Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 5A_398/2025 vom 13. Oktober 2025
1. Einleitung
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, II. Zivilrechtliche Abteilung, betrifft eine Beschwerde der Eltern A._ und B._ (nachfolgend: Beschwerdeführer) gegen einen Entscheid der Vormundschaftskammer des Kantonsgerichts Waadt. Gegenstand des Verfahrens waren provisorische Kindesschutzmassnahmen, namentlich der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern über ihre Kinder C._ (geb. 2016) und D._ (geb. 2018) sowie deren Fremdplatzierung. Die Beschwerdeführer beantragten die Aufhebung des kantonalen Urteils, die Rückgabe des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Aufhebung der Platzierung.
2. Sachverhalt und Verfahrensgang (Fait)
- Familiensituation: A._ und B._ sind die unverheirateten Eltern von C._ und D._ und verfügen über die gemeinsame elterliche Sorge.
 
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Vorgeschichte der Kindesschutzmassnahmen (2015-2024):
- 2015-2018: Drei Meldungen aufgrund von Entwicklungsbedenken der Kinder, da die Eltern am Rande der Gesellschaft leben wollten, ohne pädiatrische Betreuung und normale schulische Integration.
 
- Juni 2021: Eine weitere Meldung durch die Direktion für obligatorischen Unterricht (DGEO) im Rahmen der Kontrolle des Heimunterrichts von C.__. Dieser wurde als pädagogisch und sozialisatorisch unzureichend befunden, was die Anordnung des Schulbesuchs ab November 2021 zur Folge hatte.
 
- Juli 2022: Das Friedensgericht ordnete eine Erziehungsbeistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 ZGB für die Kinder an.
 
- 2024: Der Heimunterricht der Tochter D.__ wurde im Gegensatz zum Sohn als den Anforderungen des Departements genügend beurteilt.
 
- Februar 2024: Die Direktion für Kindheit und Jugend (DGEJ) erstellte einen Bericht, der Bedenken hinsichtlich der sehr unregelmässigen Schulanwesenheit des Sohnes, unterbrochener pädiatrischer Betreuung, grenzwertiger Wohnverhältnisse (Einzimmerwohnung, verhängte Fenster, überfüllt), elterlichen Rückzugs und daraus resultierender sozialer Isolation der Kinder äusserte. Die DGEJ schloss auf den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Fremdplatzierung der Kinder, sowie die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.
 
- März 2024: Nach Anhörung der Parteien wurde eine Bestandsaufnahme für Frühling 2024 vereinbart.
 
- Oktober 2024: Die DGEJ zog Bilanz der sozialpädagogischen Massnahmen. Es wurden Fortschritte bei Logopädie und Ergotherapie sowie eine "ziemlich regelmässige" Schulanwesenheit des Sohnes festgestellt. Die DGEJ schlug vor, die bestehende Beistandschaft beizubehalten, um die Schulbildung, medizinische Betreuung und die Lebensbedingungen zu überprüfen.
 
 
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Ausschlaggebende Verschlechterung der Situation und provisorische Massnahmen (Februar/März 2025):
- 5. Februar 2025: Die DGEJ beantragte beim Friedensgericht den sofortigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Fremdplatzierung der Kinder aufgrund extrem dringender Bedenken. Gründe waren:
- Wiederholte, unentschuldigte Absenzen von C.__ trotz Mahnung der DGEO, Polizeieinsatz und Schulwechsel.
 
- Erheblicher Lernrückstand des Sohnes und schwierige elterliche Kooperation bei notwendigen Förderungen.
 
- Feststellungen der neuen Beiständin bei C.__: Er lebe mit geschlossenen Fensterläden, gehe nicht hinaus, verbringe Freizeit mit Videospielen, habe keine sozialen Kontakte. Er sei unfähig, Früchte oder Gemüse zu benennen, sei extrem blass und zeige erhebliche motorische Schwierigkeiten.
 
- Trotz angeblich krankheitsbedingter Absenzen hätten die Eltern eine dringend notwendige Blutuntersuchung verweigert.
 
- Da kein Fachpersonal Zugang zur jüngeren Tochter D.__ hatte, bestanden auch hinsichtlich ihrer Situation Bedenken.
 
 
- 5. Februar 2025: Das Friedensgericht ordnete superprovisorisch eine Untersuchung zur Änderung der elterlichen Sorge an, entzog den Eltern vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und erteilte der DGEJ ein provisorisches Platzierungs- und Obhutsrecht. Die Kinder wurden gleichentags platziert.
 
