Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_374/2025 vom 2. Oktober 2025 detailliert zusammen:
Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 6B_374/2025 vom 2. Oktober 2025
1. Einleitung und Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.___ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 19. Februar 2025 zu entscheiden. Gegenstand der Beschwerde waren die Strafzumessung und der Widerruf des bedingten Strafvollzugs bzw. der bedingten Entlassung.
Vorgeschichte:
*   Erstinstanz (Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu, 17. April 2024): A._ wurde wegen mehrfachen geringfügigen Diebstahls, Führens eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises, Fahrens ohne Haftpflichtversicherung, Verwendung gefälschter Kontrollschilder, Verletzung der VerkehrsregeInverordnung (Nichttragen des Schutzhelms) und Nichtmitführens des Fahrzeugausweises schuldig gesprochen. Die bedingt gewährte Entlassung gemäss Verfügung des Amts für Justizvollzug vom 26. April 2023 wurde widerrufen. Er wurde, unter Einbezug der Rückversetzung der Reststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe, zu einer Gesamtstrafe von fünf Monaten Freiheitsstrafe und einer Busse von Fr. 180.-- verurteilt.
*   Zweitinstanz (Obergericht des Kantons Solothurn, 19. Februar 2025): Auf Berufung des Beschwerdeführers und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht die Schuldsprüche und den Widerruf. Es verurteilte A._ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Einbezug der Reststrafe von drei Monaten, sowie zu einer Busse von Fr. 250.--.
2. Begehren des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer beantragte, die verhängte unbedingte Gefängnisstrafe in eine bedingte Gefängnisstrafe oder allenfalls in eine Freiheitsstrafe mit elektronischer Überwachung (Fussfesseln) oder eine andere adäquate und verhältnismässige Strafe umzuwandeln.
3. Rechtliche Grundlagen und Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht legte zunächst die massgeblichen Rechtsgrundsätze dar, die bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung relevant sind:
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Allgemeine Anforderungen an die Beschwerde in Strafsachen (Art. 42 Abs. 1, 2 BGG; Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 106 Abs. 2 BGG): Eine Beschwerde muss ein Begehren und eine Begründung enthalten, die präzise auf die Rechtsverletzung Bezug nimmt. Für die Rüge von Grundrechtsverletzungen, einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür, gelten qualifizierte Begründungsanforderungen. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde, es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder beruht auf einer Rechtsverletzung, und die Behebung des Mangels ist entscheidend für den Ausgang des Verfahrens. Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist.
 
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Strafzumessung (Art. 47 Abs. 1, 2 StGB; Art. 49 Abs. 1 StGB; Art. 50 StGB):
- Die Strafe wird nach dem Verschulden des Täters bemessen, unter Berücksichtigung des Vorlebens, der persönlichen Verhältnisse und der Strafwirkung. Das Verschulden bemisst sich nach der Schwere der Rechtsgutsverletzung/-gefährdung, der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und der Vermeidbarkeit.
 
- Bei mehrfacher Straftat gilt das Asperationsprinzip (Art. 49 Abs. 1 StGB) bei der Bildung der Einsatz- und Gesamtstrafe.
 
- Das Sachgericht verfügt über einen Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der gesetzliche Strafrahmen über- oder unterschritten wurde, rechtlich irrelevante Kriterien berücksichtigt oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. das Ermessen missbraucht wurde. Die Begründung muss nachvollziehbar sein (Art. 50 StGB).
 
 
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Bedingter Strafvollzug (Art. 42 Abs. 1 StGB):
- Der Vollzug einer Freiheits- oder Geldstrafe von höchstens zwei Jahren wird in der Regel aufgeschoben, wenn keine unbedingte Strafe erforderlich ist, um den Täter von weiteren Delikten abzuhalten.
 
- Massgeblich ist eine günstige Prognose des künftigen Wohlverhaltens. Vom Strafaufschub darf nur bei ungünstiger Prognose abgesehen werden.
 
- Alle wesentlichen Umstände sind zu beachten: Tatumstände, Vorleben, Leumund, Charakter, Sozialisationsbiografie, Arbeitsverhalten, soziale Bindungen. Eine isolierte Betrachtung einzelner Umstände ist unzulässig.
 
- Dem Sachgericht steht ein Ermessensspielraum zu, den das Bundesgericht nur bei Überschreitung oder Missbrauch korrigiert.
 
 
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Widerruf der bedingten Entlassung (Art. 89 StGB) und Gesamtstrafenbildung:
- Grundsatz (Art. 89 Abs. 1 StGB): Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, ordnet das zuständige Gericht die Rückversetzung an.
 
