Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_167/2024 vom 9. Oktober 2025

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Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_167/2024 vom 9. Oktober 2025 1. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 9. Oktober 2025 (5A_167/2024) betrifft einen Scheidungsfall, dessen Hauptstreitpunkt die Höhe und Dauer des nachehelichen Unterhaltsbeitrags für die Ehefrau (B._, Intimée) durch den Ehemann (A._, Beschwerdeführer) ist. Der Beschwerdeführer focht das Urteil der Cour de justice des Kantons Genf vom 1. Februar 2024 an, welche die in erster Instanz (Tribunal de première instance, 17. März 2022) festgesetzten Unterhaltsbeiträge zugunsten der Ehefrau massgeblich erhöht und die Befristung aufgehoben hatte.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen

A._ (geb. 1950) und B._ (geb. 1959) heirateten 1988. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor (geb. 1990 und 1993).

  • 2011 (Schutzmassnahmen): Der Ehemann wurde zur Zahlung eines Familienunterhalts von CHF 10'000 pro Monat verpflichtet.
  • 2020 (Provisorische Massnahmen im Scheidungsverfahren): Der Ehemann wurde zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von CHF 8'800 an die Ehefrau verpflichtet.
  • 17. März 2022 (Tribunal de première instance): Die Ehe wurde geschieden und der Ehemann zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von CHF 1'500 zugunsten der Ehefrau bis zum 30. November 2023 verurteilt. Dies stellte eine signifikante Reduktion gegenüber den provisorischen Massnahmen dar.
  • 1. Februar 2024 (Cour de justice des Kantons Genf): Auf Berufung der Ehefrau und Anschlussberufung des Ehemannes erhöhte die Cour de justice den geschuldeten monatlichen Unterhaltsbeitrag erheblich:
    • CHF 8'800 vom 1. Juli 2022 bis 31. Juli 2023.
    • CHF 3'850 vom 1. August bis 30. November 2023.
    • CHF 2'630 ab dem 1. Dezember 2023, unbefristet.

Gegen dieses Urteil legte der Ehemann Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein.

3. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht trat, soweit die Beschwerde zulässig war, auf die Rügen des Beschwerdeführers ein. Es prüfte die Einhaltung des Bundesrechts und die willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) unter Berücksichtigung des Rügeprinzips (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) und des Erschöpfungsgrundsatzes (Art. 75 Abs. 1 BGG).

3.1. Feststellung der Parteilasten (Art. 4 und 125 ZGB, Art. 8 BV)

Der Beschwerdeführer rügte eine manifest unrichtige und damit willkürliche Feststellung der Parteilasten, insbesondere betreffend seine eigenen Mietkosten und bestimmte Kosten der Intimée.

  • Mietkosten des Beschwerdeführers:
    • Argument des Beschwerdeführers: Die Cour de justice habe zu Unrecht seinen monatlichen Mietzins von CHF 2'000, den er seiner Konkubine als Eigentümerin der gemeinsamen Wohnung zahle, nicht anerkannt und stattdessen nur CHF 1'000 berücksichtigt. Dies stelle eine Ungleichbehandlung (Art. 8 BV) dar, da er ohne Konkubinat höhere Wohnkosten geltend machen könnte.
    • Begründung der Vorinstanz: Die Cour de justice hielt fest, dass die Bestätigung der Konkubine allein nicht ausreiche, um eine effektive und tatsächliche Wohnkostenbelastung von CHF 2'000 nachzuweisen. Sie sei aufgrund der persönlichen Beziehung, mangelnder Korroboration durch Belege (z.B. Kosten der Wohnung, Bankauszüge), des Zeitpunkts der Ausstellung (kurz vor der Scheidungsklage) und der Unklarheit, welche Ausgaben konkret gedeckt seien (nur Wohnen oder gesamter Haushalt), als zu wenig glaubwürdig erachtet worden.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das BGer wies diese Rüge als unzulässig ab. Der Beschwerdeführer kritisiere nicht die Begründung der Cour de justice, nämlich den fehlenden Beweis effektiver Wohnkosten, sondern stelle lediglich seine eigene Version dar. Die Rüge der Ungleichbehandlung gemäss Art. 8 BV sei zudem in einem zivilrechtlichen Streit zwischen Privaten nicht direkt anwendbar (vgl. ATF 136 I 178 E. 5.1).
  • Fahrzeug- und Alarmkosten der Intimée:
    • Argument des Beschwerdeführers: Er bestritt die Berücksichtigung von CHF 138 für Fahrzeugkosten und CHF 103 für Alarmkosten im Budget der Intimée.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das BGer erachtete die Berücksichtigung von CHF 138 für Fahrzeugkosten als bundesrechtskonform und im Sinne der Gleichbehandlung, da auch für den Beschwerdeführer vergleichbare Transportkosten angenommen wurden. Eine "Ungerechtigkeit" sei nicht ersichtlich. Die Berücksichtigung der Alarmkosten von CHF 103 sei ebenfalls mit dem Bundesrecht vereinbar, da diese zum erweiterten familienrechtlichen Existenzminimum zählen könnten (vgl. SIMEONI, in Commentaire pratique, Droit matrimonial, 2016, N. 115 ad Art. 125 CC). Die Rüge des Beschwerdeführers, die erste Instanz habe diese Kosten nicht berücksichtigt, genüge nicht den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG.
  • Steuerlast der Intimée: Die Rüge, die Steuerlast der Intimée sei zu hoch eingeschätzt worden, da sie auf dem umstrittenen Unterhaltsbeitrag basiere, wurde vom BGer aufgrund des Gesamtausgangs der Beschwerde nicht geprüft.
3.2. Wahl der Berechnungsmethode für den Unterhaltsbeitrag (Art. 4, 124a und 125 ZGB)

