Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_654/2024 vom 8. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (4A_654/2024 vom 8. Oktober 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 4A_654/2024 vom 8. Oktober 2025

1. Einleitung und Parteien

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (Erste Zivilrechtliche Abteilung) befasst sich mit einem Revisionsgesuch gegen einen Schiedsentscheid des Court of Arbitration for Sport (TAS/CAS) vom 29. Januar 2024. Die Revisionsgesuchstellerin, A.__, ist eine russische Eiskunstläuferin auf internationalem Niveau. Die Intimierten sind die Russian Anti-Doping Agency (RUSADA), die International Skating Union (ISU) und die Agence Mondiale Antidopage (AMA/WADA). Der Sitz des TAS ist Lausanne, und da die Athletin nicht in der Schweiz domiziliert ist, finden die Bestimmungen des 12. Kapitels des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) Anwendung (Art. 176 Abs. 1 IPRG).

2. Chronologie des Dopingverfahrens und Vorinstanzen

  • Dezember 2021: Die damals 15-jährige Athletin A.__ wird nach den russischen Eiskunstlaufmeisterschaften positiv auf Trimetazidin getestet, eine nicht-spezifizierte verbotene Substanz gemäss der WADA-Verbotsliste.
  • Februar 2022: RUSADA informiert die Athletin über den positiven Test und suspendiert sie provisorisch. Die Disziplinarkommission der RUSADA (DADC) hebt die provisorische Suspendierung jedoch auf.
  • Februar 2022: WADA, ISU und das Internationale Olympische Komitee (IOC) fechten die DADC-Entscheidung vor der Ad-hoc-Kammer des TAS an, welche die Aufhebung der provisorischen Suspendierung bestätigt. Die Athletin kann an den Olympischen Spielen in Peking 2022 teilnehmen.
  • September 2022: RUSADA leitet ein formelles Verfahren gegen die Athletin wegen Verstosses gegen die Anti-Doping-Bestimmungen ein.
  • Januar 2023: Die DADC verzichtet erneut auf eine Suspendierung der Athletin und die Disqualifikation ihrer Ergebnisse, einschliesslich derer von Peking 2022.
  • Februar 2023: RUSADA, ISU und WADA legen gegen diesen DADC-Entscheid Berufung beim TAS ein.
  • Januar 2024: Der TAS-Schiedsentscheid (TAS 2023/A/9451, 9455, 9456) annulliert die DADC-Entscheidung. Er spricht die Athletin des Dopingverstosses schuldig, verhängt eine vierjährige Sperre ab dem 25. Dezember 2021 und ordnet die Disqualifikation aller ihrer Ergebnisse ab diesem Datum an.
    • TAS-Begründung: Die Existenz eines Dopingverstosses ist erwiesen. Die Athletin konnte nicht mit der erforderlichen Präponderanz der Wahrscheinlichkeiten ("balance of probabilities") nachweisen, dass der Verstoss nicht vorsätzlich erfolgte. Ihr Status als "geschützte Person" (gemäss Art. 10.5 CMA) ändert nichts an dieser Beweislast. Der TAS beurteilte verschiedene von der Athletin vorgebrachte Szenarien für die Trimetazidin-Einnahme (Sabotage, kontaminiertes Medikament/Nahrungsergänzungsmittel, kontaminierter Erdbeerdessert ihres Grossvaters). Insbesondere das "Erdbeerdessert-Szenario" wurde als nicht genügend belegt befunden, da zu viele Lücken und unbeantwortete Fragen blieben, um es als wahrscheinlicher denn unwahrscheinlich zu erachten. Die Sperre wurde wegen Verfahrensverzögerungen, die nicht der Athletin anzulasten waren, auf den Zeitpunkt der Probenentnahme (25. Dezember 2021) datiert.
  • September 2024: Das Bundesgericht weist eine zivilrechtliche Beschwerde der Athletin gegen den TAS-Schiedsentscheid ab (Urteil 4A_136/2024, teilweise publiziert in BGE 151 III 53).