- Ausnahme (Art. 89 Abs. 2 StGB): Der Widerruf ist nicht zwingend. Wenn trotz der neuen Tat zu erwarten ist, dass der Verurteilte keine weiteren Straftaten begehen wird, kann das Gericht auf den Widerruf verzichten, verwarnen und die Probezeit verlängern. An die "Erwartung" dürfen keine übermässig hohen Anforderungen gestellt werden (Urteile 6B_419/2024 vom 10. Februar 2025 E. 3.2; 7B_689/2023 vom 26. August 2024 E. 9.2; 6B_1265/2021 vom 29. Dezember 2022 E. 4.3). Der Widerruf erfolgt bei einer "eigentlichen Schlechtprognose".
 
- Prognosekriterien: Für die Bewertung der Bewährungsaussichten (Art. 89 Abs. 2 StGB) können die Kriterien des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 Abs. 1 StGB) sinngemäss herangezogen werden. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände der Täterpersönlichkeit ist unerlässlich.
 
- Gesamtstrafenbildung (Art. 89 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 49 StGB): Bei Zusammentreffen einer neuen unbedingten Freiheitsstrafe mit einer durch Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe wird eine Gesamtstrafe gebildet. Dabei ist das Asperationsprinzip sinngemäss anzuwenden, nicht das Kumulationsprinzip. Die für die neue Tat ausgefällte Freiheitsstrafe dient als "Einsatzstrafe" und wird mit Blick auf den Vorstrafenrest angemessen erhöht (BGE 135 IV 146 E. 2.4.1; BGE 145 IV 146 E. 2.4).
 
 
4. Begründung der Vorinstanz (Obergericht)
Das Obergericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
*   Wiederholte Delinquenz: Der Beschwerdeführer zeigte durch wiederholte einschlägige Verkehrsdelikte eine "eindrückliche Ignoranz" gegenüber der Rechtsordnung. Geldstrafen und bisherige unbedingte Freiheitsstrafen hätten ihn nicht abgehalten.
*   Glaubwürdigkeit der Reue: Seine Behauptung, eine Lektion gelernt zu haben, überzeuge nicht, da er nur rund 4.5 Monate nach seiner bedingten Entlassung erneut Strassenverkehrsdelikte beging.
*   Strafzumessung für neue Taten:
    *   Verwendung gefälschter Kontrollschilder: Schwerste Straftat. Der Beschwerdeführer versuchte, die Tat vor der Polizeikontrolle durch Entfernen des gefälschten Schildes zu verschleiern. Er handelte mit direktem Vorsatz. Zu seinen Gunsten wurde die kurze Fahrstrecke und die angenommene "Kontrollfahrt" berücksichtigt. Das Tatverschulden wurde als "sehr leicht" eingestuft, was zu einer Einsatzstrafe von zwei Monaten führte.
    *   Führen eines Motorfahrzeugs trotz Entzugs: Ebenfalls zwei Monate Einsatzstrafe, da auf derselben Fahrt ereignet.
    *   Asperation: Aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs und des Fahrens ohne Haftpflichtversicherung wurde die Strafe um einen halben Monat asperiert.
    *   Vorstrafen: Der Beschwerdeführer wies sieben einschlägige Vorstrafen innerhalb von fünf Jahren auf, was eine Erhöhung um einen weiteren Monat rechtfertigte.
    *   Strafempfindlichkeit: Trotz hohen Alters, aber guter Gesundheit, wurde keine erhöhte Strafempfindlichkeit angenommen.
*   Prognose und unbedingter Strafvollzug: Das Verhalten des Beschwerdeführers, einschliesslich der erneuten Straffälligkeit trotz drohender Rückversetzung, und seine Aussagen vor Obergericht (Bagatellisierung, fehlende Einsicht/Reue, "Pech"), führten zur Annahme einer schlechten Prognose. Daher sei nur eine unbedingte Freiheitsstrafe angemessen.
*   Widerruf der bedingten Entlassung: Die erneute einschlägige Straffälligkeit innerhalb weniger Monate nach der bedingten Entlassung liess nicht erwarten, dass die nun ausgesprochene Strafe eine nachhaltig günstige Wirkung entfalten würde. Die Rückversetzung hinsichtlich der Reststrafe von drei Monaten wurde angeordnet.
*   Gesamtstrafenbildung (Art. 89 Abs. 6 StGB): In sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips wurde die Freiheitsstrafe von vier Monaten (für die neuen Delikte) um zwei Monate erhöht, was zu einer Gesamtstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe führte.
5. Würdigung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzlichen Erwägungen und wies die Beschwerde ab:
- Strafzumessung: Die Argumente des Beschwerdeführers vermochten weder eine Bundesrechtsverletzung noch einen Ermessensmissbrauch zu begründen. Seine Kritik beruhte oft auf einer Abweichung vom willkürfrei festgestellten Sachverhalt, ohne dass er Willkür gemäss Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG dargelegt hätte. Das Bundesgericht verneinte Willkür, da die Vorinstanz beispielsweise den Vorsatz (im Sinne des direkten Vorsatzes, nicht Absicht) korrekt bejaht und die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände (kurze Fahrstrecke, "Kontrollfahrt") berücksichtigt hatte. Auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, er sei "immer ein unbescholtener Bürger gewesen" oder habe "niemals Personen oder Sachen gefährdet," widersprachen den festgestellten Tatsachen oder waren für das Ergebnis nicht relevant, da die Vorinstanz ebenfalls von keiner konkreten Gefährdung ausgegangen war.
 
