Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_390/2025 vom 30. September 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 5A_390/2025 und 5A_391/2025 vom 30. September 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Bundesgericht hatte über zwei Beschwerden der Beschwerdeführerin A._ zu befinden, welche sich gegen kantonale Entscheide betreffend vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutz, namentlich den provisorischen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Platzierung ihrer minderjährigen Kinder D._ (geb. 2016) und C.__ (geb. 2018), sowie die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege, richteten. Die Verfahren wurden aufgrund ihrer engen sachlichen Verbindung zur gemeinsamen Beurteilung zusammengelegt.

A._ ist Mutter von fünf Kindern, von denen D._ und C.__ im Fokus der Beschwerden stehen. Beide Kinder leiden an Autismus-Spektrum-Störungen und benötigen umfangreiche Betreuung und spezialisierte Massnahmen. Die Direktion générale de l'enfance et de la jeunesse (DGEJ) ist seit 2004 mit der Familie befasst, verstärkt ab 2019 wegen häuslicher Gewalt, Vernachlässigung und Kindesgefährdung.

Bereits 2020 erstattete die DGEJ Strafanzeige wegen Misshandlung und Vernachlässigung. Eine 2020 eingeleitete Abklärung zur Limitation der elterlichen Sorge führte 2021 zur Anordnung einer Erziehungsbeistandschaft durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB, hier: Justice de paix). Grundlage war ein familiäres Gutachten von Dr. I.__ vom 15. Februar 2021, das die erzieherischen Fähigkeiten der Mutter aufgrund von Verständnisstörungen, impulsiven Reaktionen und einer undifferenzierten, symbiotischen Beziehung zu ihren Kindern als beeinträchtigt einschätzte.

Jüngere Berichte der DGEJ (2022, 2023) zeigten weiterhin erhebliche Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Mutter, darunter ein Verfolgungsgefühl, mangelnde Informationsweitergabe, Aggressivität gegenüber Fachpersonen und eine allgemein dysfunktionale Elternschaft. Es wurde festgehalten, dass die Mutter zwar aufrichtige Zuneigung zu ihren Kindern zeigte, jedoch nicht in der Lage war, zeitgerecht die richtigen Entscheidungen zu treffen, was zu erheblichen Verzögerungen in der Betreuung und Entwicklung der Kinder führte.

Ein ergänzendes Gutachten von Dr. I.__ vom November 2023 empfahl zwar grundsätzlich die Beibehaltung der Obhut und elterlichen Sorge bei der Mutter, knüpfte dies jedoch an die Bedingung, dass die Mutter sich nicht einer vorgeschlagenen Reorientierung der Kinder in spezialisierte Schulstrukturen widersetzen dürfe; andernfalls wäre ein Obhutsentzug und eine Platzierung in Betracht zu ziehen.

Im Dezember 2023 wurde die Mutter strafrechtlich verurteilt (rechtskräftig im Mai 2024) wegen einfacher qualifizierter Körperverletzung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. Ihr wurde vorgeworfen, D._ und C._ wiederholt körperlich misshandelt (insbesondere ins Gesicht geschlagen) und die pflegebedürftige Tochter G._ vernachlässigt zu haben. Die Mutter war bereits zuvor wegen Misshandlung einer anderen Tochter (F._) verurteilt worden.

Angesichts dieser Entwicklungen und wiederholter Bedenken der DGEJ beantragte das Office régional de protection des mineurs (ORPM) im April 2024 den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts für D._ und C._ sowie die Einleitung einer umfassenden Abklärung zum Entzug der elterlichen Sorge. Im Juli 2024 erfolgte zudem eine weitere Signalisierung durch die Stadt Nyon, die auf die prekären Wohnverhältnisse (acht Personen an der Adresse der Mutter, geplanter Abriss des Gebäudes) und die Entwicklungsverzögerungen der Kinder hinwies.

Basierend darauf ordnete die Justice de paix Ende Juli 2024 superprovisorisch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Platzierung der Kinder in einem Heim an, was im August 2024 umgesetzt wurde. Im September 2024 bestätigte die Justice de paix diese Massnahmen mittels vorsorglicher Anordnung und wies die Gesuche der Beschwerdeführerin (und des Vaters von C.__) ab. Die kantonalen Gerichte (Chambre des curatelles) bestätigten diese Entscheide im März bzw. Mai 2025 und wiesen auch die Gesuche der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ab.

