Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_332/2025 vom 26. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 5A_332/2025 vom 26. September 2025

1. Einleitung und Parteien Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft einen Fall im Kindesschutzrecht. Beschwerdeführer ist A._ (Vater), Beschwerdegegnerin ist B._ (Mutter). Beide sind Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge über ihre unehelichen Kinder C._ (geb. 2009) und D._ (geb. 2011).

2. Sachverhalt und Verfahrensgang vor den Vorinstanzen Das Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant des Kantons Genf (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, KESB) ordnete am 16. September 2024 eine Vertretungsbeistandschaft im medizinischen Bereich für die Kinder an, wodurch die elterliche Sorge der Eltern entsprechend eingeschränkt wurde (Ziff. 2). Die Befugnisse der Kindesschutzbeiständinnen des Service de protection des mineurs (SPMi) wurden auf diese neu errichtete Beistandschaft ausgedehnt (Ziff. 3). Eine zuvor bestehende Erziehungsbeistandschaft wurde aufgehoben (Ziff. 4). Zudem ordnete die KESB die Fortführung therapeutischer Massnahmen für beide Kinder an (Ziff. 6 und 7) und ermahnte die Eltern, ihre individuellen Therapien fortzusetzen (Ziff. 8 und 9).

Der Vater focht diesen Entscheid vor der Chambre de surveillance de la Cour de justice des Kantons Genf (Aufsichtskammer des Kantonsgerichts) an und beantragte die Aufhebung der medizinischen Beistandschaft sowie die Übertragung der alleinigen medizinischen Entscheidungsbefugnis auf ihn. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde am 27. März 2025 ab und bestätigte die erstinstanzliche Anordnung.

3. Verfahren vor dem Bundesgericht und Anträge des Beschwerdeführers Der Vater legte daraufhin "Recours" beim Bundesgericht ein. Obwohl seine Anträge teilweise unpräzise und als blosse Kassationsanträge (Aufhebung) formuliert waren, interpretierte das Bundesgericht sie im Lichte der Begründung als reformatorische Anträge im Sinne von Art. 107 Abs. 2 BGG. Im Wesentlichen zielten diese darauf ab, den kantonalen Entscheid aufzuheben und ihm die alleinige elterliche Sorge im medizinischen Bereich für seine Kinder zuzusprechen. Weiter beantragte er die Aufhebung eines Expertengutachtens, die Anerkennung des Rechts seines Sohnes, ihm die medizinische Autorität zu übertragen, die Feststellung der Willkür der Delegation an das SPMi und die Anerkennung systematischer Verfahrens- und Beweisfehler.

4. Zulässigkeit und Prüfungsrahmen des Bundesgerichts

  • Zulässigkeit des Rechtsmittels: Das Bundesgericht behandelte die Eingabe als zivilrechtliche Beschwerde (Art. 72 ff. BGG). Das Rechtsmittel war fristgerecht eingereicht, richtete sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid in einer nicht-vermögensrechtlichen Kindesschutzsache, und dem Vater wurde die Beschwerdelegitimation (Art. 76 Abs. 1 BGG) zugestanden.
  • Rechtsverletzungen: Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG, einschliesslich Verfassungsrecht) und Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG, einschliesslich EMRK). Eine Rüge der Verletzung von Grundrechten erfordert jedoch eine qualifizierte Begründung nach dem Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG).
    • Nicht berücksichtigte Rügen: Die Rügen betreffend Art. 6 und 8 EMRK wurden nicht substantiiert und somit nicht geprüft. Verletzungen der Strafrechtsnormen Art. 307 und 317 StGB können im Rahmen einer Zivilrechtssache nicht gerügt werden. Die weiteren vom Beschwerdeführer angerufenen Normen (z.B. "ICD-1", "CIM-11/CGGD", "Direktiven SSPP") sind keine bundesrechtlichen Bestimmungen im Sinne von Art. 95 BGG, deren Verletzung gerügt werden könnte.
  • Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung: Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Abweichung hiervon ist nur zulässig, wenn die Feststellungen offensichtlich unrichtig (willkürlich im Sinne von Art. 9 BV) oder auf einer Rechtsverletzung beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und die Behebung des Mangels entscheidrelevant ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Rüge der Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung erfordert eine präzise Begründung nach dem Rügeprinzip.
  • Erschöpfung des Instanzenzuges: Das Bundesgericht prüft nur Rügen, die bereits vor der kantonalen Vorinstanz vorgebracht wurden (materielle Erschöpfung des Instanzenzuges).