3. Das vorliegende Revisionsgesuch vor dem Bundesgericht

Die Athletin beantragt die Revision des TAS-Schiedsentscheids vom 29. Januar 2024.

3.1. Prozessuale Bemerkungen zur RUSADA Das Bundesgericht hält fest, dass die Stellungnahme der RUSADA, die nach Ablauf der Frist und ohne Wahl eines Zustelldomizils in der Schweiz eingereicht wurde, nicht berücksichtigt werden kann (Art. 39 Abs. 3, Art. 48 Abs. 1 BGG). Dies ist ein wichtiger prozeduraler Punkt in diesem spezifischen Revisionsverfahren.

3.2. Grundsätze der Revision im internationalen Schiedsverfahren Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das nur in extremen Situationen angewendet werden soll, um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden (BGE 142 III 521 E. 2.1; 151 III 62 E. 7.5). Das Bundesgericht ist die zuständige Instanz für Revisionsgesuche gegen internationale Schiedsentscheide (Art. 191 IPRG i.V.m. Art. 119a BGG).

3.3. Revisionsgrund und dessen Voraussetzungen Die Athletin stützt ihr Revisionsgesuch auf Art. 190a Abs. 1 lit. a IPRG. Dieser erlaubt eine Revision, wenn eine Partei nach dem Entscheid relevante Tatsachen oder schlüssige Beweismittel entdeckt, die sie trotz gebührender Sorgfalt im vorherigen Verfahren nicht geltend machen konnte. Ausschliesslich Tatsachen oder Beweismittel, die vor dem Schiedsentscheid existierten (sogenannte Pseudo-Nova), sind relevant.

Die fünf Voraussetzungen für eine Revision wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel sind: 1. Existenz der Tatsachen/Beweismittel. 2. Relevanz/Schlüssigkeit (geeignet, den Sachverhalt zu ändern und zu einem anderen Ergebnis zu führen). 3. Existenz vor dem angefochtenen Entscheid (Pseudo-Nova). 4. Nachträgliche Entdeckung. 5. Unmöglichkeit der Geltendmachung trotz gebührender Sorgfalt im vorherigen Verfahren.

3.4. Argumentation der Revisionsgesuchstellerin Die Athletin behauptet, durch einen Artikel der Associated Press vom 12. September 2024 von einem Gutachten des Experten Prof. B._ erfahren zu haben. Dieses Gutachten, auf Anfrage von RUSADA erstellt, sei ihr sehr günstig gewesen und habe ihre Kontaminationsthese gestützt. Die WADA habe Kenntnis von diesem Bericht gehabt und dessen Produktion im Schiedsverfahren wissentlich verhindert, was einem "Verfahrensbetrug" gleichkomme. Sie zitiert eine angebliche Textnachricht eines WADA-Direktors, in der dieser die "dringende" Verhinderung der Verwendung des Berichts fordert. Die Athletin macht geltend, der Bericht sei ein schlüssiges Beweismittel und dessen absichtliche Verheimlichung eine relevante Tatsache. Sie wirft WADA vor, absichtlich gelogen und ein für das Ergebnis entscheidendes Element verheimlicht zu haben. Später, in ihrer Replik, bestreitet die Athletin, dass das von der WADA im Revisionsverfahren vorgelegte "Projet de rapport d'expertise du Prof. B._ du 19 septembre 2022" die vollständige und unveränderte Version des Berichts sei. Sie vermutet, dass der Bericht manipuliert wurde, da er ihrer Meinung nach Inkonsistenzen aufweise, bestimmte Fragen unbeantwortet lasse und ein Passus fehle, der ursprünglich sehr günstig für sie gewesen sein soll.

