Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_255/2025 vom 13. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_255/2025 vom 13. Oktober 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A._, B._, C._ (Gesuchsteller für Baubewilligung) * Beschwerdegegner: D._, E._, F._, G.__ (Nachbarn) * Weitere Beteiligte: Municipio di Mendrisio (Gemeinde), Dipartimento del territorio del Cantone Ticino, Consiglio di Stato del Cantone Ticino (Regierungsrat)

Gegenstand: Baubewilligung

Vorinstanz: Tribunal amministrativo del Cantone Ticino (Kantonales Verwaltungsgericht Tessin), Urteil vom 27. März 2025

Sachverhalt (kurzgefasst): Die Beschwerdeführer reichten am 15. Juni 2021 ein Baugesuch für die Erstellung eines Neunfamilienhauses auf drei Parzellen (qqq, rrr, sss) in Mendrisio ein, die in der extensiven Wohnzone (Re) von Rancate liegen. Das Bauvorhaben umfasste auch eine private Parzellenmutation zur Neugestaltung der drei Parzellen in zwei neue Grundstücke. Das Gemeindeparlament Mendrisio erteilte am 24. November 2021 die Baubewilligung unter der Bedingung der grundbuchlichen Eintragung der Parzellenmutation. Einsprachen von Nachbarn wurden abgewiesen. Der Regierungsrat des Kantons Tessin bestätigte diesen Entscheid am 17. Mai 2023. Auf Beschwerde der Nachbarn hin hob das Kantonale Verwaltungsgericht Tessin jedoch am 27. März 2025 die Baubewilligung und den Regierungsratsentscheid auf. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass eine vorgängige Parzellenneuordnung eine unabdingbare Bedingung für die Bebaubarkeit aller im entsprechenden "Comparto" (Gebiet/Areal) enthaltenen Grundstücke darstelle und nicht durch eine private Mutation, die nur die drei vom Bauprojekt betroffenen Parzellen umfasse, umgangen werden könne. Gegen dieses Urteil reichten die Baugesuchsteller Beschwerde beim Bundesgericht ein.

Entscheid des Bundesgerichts: Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit sie zulässig ist, ab.

Detaillierte rechtliche Würdigung und Begründung des Bundesgerichts:

  1. Kognition und Rügepflicht (Art. 106 LTF): Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer Beschwerde von Amtes wegen. Grundsätzlich werden Rügen betreffend kantonales oder kommunales Recht nur unter dem eingeschränkten Blickwinkel der Willkür (Art. 106 Abs. 2 BGG) geprüft. Eine Willkürrüge erfordert eine klare und präzise Darlegung, weshalb der angefochtene Entscheid im Ergebnis unhaltbar ist. Allgemeine Kritik oder das Gegenüberstellen einer eigenen Interpretation genügen nicht. Gleiches gilt für die Sachverhaltsfeststellung, die nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit (Willkür) korrigiert wird (Art. 97 Abs. 1 BGG).

  2. Grundrechte (Art. 29 Abs. 2 und Art. 26 BV): Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung des Anhörungsrechts (Art. 29 Abs. 2 BV), da das kantonale Gericht angeblich nicht alle ihre Argumente berücksichtigt habe. Das Bundesgericht weist diese Rüge als zu pauschal und unsubstantiiert zurück. Es erinnert daran, dass das Anhörungsrecht die Behörden nicht dazu verpflichtet, jede einzelne Behauptung zu prüfen, sondern sich auf die für den Entscheid relevanten Punkte zu beschränken (BGE 147 IV 249 E. 2.4). Dies sei im vorliegenden Fall geschehen, indem sich das kantonale Gericht insbesondere zur Auslegung des Art. 37 Abs. 6 der Ausführungsbestimmungen zum Zonenplan (NAPR) geäussert habe. Ebenso wurde eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) geltend gemacht. Das Bundesgericht hält fest, dass die Eigentumsgarantie nicht uneingeschränkt ist, sondern im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung begrenzt wird (BGE 146 I 70 E. 6.1). Im vorliegenden Fall betrifft dies insbesondere die korrekte Umsetzung der Verfahren zur Parzellenneuordnung, welche die Bebaubarkeit der Grundstücke bedingen.

  3. Autonomie der Gemeinde und Kognition des Verwaltungsgerichts (Art. 50 BV): Dies ist der zentrale Punkt des Rechtsstreits.

    • Rüge der Beschwerdeführer: Das kantonale Verwaltungsgericht habe die Kompetenzen der Gemeinde Mendrisio überschritten und die Gemeindeautonomie (Art. 50 BV) verletzt, indem es die Notwendigkeit einer Parzellenneuordnung mit voller Kognition geprüft habe. Sie argumentierten, Art. 37 Abs. 6 NAPR enthalte einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Gemeinde einen weiten Ermessensspielraum einräume, den das Gericht hätte respektieren müssen. Dem Verwaltungsgericht wird vorgeworfen, seine eigene Auslegung der kommunalen Norm an die Stelle der kommunalen und regierungsrätlichen Beurteilung gesetzt und damit sein Ermessen missbraucht zu haben.
    • Stellungnahme des Bundesgerichts zur Gemeindeautonomie: Das Bundesgericht prüft frei, ob eine kantonale Instanz den Ermessensspielraum der Gemeindeautonomie respektiert hat (BGE 145 I 52 E. 3.1). Ein Missbrauch der Kognitionsbefugnisse durch die Rekursinstanz stellt grundsätzlich Willkür dar. Zwar dürfe die kantonale Instanz bei der Überprüfung kommunaler Entscheide nicht auf eine reine Willkürprüfung beschränkt werden (im Lichte von Art. 29a BV und Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG), sie müsse aber eine gewisse Zurückhaltung üben, um die Gemeindeautonomie zu respektieren (BGE 145 I 52 E. 3.6). Dies gilt insbesondere, wenn kommunale Normen unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die der Gemeinde einen Beurteilungsspielraum einräumen. Das kantonale Gericht darf dann nicht einfach eine als angemessen erachtete kommunale Bewertung durch seine eigene ersetzen.
    • Grenzen der Zurückhaltung: Die kantonale Instanz muss jedoch eingreifen, wenn die kommunale Einschätzung gegen höheres Recht verstösst, Verfassungsprinzipien verletzt (z.B. Gleichbehandlung, Verhältnismässigkeit), objektiv unhaltbar (willkürlich) ist oder überkommunale Interessen betrifft. Bei rein lokalen Interessen ist die Zurückhaltung grösser, bei Interessen von höherer Ordnung ist die Prüfung strenger (BGE 146 II 367 E. 3.1.4).
    • Anwendung im konkreten Fall: Das Bundesgericht erachtet die Rügen der Beschwerdeführer als ungenügend begründet (Art. 106 Abs. 2 LTF). Sie hätten nicht dargelegt, inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen missbraucht und die Gemeindeautonomie verletzt habe. Im Gegenteil habe das kantonale Gericht die Einschätzung des Regierungsrats und der Gemeinde nicht ersetzt, sondern im Wesentlichen eine nachvollziehbare Auslegung von Art. 37 Abs. 6 NAPR und seiner eigenen Rechtsprechung bestätigt.
      • Auslegung von Art. 37 Abs. 6 NAPR: Diese Bestimmung knüpft die Bebaubarkeit der Grundstücke in den Gebieten T._ und U._ an eine Parzellenneuordnung aller dort enthaltenen Parzellen. Dies entspricht den Zielen des Zonenplans, nämlich eine bessere und rationelle Bodennutzung sowie urbanistisch qualifizierte Bauten zu fördern.
      • Verfahren der Parzellenneuordnung: Eine solche Neuordnung muss im Rahmen des Gesetzes über die Zusammenlegung und den Austausch von Grundstücken (LRPT/GLAZG vom 23. November 1979) erfolgen, welches das gesamte betroffene Areal einschliesst. Das Comparto T.__ umfasst weitere Grundstücke mit problematischer Parzellenstruktur (z.B. vvv, www, xxx, yyy und zzz). Eine private Parzellenmutation, die nur die drei Bauparzellen betrifft, ist daher nicht ausreichend.
      • Gesetzlicher Auftrag: Das Bundesgericht verweist zudem auf Art. 15a in Verbindung mit Art. 20 des Raumplanungsgesetzes (RPG), der einen gesetzlichen Auftrag für Massnahmen zur Landumlegung (Parzellenneuordnung) darstellt. Die Initiative und Ausführung einer solchen Neuordnung kann nicht einzelnen interessierten Eigentümern überlassen werden (JEANNERAT, Commentaire pratique LAT, Art. 20 RPG N 3).
      • Die Auslegung des kantonalen Verwaltungsgerichts ist somit nicht willkürlich und der angefochtene Entscheid auch im Ergebnis haltbar.
  4. Verfahrenskoordination und Verhältnismässigkeit:

