichte Überbauung vorausgesetzt wird, nicht nur eine planerische Zuweisung zum Siedlungsraum. Das Interesse an der Freihaltung der Ufer hat Vorrang vor entgegenstehenden Überbauungsinteressen. Auch eine asymmetrische Ausweisung des Gewässerraums ist zwar möglich, darf jedoch die Gewährleistung der natürlichen Funktionen des Gewässerraums nicht in Frage stellen; das blosse Interesse an der zonenkonformen Überbaubarkeit eines bisher unüberbauten Uferabschnitts genügt dafür nicht.
d) Präjudizierung durch das Bauvorhaben: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Bauprojekt zumindest teilweise in den definitiven Gewässerraum der Töss zu liegen kommt, selbst wenn nur der minimale Gewässerraum von 90 m festgelegt würde. Eine Überlagerung mit Bestandesschutz für die neuen Bauten würde eine Aufweitung der Töss und die Erfüllung ihrer natürlichen Funktionen langfristig verunmöglichen. Das Bauvorhaben präjudiziert somit die künftige Gewässerraumfestlegung.
2.3. Rechtsfolgen: Die Pflicht zum Erlass einer Planungszone (Art. 27 RPG)
Das Bundesgericht hielt fest, dass die Übergangsbestimmungen der GSchV zwar auch nach Ablauf der Frist Ende 2018 weitergelten, aber nicht als abschliessende Regelung verstanden werden können, die andere Sicherungsmechanismen ausschliesst. Würde man den Kantonen gestatten, Jahre nach Fristablauf Bauvorhaben zu bewilligen, die den definitiven Gewässerraum verunmöglichen, würde dies die Anwendung des Bundesgewässerschutzrechts vereiteln.
a) Querverweis auf den "Muota"-Entscheid (BGE 148 II 198, URP 2022 167): Das Bundesgericht zog Parallelen zum "Muota"-Fall (Urteil 1C_453/2020), in dem ein Bauvorhaben (Campingplatzerneuerung) während eines hängigen Gewässerraumfestlegungsverfahrens bewilligt werden sollte. Damals hob das Bundesgericht die Baubewilligung auf und hielt fest, dass der Gemeinderat die Planung nicht durch Baugesuche vereiteln dürfe. Er verwies auf die Möglichkeit, eine Planungszone gemäss Art. 27 RPG zu erlassen, um die Gewässerraum- und Revitalisierungsplanung zu sichern.
b) Pflicht des Kantons zur Sicherung der Planung: Der Kanton Zürich war gemäss Art. 36a Abs. 1 GSchG und Ziff. 1 ÜbBst GSchV verpflichtet, den Gewässerraum bis Ende 2018 festzulegen. Da dies nicht erfolgte, musste er zumindest sicherstellen, dass die künftige Planung nicht durch Bauvorhaben präjudiziert wird. Hierfür ist der Erlass einer Planungszone gemäss Art. 27 RPG ein geeignetes Instrument. Obwohl Art. 27 RPG als "Kann"-Bestimmung formuliert ist, kann die zuständige Behörde ausnahmsweise zum Erlass einer Planungszone verpflichtet sein, namentlich wenn die beabsichtigte Planfestsetzung oder -änderung ansonsten gefährdet wäre. Dies kann vorfrageweise im Rechtsmittelverfahren gegen eine Baubewilligung geprüft werden.
c) Interessenabwägung: In der erforderlichen Interessenabwägung berücksichtigte das Bundesgericht: * Das gewichtige öffentliche Interesse an der bundesrechtskonformen und dringlichen Festlegung des Gewässerraums der Töss zur Sicherstellung ihrer natürlichen Funktionen und Revitalisierung. * Die Tatsache, dass der Gesetzgeber dem Interesse an der Gewässerraumfestsetzung bzw. der Freihaltung der Ufer Vorrang vor privaten Überbauungsinteressen eingeräumt hat. * Das Alter des privaten Gestaltungsplans (1994), der seinen Planungshorizont längst überschritten hat und dessen Rechtsgrundlage sich wesentlich geändert hat.
Angesichts dieser Punkte befand das Bundesgericht, es sei nicht unverhältnismässig, den Entscheid über das Baugesuch der Beschwerdegegnerin bis zur rechtskräftigen Festlegung des Gewässerraums im fraglichen Abschnitt der Töss aufzuschieben. Der Kanton hat die nötigen Grundlagen bereits vorhanden und muss das Verfahren beförderlich behandeln.
3. Ergebnis des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde des WWF gut und hob den Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich auf. Damit fallen auch die gewässerschutzrechtliche Bewilligung (Disp.-Ziff. VI der Gesamtverfügung vom 30. August 2021) und die kommunale Baubewilligung vom 16. November 2021 dahin. Die Sache wurde zur Prüfung des weiteren Vorgehens an die Baudirektion des Kantons Zürich zurückgewiesen, um die erforderlichen Schritte zur Sicherung der Gewässerraumfestlegung (z.B. Erlass einer Planungszone oder Beschleunigung der definitiven Festlegung) einzuleiten. Die Kosten des Bundesgerichtsverfahrens wurden der Bauherrschaft auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: