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Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts befasst sich mit der Frage der aufschiebenden Wirkung eines Appells gegen eine erstinstanzliche Entscheidung im Rahmen von Eheschutzmassnahmen, die dem Kindesvater die Obhut entzieht und der Kindesmutter erlaubt, den Aufenthaltsort des gemeinsamen Sohnes nach Spanien zu verlegen.
A. Sachverhalt und VorinstanzenDie verheirateten Eltern A._ (Vater, Rekurrent) und B._ (Mutter, Intimierte) haben einen gemeinsamen Sohn C._, geboren im September 2019. Die Eltern hatten sich am 23. März 2022 in einer Eheschutzverhandlung auf eine alternierende Obhut geeinigt, wobei das Kind wochentags bei der Mutter und die Wochenenden beim Vater verbrachte. Die Mutter arbeitete jeweils am Wochenende in U._ (Spanien) und kehrte wöchentlich für die Obhut des Sohnes in die Schweiz zurück.
Die komplexe Familiensituation führte zu einer Reihe von Abklärungen: * März 2022: Mandat an die DGEJ-UEMS zur Beurteilung der elterlichen Kompetenzen und der Möglichkeit eines Umzugs nach Spanien. Der Bericht (August 2022) empfahl die Beibehaltung der bestehenden Obhutsmodalitäten. * Nov. 2024: Ein kinderpsychiatrisches Gutachten von Dr. D._ empfahl die Zuteilung der Obhut an die Mutter mit der Möglichkeit, nach U._ umzuziehen. Das Besuchsrecht des Vaters sollte in Spanien ausgeübt werden. Die Gutachterin sprach sich gegen die alternierende Obhut aus, da die Kommunikation der Eltern als "gravierend dysfunktional" beschrieben wurde. * März 2025: Die Gutachterin präzisierte, dass ein Umzug der Mutter mit dem Kind nach Spanien ihren psychischen Zustand verbessern würde und eine Rückkehr ohne den Sohn für die Mutter ausgeschlossen sei. * April 2025: Die Kinderbeiständin äusserte Bedenken bezüglich der Loyalitätskonflikte des Kindes, indem sie von Äusserungen des Sohnes berichtete, die eine Ablehnung der Mutter und eine starke Bindung an den Vater suggerierten. Dennoch schloss sie sich den Empfehlungen des Gutachtens an.
Juni 2025: Der Präsident des Zivilgerichts des Bezirks La Côte sprach der Mutter die Obhut und das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsortes zu, genehmigte den Umzug des Kindes nach U.__ und regelte das Besuchsrecht des Vaters in Spanien.
Juli 2025: Der Vater legte gegen diesen Entscheid Appell ein und beantragte die aufschiebende Wirkung. Die kantonale Instanz (Juge unique de la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud) wies das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.
B. Das Verfahren vor BundesgerichtDer Vater reichte am 8. August 2025 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Appells gegen den erstinstanzlichen Eheschutzentscheid zu gewähren. Bemerkenswert ist, dass das Bundesgericht bereits mit Präsidialverfügung vom 3. September 2025 dem Gesuch des Rekurrenten um provisorische Massnahmen entsprochen und die aufschiebende Wirkung bezüglich des Umzugs des Kindes nach Spanien angeordnet hatte.
C. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts 1. Zulässigkeit und PrüfungsstandardDas Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid betreffend die aufschiebende Wirkung einer vorsorglichen Massnahme (Eheschutzmassnahmen) zulässig ist (Art. 72 Abs. 1, 93 Abs. 1 lit. a BGG). Ein solcher Entscheid kann für den Rekurrenten einen irreparablen Nachteil bewirken, da die elterlichen Rechte für die Dauer des Verfahrens geregelt werden und eine spätere Gutheissung keine Wiedergutmachung für die dazwischenliegende Zeit ermöglicht (BGE 137 III 475 E. 1).
Als Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme unterliegt die kantonale Verfügung gemäss Art. 98 BGG einer eingeschränkten Prüfungsbefugnis. Das Bundesgericht prüft nur, ob verfassungsmässige Rechte verletzt wurden, insbesondere das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV. Eine Entscheidung ist willkürlich, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, eine klare Rechtsnorm oder einen unbestrittenen Rechtsgrundsatz grob missachtet, das Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in stossender Weise verletzt oder von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne triftigen Grund abweicht (BGE 148 III 95 E. 4.1). Willkür muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis vorliegen.