- 12. Februar 2025: Die Eltern beantragten die Rückkehr ihrer Kinder, die Wiedereinführung des Heimunterrichts für den Sohn und die Fortsetzung für die Tochter sowie eine unabhängige psychologische Betreuung.
 
- 3. März 2025: Nach Anhörung der Parteien und weiterer Fachpersonen bestätigte das Friedensgericht die provisorischen Massnahmen (Fortsetzung der Untersuchung, Bestätigung des Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Platzierungsmandats).
 
 
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Instanzenzug zum Bundesgericht:
- Die Eltern rekurrierten gegen die provisorischen Massnahmen an die Vormundschaftskammer des Kantonsgerichts Waadt. Ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde abgelehnt.
 
- Die Eltern reichten zudem eine Meldung über angebliche Mängel in der Betreuung ihres Sohnes im Heim ein.
 
- 16. April 2025: Die Vormundschaftskammer wies den Rekurs ab, bestätigte die provisorischen Massnahmen und lehnte das Gesuch der Eltern um unentgeltliche Rechtspflege ab.
 
- 23. Mai 2025: Die Eltern erhoben Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht. Ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 17. Juni 2025 abgelehnt.
 
 
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts (En droit)
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Zulässigkeit des Rechtsmittels (Consid. 2):
- Das Bundesgericht stellte fest, dass die angefochtene Entscheidung provisorische Massnahmen im Kindesschutz betrifft (Art. 314 Abs. 1, 445 Abs. 1, 310 Abs. 1 ZGB), welche der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG).
 
- Der provisorische Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Fremdplatzierung stellen einen irreparablen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar, da ein späteres positives Endurteil den Verlust der elterlichen Vorrechte nicht rückwirkend kompensieren könnte.
 
- Die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ist als materiell-finaler Entscheid gemäss Art. 90 BGG zu qualifizieren.
 
- Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist unzulässig (Art. 113 BGG), da die zivilrechtliche Beschwerde offensteht.
 
 
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Kognition des Bundesgerichts bei provisorischen Massnahmen (Consid. 3):
- Gemäss Art. 98 BGG können bei provisorischen Massnahmen nur Verletzungen verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Es gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG): Die Beschwerdeführer müssen die gerügte Verfassungsverletzung klar und detailliert darlegen. Appellatorische Kritik ist unzulässig.
 
- Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Korrektur oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen ist nur möglich, wenn eine willkürliche Feststellung (Art. 9 BV) dargelegt wird.
 
 
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Prüfung der Rügen der Beschwerdeführer:
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Willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Consid. 4):
- Die Rügen der Beschwerdeführer (betreffend Wohnverhältnisse, Ernährung, Schulabsensen, motorische Schwierigkeiten des Sohnes) wurden als unzulässig erklärt. Sie begrenzten sich darauf, eigene Sachverhaltsdarstellungen entgegenzuhalten, ohne diese mit einer konkreten Verfassungsrechtsverletzung in Verbindung zu bringen, was den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht genügt.
 
 
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Verletzung von Art. 310 ZGB, Willkür und Unverhältnismässigkeit (Consid. 5):
- Die Beschwerdeführer verkannten die provisorische Natur der angefochtenen Entscheidung. Ihre Rügen bezüglich Art. 310 ZGB (der definitive Massnahmen betrifft) wurden als unzulässig erachtet, da sie keine verfassungsrechtliche Tragweite hatten.
 
- Auch wenn die Rüge als Willkür- oder Unverhältnismässigkeitsrüge verstanden würde, genügte die Argumentation nicht den Anforderungen des Rügeprinzips. Die Beschwerdeführer stellten lediglich ihre eigene Einschätzung den von der kantonalen Instanz als alarmierend befundenen Elementen entgegen (sehr unregelmässige Schulanwesenheit des Sohnes, fehlende medizinische Betreuung, schwierige Zusammenarbeit mit den Eltern, Besorgnis erregendes familiäres und soziales Umfeld, Unwohlsein des Sohnes). Sie konnten nicht nachweisen, dass die Richter diese Elemente "illegal" festgehalten oder ihr Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 13 BV) verletzt hätten.
 
 
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Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) (Consid. 6):
- Anhörung der Kinder (Consid. 6.2): Die kantonale Instanz hatte anerkannt, dass die Kinder (9 und fast 7 Jahre alt) aufgrund ihres Alters angehört werden könnten, aber darauf verzichtet, da bereits eine Vielzahl von Fachpersonen (DGEJ, Heim, Schule, Kinderarzt) in den Fall involviert war. Das Bundesgericht beurteilte dies als antizipierte Beweiswürdigung, die die Beschwerdeführer im Stadium der provisorischen Massnahmen nicht als willkürlich darlegen konnten. Die Rügen bezüglich Art. 8 EMRK und Art. 12 KRK wurden wegen mangelnder Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht behandelt.
 