5. Rechtliche Grundlagen und Erwägungen des Bundesgerichts zur Kindesschutzmassnahme

  • Beistandschaft gemäss Art. 308 ZGB:
    • Voraussetzungen: Eine Beistandschaft nach Art. 308 ZGB setzt, wie jede Kindesschutzmassnahme (Art. 307 Abs. 1 ZGB), eine Gefährdung des Kindeswohls voraus. Diese Gefährdung muss durch die Eltern selbst nicht abwendbar sein, und es darf keine mildere Massnahme genügen (Grundsatz der Subsidiarität). Die angeordnete Massnahme muss zudem dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen, d.h., sie muss geeignet und erforderlich sein, den Schutz des Kindes zu gewährleisten.
    • Befugnisse des Beistands: Gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB können dem Beistand bestimmte Befugnisse übertragen werden, darunter die Vertretung des Kindes in medizinischen Angelegenheiten, um Untersuchungen und Behandlungen sicherzustellen, wenn Eltern untätig oder widerspenstig sind (Hinweis auf BGE 5A_767/2024 consid. 6.1; 5A_603/2022 consid. 3.3.1).
    • Ermessen und bundesgerichtliche Zurückhaltung: Die Kindesschutzbehörden verfügen bei der Wahl der Massnahme über ein weites Ermessen (Art. 4 ZGB, 450a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Das Bundesgericht übt in dieser Materie Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die kantonale Behörde irrelevante Umstände berücksichtigt oder wesentliche Faktoren ausser Acht gelassen hat (BGE 142 III 545 consid. 2.3; 132 III 178 consid. 5.1).
  • Beweiswürdigung von Expertengutachten:
    • Der Richter würdigt ein Expertengutachten frei (Art. 157 ZPO). Er ist grundsätzlich nicht an die Schlussfolgerungen des Experten gebunden, muss diese aber unter Berücksichtigung aller anderen Beweismittel beurteilen. Im Bereich des besonderen Fachwissens des Experten darf er nur dann davon abweichen, wenn wichtige und gut begründete Umstände oder Indizien die Glaubwürdigkeit ernsthaft erschüttern; eine solche Abweichung ist zu begründen (BGE 142 III 545 consid. 2.3). Die Frage, ob ein Gutachten überzeugend ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüft. Es prüft lediglich, ob die Vorinstanz sich willkürfrei den Schlussfolgerungen des Gutachtens anschliessen konnte (BGE 138 III 193 consid. 4.3.1; 136 II 539 consid. 3.2).

6. Begründung des Kantonsgerichts (Vorinstanz) Das Kantonsgericht stellte fest, dass die Eltern sich in medizinischen Fragen bezüglich ihrer Kinder nicht einigen konnten, was in der Vergangenheit zu Verzögerungen bei der medizinischen Versorgung führte (Wahl der Therapeuten und Behandlungen). Beide Elternteile hatten Mühe, die Sichtweise des anderen anzuhören. Eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge in medizinischen Angelegenheiten war daher unmöglich – ein Punkt, der von den Eltern nicht mehr bestritten wurde.

Das Kantonsgericht erachtete es als nicht im Interesse der Kinder, die medizinische Entscheidungsbefugnis einem der beiden Elternteile – hier dem Vater – zu übertragen. Die Experten hatten klar dargelegt, dass dies einen Loyalitätskonflikt für die Kinder schaffen würde. Es sei zu befürchten, dass die Mutter die Entscheidungen des Vaters vor den Kindern kritisieren und diese dadurch erneut in einen Konflikt zwischen ihren Eltern geraten würden, was ihrer Entwicklung schaden könnte. Hingegen würde die Delegation der medizinischen Entscheidungen an einen neutralen Dritten diese Konfliktsituation vermeiden. Selbst wenn die Mutter die Entscheidungen des Beistands kritisieren sollte, hätte dies keinen direkten Einfluss auf die Bindung der Kinder zu ihren Eltern.

Die Vorinstanz berücksichtigte, dass der Sohn C.__ den Wunsch geäussert hatte, dass sein Vater die Verantwortung für seine medizinische Betreuung übernehmen solle. Das Kantonsgericht interpretierte diese Äusserung jedoch als Zeichen eines schwerwiegenden Loyalitätskonflikts, der die Rechtfertigung der erstinstanzlichen Entscheidung bestärkte. Trotz des Alters des Sohnes von 14 Jahren war es im Kindeswohl, die Betreuung einem Dritten zu überlassen.

Schliesslich wurde auch die vom Vater vorgebrachte Unsicherheit der SPMi-Beistände bezüglich der Entscheidung für eine Ritalin-Behandlung von D._ beurteilt. Das Kantonsgericht hielt fest, dass gerade weil dies ein Streitpunkt der Eltern sei, ein neutraler Dritter objektiv über das Kindeswohl entscheiden müsse. Der Beistand würde alle notwendigen Erklärungen von den Ärzten erhalten und die Gefühle von D._ bezüglich der Ritaline-Einnahme berücksichtigen können.

