Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_710/2024 vom 15. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgericht, Urteil 1C_710/2024 vom 15. Oktober 2025

1. Einführung und Sachverhalt

Das Urteil des Bundesgerichts 1C_710/2024 vom 15. Oktober 2025 betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich des Bau- und Planungsrechts. Die Beschwerdeführerin, A.__, ist Eigentümerin eines Gebäudes in Luzern, das in einer Wohn- und Geschäftszone Spezial sowie in der Ortsbildschutzzone B liegt.

Im Jahr 2018 stellte die Stadt Luzern fest, dass an diesem Gebäude ohne Baubewilligung Fenster ersetzt, Leitungen an der Fassade angebracht und eine Fernsehempfangseinrichtung realisiert wurden. Nach Entfernung der Leitungen und der Empfangseinrichtung wurde A.__ aufgefordert, ein nachträgliches Baugesuch für den Fensterersatz einzureichen, welchem sie schliesslich im Juni 2021 nachkam. Mit Entscheid vom 26. Oktober 2022 bewilligte die Baudirektion der Stadt Luzern den Fensterersatz für das 1. bis 3. Obergeschoss unter Bedingungen und Auflagen. Wesentlich war die Auflage, dass die Fenster entsprechend dem historischen Vorbild nachzurüsten seien, um die historische Wirkung des Gebäudes zu erhalten. Dies beinhaltete das Anbringen von zwei feinen horizontalen Sprossen, gefüllten Brüstungsfeldern mit plastischer Profilierung und einer plastisch 10 mm vorstehenden Schlagleiste entlang der Mittelpartie. Das Kantonsgericht Luzern wies eine dagegen erhobene Beschwerde der Eigentümerin ab, worauf diese das Bundesgericht anrief.

2. Präliminarien: Zulässigkeit und Prüfungsraster

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich ein (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG), da keine Ausschlussgründe vorlagen und die Beschwerdeführerin als Eigentümerin ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hatte (Art. 89 Abs. 1 BGG).

Die rechtliche Prüfung erfolgt nach Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) und, soweit kantonales Recht betroffen ist, insbesondere auf Willkür (Art. 9 BV). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde, es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung (Art. 105 BGG).

3. Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV)

Die Beschwerdeführerin machte in diverser Hinsicht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, welche das Bundesgericht vorab prüfte:

  • Abgelehnte Beweisanträge (Edition von Unterlagen, Zeugeneinvernahmen, Expertise): Die Beschwerdeführerin kritisierte die Ablehnung ihrer Anträge auf Edition von Bauakten und Fotos von Vergleichsliegenschaften (U.__strasse 5 und 13 etc.), die Zeugeneinvernahme ihres Rechtsvertreters betreffend den Ausstand eines Fachmitarbeiters und eine Expertise zur Machbarkeit der Wiederherstellungsmassnahmen.

    • Das Bundesgericht bestätigte die antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanz.
    • Gleichbehandlung im Unrecht: Bezüglich der Vergleichsliegenschaften wies das Bundesgericht die Rüge zurück. Es hielt fest, dass für eine Gleichbehandlung im Unrecht eine ständige Praxis der Behörde erforderlich ist, die vom Gesetz abweicht und die Absicht signalisiert, auch künftig nicht gesetzeskonform zu entscheiden (BGE 146 I 105 E. 5.3.1). Da die Stadt Luzern keine solche Absicht bekundet hatte, durfte die Vorinstanz die Beweisanträge als irrelevant erachten.
    • Zeugeneinvernahme: Die Zeugeneinvernahme des Rechtsvertreters wurde als nicht notwendig erachtet, da die Vorinstanz bereits detailliert dargelegt hatte, dass der betreffende Fachmitarbeiter nicht den materiellen Entscheid getroffen, sondern lediglich an der Instruktion teilgenommen hatte und somit keine ausstandsbegründende Vorbefassung vorlag.
    • Expertise zur Machbarkeit: Auch der Antrag auf eine Expertise wurde als unbegründet erachtet. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Parteigutachten wurde von der Vorinstanz kritisch gewürdigt, und die Stadt Luzern hatte überzeugend dargelegt, weshalb eine Ausbesserung ohne vollständigen Austausch der Fenster möglich sei. Ein zusätzliches Gutachten war unter diesen Umständen nicht willkürlich abzulehnen (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2).
    • Historische Unterlagen: Die Rüge, der historische Bestand sei unklar, wurde zurückgewiesen. Das Bundesgericht stützte sich auf die Feststellung der Vorinstanz, die vier historische Fotos als ausreichende Belege für das historische Vorbild der Fenster herangezogen hatte.
  • Vorenthalten einer Stellungnahme der Denkmalpflege: Die Beschwerdeführerin rügte, eine Stellungnahme des Teams Denkmalpflege und Kulturgüterschutz sei ihr vorenthalten worden.

