Detaillierte Zusammenfassung des Urteils 4A_194/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 15. September 2025
1. Parteien und Streitgegenstand
Parteien sind die A._ AG (Beschwerdeführerin, Klägerin), ein Schweizer Fussballklub, und die B._ AG (Beschwerdegegnerin, Beklagte), ebenfalls ein Schweizer Fussballklub. Streitgegenstand ist die Auslegung einer Schadloshaltungsklausel in einer Transfervereinbarung betreffend den Spieler D._. Die Beschwerdeführerin beanspruchte von der Beschwerdegegnerin die Übernahme von Ausbildungsentschädigungen und damit verbundenen Kosten, die sie an die C._ AG (einen dritten Klub) zahlen musste.
2. Sachverhaltliche Grundlagen
- Spieler-Historie: D._ war von 2016-2019 bei der C._ AG und anschliessend von Oktober 2019 bis März 2020 bei der B._ AG angestellt. Die B._ AG hatte der C.__ AG für diesen Transfer bereits eine Ausbildungsentschädigung von Fr. 19'352.85 bezahlt.
 
- Transfervereinbarung: Am 12. März 2020 schlossen die A._ AG und die B._ AG eine Transfervereinbarung zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsvertrags von D._ mit der B._ AG und dessen Wechsel zur A.__ AG ab. Ziffer 3 dieser Vereinbarung ist zentral:
- Die B.__ AG verzichtete auf eine Transferentschädigung.
 
- Die B.__ AG verzichtete auf allfällige eigene Ansprüche im Zusammenhang mit Ausbildungsentschädigungen.
 
- Die B._ AG verpflichtete sich, die A._ AG bei allfälligen Forderungen Dritter "in diesem Zusammenhang" schadlos zu halten.
 
 
- Forderung Dritter: Kurz nach dem Transfer forderte die C._ AG von der A._ AG eine Ausbildungsentschädigung von Fr. 134'333.60.
 
- Prozessweg SFL und CAS (Rz. A.b - A.d):
- Die Transferkommission SFL verurteilte die A.__ AG zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung.
 
- Nach Absprache der Parteien (wobei die B._ AG die Schadloshaltung bereits explizit nicht anerkannte) erhob die A._ AG Rekurs beim Rekursgericht SFL. Die B.__ AG beteiligte sich am Verfahren, hielt aber an ihrem Vorbehalt fest.
 
- Das Rekursgericht SFL verurteilte die A._ AG zur Zahlung von Fr. 243'273.97 an die C._ AG.
 
- Das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) bestätigte diesen Entscheid am 5. September 2022 vollumfänglich.
 
- Die A._ AG bezahlte die geschuldeten Beträge (Ausbildungsentschädigung, Zinsen, Parteikosten C._ AG) und stellte der B._ AG eine Gesamtforderung von Fr. 310'974.05 in Rechnung. Die B._ AG verweigerte die Zahlung.
 
 
- Arbitrationsverfahren vor dem TAS (Rz. A.e): Die A._ AG beantragte beim TAS, die B._ AG zur Zahlung verschiedener Beträge (Ausbildungsentschädigungen, Zinsen, Rechts- und Verfahrenskosten) zu verpflichten. Der Einzelschiedsrichter hiess die Klage mit Schiedsspruch vom 24. März 2025 nur teilweise gut und verpflichtete die B.__ AG zur Zahlung von Fr. 66'436.-- zuzüglich Zins.
 
3. Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht (Erw. 1)
Das Bundesgericht beurteilte die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen.
*   Anwendbares Recht: Es handelt sich um eine interne Schiedsgerichtsbarkeit gemäss 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; Art. 353 ff. ZPO), da beide Parteien ihren Sitz in der Schweiz hatten und keine Anwendung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 176 ff. IPRG) vereinbart wurde.
*   Rechtsmittelinstanz: Der Schiedsspruch unterliegt der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 389 Abs. 1 ZPO und Art. 77 Abs. 1 lit. b BGG).
*   Natur der Beschwerde: Die Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur (Art. 77 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht kann den angefochtenen Entscheid nur aufheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückweisen, nicht aber in der Sache selbst entscheiden (mit wenigen Ausnahmen wie Zuständigkeitsfragen oder offensichtlich überhöhten Entschädigungen). Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückweisung "im Sinne der beschwerdeführerischen Ausführungen" wurde als unzulässig erachtet.
*   Rügepflicht und Sachverhaltsbindung: Die Beschwerdegründe sind in Art. 393 ZPO abschliessend aufgezählt. Es gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 77 Abs. 3 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht ist an den vom Schiedsgericht festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG); eine Korrektur oder Ergänzung ist nur bei offensichtlicher Aktenwidrigkeit (Art. 393 lit. e ZPO) oder ausnahmsweise bei Noven möglich, was strengen Anforderungen unterliegt.
4. Materielle Prüfung der Beschwerdegründe
Die Beschwerdeführerin warf dem Einzelschiedsrichter vor, den Transfervertrag willkürlich (Art. 393 lit. e ZPO) und in Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 393 lit. d ZPO) ausgelegt zu haben.
4.1. Auslegung der Transfervereinbarung (Ziffer 3) und Willkürrüge (Erw. 2, 3, 4, 5)
- Rechtliche Grundlagen der Vertragsauslegung: Das Bundesgericht legte dar, dass sich der Inhalt eines Vertrags in erster Linie nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (subjektive Auslegung, Art. 18 Abs. 1 OR) bestimmt. Die Feststellung dieses Willens ist eine Sachverhaltsfeststellung und für das Bundesgericht grundsätzlich bindend. Konnte kein wirklicher Wille festgestellt werden, ist der mutmassliche Wille aufgrund des Vertrauensprinzips (objektivierte Auslegung) zu ermitteln. Die objektivierte Auslegung ist eine Rechtsfrage.
 
- Subjektive Auslegung durch das Schiedsgericht (Erw. 4.1):
- Der Einzelschiedsrichter vermochte keinen übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen.
 
- Der Wortlaut von Ziffer 3 ("in diesem Zusammenhang") wurde als unklar beurteilt, da er sich entweder auf die "Ausbildungsentschädigung" oder den "Verzicht" im ersten Halbsatz beziehen könnte. Diese Zweideutigkeit verhinderte einen sicheren Rückschluss auf den effektiven Parteiwillen.
 
- Das nachträgliche Parteiverhalten wurde ebenfalls als widersprüchlich und daher nicht aussagekräftig für die Willensfeststellung gewürdigt (z.B. anfängliche Bereitschaft der B._ AG zur Übernahme der Entschädigung, späterer Vorbehalt; Bedingung der A._ AG für den Rekurs hinsichtlich der Kostenübernahme, obwohl diese nach ihrer Darstellung ohnehin von der B.__ AG zu tragen gewesen wären).
 
 
- Bundesgerichtliche Würdigung der Willkürrüge bzgl. subjektiver Auslegung (Erw. 4.3):
- Die Beschwerdeführerin rügte, der Begriff "Zusammenhang" beziehe sich klar auf "Forderungen Dritter" und "Ausbildungsentschädigung", nicht auf den Verzicht der B._ AG. Zudem sei das nachträgliche Verhalten der B._ AG widersprüchlich gewesen, während ihres eigenes Verhalten konsistent gewesen sei.
 
- Das Bundesgericht wies diese Rüge ab. Es hielt fest, dass die Beschwerdeführerin keine offensichtliche Aktenwidrigkeit im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO dargelegt habe (d.h., dass der Einzelschiedsrichter eine Aktenstelle übersehen oder falsch verstanden hätte). Vielmehr ziehe die Beschwerdeführerin lediglich andere Schlüsse aus den Akten als der Einzelschiedsrichter, was das Beweisergebnis im angefochtenen Entscheid nicht als willkürlich ausweise. Damit bestätigte das Bundesgericht die Feststellung des Schiedsgerichts, dass ein übereinstimmender wirklicher Wille nicht feststellbar war.
 
 
- Objektivierte Auslegung durch das Schiedsgericht (Erw. 5.1):
- Da kein wirklicher Wille feststellbar war, führte der Einzelschiedsrichter eine objektivierte Auslegung nach dem Vertrauensprinzip durch.
 
- Er erwog, dass der Transfer primär im Interesse der A._ AG gelegen habe (Spieler war 21, Marktwert EUR 300'000, Wechsel in die Super League ermöglicht, B._ AG verzichtete auf eigene Ansprüche und Transferkosten).
 
- Unter diesen Umständen konnte die A._ AG nach dem Vertrauensprinzip nicht davon ausgehen, dass sich die B._ AG darüber hinaus auch noch zur Zahlung einer unbestimmten künftigen Ausbildungsentschädigung an die C.__ AG verpflichten würde. Eine derart weitgehende, finanziell nachteilige Verpflichtung sei nicht vom Konsens der Parteien erfasst gewesen.
 