3.5. Stellungnahmen der Intimierten (ISU, WADA) * ISU: Sie ist nicht im Besitz des Gutachtens und kann dessen Schlüssigkeit nicht beurteilen. Sie zweifelt daran, dass der Presseartikel allein die Schlüssigkeit belegen kann, und weist darauf hin, dass der TAS festgestellt habe, die Athletin habe die faktischen Beweise für ihre Kontaminationsthese nicht erbracht. * WADA: Sie beantragt die Abweisung des Revisionsgesuchs. Das Gesuch sei unzulässig, da es sich auf einen nach dem Schiedsentscheid liegenden Umstand (den AP-Artikel) stütze. * Der vorgelegte Bericht Prof. B._ sei lediglich ein Entwurf eines Gutachtens, das im Auftrag von RUSADA für das DADC-Verfahren erstellt wurde. WADA habe lediglich als Vermittler agiert. * WADA legt das "Document du 19 septembre 2022" (Prof. B.__s "Projet de rapport") vor. * Dieses Gutachten sei nicht schlüssig: Prof. B._ habe zwar festgehalten, dass eine Kontamination theoretisch nicht ausgeschlossen werden könne, aber die freiwillige Einnahme von Trimetazidin 4-5 Tage vor dem Test als das plausibelste Szenario erachtet. * Das Gutachten hätte das Ergebnis des TAS nicht beeinflusst, da der TAS eine Kontamination ebenfalls als möglich erachtete, die Athletin aber die faktischen Elemente ihrer Version nicht beweisen konnte. Der Bericht B.__ hätte diese Lücken nicht geschlossen. * WADA bestreitet vehement jeglichen Verfahrensbetrug oder eine Pflicht zur Produktion des Dokuments im TAS-Verfahren, da es nicht Teil der "investigation file" gewesen sei, auf die sich der Produktionsbefehl des TAS bezog. * Die Vorwürfe der Manipulation des Gutachtens weist WADA als unbegründet zurück.

3.6. Würdigung durch das Bundesgericht

3.6.1. Zweifel an der Zulässigkeit, Verzicht auf vertiefte Prüfung Das Bundesgericht äussert eingangs erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Revisionsgesuchs, da sich die Athletin primär auf einen nach dem angefochtenen Schiedsentscheid veröffentlichten Presseartikel stützt und das von ihr angeblich entdeckte Gutachten nicht vorlegt. Es verzichtet jedoch auf eine vertiefte Prüfung der Zulässigkeit, da das Gesuch ohnehin in der Sache abgewiesen wird.

3.6.2. Keine Pflicht zur Produktion und kein Verfahrensbetrug * Das Gericht hält fest, dass eine Partei grundsätzlich frei ist, private Expertengutachten zu sammeln, zu ändern und gegebenenfalls nicht vorzulegen, wenn sie ihren Interessen nicht dienen. * Das "Document du 19 septembre 2022" wurde von keiner der Intimierten im Schiedsverfahren verwendet. * Es ist nicht eindeutig, ob dieses Gutachten unter den TAS-Befehl zur Produktion der "investigation file" fiel, da es von WADA als für das DADC-Verfahren angefordert und nicht als Teil der laufenden "investigation" argumentiert wird. Auch wenn die WADA-Erklärung, keine weiteren Dokumente zu haben, als verteidigbar angesehen wird, falls der Bericht nicht zur "Untersuchungsphase" gehörte. * Selbst wenn die Nichtbeachtung eines Produktionsbefehls oder das absichtliche Verschweigen eines Beweismittels angenommen würde, genügt dies grundsätzlich nicht, um die Rechtssicherheit in einem solchen Masse zu gefährden, dass ein rechtskräftiger Entscheid nach Art. 190a Abs. 1 lit. a IPRG aufgehoben werden müsste.