    • Das Bundesgericht bestätigte zwar, dass das Akteneinsichtsrecht während der gesamten Verfahrensdauer bestehe (BGE 129 I 249 E. 5.1). Es qualifizierte die Stellungnahme jedoch als internes Aktenstück für die abteilungsinterne Meinungsbildung ohne Beweischarakter, welches nicht vom Akteneinsichtsrecht erfasst wird (vgl. BGE 125 II 473 E. 4a). Da die Beschwerdeführerin zudem Gelegenheit hatte, zum Ergebnis der Vernehmlassung Stellung zu nehmen und dies auch tat, ohne das Fehlen der Stellungnahme zu rügen, wurde eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts verneint.

4. Rechtmässigkeit der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands

Der Kern der Beschwerde betraf die Rechtmässigkeit der verfügten Wiederherstellungsmassnahmen.

  • Rechtliche Einordnung der Verfügung: Das Bundesgericht stellte zunächst klar, dass der Entscheid der Stadt Luzern insofern widersprüchlich sei, als einerseits eine Baubewilligung erteilt und andererseits die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verfügt wurde. Eine Wiederherstellungsverfügung sei jedoch nur bei nicht bewilligungsfähigen Bauten erforderlich. Das Gericht interpretierte den Entscheid dahingehend, dass die Baubewilligung für die bestehende Ausgestaltung der Fenster verweigert wurde und die Massnahmen als Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands zu verstehen sind, nicht als Auflagen einer (vollumfänglich) erteilten Bewilligung. Dies sei auch bei einem nicht bewilligten Fensteraustausch zulässig (vgl. Urteil 1C_119/2023 vom 25. Juli 2023).

  • Öffentliches Interesse: Die Beschwerdeführerin bestritt das öffentliche Interesse mit dem Argument, ein vereinfachtes Verfahren sei durchgeführt worden, welches das Fehlen eines entgegenstehenden öffentlichen Interesses voraussetze.

    • Das Bundesgericht verwarf dieses Argument. Die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens sei eine summarische Vorprüfung und binde die Behörde nicht an ein vollständiges Verneinen öffentlicher Interessen. Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands diene dem Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung und liege im öffentlichen Interesse (Urteil 1C_653/2023 vom 13. Mai 2025 E. 7.2). Insbesondere der Ortsbildschutz sei ein gewichtiges öffentliches Interesse.
  • Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2, Art. 36 Abs. 3 BV): Die Beschwerdeführerin machte geltend, die Massnahmen seien nicht geeignet, erforderlich und zumutbar.

    • Gutgläubigkeit: Das Bundesgericht teilte die Auffassung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin nicht gutgläubig gehandelt habe. Sie sei über die Revision der Bau- und Zonenordnung im Jahr 2013, insbesondere hinsichtlich der Ortsbildschutzzonen, informiert gewesen und habe sogar Einsprache und Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen erhoben. Die Beauftragung einer Fachfirma entbinde nicht von der Kenntnis der Rechtslage. Bei fehlender Gutgläubigkeit misst die Behörde dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht bei (BGE 132 II 21 E. 6.4).

    • Eignung und Zumutbarkeit: Das Bundesgericht bejahte die Eignung und Zumutbarkeit der verfügten Wiederherstellungsmassnahmen. Sie würden das historische Vorbild respektieren und seien zumutbar, da keine überwiegenden privaten Interessen entgegenstünden.

    • Erforderlichkeit (massgebender Punkt für Gutheissung der Beschwerde): Hier wich das Bundesgericht von der Vorinstanz ab. Die Beschwerdeführerin hatte als milderes Mittel angeboten, die alten (ausgebauten und eingelagerten) Aussenfenster wieder anzubringen. Die Vorinstanz hatte dies mit folgenden Argumenten abgelehnt:

      1. Die kürzlich bewilligten neuen Fensterläden könnten dann nicht mehr verwendet werden.
      2. Die Beschwerdeführerin habe sich aus ökonomischen Gründen für neue Fenster entschieden und könne sich nun nicht darauf berufen, die "qualitätsvolle" Wiederherstellung zu "umgehen".
      3. Eine Alternativlösung käme nur in Frage, wenn die Beschwerdeführerin von der Bewilligungspflicht überrascht worden wäre und die Bedeutung der Ortsbildschutzzone nicht hätte wissen können.

