Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_438/2025 vom 2. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_438/2025 vom 2. Oktober 2025 I. Einleitung und Parteien

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (II. Zivilrechtliche Abteilung) vom 2. Oktober 2025, Az. 5A_438/2025, befasst sich mit der Frage der Unterhaltsbeiträge für ein volljähriges Kind im Rahmen von Scheidungsverfahren und den damit verbundenen vorsorglichen Massnahmen. Streitgegenstand ist die Prozessstandschaft eines Elternteils, der im Namen seines volljährigen Kindes die Unterhaltsansprüche geltend macht.

Der Beschwerdeführer (A._, Vater, geboren 1972) und die Intimierte (B._, Mutter, geboren 1976) sind seit 2002 verheiratet. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor, darunter C._, geboren 2006. C._ befindet sich zum Zeitpunkt des Urteils im letzten Jahr des Gymnasiums und lebt beim Vater. Der andere Sohn ist finanziell unabhängig.

II. Sachverhalt und Verfahrensgang
  1. Vorgeschichte der Unterhaltsfestsetzung:

    • Der Vater leitete am 2. Februar 2022 ein einseitiges Scheidungsverfahren ein.
    • Mit Eheschutzmassnahmenverfügung vom 6. September 2022 wurde die Obhut über die damals 16-jährige C._ dem Vater zugesprochen. Die Mutter wurde zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags (zuletzt 1'700 CHF ab 1. Mai 2022, zuzüglich Familienzulagen) an den Vater für C._ verpflichtet.
    • Anlässlich einer Appellationsverhandlung am 29. November 2022 schlossen die Parteien eine Konvention, welche die zuvor genannten Eheschutzmassnahmen bezüglich des Unterhalts für C.__ bestätigte.
    • Am 11. April 2024 erreichte C.__ die Volljährigkeit.
  2. Verfahren nach Volljährigkeit:

    • Am 26. April 2024 beantragte die Mutter mit einer vorsorglichen Massnahme primär, von der Unterhaltspflicht befreit zu werden, und subsidiär, einen reduzierten Beitrag von 504 CHF (später 350 CHF) festzulegen.
    • Der Vater beantragte am 17. Juni 2024 die Abweisung der mütterlichen Begehren und die Festsetzung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 1'700 CHF, zuzüglich Familienzulagen, bis C.__ eine angemessene Ausbildung gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB erworben hat.
    • Mit Vollmacht vom 28. Juni 2024 ermächtigte C.__ ihren Vater ausdrücklich, in ihrem Namen "im Rahmen des Scheidungsverfahrens ihrer Eltern" zu handeln.
    • Die erstinstanzliche Präsidentin des Zivilgerichts setzte den mütterlichen Unterhaltsbeitrag für die volljährige C.__ auf 400 CHF (Mai-Dezember 2024) und 470 CHF (ab 1. Januar 2025, bis zum Erwerb einer angemessenen Ausbildung gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB) fest.
    • Der Vater appellierte gegen diese Entscheidung und beantragte die Beibehaltung des ursprünglichen Beitrags von 1'700 CHF oder subsidiär 1'499 CHF / 1'727 CHF.
    • Das kantonale Appellationsgericht (Vorinstanz) erhöhte die Unterhaltsbeiträge leicht auf 440 CHF (Mai-Dezember 2024) und 510 CHF (ab 1. Januar 2025, bis zum Erwerb einer angemessenen Ausbildung gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB).
  3. Beschwerde vor Bundesgericht:

    • Der Vater (Beschwerdeführer) reichte am 4. Juni 2025 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein. Er beantragte im Wesentlichen, die Unterhaltsbeiträge auf dem ursprünglichen Niveau von 1'700 CHF zu belassen und die vorinstanzliche Festsetzung aufzuheben.
III. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte vorab und von Amtes wegen die Zulässigkeit der Beschwerde, insbesondere die Prozessstandschaft des Beschwerdeführers für seine volljährige Tochter (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).

  1. Grundlagen der Prozessstandschaft bei Kindesunterhalt (Erw. 1.2):

    • Im Scheidungsverfahren kann der sorgeberechtigte Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, die Unterhaltsbeiträge im eigenen Namen und anstelle des Kindes geltend machen.
    • Wird das Kind während des Verfahrens volljährig, so bleibt diese Befugnis des Elternteils für die nach der Volljährigkeit geschuldeten Beiträge bestehen, sofern das nunmehr volljährige Kind zustimmt (Verweis auf BGE 142 III 78 E. 3.2; 129 III 55 E. 3).
    • Entscheidende Einschränkung: Ist die ursprünglich festgesetzte Unterhaltspflicht der Eltern erloschen, so muss das volljährige Kind eine Klage auf Unterhalt selbst erheben (gestützt auf Art. 279 ZGB in Verbindung mit Art. 277 Abs. 2 ZGB). In diesem Fall endet die Prozessstandschaft des Elternteils mit der Volljährigkeit des Kindes (Verweis auf BGE 5A_661/2012 E. 4.2.2).
  2. Würdigung der kantonalen Vorinstanz (Erw. 1.3):