- Ignorieren von Beweismitteln / Willkürliche Beweiswürdigung (Consid. 6.3): Die Beschwerdeführer verwiesen auf eine Reihe von Dokumenten, ohne darzulegen, inwiefern diese willkürlich übergangen worden seien oder wie sie die Platzierung widerlegen würden. Die Rügen erfüllten die strengen Anforderungen des Rügeprinzips nicht. Eine Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit wurde verneint, da die Beschwerdeführer regelmässig angehört wurden und die Möglichkeit hatten, sich zu den Beweismitteln zu äussern.
 
- Missachtung ihrer Eingaben (Consid. 6.4): Die Beschwerdeführer rügten, ihre Meldung vom 10. März 2025 sei ignoriert worden und die Beschwerde vom 14. März 2025 sei zu Unrecht als unzulässig erklärt worden. Das Bundesgericht stellte klar, dass die kantonale Instanz die Meldung nicht ignoriert, sondern lediglich festgehalten hatte, dass sie sich nicht zu den darin enthaltenen Vorwürfen gegen DGEJ und Heim äussern könne, da diese nicht Gegenstand der ursprünglich angefochtenen Verfügung des Friedensgerichts waren. Die Beschwerden vom 10. und 14. März 2025 wurden hingegen als zulässig erachtet und die Begründetheit der Platzierung geprüft.
 
- Unzulässigkeit der Beschwerde vom 14. März / Ignorieren der Eingabe vom 17. März (Consid. 6.5): Die Beschwerdeführer monierten, ihre Beschwerde vom 14. März sei ohne ausreichende Begründung für unzulässig erklärt worden, und ihre Eingabe vom 17. März sei ignoriert worden. Das Bundesgericht hielt fest, dass Gerichte keine Fristen zur "Korrektur" von Eingaben setzen, es sei denn bei spezifischen Formfehlern, was hier nicht der Fall war. Die Eingabe vom 17. März 2025 wurde als Ergänzung zu den vorherigen Beschwerden behandelt; das darin enthaltene Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde abgelehnt, und die Anträge bezüglich der Besuchsrechte wurden als unzulässig erklärt, da sie nicht Gegenstand der ursprünglich angefochtenen Anordnung waren. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde somit auch hier verneint.
 
 
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Verletzung des Zugangs zur Justiz / Unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV) (Consid. 7):
- Die Rüge, die unentgeltliche Rechtspflege sei ihnen trotz begrenzter finanzieller Mittel verweigert worden, wurde als unzulässig erklärt. Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege setzt neben unzureichenden Mitteln auch voraus, dass die Sache nicht als aussichtslos erscheint. Die Beschwerdeführer hatten diese zweite, von der kantonalen Instanz klar begründete Bedingung vollständig ausser Acht gelassen.
 
 
 
4. Fazit und Kostenentscheid (Consid. 8)
Die Beschwerde wurde als ungenügend begründet und offensichtlich unbegründet im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abgewiesen. Da die Anträge der Beschwerdeführer von vornherein aussichtslos waren, wurde auch ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten von CHF 1'000.- wurden den Beschwerdeführern auferlegt. Parteientschädigungen wurden nicht zugesprochen, da keine Stellungnahmen der Gegenparteien eingeholt wurden.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die provisorische Fremdplatzierung der Kinder der Beschwerdeführer und den Entzug des elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts. Es wies die Beschwerde der Eltern ab, da diese weder willkürliche Sachverhaltsfeststellungen noch Verfassungsrechtsverletzungen (insbesondere des rechtlichen Gehörs) gemäss den strengen Anforderungen der bundesgerichtlichen Kognition bei provisorischen Massnahmen (Art. 98 BGG, Rügeprinzip) substanziiert darlegen konnten. Die kantonalen Instanzen hatten die Massnahmen aufgrund einer schwerwiegenden und sich verschlechternden Kindeswohlgefährdung (unregelmässige Schulanwesenheit des Sohnes, fehlende medizinische Betreuung, soziale Isolation, besorgniserregende Entwicklung und Wohnsituation) als gerechtfertigt erachtet. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde ebenfalls abgewiesen, da die Beschwerde als von vornherein aussichtslos beurteilt wurde.