Im vorliegenden Urteil 5A_535/2025 vom 20. Oktober 2025 befasste sich das Schweizerische Bundesgericht mit einer Beschwerde gegen einen kantonalen Entscheid, der die Gewährung des Suspensiveffekts in einer Angelegenheit betreffend das Besuchsrecht zu Kindern ablehnte. Die Kernfrage war, ob die kantonalen Gerichte willkürlich handelten, indem sie das Begehren des Vaters (Beschwerdeführer) um Wiederherstellung eines uneingeschränkten Besuchsrechts vorläufig ablehnten und stattdessen einen begleiteten Umgang vorsahen.
A. Sachverhalt und Vorinstanzen
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Vorgeschichte der Parteien und Kinder: Der Beschwerdeführer (Vater A._) und die Beschwerdegegnerin (Mutter B._) führten von 2015 bis 2020 eine Beziehung, aus der zwei Kinder (C._, geb. 2016, und D._, geb. 2019) hervorgingen.
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Entwicklung des Besuchsrechts:
- Nach einer Haftstrafe des Vaters (Dezember 2021 bis Juli 2022) setzte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB, hier: APEA) sein Besuchsrecht im Juli 2022 superprovisorisch aus.
- Im August 2022 wurde eine Aufsichtsbeistandschaft (curatelle de surveillance des relations personnelles) angeordnet und der Office cantonal pour la protection de l'enfant (OPE) beauftragt, begleitete Besuche (Point Rencontre) zu organisieren und deren Erweiterung zu prüfen.
- In der Folge wurden die Besuchsrechte schrittweise erweitert. Durch Urteil der Bezirksrichterin vom 12. Dezember 2023 wurde ein übliches Besuchsrecht festgelegt (jedes zweite Wochenende und jeden zweiten Mittwoch).
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Jüngere Entwicklungen und provisorische Massnahmen:
- Im November 2024 beantragte der Vater eine Änderung der persönlichen Beziehungen.
- Im Dezember 2024 empfahl der OPE-Bericht erneut eine Beschränkung des Besuchsrechts auf den begleiteten Umgang.
- Am 7. Februar 2025 eröffnete die Bezirksrichterin von Amtes wegen ein Verfahren für provisorische Massnahmen.
- Am 27. März 2025 ordnete die Bezirksrichterin die sofortige, provisorische vollständige Aussetzung des Besuchsrechts an.
- Der Vater beantragte am 29. März 2025 die Wiederaufnahme seines üblichen Besuchsrechts. Dieser Antrag wurde am 31. März 2025 superprovisorisch abgelehnt.
- Mit Entscheid vom 22. April 2025 traf die Bezirksrichterin provisorische Massnahmen, welche u.a. Folgendes vorsahen:
- Anordnung eines Elternkompetenzgutachtens (Ziff. 1).
- Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge (Ziff. 2).
- Ablehnung des Antrags der Mutter auf Änderung der Massnahmen vom 27. März 2025 und des Antrags des Vaters vom 29. März 2025 (Ziff. 3).
- Wiederaufnahme der persönlichen Beziehungen zwischen Vater und Kindern, jedoch ausschliesslich durch den Point Rencontre unter Aufsicht des OPE, bis das Gutachten vorliegt oder der OPE eine andere Modalität vorschlägt (Ziff. 4).
- Beibehaltung der Beistandschaften (Ziff. 5).
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Appellation und kantonaler Entscheid zum Suspensiveffekt:
- Der Vater legte am 5. Mai 2025 Appellation gegen den Entscheid vom 22. April 2025 ein. Er beantragte dabei auch den sofortigen Suspensiveffekt in Bezug auf Ziff. 3 und Ziff. 4 des Dispositivs (insbesondere gegen die Anordnung des begleiteten Umgangs).
- Der Einzelrichter der Zivilkammer II des Walliser Kantonsgerichts lehnte den Antrag auf Suspensiveffekt mit Entscheid vom 20. Juni 2025 ab.