      Das Bundesgericht befand diese Begründung als nicht nachvollziehbar: * Der Ausgangspunkt für die Anpassung sei das Erscheinungsbild des Gebäudes, das dem historischen Vorbild entsprechen müsse. Wenn die alten Aussenfenster diesem historischen Vorbild entsprächen, sei nicht ersichtlich, weshalb dies nicht als geeignete Wiederherstellungsmassnahme dienen könnte. * Weder die Vorinstanz noch die Stadt Luzern machten geltend, dass bereits die alten Fenster nicht dem Ortsbild entsprochen hätten. * Die Frage der Fensterläden sei aus Sicht des Ortsbildschutzes irrelevant. * Das Argument des "Umgehens" einer qualitätsvollen Variante überzeugte nicht, da die vorgeschlagene Alternative, sofern sie dem historischen Vorbild entspricht und keine anderen baurechtlichen Bestimmungen verletzt, lediglich eine andere, möglicherweise mildere Form der Wiederherstellung darstellt.

      Da der kommunale Entscheid sich nicht ausreichend mit dieser präsentierten Form der Wiederherstellung auseinandergesetzt hatte, kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Vorinstanz die Erforderlichkeit der Massnahmen unzureichend geprüft hatte.

5. Ergebnis

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, hob das Urteil des Kantonsgerichts Luzern auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Stadt Luzern zurück. Die Stadt Luzern hat nun zu prüfen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Variante des Wiederanbringens der alten (ausgebauten und eingelagerten) Aussenfenster als Massnahme der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ebenfalls in Frage käme. Sollte dies im Hinblick auf das historische Ortsbild zulässig sein und keine anderen baurechtlichen Vorgaben verletzen, müsste diese Alternative zugestanden werden.

Gerichtskosten wurden keine erhoben, und die Stadt Luzern hat die Beschwerdeführerin mit Fr. 3'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen. Die Neuverteilung der Kosten und Parteientschädigung des vorinstanzlichen Verfahrens wurde an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Kontext: Die Eigentümerin eines Gebäudes in einer Ortsbildschutzzone ersetzte Fenster ohne Bewilligung. Die Stadt Luzern bewilligte den Ersatz nachträglich, aber nur unter strengen Auflagen zur Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbildes (Sprossen, Brüstungsfelder, Schlagleiste).
  2. Rechtliches Gehör: Das Bundesgericht verneinte Verletzungen des rechtlichen Gehörs. Es wies Rügen bezüglich abgelehnter Beweisanträge (Gleichbehandlung im Unrecht, Ausstand, Expertise, historische Unterlagen) und des Akteneinsichtsrechts in interne Dokumente der Denkmalpflege zurück.
  3. Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands:
    • Die Verfügung der Stadt Luzern wurde als Anordnung zur Anpassung/Wiederherstellung und nicht als bedingte Bewilligung interpretiert.
    • Das öffentliche Interesse am Ortsbildschutz und der baurechtlichen Ordnung wurde bejaht, unabhängig vom vereinfachten Baubewilligungsverfahren.
    • Die Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin wurde verneint, da sie die Bedeutung der Ortsbildschutzzone kannte.
    • Die Eignung und Zumutbarkeit der verfügten Massnahmen (Anbringen von Sprossen etc.) wurden bestätigt.
    • Entscheidender Punkt (Erforderlichkeit): Das Bundesgericht rügte die Vorinstanz, weil sie die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene mildere Massnahme – das Wiederanbringen der alten, eingelagerten Fenster – nicht nachvollziehbar ausgeschlossen hatte. Die Argumente der Vorinstanz (neue Fensterläden, "Umgehen" einer qualitätsvollen Sanierung) wurden als für den Ortsbildschutz irrelevant bzw. ungenügend befunden.
  4. Urteil: Die Beschwerde wurde gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts aufgehoben und die Sache an die Stadt Luzern zurückgewiesen, damit diese prüft, ob das Wiederanbringen der alten Fenster ebenfalls eine zulässige und mildere Massnahme zur Wiederherstellung des historischen Ortsbildes darstellt.