 
- Bundesgerichtliche Würdigung der Willkürrüge bzgl. objektivierter Auslegung (Erw. 5.3):
- Die Beschwerdeführerin bestritt die Sachverhaltsfeststellungen des Schiedsgerichts zum Marktwert des Spielers und den finanziellen Motiven der Parteien. Sie argumentierte, die Parteien seien sich des Risikos möglicher Ausbildungsentschädigungen bewusst gewesen.
 
- Das Bundesgericht wies auch diese Rüge ab. Es stellte fest, dass die objektivierte Vertragsauslegung eine Rechtsfrage darstellt. Die Beschwerdeführerin hätte eine offensichtliche Verletzung der Auslegungsregeln (Art. 393 lit. e ZPO) geltend machen müssen. Stattdessen beschränkte sie sich auf abweichende tatsächliche Ausführungen zum Marktwert und den Motiven, was nicht ausreicht, um eine offensichtliche Rechtsverletzung darzulegen.
 
 
4.2. Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 393 lit. d ZPO) (Erw. 2.2, 5.3)
Die Beschwerdeführerin rügte zudem eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Bundesgericht erinnerte an die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (Recht, sich zu äussern, Rechtsstandpunkt zu vertreten, Beweismittel einzureichen) und die Pflicht des Schiedsgerichts, rechtserhebliche Vorbringen zu prüfen, ohne sich ausdrücklich mit jedem Argument auseinandersetzen zu müssen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Rüge nicht näher und nicht rechtsgenügend begründet habe.
4.3. Rüge zu den "restlichen Kosten im Zusammenhang mit der Ausbildungsentschädigung" (Erw. 6)
Die Beschwerdeführerin machte geltend, die Erwägungen des Einzelschiedsrichters zu den "restlichen Kosten" seien im Ergebnis korrekt, die Herleitung jedoch unvollständig. Das Bundesgericht hielt fest, dass ein Schiedsspruch nur angefochten werden kann, wenn er nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (Art. 393 lit. e ZPO). Da die Beschwerdeführerin selbst einräume, dass das Ergebnis korrekt sei, vermittle ihr Art. 393 lit. e ZPO keinen Anspruch auf eine ausführlichere Begründung.
5. Ergebnis des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Die unterliegende Beschwerdeführerin wurde mit den Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- und einer Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin von Fr. 7'000.-- belastet.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der A._ AG gegen einen Schiedsspruch des TAS ab, welcher die B._ AG nur teilweise zur Schadloshaltung verpflichtete. Kernpunkt war die Auslegung einer Klausel in einer Transfervereinbarung, die eine Schadloshaltungspflicht der B.__ AG für Forderungen Dritter "in diesem Zusammenhang" vorsah.
- Kein übereinstimmender wirklicher Wille: Das TAS hatte keinen übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen feststellen können, da der Wortlaut der Klausel ("in diesem Zusammenhang") mehrdeutig war und das nachträgliche Parteiverhalten widersprüchlich. Das Bundesgericht bestätigte diese Sachverhaltsfeststellung, da die Beschwerdeführerin keine offensichtliche Aktenwidrigkeit dargelegt hatte, sondern lediglich andere Schlussfolgerungen aus den Akten zog.
 
- Objektivierte Auslegung des TAS bestätigt: Die objektivierte Auslegung nach dem Vertrauensprinzip führte das TAS zum Schluss, dass die A._ AG unter den gegebenen Umständen (Transfer primär im Interesse der A._ AG, Verzicht der B._ AG auf eigene Ansprüche und Transferkosten) nicht erwarten konnte, dass die B._ AG eine unbestimmte zukünftige Ausbildungsentschädigung eines Dritten übernehmen würde. Die Rüge der Beschwerdeführerin, diese Auslegung sei willkürlich, wurde abgewiesen, da sie keine offensichtliche Verletzung materiellen Rechts aufzeigte, sondern lediglich abweichende Sachverhaltsdarstellungen lieferte, welche für die bundesgerichtliche Prüfung unbeachtlich sind.
 
- Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde mangels ausreichender Begründung ebenfalls abgewiesen.
 
- Willkür im Ergebnis notwendig: Eine Rüge bezüglich der Begründung zu "restlichen Kosten" wurde nicht zugelassen, da die Beschwerdeführerin selbst einräumte, dass das Ergebnis in diesem Punkt korrekt sei; eine Willkürrüge erfordert aber Willkür im Ergebnis.
 
Das Bundesgericht hielt an der hohen Hürde für Willkürrügen und der strikten Bindung an die Sachverhaltsfeststellungen des Schiedsgerichts fest und wies die Beschwerde ab.