Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_533/2025 vom 29. September 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 6B_533/2025 vom 29. September 2025

1. Einleitung Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Beschwerdeführer, A.__, der vom Strafberufungsgericht des Kantons Waadt wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Abs. 1 aStGB), versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 Abs. 1 aStGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) sowie wegen Verstosses gegen das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (WG) (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG) verurteilt wurde. Das erstinstanzliche Polizeigericht hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von 8 Monaten, eine Probezeit von 2 Jahren, eine Busse von 1'200 Franken sowie die Einziehung von Waffen und Waffenzubehör verhängt. Das kantonale Strafberufungsgericht bestätigte diese Verurteilungen im Wesentlichen, ordnete jedoch die Rückgabe von vier kugelsicheren Westen, einer leeren Hülle und einer Gewehrhülle an. Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht einen vollumfänglichen Freispruch, eine Entschädigung für ungerechtfertigte und widerrechtliche Haft sowie die Rückgabe aller beschlagnahmten Gegenstände.

2. Sachverhalt (B.b. bis B.e.)

Der Verurteilung des Beschwerdeführers lagen im Wesentlichen folgende Geschehnisse zugrunde:

  • Vorfälle in der Präfektur (15. November 2022): Nach einer langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung bezüglich eines Hausbrands in Frankreich und einer bevorstehenden Zwangsvollstreckung suchte der Beschwerdeführer die Präfektur in V.__ auf. Als ihm der Empfang durch die Präfektin verwehrt wurde, warf er aggressiv eine Schachtel mit 10 Gewehrpatronen (Kaliber 7,5 mm – GP11) auf den Schalter des Empfangs. Gleichzeitig erklärte er in erregtem Ton den Anwesenden, insbesondere dem Empfangsmitarbeiter, dass er, falls er die Präfektin nicht sprechen könne, "in eine Schule gehen und 40 Personen töten" werde. Dieses Verhalten hinderte den Empfangsmitarbeiter an seiner Arbeit und zwang ihn, die Polizei zu rufen.
  • Waffenbesitz unterwegs (15. November 2022): Auf dem Weg von seinem Wohnort zur Präfektur besass der Beschwerdeführer die genannten 10 Gewehrpatronen ohne Berechtigung.
  • Drohungen im Polizeigewahrsam (15. November 2022): Noch am selben Tag, während er im Polizeigewahrsam in X._ sass, erklärte der Beschwerdeführer einem Sergeant (B._), dass, falls die Betreibungsbeamten wie geplant am 29. November 2022 in seine Wohnung eindringen sollten, "sie nicht lebend wieder herauskommen" würden. Er werde ihnen "eine Kugel verpassen" oder "sie niederstechen, bevor er sich selbst töten würde". Dem Sergeant war bewusst, dass diese Aussagen an die Betroffenen weitergeleitet würden.
  • Waffenbesitz zu Hause (15. November 2022): Bei einer Hausdurchsuchung am Wohnort des Beschwerdeführers wurden mehrere Schusswaffen (Pump-Action-Gewehr FN-BROWNING Kaliber .22 Long Rifle, Pistole SIG-SAUER P220 Kaliber 9 mm Para, Repetiergewehr W+F 1896/11 Kaliber 7.50x55, eine Hasenpistole Kaliber 6 mm) sowie eine Menge Munition ohne Berechtigung vorgefunden.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

3.1. Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Präfektur – Art. 285 Abs. 1 aStGB)

  • Rechtliche Grundlagen: Das Bundesgericht erläutert, dass Art. 285 Abs. 1 aStGB jene Person bestraft, die unter Anwendung von Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten an einer Amtshandlung hindert oder sie dazu zwingt. Eine Behinderung ist gegeben, wenn die Amtshandlung nicht wie vorgesehen oder nur erschwert ausgeführt werden kann (vgl. BGE 133 IV 97 E. 4.2). Die Drohung muss objektiv geeignet sein, eine vernünftige Person in der Situation des Betroffenen zu beeinflussen und einen ernstlichen Nachteil ankündigen (analog Art. 181 StGB, im Gegensatz zu Art. 180 StGB, bei dem keine Furcht hervorgerufen werden muss – vgl. BGE 122 IV 322 E. 1a). Vorsatz, auch Eventualvorsatz, ist ausreichend (Art. 12 Abs. 2 StGB). Das Dessein (der Beweggrund oder das konkrete Motiv) ist keine subjektive Tatbestandsvoraussetzung (vgl. BGE 101 IV 62 E. 2c).
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Der Beschwerdeführer griff einen Beamten an, der eine Amtshandlung vornahm (Empfang in der Präfektur). Sein Verhalten behinderte den Empfangsmitarbeiter, indem dieser eine Krisensituation bewältigen und die Polizei rufen musste, anstatt seinen üblichen Aufgaben nachzugehen.
    • Das Bundesgericht bestätigte, dass die Drohung, in eine Schule zu gehen und 40 Personen zu töten, objektiv einen ernstlichen Nachteil darstellt und geeignet war, die Handlungsfreiheit des Empfangsmitarbeiters zu beeinflussen. Es ist irrelevant, ob der Empfangsmitarbeiter persönlich Furcht empfand; entscheidend ist die objektive Eignung der Drohung (vgl. Erwägung 1.3.1).
    • Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht die Absicht gehabt, die Polizei zu rufen oder eine Amtshandlung zu verhindern, wurde zurückgewiesen. Das Bundesgericht bekräftigte, dass das Dessein keine subjektive Bedingung für die Erfüllung des Straftatbestands sei (Erwägung 1.3.3). Es genüge der Vorsatz im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB, d.h. das Bewusstsein und der Wille, die inkriminierte Handlung zu begehen.
  • Fazit: Die kantonalen Gerichte haben Bundesrecht nicht verletzt, indem sie den Beschwerdeführer der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte für schuldig befanden.