- Einsicht und Reue: Die Vorinstanz begründete nachvollziehbar, warum nicht von echter Einsicht und Reue auszugehen sei, entgegen den Beteuerungen des Beschwerdeführers. Seine Bagatellisierung und die Ansicht, es sei "Pech" gewesen, erneut erwischt zu werden, wurden vom Bundesgericht als stützende Elemente für die schlechte Prognose gewertet.
 
- Kein psychiatrisches Gutachten: Der Beschwerdeführer rügte nicht, dass die Vorinstanz willkürlich auf ein psychiatrisches Gutachten verzichtet hätte. Auch seine allgemeinen Hinweise auf Verhalten am Polizeiposten oder Spitalarbeit wurden nicht substanziiert genug dargelegt, um deren Relevanz für die Strafzumessung oder Prognose darzulegen.
 
- Kooperationsbereitschaft: Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei bereitwillig und kooperativ gewesen, stand im Widerspruch zur verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach er das gefälschte Kennzeichen vor der Kontrolle entfernt hatte, um die Tat zu verschleiern.
 
- Verhältnismässigkeit der Strafe: Die Vorinstanz übte ihr Ermessen bei der Strafzumessung und der Anordnung der Rückversetzung korrekt aus. Angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und der festgestellten Tendenzen zur Bagatellisierung schloss das Obergericht zu Recht auf fehlende Reue und Einsicht und beurteilte die Prognose als schlecht. Die Höhe der Gesamtstrafe von sechs Monaten, unter Anwendung des moderaten Asperationsprinzips gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB, hielt vor Bundesrecht stand.
 
- Elektronische Überwachung ("Fussfesseln"): Das Bundesgericht stellte klar, dass die Anordnung der elektronischen Überwachung gemäss Art. 79b StGB in die Kompetenz der Vollzugsbehörde fällt und somit nicht Gegenstand der gerichtlichen Strafzumessung ist.
 
6. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde, soweit darauf eingetreten werden konnte, als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zusammenfassende Essenz der wesentlichen Punkte:
- Bestätigung der Vorinstanz: Das Bundesgericht bestätigte die Erhöhung der Strafe und den Widerruf der bedingten Entlassung durch das Obergericht.
 
- Schlechtprognose: Die erneute, einschlägige Delinquenz des Beschwerdeführers kurz nach bedingter Entlassung, seine mangelnde Einsicht und Reue sowie die Tendenz zur Bagatellisierung seiner Taten führten zu einer ungünstigen Legalprognose, welche eine unbedingte Freiheitsstrafe und den Widerruf der bedingten Entlassung rechtfertigte.
 
- Ermessenskontrolle: Das Bundesgericht interveniert bei der Strafzumessung und der Prognosebeurteilung nur bei Ermessensüberschreitung oder -missbrauch. Solche wurden im vorliegenden Fall nicht festgestellt, da die Vorinstanz ihre Argumentation nachvollziehbar dargelegt hatte.
 
- Asperationsprinzip bei Rückversetzung: Die Gesamtstrafe wurde durch eine sinngemässe Anwendung des Asperationsprinzips (Art. 89 Abs. 6 i.V.m. Art. 49 StGB) gebildet, wobei die Strafe für die neue Tat als Einsatzstrafe dient und mit Blick auf die Reststrafe angemessen erhöht wird.
 
- Zuständigkeit für elektronische Überwachung: Die Anordnung einer Freiheitsstrafe mit elektronischer Überwachung ("Fussfesseln") fällt in die Kompetenz der Vollzugsbehörde, nicht des Gerichts.