Der Beschwerdeführer rügte, die Cour de justice habe mit der hälftigen Überschussverteilung der Intimée einen höheren Lebensstandard zugestanden, als sie während der 12-jährigen Trennungszeit hatte.

  • Rechtliche Grundsätze:
    • Grundsätzlich ist die Methode des Existenzminimums mit Überschussverteilung (zweistufige konkrete Methode) verbindlich (ATF 149 III 441 E. 2.5; 148 III 293 E. 4.4).
    • Nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei aussergewöhnlich günstigen finanziellen Verhältnissen, kann die Lebenshaltungskostenmethode (einstufige konkrete Methode) angewendet werden, bei der der Unterhalt direkt auf Basis des effektiven Lebensstandards berechnet wird (ATF 147 III 265 E. 6.5 f.; 147 III 293 E. 4.5).
    • Bei der Überschussverteilung wird der Überschuss, sofern das erweiterte familienrechtliche Existenzminimum gedeckt ist, nach Billigkeit verteilt. Ohne Kinder wird er in der Regel hälftig geteilt (5A_509/2022 E. 6.4.2). Der Schuldner muss beweisen, dass die hälftige Teilung zu einem zu hohen Lebensstandard führt (ATF 147 III 293 E. 4.4).
    • Der eheliche Lebensstandard (oder der Lebensstandard während einer rund zehnjährigen Trennung) bildet die Obergrenze des Unterhaltsanspruchs (ATF 147 III 293 E. 4.4).
    • Die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags unterliegt einem weiten Ermessen des Sachrichters (Art. 4 ZGB), das vom BGer nur bei Ermessensmissbrauch überprüft wird (ATF 127 III 136 E. 3a).
  • Urteil des Bundesgerichts:
    • Die Rüge des Beschwerdeführers, es hätte die Lebenshaltungskostenmethode angewendet werden müssen, sei unzulässig (Art. 75 Abs. 1 BGG), da er diese Kritik in der Berufung nicht vorgebracht hatte. Zudem sei diese Methode angesichts der finanziellen Situation der Parteien auch nicht einschlägig.
    • Die Behauptung, die hälftige Überschussverteilung führe zu einem überhöhten Lebensstandard der Intimée gegenüber der Trennungszeit, sei ebenfalls in ihrer Zulässigkeit zweifelhaft. Der Beschwerdeführer habe nicht präzisiert, welcher tiefere Lebensstandard massgebend sein sollte. Das BGer stellte fest, dass die Intimée während der Trennungszeit Unterhaltsbeiträge von CHF 10'000 bzw. CHF 8'800 erhalten hatte, und es wurde nicht geltend gemacht, dass diese ihren früheren Lebensstandard überstiegen hätten (vgl. 5A_187/2025 E. 3.1). Dass die Intimée "unter ihren Mitteln lebte", um den Miteigentumsanteil des Beschwerdeführers an der Liegenschaft zu erwerben, sei für die künftige Unterhaltsbemessung unerheblich (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1 ff., Ziff. 233.52 S. 119; 5A_709/2017 E. 3.4).
    • Die "rein theoretische" Rüge der fehlenden Präzisierung einer Altersvorsorgekomponente sei irrelevant, da die Intimée bereits das Rentenalter erreicht hat.
    • Die Behauptung, die Intimée könnte eine Leibrente doppelt beziehen, sei rein hypothetisch und mangels präziser Darlegung unzulässig (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
    • Das BGer befand die Rügen insoweit als unbegründet.
3.3. Unterhaltsbeitrag nach Erreichen des Rentenalters der Ehefrau (Art. 4, 124a und 125 ZGB, Art. 8 und 9 BV)

Der Beschwerdeführer bestritt, dass er nach dem Erreichen des Rentenalters der Intimée weiterhin Unterhalt zahlen müsse.