3.2. Versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Polizeiposten – Art. 285 Abs. 1 aStGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB)

  • Rechtliche Grundlagen: Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter alle subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seinen Tatentschluss bekundet hat, die objektiven Merkmale aber ganz oder teilweise fehlen (Art. 22 Abs. 1 StGB). Auch hier genügt Eventualvorsatz.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Die Drohungen gegenüber dem Sergeant, die an die Betreibungsbeamten gerichtet waren ("nicht lebend herauskommen", "eine Kugel verpassen", "niederstechen"), stellten objektiv eine Drohung mit ernstlichem Nachteil dar (Gefährdung des Lebens der Beamten und des Beschwerdeführers selbst).
    • Das Argument des Beschwerdeführers, die Polizei sei "gewohnt, alle möglichen Äusserungen in Gewahrsamsräumen zu hören", wurde zurückgewiesen. Das Bundesgericht hielt fest, dass wiederholte Drohungen mit Waffeneinsatz und Gewalt, insbesondere im Zusammenhang mit dem später gefundenen Waffenarsenal, objektiv geeignet waren, die Entscheidungsfreiheit der Beamten zu beeinflussen (Erwägung 2.3).
    • Es ist nicht erforderlich, dass die Drohungen die Betreibungsbeamten tatsächlich an ihrer Mission gehindert hätten oder dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen wäre, die Drohungen auszuführen. Es genügte, dass die Verwirklichung des angekündigten Schadens von seinem Willen abzuhängen schien (Erwägung 2.4). Der Fund des Waffenarsenals zu Hause untermauerte die Glaubwürdigkeit der Drohung.
    • Auch hier wurde der Einwand, es habe sich nur um einen Ausdruck der Verzweiflung und des Hilfebedürfnisses gehandelt, als irrelevant abgetan, da das Dessein auch beim Versuch keine subjektive Bedingung ist (Erwägung 2.5).
  • Fazit: Die Verurteilung wegen versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte ist bundesrechtskonform.

3.3. Verstoss gegen das Waffengesetz (LArm – Art. 33 Abs. 1 lit. a WG)

  • Rechtliche Grundlagen: Das Bundesgericht präzisiert die Regeln des WG: Waffenerwerb bedarf grundsätzlich eines Waffenerwerbsscheins (Art. 8 Abs. 1 WG), ausser für bestimmte Einzellader-Waffen (Art. 10 Abs. 1 WG). Selbst für diese ist jedoch ein schriftlicher Vertrag erforderlich, der 10 Jahre aufzubewahren ist (Art. 11 Abs. 1 WG). Der Besitz und das Tragen von Waffen unterliegen ebenfalls strengen Regeln (Art. 12, 27 Abs. 1 WG). Art. 33 WG sanktioniert den vorsätzlichen, widerrechtlichen Erwerb, Besitz, die Herstellung etc. von Waffen, Waffenzubehör und Munition. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei dem die blosse Handlung als gefährlich gilt und bestraft wird, ohne dass eine konkrete Gefährdung nachgewiesen werden muss.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Die kantonalen Gerichte hatten festgestellt, dass der Beschwerdeführer widersprüchliche und unglaubwürdige Angaben zum Erwerbszeitpunkt seiner Waffen machte. Sie kamen zum Schluss, dass die Waffen nach dem 4. Januar 2014 erworben wurden (Datum einer früheren Hausdurchsuchung, bei der bereits Waffen beschlagnahmt worden waren). Diese Feststellung wurde vom Bundesgericht nicht als willkürlich beanstandet (Erwägung 3.4). Damit waren allfällige frühere, liberalere Rechtsregime irrelevant; selbst bei längerem Besitz wäre aufgrund des Übergangsrechts eine Meldepflicht gegeben gewesen.
    • Das Pump-Action-Gewehr und die SIG SAUER-Pistole sind bewilligungspflichtige Waffen (Art. 8 Abs. 1 WG), für die der Beschwerdeführer keine Bewilligung besass. Für die anderen meldepflichtigen Feuerwaffen fehlten die erforderlichen schriftlichen Verträge (Art. 11 WG), ausser für eine antike Perkussionswaffe von 1840, die als Altware (Art. 2 Abs. 2 WG) nicht unter diese Pflicht fiel.
    • Der subjektive Tatbestand war gegeben: Der Beschwerdeführer wusste aufgrund der Beschlagnahmung von 2014 und eines negativen Vorentscheids von 2019, dass er keine Waffen besitzen durfte. Er hat nach eigener Aussage nach mehreren Ablehnungen absichtlich auf weitere Bewilligungsgesuche verzichtet, was seinen Vorsatz (zumindest Eventualvorsatz) belegt.
  • Fazit: Die Verurteilung wegen Verstosses gegen das Waffengesetz wurde ebenfalls bestätigt.