3.6.3. Fehlende Schlüssigkeit des Beweismittels (massgebender Punkt) * Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das "Document du 19 septembre 2022" kein schlüssiges Beweismittel im Sinne von Art. 190a Abs. 1 lit. a IPRG darstellt. Es wäre nicht geeignet gewesen, eine Änderung des angefochtenen Schiedsentscheids zugunsten der Athletin herbeizuführen. * Der Experte Prof. B.__ stellte zwar fest, dass eine Kontamination theoretisch nicht ausgeschlossen werden könne, präzisierte aber, dass die freiwillige Einnahme von Trimetazidin 4-5 Tage vor dem Test das plausibelste Szenario bleibe. * Diese Schlussfolgerungen stimmen im Wesentlichen mit der Würdigung des TAS überein. Der TAS schloss eine Kontamination nicht als wissenschaftlich unmöglich aus, sondern betonte, dass "möglich nicht wahrscheinlich ist" ("possible is not probable"). * Der TAS wies die Kontaminationsthese der Athletin nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus faktischen und beweisrechtlichen Gründen zurück. Die Athletin hatte nicht bewiesen: * dass ihr Grossvater Ende Dezember 2021 Trimetazidin-haltige Medikamente eingenommen hatte; * dass die Substanz irgendwie in den Erdbeerdessert gelangte; * dass sie den Dessert mit nach St. Petersburg genommen und dort gegessen hatte. * Das "Document du 19 septembre 2022" behebt diese entscheidenden faktischen und beweisrechtlichen Lücken im Vortrag der Athletin nicht. Daher hätte es keinen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens gehabt.

3.6.4. Unbegründete Manipulationsvorwürfe * Das Bundesgericht kann die Behauptungen der Athletin, Prof. B.__ habe mehrere Versionen seines Berichts erstellt oder die WADA habe Druck zur Änderung ausgeübt, nicht nachvollziehen. Die Athletin stützt sich hierbei teilweise auf den nach dem Schiedsentscheid veröffentlichten Presseartikel, was unzulässig ist. * Die angeblichen Inkonsistenzen im "Document du 19 septembre 2022", wie das Fehlen einer expliziten Antwort auf die achte Frage ("How did the TMZ enter the Athlete's body?"), begründen keine Manipulation. Der Experte hatte indirekt Stellung genommen, indem er die freiwillige Einnahme als plausibelste Hypothese bezeichnete. * Die Manipulationsvorwürfe sind somit unbegründet und ändern nichts an der fehlenden Schlüssigkeit des Beweismittels.

4. Fazit des Urteils

Das Bundesgericht weist das Revisionsgesuch im Rahmen seiner Zulässigkeit ab. Die Athletin trägt die Gerichtskosten und muss den Intimierten ISU und WADA Parteientschädigungen leisten.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Schweizerische Bundesgericht hat das Revisionsgesuch der Eiskunstläuferin A.__ gegen den TAS-Schiedsentscheid, der sie wegen Dopings zu einer vierjährigen Sperre und Disqualifikation aller Ergebnisse verurteilte, abgewiesen.

  1. Revisionsgrund: Das Gesuch stützte sich auf die angebliche Entdeckung eines neuen, von WADA und RUSADA unterdrückten Expertenberichts (Prof. B.__), der die Kontaminationsthese der Athletin stützen sollte.
  2. Kein Verfahrensbetrug: Das Bundesgericht wies die Vorwürfe des Verfahrensbetrugs und der absichtlichen Verheimlichung des Berichts zurück. Es betonte, dass das blosse Verschweigen eines Beweismittels an sich keine Revision rechtfertigt und der Bericht wahrscheinlich nicht unter die bestehenden Produktionsbefehle fiel.
  3. Fehlende Schlüssigkeit: Entscheidend war, dass das vorgelegte Gutachten Prof. B.__ vom Bundesgericht als nicht schlüssig im Sinne des Revisionsrechts erachtet wurde. Es hätte das Ergebnis des TAS-Verfahrens nicht geändert.
  4. Faktische Beweislücken: Der TAS hatte die Kontaminationsthese der Athletin nicht aus wissenschaftlichen Gründen, sondern wegen fehlender faktischer Beweise für die genauen Umstände der angeblichen Kontamination abgelehnt. Der neu vorgelegte Expertenbericht hätte diese fundamentalen faktischen Lücken in der Argumentation der Athletin nicht schliessen können.
  5. Manipulationsvorwürfe unbegründet: Die von der Athletin vorgebrachten Vorwürfe der Manipulation des Gutachtens durch die WADA wurden vom Bundesgericht als unbegründet zurückgewiesen.

Somit blieb der TAS-Schiedsentscheid, einschliesslich der vierjährigen Sperre und der Disqualifikation der Ergebnisse, bestehen.