  • Rechtliche Grundsätze:
    • Die Dauer des Unterhaltsbeitrags wird nach den nicht abschliessenden Kriterien von Art. 125 Abs. 2 ZGB festgelegt (ATF 137 III 102 E. 4.1.1).
    • Eine Befristung bis zum Erreichen des Rentenalters des Unterhaltsschuldners ist zwar häufig (ATF 147 III 249 E. 3.4.5), doch ist eine unbefristete Rente nicht ausgeschlossen (ATF 151 III 9 E. 3.2; 141 III 465 E. 3.2.1), insbesondere wenn eine Verbesserung der finanziellen Lage des Unterhaltsgläubigers nicht zu erwarten ist und die Mittel des Schuldners dies zulassen.
    • Das Erreichen des Rentenalters entbindet den Unterhaltsschuldner nicht automatisch von seiner Pflicht (ATF 147 III 249 E. 3.4.5).
  • Urteil des Bundesgerichts:
    • Die Cour de justice habe festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits pensioniert sei und sich seine finanzielle Situation daher nicht ändern werde. Eine Befristung des Unterhalts aus diesem Grund sei nicht gerechtfertigt. Die durch das Erreichen des Rentenalters der Intimée eingetretenen Veränderungen in ihrer finanziellen Situation seien bereits in der Reduktion des Unterhaltsbeitrags berücksichtigt worden, nicht aber in seiner Einstellung.
    • Der Beschwerdeführer habe erneut die Überschussverteilung und seine eigene Budgeteinschätzung vorgebracht, ohne die Begründung der Cour de justice substantiiert zu rügen (Art. 42 Abs. 2 BGG).
    • Das BGer erachtete das Urteil der Vorinstanz als bundesrechtskonform.
    • Die erhobenen Verfassungsrügen (Art. 8 und 9 BV) seien mangels präziser und detaillierter Begründung unzulässig (Art. 106 Abs. 2 BGG). Art. 8 BV sei im Verhältnis zwischen Privaten wiederum nicht direkt anwendbar (ATF 136 I 178 E. 5.1).
    • Diese Rüge wurde daher vollständig als unzulässig erachtet.
4. Fazit

Das Bundesgericht wies die Beschwerde in Zivilsachen, soweit sie zulässig war, als unbegründet ab. Die Gerichtskosten von CHF 3'500 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 5A_167/2024 die Beschwerde des Ehemannes gegen die Festsetzung des nachehelichen Unterhalts als weitgehend unzulässig oder unbegründet abgewiesen.

  1. Feststellung der Parteilasten: Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich der Nichtanerkennung seiner behaupteten Mietkosten (CHF 2'000) und der Anerkennung bestimmter Kosten der Intimée wurden abgewiesen. Der Nachweis effektiver Mietkosten wurde als ungenügend erachtet, und die Verfassungsrüge der Ungleichbehandlung in Zivilstreitigkeiten zwischen Privaten als unanwendbar.
  2. Berechnungsmethode: Die Anwendung der Methode des Existenzminimums mit Überschussverteilung durch die Vorinstanz wurde bestätigt. Die Rüge des Beschwerdeführers, es hätte die Lebenshaltungskostenmethode angewendet werden müssen, sowie seine Argumentation bezüglich eines zu hohen Lebensstandards der Intimée während der Trennungszeit oder einer fehlenden Vorsorgekomponente wurden als unzulässig oder unbegründet befunden.
  3. Dauer des Unterhaltsbeitrags: Die unbefristete Festsetzung des Unterhaltsbeitrags über das Rentenalter der Intimée hinaus wurde bestätigt. Das Erreichen des Rentenalters führt nicht zwingend zur Einstellung des Unterhalts, insbesondere wenn keine Besserung der Lage des Gläubigers zu erwarten ist und die Mittel des Schuldners ausreichen. Die Rentensituation der Intimée wurde bereits durch eine Reduktion des Unterhalts berücksichtigt. Die Verfassungsrügen des Beschwerdeführers wurden als unzureichend begründet oder unanwendbar abgelehnt.