Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_92/2025 vom 3. Oktober 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Nachfolgend wird das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_92/2025 vom 3. Oktober 2025 detailliert zusammengefasst, wobei die massgebenden Punkte und rechtlichen Argumente vertieft dargestellt werden.

Gericht, Datum, Parteien und Gegenstand

Das vorliegende Urteil wurde vom Schweizerischen Bundesgericht (II. öffentlich-rechtliche Abteilung) am 3. Oktober 2025 gefällt (Referenz: 2C_92/2025). Verfahrensbeteiligte sind die kosovarische Staatsangehörige A.__ (Beschwerdeführerin) sowie das Migrationsamt und die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage des Erlöschens der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin sowie die (Wieder-)Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung.

Sachverhalt

Die 1971 geborene A._ reiste 1993 in die Schweiz ein und erhielt am 6. Mai 2013 eine Niederlassungsbewilligung (C-Bewilligung). Sie hat vier in der Schweiz aufenthaltsberechtigte Kinder. Ihr Ehemann, dessen Niederlassungsbewilligung 2018 widerrufen wurde, lebt seit Juni 2020 im Kosovo. Zwischen 2021 und 2022 hielt sich A._ wiederholt im Kosovo auf.

Im Februar 2023 wurde A._ wegen Sozialhilfebetrugs angeklagt (Bezug von Sozialhilfegeldern während Auslandsaufenthalten); die Anklage wurde später zur Ergänzung des Vorverfahrens zurückgewiesen. Im Mai 2023 leitete das Migrationsamt des Kantons Zürich ein Verfahren zum Erlöschen ihrer Niederlassungsbewilligung wegen Landesabwesenheit und zur Nichterteilung einer neuen Bewilligung ein. Ein Gesuch von A._ um Wiedererteilung der Niederlassungsbewilligung bzw. Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde vom Migrationsamt am 25. März 2024 abgewiesen und das Erlöschen der bestehenden Niederlassungsbewilligung festgestellt. Dagegen gerichtete Rechtsmittel bei der Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich blieben erfolglos. Die Beschwerdeführerin gelangt daraufhin an das Bundesgericht.

Zulässigkeit der Beschwerde (E. 1)

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz im öffentlichen Recht zulässig (Art. 90, 86 Abs. 1 lit. d, 82 lit. a BGG). Im Bereich des Ausländerrechts ist eine solche Beschwerde nur zulässig, wenn das Bundes- oder Völkerrecht einen Anspruch auf die betreffende Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Die Niederlassungsbewilligung wird unbefristet erteilt und gewährt grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf deren Beibehaltung (Art. 34 Abs. 1 AIG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Da vorliegend der Weiterbestand dieser Bewilligung strittig ist, bejahte das Bundesgericht die Zulässigkeit der Beschwerde. Das Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin ("ihre Niederlassungsbewilligung sei nicht erloschen") wurde als Begehren auf Aufhebung des vorinstanzlichen, belastenden Urteils interpretiert.

Prüfung der gerügten Rechtsverletzungen

1. Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) (E. 3) Die Beschwerdeführerin rügte, die Vorinstanz habe ihre Vorbringen bezüglich der Dauer ihrer Aufenthalte in der Schweiz nicht vertieft geprüft und damit ihre Begründungspflicht verletzt. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz in ihrer Begründung die rechtlichen Voraussetzungen des Erlöschens der Niederlassungsbewilligung, die tatsächlichen Aufenthaltszeiten im Kosovo und der Schweiz sowie weitere Indizien (Arzttermine, Wohnsituation) dargelegt und daraus den Schluss gezogen habe, der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin liege im Kosovo. Diese Begründung sei hinreichend klar, um der Beschwerdeführerin eine sachgerechte Anfechtung zu ermöglichen. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör wurde daher verneint.

2. Willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 9 BV) (E. 5) Die Beschwerdeführerin machte geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt bezüglich ihrer Aufenthalte und ihres Lebensmittelpunktes willkürlich festgestellt. Das Bundesgericht präzisierte, dass die Frage des Lebensmittelpunktes eine Rechtsfrage sei, während die zugrundeliegenden Indizien und Zeiträume der Sachverhaltsfeststellung unterliegen. Die Beschwerdeführerin bestreite die Indizien (Ehemann im Kosovo krank, keine eigene Wohnung in der Schweiz, Arzttermine als Reisegrund) nicht, sondern kritisiere deren rechtliche Würdigung. Die Vorinstanz stützte sich auf die Ergebnisse des laufenden Strafverfahrens und die Bestätigung der Beschwerdeführerin in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 20. Januar 2023, wonach sie sich in den folgenden Zeiträumen im Kosovo aufgehalten hatte: * 10.03.2021 bis 16.04.2021 (38 Tage) * 30.04.2021 bis 22.05.2021 (24 Tage) * 11.06.2021 bis 15.09.2021 (97 Tage) * 02.11.2021 bis 25.11.2021 (23 Tage) * 13.12.2021 bis 19.12.2021 (6 Tage) * 25.12.2021 bis 15.01.2022 (22 Tage) * 25.01.2022 bis 08.03.2022 (43 Tage) * 23.03.2022 bis 03.05.2022 (40 Tage) * 17.06.2022 bis 03.09.2022 (78 Tage) Demnach verbrachte die Beschwerdeführerin vom 10. März 2021 bis am 3. September 2022 insgesamt 368 Tage im Kosovo. Die Einwände der Beschwerdeführerin, sie habe ein falsches Geständnis unter Druck abgelegt oder die Ein- und Ausreisedaten seien unvollständig, vermochten keine Willkür zu belegen. Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, insbesondere die Dauer der Aufenthalte im Kosovo, wurden als verbindlich erachtet.

3. Erlöschen der Niederlassungsbewilligung (Art. 61 Abs. 2 AIG i.V.m. Art. 79 Abs. 1 VZAE) (E. 6) Die Beschwerdeführerin rügte eine falsche Anwendung von Art. 61 Abs. 2 AIG und argumentierte, ihre Aufenthalte in der Schweiz ab Frühling 2021 seien nicht bloss vorübergehend und hätten die Frist unterbrochen. Das Bundesgericht legte die relevanten Bestimmungen dar: * Art. 61 Abs. 2 AIG: Eine Niederlassungsbewilligung erlischt von Gesetzes wegen nach sechs Monaten, wenn die ausländische Person die Schweiz verlässt, ohne sich abzumelden und die Bewilligung nicht auf Gesuch hin aufrechterhalten wird. Diese sechs Monate müssen grundsätzlich ununterbrochen sein (BGE 145 II 322 E. 2.3). * Art. 79 Abs. 1 VZAE: Vorübergehende Aufenthalte in der Schweiz zu Besuchs-, Tourismus- oder Geschäftszwecken unterbrechen die Frist nicht. Ebenso wenig solche Aufenthalte, deren einziger Zweck die Fristunterbrechung ist (Urteil 2C_602/2020 E. 4.2.2). Die Niederlassungsbewilligung kann auch dann erlöschen, wenn die Person während eines mindestens sechsmonatigen Auslandsaufenthalts zwischenzeitlich in die Schweiz zurückkehrt, sofern diese Aufenthalte als bloss vorübergehend zu bewerten sind (BGE 145 II 322 E. 2.3, 2.5). * Lebensmittelpunkt: Der Lebensmittelpunkt ist bei einem unterbrochenen Auslandsaufenthalt ein bedeutsames Kriterium, jedoch nicht allein ausschlaggebend, sondern relevant in Verbindung mit dem Erfordernis eines ununterbrochenen oder bloss vorübergehend unterbrochenen Auslandsaufenthalts (BGE 145 II 322 E. 2.4). Entscheidend ist stets die Qualifikation der Aufenthalte in der Schweiz als bloss vorübergehend oder fristunterbrechend. * Kriterien für "bloss vorübergehend": Der Zweck des Aufenthalts ist massgeblich, abgeleitet aus äusseren Merkmalen. Hauptsächlich sind die Dauer der Landesabwesenheit und der Schwerpunkt der Lebensinteressen zu berücksichtigen (Urteil 2C_236/2023 E. 3.2.1). Kurze Rückkehren (Tage/Wochen) bei überwiegendem Aufenthalt im Ausland sprechen für einen bloss vorübergehenden Charakter. Auch Aufenthalte von bis zu zwei Monaten können je nach Zweck vorübergehend sein (Urteil 2C_236/2023). Ein Rückkehr für einen konkreten Zweck (z.B. Arzttermine) spricht ebenfalls für einen bloss vorübergehenden Aufenthalt, während regelmässige Rückkehren für einen allgemeinen, dauernden Zweck (z.B. Erwerbstätigkeit, elterliche Sorge) die Frist unterbrechen können (BGE 145 II 322 E. 3.2).