    • Rüge der Beschwerdeführer: Das kantonale Gericht habe das kantonale Koordinationsgesetz (LCoord) und das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt, indem es die Baubewilligung nach fast vier Jahren annullierte, anstatt sie lediglich an die Durchführung der Parzellenneuordnung zu knüpfen.
    • Ablehnung durch das Bundesgericht: Auch diese Rüge wird als ungenügend begründet und somit unzulässig qualifiziert. Das Bundesgericht stellt fest, dass eine formelle Koordination der Parzellenneuordnung mit der Baubewilligung vom RPG nicht zwingend vorgeschrieben ist (BGE 1C_382/2014 E. 2.3). Der Mangel einer vorgängigen Parzellenneuordnung ist kein sekundärer Mangel von geringer Bedeutung, der einfach durch Nebenbestimmungen behoben werden könnte. Vielmehr handelt es sich um eine unabdingbare, vorgängige Voraussetzung für die Bebaubarkeit der Grundstücke selbst (BGE 1C_68/2020 E. 2.3; 1C_22/2017 E. 5.1). Die Parzellenneuordnung ist ein raumplanerisches Instrument zur Festlegung der Eigentumsverhältnisse und zur Gewährleistung einer optimalen Nutzung der Grundstücke im Rahmen einer nachhaltigen lokalen Entwicklung (ZUFFEREY, Droit public de la construction, N 507; ZEN-RUFFINEN/GUY-ECABERT, Aménagement du territoire, construction, expropriation, N 798).
  5. Obiter Dictum: Das kantonale Gericht äusserte sich im angefochtenen Urteil auch zur umstrittenen Gebäudehöhe. Diese Ausführungen erfolgten jedoch lediglich als obiter dictum (nebenbei gemachte Bemerkungen ohne definitive Rechtswirkung) und sind für den Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesgericht nicht relevant.

Kurzfassung der wesentlichen Punkte: 1. Kernproblem: Die Bebaubarkeit der Grundstücke ist an eine vorgängige, umfassende Parzellenneuordnung des gesamten betroffenen Gebiets gebunden, wie es Art. 37 Abs. 6 NAPR der Gemeinde Mendrisio vorsieht. 2. Unzulässigkeit privater Mutation: Eine bloss private Parzellenmutation der unmittelbar vom Bauprojekt betroffenen drei Parzellen ist nicht ausreichend, um diese Bedingung zu erfüllen, da das Comparto weitere problematische Parzellen umfasst. 3. Gemeindeautonomie und Kognition: Das Bundesgericht schützt die Auslegung des kantonalen Verwaltungsgerichts. Es stellt fest, dass das Gericht die kommunale Einschätzung nicht ersetzt, sondern eine nachvollziehbare Auslegung der kommunalen Bestimmungen vorgenommen hat, die dem gesetzlichen Auftrag einer raumplanerischen Neuordnung (Art. 15a i.V.m. Art. 20 RPG) entspricht und nicht einzelnen Eigentümern überlassen werden kann. Eine Verletzung der Gemeindeautonomie liegt somit nicht vor. 4. Keine Verhältnismässigkeitsverletzung: Das Fehlen einer umfassenden Parzellenneuordnung ist ein grundlegender Mangel, der nicht durch Nebenbestimmungen in der Baubewilligung behoben werden kann. Die Annullierung der Baubewilligung war daher verhältnismässig. 5. Ablehnung der Grundrechtsrügen: Rügen des Anhörungsrechts und der Eigentumsgarantie wurden als ungenügend begründet oder materiell unzutreffend abgewiesen.