2. Rechtliche Schritte und Anträge vor Bundesgericht

Die Beschwerdeführerin beantragte beim Bundesgericht die "Berichtigung" der kantonalen Urteile, namentlich die Aufhebung des provisorischen Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts, die Zuweisung der Obhut über beide Kinder an sie und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

3. Prüfungsstandard des Bundesgerichts bei vorsorglichen Massnahmen

Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerden vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutz betrafen (Art. 445 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 310 Abs. 1 ZGB). Solche Entscheide sind gemäss Art. 98 BGG nur eingeschränkt überprüfbar: Es kann ausschliesslich die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Die Beschwerdeführerin muss eine solche Verletzung nach dem Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG) explizit, klar und detailliert begründen. Appellatorische Kritik ist unzulässig. Sachverhaltsfeststellungen können nur korrigiert oder ergänzt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) erfolgt sind, d.h. wenn die Behörde ohne ernsthaften Grund ein wesentliches Beweismittel nicht berücksichtigt, dessen Bedeutung und Tragweite verkennt oder auf der Grundlage der gesammelten Beweise unhaltbare Schlüsse zieht. Die Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde als materiell endgültiger Entscheid nach Art. 90 BGG betrachtet.

4. Begründung des Bundesgerichts in der Sache

4.1. Willkürliche Anwendung von Art. 310 ZGB (Obhutsentzug und Platzierung)

4.1.1. Grundsätzliches zum Obhutsentzug: Gemäss Art. 310 Abs. 1 ZGB entzieht die Kindesschutzbehörde das Kind den Eltern oder Dritten, wenn dessen Entwicklung andernfalls nicht geschützt werden kann, und platziert es angemessen. Diese Massnahme überträgt das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Behörde. Entscheidend ist, ob das körperliche, geistige oder moralische Wohl des Kindes im elterlichen Umfeld unzureichend geschützt oder gefördert wird. Die Gründe für die Gefährdung sind unerheblich, und ein Verschulden der Eltern ist nicht zwingend. Der Obhutsentzug ist eine Ultima Ratio-Massnahme und nur zulässig, wenn andere, weniger einschneidende Massnahmen (Art. 307 und 308 ZGB) erfolglos waren oder von vornherein unzureichend erscheinen (Verhältnismässigkeits- und Subsidiaritätsprinzip; BGE 146 III 313 E. 6.2.7). Bei der Überprüfung kantonaler Ermessensentscheide übt das Bundesgericht Zurückhaltung und verlangt von der beschwerdeführenden Partei den Nachweis eines Ermessensmissbrauchs.

4.1.2. Abweichen vom Gutachten und Begründung der Platzierung: Die Beschwerdeführerin rügte eine willkürliche Abweichung vom ergänzenden Gutachten von Dr. I._. Sie argumentierte, die Gutachterin habe die ihr vorgeworfenen Mängel (Ablehnung spezialisierter Schulung, Abbruch logopädischer Begleitung, Ablehnung der Elternberatung, strafrechtliche Verurteilung) gekannt und dennoch die Beibehaltung der Obhut und elterlichen Sorge empfohlen. Zudem sei die im Gutachten genannte Bedingung für einen Obhutsentzug (Widerstand gegen eine Reorientierung in spezialisierte Strukturen) nicht eingetreten, da kein konkreter Vorschlag gemacht worden sei. Sie führte auch eigene Bemühungen zur Betreuung ihrer Tochter D._ an.