Anwendung auf den vorliegenden Fall: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 10. März 2021 bis 3. September 2022 (ca. 1,5 Jahre) insgesamt 368 Tage im Kosovo und 184 Tage in der Schweiz verbrachte. Sie hielt sich somit deutlich länger im Kosovo auf. Ihre Aufenthalte in der Schweiz dauerten in den ersten sechs Monaten nie länger als drei Wochen. * Der Umstand, dass ihr Ehemann im Kosovo lebt und krank ist, wurde als Indiz für einen Lebensmittelpunkt im Kosovo gewertet, da bei Ehegatten grundsätzlich von einem gemeinsamen Wohnsitz ausgegangen wird, solange keine eindeutige Trennung vorliegt (Urteil 2C_885/2022 E. 6.3). * Die Wahrnehmung von Arztterminen in der Schweiz ist typischerweise als bloss vorübergehender Aufenthaltszweck zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin zeigte keine Umstände auf, die eine andere Bewertung (z.B. ausserordentlich häufige oder intensive Behandlungen, die einen dauerhaften Aufenthalt erfordern würden) nahelegen würden. * Die Tatsache, dass ihre Kinder und Enkel in der Schweiz leben und sie zeitweise bei ihrem Sohn wohnt, könnte zwar ein Indiz für fristunterbrechende Aufenthalte sein. Angesichts der kurzen Dauer der Schweiz-Aufenthalte, insbesondere in der Anfangsphase, wurde dies jedoch als bloss vorübergehender Besuch im Sinne von Art. 79 Abs. 1 VZAE eingestuft. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen durfte, dass die Beschwerdeführerin im Frühling 2021 ihren Lebensmittelpunkt in den Kosovo verlegt hatte und sich seither nur noch "bloss vorübergehend" in der Schweiz aufhielt. Die sechsmonatige Frist nach Art. 61 Abs. 2 AIG wurde somit nicht unterbrochen, und die Niederlassungsbewilligung war im Zeitpunkt der Verfügung des Migrationsamtes vom 25. März 2024 erloschen.

4. Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV) (E. 7) Die Beschwerdeführerin berief sich auf ihr seit über 30 Jahren bestehendes Privatleben in der Schweiz. Das Bundesgericht stellte fest, dass die in BGE 144 I 266 aufgestellte Vermutung einer guten Integration nach zehnjährigem rechtmässigem Aufenthalt nur für die Verlängerung einer bestehenden Bewilligung gilt. Personen, deren ursprüngliche Bewilligung erloschen ist, können sich auf diese Vermutung nicht berufen, um einen Aufenthaltsanspruch aus dem Schutz des Privatlebens abzuleiten (BGE 149 I 207 E. 5.3.3). Für die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung gestützt auf das Privatleben ist eine ausserordentlich gute Integration erforderlich (BGE 149 I 207 E. 5.3.4). Diese Voraussetzung wurde bei der Beschwerdeführerin verneint: Sie verfügt trotz langjähriger Anwesenheit über gebrochene Deutschkenntnisse, hat nie einen Deutschkurs besucht, geht seit 2020 keiner Erwerbstätigkeit nach, ist mit über CHF 84'000.- verschuldet, wurde strafrechtlich verurteilt und unterhält ausserhalb der Familie keine näheren Kontakte zur hiesigen Bevölkerung. Folglich konnte sie sich nicht erfolgreich auf das Recht auf Achtung des Privatlebens berufen, und ihr Eventualantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde abgewiesen.

Entscheid des Bundesgerichts

Die Beschwerde wurde abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Erlöschen der Niederlassungsbewilligung: Die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG erloschen, da sie sich ab Frühling 2021 über einen Zeitraum von rund 1,5 Jahren (368 Tage) schwerpunktmässig im Kosovo aufhielt.
  • Definition "bloss vorübergehend": Die zwischenzeitlichen Aufenthalte in der Schweiz (insgesamt 184 Tage) wurden als "bloss vorübergehend" im Sinne von Art. 79 Abs. 1 VZAE qualifiziert, da sie primär der Wahrnehmung von Arztterminen dienten und die Dauer der einzelnen Aufenthalte, insbesondere in der Anfangsphase, kurz war.
  • Lebensmittelpunkt: Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin wurde vom Bundesgericht aufgrund der längeren Aufenthaltsdauer im Kosovo, des dort lebenden Ehemanns und des spezifischen Zwecks der Schweiz-Aufenthalte im Kosovo verortet.
  • Recht auf Privatleben: Die Beschwerdeführerin kann nach dem Erlöschen ihrer Bewilligung keinen Anspruch auf eine neue Bewilligung aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV ableiten. Hierfür wäre eine "ausserordentlich gute Integration" erforderlich, welche aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, fehlender Erwerbstätigkeit, Verschuldung und strafrechtlicher Verurteilung verneint wurde.
  • Keine Willkür/Rechtliches Gehör: Die Rügen betreffend Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör und willkürliche Sachverhaltsfeststellung wurden vom Bundesgericht abgewiesen.