2. Grundsätze zur aufschiebenden Wirkung bei Kindesumzug ins AuslandDas Bundesgericht legte seine etablierte Rechtsprechung dar: * Grundsätzlich hat ein Appell gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen keine aufschiebende Wirkung (Art. 315 Abs. 2 lit. b ZPO). * Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO erlaubt die ausnahmsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wenn der betroffenen Partei ein schwer wieder gutzumachender Nachteil droht. * Besondere Zurückhaltung: Bei einem drohenden Umzug eines Kindes ins Ausland muss die aufschiebende Wirkung nur mit Zurückhaltung verweigert werden (BGE 144 III 469 E. 4.2.2; 143 III 193 E. 4). Dies gilt unabhängig vom bisherigen Obhutsmodell. * Verlust der Zuständigkeit: Der Grund für diese Zurückhaltung liegt darin, dass bei einem Umzug in einen Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens (CLaH96), wie hier Spanien, die Behörden des neuen gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes für Schutzmassnahmen zuständig werden (Art. 5 Abs. 1 CLaH96). Dies tritt auch ein, wenn der Umzug während eines laufenden Berufungsverfahrens erfolgt. Ein ablehnender Entscheid über die aufschiebende Wirkung würde somit ein fait accompli schaffen und ein effektives Urteil der ursprünglich zuständigen Schweizer Gerichte verhindern (BGE 149 III 81 E. 2.4; 143 III 193 E. 2). * Vorrang des Kindeswohls / Dringlichkeit als Ausnahme: Von diesen Grundsätzen ist nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei Dringlichkeit, abzuweichen, da das Kindeswohl stets höchste Priorität hat (BGE 143 III 193 E. 4; 144 III 469 E. 4.2.2). * Obhutsentscheid bei Umzug (Art. 301a ZGB): Die gemeinsame elterliche Sorge schränkt die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) nicht derart ein, dass ein Umzug verunmöglicht wird. Entscheidend ist, ob das Kindeswohl beim mitziehenden oder beim verbleibenden Elternteil besser gewahrt ist (BGE 142 III 481 E. 2.6). Das bisherige Betreuungsmodell bildet den Ausgangspunkt; bei paritätischer Betreuung ist die Ausgangslage neutral, und es sind die Obhutskriterien anzuwenden (BGE 144 III 469 E. 4.1).
3. Anwendung auf den vorliegenden Fall – Willkürprüfung der kantonalen BeurteilungDie entscheidende Frage für das Bundesgericht war, ob die kantonale Instanz willkürfrei eine qualifizierte Dringlichkeit feststellen konnte, die einen sofortigen Umzug des Kindes nach Spanien rechtfertigt und damit den Verlust der schweizerischen Gerichtszuständigkeit in Kauf nimmt.
Kantonale Begründung für die Ablehnung der aufschiebenden Wirkung: Die kantonale Instanz begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der tiefgreifend dysfunktionalen Beziehungsdynamik der Eltern und deren schädlichen Auswirkungen auf das Kindeswohl sowie die psychische Vulnerabilität der Mutter. Sie sah eine dringende Notwendigkeit, der rechtlichen Unsicherheit bezüglich Obhut und Aufenthaltsort ein Ende zu bereiten, um dem Kind Stabilität zu geben. Ein Verbleib in der Schweiz würde bedeuten, dass das Kind tagsüber von Dritten betreut werden müsste, während die Mutter in Spanien für es da sein könnte. Der Umzug wurde nicht als "Entwurzelung" (déracinement) betrachtet, da das Kind ein stabiles familiäres Umfeld und ein soziales Netz vorfinden würde, Katalanisch beherrschte und anpassungsfähig sei. Die Mutter sei zudem besser in der Lage, die Bindung des Kindes zum Vater zu fördern.