Das Bundesgericht bestätigte die kantonale Ansicht, dass die KESB auf der Stufe vorsorglicher Massnahmen vom Gutachten abweichen durfte. Die kantonale Behörde habe die im Gutachten genannte Bedingung (mangelnde Zustimmung zu professionellen Empfehlungen betreffend die Schulausbildung) zwar weit ausgelegt, dies sei aber nicht willkürlich. Es sei plausibel, dass die von der Mutter gebotene "unzureichende Betreuung" die schulische und medizinische Versorgung der Kinder gefährde. Die Rügen der Beschwerdeführerin, wonach ihr die vorgeworfenen Mängel willkürlich angelastet worden seien, wies das Bundesgericht ab. Es verwies auf die über Jahre hinweg konsistenten Berichte der DGEJ, die das Versagen der Mutter belegten und keine Besserung trotz subsidiärer Massnahmen zeigten. Auch das Gutachten selbst habe eine zurückhaltende Prognose gestellt ("Gesamtprognose bleibt verhalten", "Bedürfnisse der Kinder werden sich komplexer gestalten", "Entzug der elterlichen Sorge ist nicht ausgeschlossen"). Die Feststellungen der kantonalen Gerichte weichen nicht willkürlich von den Schlussfolgerungen des Gutachtens ab, und die Platzierungsentscheidung erscheint nicht willkürlich unverhältmässig, da die vorhandenen Massnahmen nicht ausreichten, um das Kindeswohl zu gewährleisten.

4.1.3. Berücksichtigung der strafrechtlichen Verurteilung und Dringlichkeit: Die Beschwerdeführerin kritisierte ferner die willkürliche Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Verurteilung und die willkürliche Annahme der Dringlichkeit der Massnahme. Sie wies darauf hin, dass die strafrechtlich relevanten Fakten der Gutachterin bekannt gewesen seien und das Urteil allein die Platzierung nicht rechtfertige (da sie die Strafe allenfalls elektronisch überwacht verbüssen könne). Auch die Dringlichkeit sei nicht gegeben, da die Signalisierung der Stadt Nyon keine unmittelbare Ausweisung oder übermässige Belegung der Wohnung beweise.

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Bezugnahme auf die strafrechtliche Verurteilung durch die kantonale Behörde zwar "überflüssigerweise" ("par surabondance") erfolgte, aber nicht willkürlich war. Die Schwere der Taten, für die die Mutter verurteilt wurde (einfache qualifizierte Körperverletzung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht), sowie ihre Vorstrafen aus den Jahren 2013 und 2018 seien für die Schutzmassnahme relevant. Die Modalitäten der Strafvollstreckung seien irrelevant. Bezüglich der Dringlichkeit räumte das Bundesgericht ein, dass die Signalisierung der Gemeinde Nyon nicht zwangsläufig eine unmittelbare Räumung der Wohnung oder die Anwesenheit von acht Personen impliziere. Dennoch stärke sie die Bedenken hinsichtlich des Betreuungsumfelds der Kinder, die bereits durch die DGEJ-Berichte und die Strafurteile begründet waren. Daher sei der kantonalen Behörde keine Willkür vorzuwerfen, wenn sie die Dringlichkeit der Platzierung bestätigte.

4.2. Willkürliche Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 117 ZPO)

Die Beschwerdeführerin rügte eine willkürliche Abweisung ihres Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege durch die kantonale Instanz.

Das Bundesgericht bestätigte, dass die kantonale Begründung zwar "besonders knapp" ("particulièrement succincte") war, jedoch mit der kantonalen Behörde übereinzustimmen sei, dass das Kindeswohl die beantragte Massnahme hier eindeutig erforderte. Im Lichte der Beweismittel seien die von der Beschwerdeführerin vor der kantonalen Instanz vorgebrachten Argumente nicht als substanziell zu erachten, sondern als von vornherein aussichtslos.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Die Beschwerden wurden, soweit sie zulässig waren, abgewiesen. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wurde ebenfalls abgewiesen, da ihre Begehren von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatten. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hat den provisorischen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Fremdplatzierung der Kinder D._ und C._ der Beschwerdeführerin A.__ bestätigt. Es befand, dass die kantonale Behörde willkürfrei vom Gutachten abweichen konnte, da die von der Mutter gebotene Betreuung die Entwicklung der Kinder fortwährend gefährdete und keine Besserung trotz anderer Massnahmen zu erwarten war. Die Begründung basierte auf langjährigen Berichten über mangelnde Kooperation, Behinderung der notwendigen Betreuung und aggressivem Verhalten der Mutter, verstärkt durch ihre strafrechtliche Verurteilung wegen Misshandlung und Vernachlässigung. Die Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde bestätigt, da die Argumente der Beschwerdeführerin als aussichtslos galten. Der Entscheid unterstreicht die prioritäre Bedeutung des Kindeswohls und die Möglichkeit des Obhutsentzugs als Ultima Ratio, wenn weniger einschneidende Massnahmen nicht greifen.