7. Rügen des Beschwerdeführers und Erwiderungen des Bundesgerichts

  • Angriff auf das Expertengutachten: Der Vater rügte eine willkürliche Übernahme des Expertengutachtens durch die Vorinstanz, schwere Mängel des Gutachtens, "unerkannte Diagnosen" und "methodologische Manipulationen". Er behauptete insbesondere, dass die Begriffe "Konflikt der Eltern" und "Loyalitätskonflikt" keine gültigen oder anerkannten klinischen Kategorien im schweizerischen Medizinrecht seien.
    • Das Bundesgericht wies diese Rügen als unzulässig zurück. Es stellte fest, dass der Vater diese Kritik am Expertengutachten nicht bereits im kantonalen Rekursverfahren vorgebracht hatte, womit der Grundsatz der materiellen Erschöpfung des Instanzenzuges verletzt war. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wären die Argumente des Vaters appellatorischer Natur gewesen und hätten die Anforderungen an eine substanziierte Willkürrüge nicht erfüllt.
  • Angriff auf die medizinische Vertretungsbeistandschaft: Der Vater behauptete, die medizinische Vertretung durch einen Dritten sei "willkürlich, unbegründet und ineffektiv", "irrational" und "gefährlich". Er argumentierte, dass nur ein engagierter Elternteil die notwendige kontinuierliche Betreuung gewährleisten könne und dass die Vorinstanz die Mutter hätte verpflichten müssen, ihren Pflichten nachzukommen. Zudem stellte er die Kompetenz des SPMi in Frage und rügte die Missachtung des Kindeswillens von C.__.
    • Das Bundesgericht wies auch diese Rügen ab, da sie sich weitgehend auf unbewiesene oder unsubstantiierte Tatsachen stützten oder die hohen Anforderungen an die Überprüfung des behördlichen Ermessens nicht erfüllten.
    • Es hielt fest, dass das Kantonsgericht das Engagement des Vaters zwar anerkannt, dieses jedoch gegen die anderen Umstände abgewogen hatte. Die Argumentation, dass die Übertragung der alleinigen medizinischen Autorität an den Vater nicht im Kindeswohl sei, um einen Loyalitätskonflikt zu vermeiden, wurde als stichhaltig erachtet. Der Vater selbst bestätigte, dass die Mutter die Kinder auch weiterhin unter Druck setzen würde, was die Notwendigkeit einer Drittlösung unterstreiche. Eine alternative, weniger einschneidende Lösung wurde vom Vater nicht aufgezeigt.
    • Die Rüge der Inkompetenz des SPMi wurde ebenfalls verworfen. Das Bundesgericht verwies auf die Feststellungen der Vorinstanz, wonach das SPMi lediglich eine Unsicherheit bezüglich der Validierung einer Ritalin-Behandlung geäussert hatte, nicht aber eine generelle Inkompetenz. Der Beistand würde die notwendigen medizinischen Erklärungen erhalten und die Empfindungen des Kindes berücksichtigen.
    • Die Missachtung des Wunsches von C.__, die medizinische Autorität dem Vater zu übertragen, sah das Bundesgericht ebenfalls als gerechtfertigt an. Es bestätigte, dass die Vorinstanz angesichts des vom Gutachten aufgezeigten Loyalitätskonflikts im Kindesinteresse handeln musste. Der Vater kann sich nicht auf eine Verletzung der Anhörungsrechte des Kindes berufen.

8. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war, wurde das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft im medizinischen Bereich für die Kinder der Parteien und die damit verbundene Einschränkung der elterlichen Sorge. 1. Gefährdung des Kindeswohls: Die Eltern waren aufgrund tiefgreifender und unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten in medizinischen Fragen (u.a. bei Therapiewahl, Ritalin-Behandlung) nicht in der Lage, die gemeinsame elterliche Sorge in diesem Bereich auszuüben, was zu Verzögerungen und negativen Auswirkungen auf das Kindeswohl führte. 2. Loyalitätskonflikt: Die Übertragung der alleinigen medizinischen Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil (hier den Vater) hätte aufgrund des tiefen elterlichen Konflikts einen schwerwiegenden Loyalitätskonflikt für die Kinder zur Folge gehabt. Der Wunsch des Sohnes, die Autorität dem Vater zu übertragen, wurde als Bestätigung dieses Loyalitätskonflikts interpretiert und nicht als bindend erachtet. 3. Verhältnismässigkeit: Die Delegation der medizinischen Entscheidungen an einen neutralen Dritten (SPMi-Beistand) wurde als verhältnismässige und im Kindeswohl liegende Lösung angesehen, da dies die Kinder vor dem elterlichen Konflikt schützt und eine objektive Entscheidungsfindung ermöglicht. 4. Expertise: Rügen gegen das Expertengutachten wurden wegen fehlender materieller Erschöpfung des Instanzenzuges und mangelnder Substantiierung nicht geprüft. 5. Ermessensprüfung: Das Bundesgericht übte Zurückhaltung bei der Überprüfung des weiten Ermessens der Kindesschutzbehörden und sah keine Rechtsverletzung oder Willkür im Entscheid der Vorinstanz.