    • Die Vorinstanz hatte die Anwendung von Art. 179 ZGB (Änderung von Massnahmen bei neuen Tatsachen) durch die Erstinstanz als fehlerhaft erachtet.
    • Sie begründete dies damit, dass die im Eheschutzentscheid vom 6. September 2022 festgesetzte Unterhaltspflicht der Mutter für ihre damals minderjährige Tochter mit deren Volljährigkeit erloschen sei.
    • Die Vorinstanz stellte fest, dass die damalige Verfügung keine zeitliche Regelung über die Volljährigkeit hinaus enthielt, Art. 277 Abs. 2 ZGB nicht erwähnte und nicht ausdrücklich eine Fortdauer der Unterhaltspflicht über die Volljährigkeit hinaus vorsah.
    • Daher sei die Verfügung den nötigen Anforderungen an eine Unterhaltsregelung für die Zeit nach der Volljährigkeit des Kindes nicht gerecht geworden.
    • Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass es sich nicht um eine Abänderung einer bestehenden Unterhaltsregelung handelte, sondern um eine erstmalige Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für ein volljähriges Kind gemäss Art. 279 ZGB. Die Anträge der Parteien seien in diesem Sinne zu interpretieren.
  3. Argumente des Beschwerdeführers vor Bundesgericht (Erw. 1.4):

    • Der Beschwerdeführer rügte Willkür in der Anwendung der Rechtsregeln und der Rechtsprechung. Er bestritt die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Unterhaltspflicht mit der Volljährigkeit erloschen sei.
    • Er argumentierte, die Vorinstanz hätte die Konvention vom 29. November 2022 interpretieren müssen, um den Parteiwillen bezüglich der Fortdauer des Unterhalts über die Volljährigkeit hinaus zu ermitteln. Er verwies auf kantonale Rechtsprechung, die in einem ähnlichen Fall eine Abänderung einer Konvention verneint hatte.
    • Er machte geltend, dass eine objektive Interpretation der Konvention zum Schluss führen müsste, dass der Unterhalt über die Volljährigkeit hinaus fortzudauern hatte, insbesondere angesichts des geringen Altersunterschieds zur Volljährigkeit bei Unterzeichnung (16 Jahre und 8 Monate) und der laufenden gymnasialen Ausbildung.
  4. Entscheid des Bundesgerichts zur Prozessstandschaft (Erw. 1.5):

    • Das Bundesgericht wies die Argumentation des Beschwerdeführers zurück, da dieser die Begründung der Vorinstanz zur Auslegung der Eheschutzmassnahmenverfügung vom 6. September 2022 nicht substanziiert angefochten habe.
    • Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Konvention vom 29. November 2022 die Eheschutzmassnahmenverfügung vom 6. September 2022 bestätigte. Diese Sachverhaltsfeststellung ist für das Bundesgericht bindend (Art. 105 Abs. 1 BGG), sofern sie nicht als willkürlich gerügt und begründet wird. Der Beschwerdeführer rügte diesbezüglich keine Willkür.
    • Da somit die Auslegung der Vorinstanz, wonach die ursprüngliche Unterhaltsverfügung keine Regelung für die Zeit nach der Volljährigkeit enthielt, bestehen blieb, ist die Unterhaltspflicht für die minderjährige C.__ tatsächlich mit deren Volljährigkeit erloschen.
    • Folglich handelte es sich bei den streitigen vorsorglichen Massnahmen nicht um eine Fortsetzung oder Abänderung einer bestehenden Pflicht, sondern um eine erstmalige Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für ein volljähriges Kind im Rahmen einer eigenständigen Klage nach Art. 279 ZGB.
    • In dieser Konstellation, in der eine neue, eigenständige Klage für den Unterhalt eines volljährigen Kindes erforderlich ist, endet die Prozessstandschaft des Elternteils. Das volljährige Kind muss die Klage selbst erheben. Die erteilte Vollmacht der Tochter an den Vater war in diesem Kontext nicht ausreichend, um dem Vater die Prozessführungsbefugnis zu verschaffen.
    • Das Bundesgericht gelangte daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer nicht befugt war, die Unterhaltsansprüche seiner volljährigen Tochter in eigenem Namen und an ihrer Stelle in der vorliegenden Bundesgerichtsbeschwerde geltend zu machen.
IV. Fazit

Die Beschwerde wurde aus diesen Gründen als unzulässig erklärt. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten.

V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Vaters betreffend Unterhaltsbeiträge für seine volljährige Tochter als unzulässig erklärt. Entscheidend war die Frage der Prozessstandschaft des Vaters. Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung der Vorinstanz, wonach die ursprüngliche Unterhaltsregelung für die Tochter (die in einer Eheschutzmassnahmenverfügung und einer diese bestätigenden Konvention festgelegt wurde) nicht für die Zeit nach der Volljährigkeit galt, da sie weder eine entsprechende zeitliche Begrenzung enthielt noch auf Art. 277 Abs. 2 ZGB verwies. Mit der Volljährigkeit der Tochter ist die ursprüngliche Unterhaltspflicht daher erloschen. Folglich handelte es sich bei den neuen Unterhaltsbegehren um eine erstmalige Festsetzung nach Art. 279 ZGB, nicht um eine Abänderung einer bestehenden Pflicht. In diesem Fall muss das volljährige Kind selbst klagen; die Prozessstandschaft des Elternteils endet mit der Volljährigkeit. Da der Vater somit nicht befugt war, die Ansprüche seiner volljährigen Tochter im Bundesgerichtsverfahren geltend zu machen, war die Beschwerde unzulässig.