Würdigung durch das Bundesgericht:
Das Bundesgericht erachtete die Begründung der kantonalen Instanz als willkürlich in Bezug auf die Annahme einer solchen Dringlichkeit: * Keine Chancenprüfung: Die kantonale Instanz hatte nicht die Erfolgsaussichten des Appells im Hauptsacheverfahren geprüft, sondern lediglich festgehalten, dass der Vater keine Argumente vorgebracht habe, die den Umzug als kindeswohlschädlich erscheinen liessen. * Unzureichende Abklärung der Lebensbedingungen in Spanien: Die vom Rekurrenten vorgebrachten Kritikpunkte an den zukünftigen Lebensbedingungen des Kindes in Spanien waren für das Bundesgericht stichhaltig: * Betreuungsmodell: Da bisher eine alternierende Obhut bestand (neutrale Ausgangslage), konnte die kantonale Instanz nicht willkürfrei annehmen, ein sofortiger Umzug sichere die Kontinuität der Betreuung. Die Mutter hatte zwar erklärt, wochentags in Spanien zu arbeiten, wenn das Kind bei ihr sei. Dies würde aber eine Drittbetreuung ausserhalb der Schulzeiten bedeuten, ähnlich wie sie der Vater in der Schweiz anbieten könnte. Konkrete Details zur Organisation der Betreuung in Spanien fehlten. * Soziales Netz: Die Feststellung eines "nahen und soliden Netzes" der Mutter in Spanien (Freunde, Grosseltern) basierte auf unzureichenden Fakten und erschien willkürlich, da weder der Umfang der Unterstützung noch die konkrete Rolle dieser Personen bei der Betreuung des Kindes klar war. * Sprache: Die Frage, ob das Kind trotz seiner Katalanischkenntnisse (seiner "Hauptsprache") in Spanien ausschliesslich in Spanisch beschult würde und welche Auswirkungen dies hätte, wurde von der Vorinstanz nicht geprüft. * Fazit zur Dringlichkeit: Aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der konkreten Lebensbedingungen des Kindes in Spanien konnte die kantonale Instanz die Existenz einer Dringlichkeit, die einen sofortigen Wohnsitzwechsel erfordert, nicht willkürfrei bejahen. Obwohl das Bundesgericht die Notwendigkeit einer raschen Klärung der Obhutsfrage aufgrund des schädlichen Konfliktklimas und des Loyalitätskonflikts des Kindes anerkannte, stellte es fest, dass diese Dringlichkeit nicht ausreicht, um die schwerwiegenden Konsequenzen eines sofortigen Umzugs (insbesondere den Zuständigkeitsverlust der Schweizer Gerichte) zu rechtfertigen. * Aufforderung zur zügigen Entscheidung: Das Bundesgericht betonte, dass die kantonale Instanz dringend über den Appell in der Hauptsache entscheiden müsse, da die aktuelle Rechtsunsicherheit das Kindeswohl stark beeinträchtigte.
4. Ergebnis und KostenDas Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, hob die kantonale Verfügung auf und ordnete an, dass dem Appell des Rekurrenten die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Die Gerichtskosten wurden der Intimierten auferlegt, welche auch den Rekurrenten für dessen Parteikosten entschädigen muss. Die Kosten der Kinderbeiständin werden von der Bundesgerichtskasse übernommen.
D. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen PunkteDas Bundesgericht hat die aufschiebende Wirkung des Appells des Vaters gegen den Umzug des Kindes nach Spanien gewährt. Es begründete dies damit, dass die kantonale Instanz die Dringlichkeit für einen sofortigen Umzug willkürlich bejaht hatte. Entscheidend war, dass die künftigen Lebensbedingungen des Kindes in Spanien (Betreuungsmodell, soziales Netz, sprachliche Situation) im kantonalen Verfahren unzureichend abgeklärt waren. Die damit verbundene Unsicherheit erlaubte es nicht, die schwerwiegende Konsequenz eines sofortigen Umzugs, nämlich den Verlust der Zuständigkeit der Schweizer Gerichte, in Kauf zu nehmen. Obwohl die Notwendigkeit einer raschen Beendigung des elterlichen Konflikts für das Kindeswohl anerkannt wurde, überwog die Unklarheit der neuen Verhältnisse die angenommene Dringlichkeit. Das Bundesgericht forderte die kantonale Instanz auf, den Hauptstreit zügig zu behandeln.