3.4. Einziehung von Waffen und Gegenständen (Art. 69 StGB und Art. 31 Abs. 3 WG i.V.m. Art. 26 BV)

  • Rechtliche Grundlagen: Gemäss Art. 69 Abs. 1 StGB zieht der Richter Gegenstände ein, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder dienen sollten (instrumenta sceleris) oder die aus einer Straftat hervorgegangen sind (producta sceleris), wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Personen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. Eine Prognose bezüglich der zukünftigen Gefahr ist erforderlich (BGE 137 IV 249 E. 4.4). Die Einziehung als Eingriff in das Eigentumsrecht (Art. 26 BV) muss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen (Eignung und Erforderlichkeit). Art. 31 Abs. 3 WG sieht die definitive Einziehung bei Missbrauchsgefahr vor, insbesondere wenn Personen mit den Gegenständen bedroht oder verletzt wurden.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Der Einwand des Beschwerdeführers, die Einziehung sei wegen seines angestrebten Freispruchs hinfällig, wurde als gegenstandslos abgewiesen.
    • Die Argumente des Beschwerdeführers bezüglich fehlender Vorstrafen, psychiatrischer Unauffälligkeit oder der Wichtigkeit seiner Sammlung wurden als unzulässig (fehlende Grundlage in den kantonalen Feststellungen oder irrelevant) zurückgewiesen.
    • Das Bundesgericht bestätigte den direkten Zusammenhang zwischen den begangenen Straftaten und den eingezogenen Gegenständen. Obwohl der Beschwerdeführer nur eine Schachtel Munition physisch warf, bezogen sich seine Drohungen auf den Einsatz von Schusswaffen ("Kugel verpassen") und Stichwaffen ("niederstechen"), was durch das grosse, zu Hause gefundene Waffenarsenal (Schusswaffen und zahlreiche Stichwaffen wie Schwerter, Dolche, Bajonette, Macheten) untermauert wurde.
    • Die vom Sachverständigen attestierte mittlere Rückfallgefahr begründet eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und rechtfertigt die Einziehung als Sicherheitsmassnahme.
    • Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit wurde gewahrt, da die Massnahme geeignet und erforderlich ist, die Gefahr abzuwenden, und zudem konkret umgesetzt wurde, indem unkritische Gegenstände (kugelsichere Westen, leere Hülle, Gewehrhülle) zurückgegeben wurden (Erwägung 5.3).
  • Fazit: Die Einziehung der Waffen und gefährlichen Gegenstände verstösst nicht gegen Bundesrecht oder den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

3.5. Entschädigungsbegehren Das Begehren des Beschwerdeführers um Entschädigung wegen "ungerechtfertigter" und "widerrechtlicher" Haft wurde mangels Begründung als unzulässig erachtet (Art. 42 Abs. 2 BGG).

4. Ergebnis Das Bundesgericht hat die Beschwerde, soweit sie zulässig war, abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hat die Verurteilung von A.__ wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Verstosses gegen das Waffengesetz vollumfänglich bestätigt.

  1. Drohungen: Die Drohungen des Beschwerdeführers, in einer Schule 40 Personen zu töten und Betreibungsbeamte zu töten, wurden als objektiv geeignet beurteilt, die Handlungsfreiheit der Beamten zu beeinträchtigen und einen ernstlichen Nachteil anzukündigen. Dabei ist irrelevant, ob die Beamten tatsächlich Furcht empfanden oder der Täter seine Drohungen hätte ausführen können. Auch das Dessein (Motiv) ist keine subjektive Tatbestandsvoraussetzung, der Vorsatz (Bewusstsein und Wille) genügt.
  2. Waffenrecht: Der Beschwerdeführer besass bewilligungspflichtige Schusswaffen ohne Erlaubnis und meldepflichtige Waffen ohne die vorgeschriebenen schriftlichen Verträge. Der Erwerb dieser Waffen wurde nach einer Hausdurchsuchung im Jahr 2014 datiert, was frühere, liberalere Rechtsregime irrelevant machte. Sein Vorsatz wurde aus früheren Waffenbeschlagnahmungen und negativen Vorentscheiden abgeleitet.
  3. Einziehung: Die Einziehung der Waffen und zahlreicher weiterer gefährlicher Gegenstände (Stichwaffen etc.) war verhältnismässig. Die vom Gutachten attestierte mittlere Rückfallgefahr in Verbindung mit den schweren Drohungen und dem umfangreichen Arsenal begründete eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die eine weniger einschneidende Massnahme nicht hätte abwenden können. Die Rückgabe unkritischer Gegenstände zeugt von der Wahrung der Verhältnismässigkeit.
  4. Entschädigung: Das Entschädigungsbegehren war unzureichend begründet und daher unzulässig.