B. Beschwerde an das Bundesgericht
Der Vater (Beschwerdeführer) reichte am 3. Juli 2025 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein. Er beantragte die Aufhebung des kantonalen Entscheids vom 20. Juni 2025 und die sofortige Aussetzung der Vollstreckbarkeit von Ziff. 4 des Entscheids vom 22. April 2025 (Begleiteter Umgang), verbunden mit der provisorischen Wiedereinführung des früheren unbegleiteten Besuchsrechts. Ein subsidiärer Antrag für den Fall eines späteren ungünstigen Entscheids der Vorinstanz wurde vom Bundesgericht als unzulässig beurteilt.
C. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
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Zulässigkeit der Beschwerde (Rz. 1.1):
- Die Beschwerde richtet sich gegen einen Zwischenentscheid (Ablehnung des Suspensiveffekts auf provisorische Massnahmen) im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Solche Entscheide können nur angefochten werden, wenn sie einen irreparablen Nachteil bewirken.
- Das Bundesgericht bestätigte in Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung (u.a. BGE 137 III 475), dass die Anordnung eines begleiteten Umgangs oder dessen Aussetzung einen irreparablen Nachteil darstellt. Die Zeit, die mit den Kindern nicht verbracht werden kann, kann später nicht mehr nachgeholt werden.
- Da es sich um eine nicht-vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, ist der Streitwert irrelevant. Die formellen Voraussetzungen (Frist, Form, Legitimation) waren erfüllt. Die Beschwerde war demnach grundsätzlich zulässig.
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Rügepflicht bei mehrfacher Begründung (Rz. 2.1):
- Das Bundesgericht erinnerte an den Grundsatz, dass ein Beschwerdeführer, wenn der angefochtene Entscheid auf mehreren selbstständigen, alternativen oder subsidiären Begründungen beruht, die alle den Ausgang des Falles tragen, jede dieser Begründungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG (bzw. Art. 106 Abs. 2 BGG bei verfassungsrechtlichen Rügen) bestreiten muss. Andernfalls ist die Beschwerde unzulässig.
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Begründung des Kantonsgerichts und deren Anfechtung (Rz. 2.2-2.4):
- Ablehnung des Suspensiveffekts bezüglich Ziff. 3 (Ablehnung des Vatersantrags): Das Kantonsgericht erklärte das Begehren für unzulässig, da ein ablehnender Entscheid (hier: Ablehnung der Anträge des Vaters vom 29. März 2025) naturgemäss keinen "Effekt zum Suspendieren" habe. Der Beschwerdeführer focht diese Begründung des Kantonsgerichts nicht an.
- Ablehnung des Suspensiveffekts bezüglich Ziff. 4 (Begleiteter Umgang): Das Kantonsgericht stützte die Ablehnung des Suspensiveffekts auf eine doppelte Begründung:
- Erste Begründung (selbstständig und ausreichend): Die Gewährung des Suspensiveffekts würde zum provisorischen Entscheid vom 27. März 2025 zurückführen, der das Besuchsrecht vollständig aussetzte. Der begleitete Umgang (Point Rencontre) stelle jedoch eine günstigere Lösung für den Vater dar als eine vollständige Aussetzung. Auch liege es im gemeinsamen Interesse der Kinder, den Kontakt zum Vater aufrechtzuerhalten, selbst in eingeschränkter Form. Daher fehle dem Vater ein Rechtsschutzinteresse an der Gewährung des Suspensiveffekts, da dies zu einer für ihn ungünstigeren Situation führen würde.
- Zweite Begründung (alternativ/subsidiär): Selbst wenn man die Gewährung des Suspensiveffekts als Wiederherstellung des früheren unbegleiteten Besuchsrechts (gemäss Urteil vom 12. Dezember 2023) verstehen würde, müsste dieser abgelehnt werden. Dies, weil die Aufrechterhaltung der früheren Situation voraussetzen würde, dass das Kindeswohl nicht gefährdet sei, was aufgrund verschiedener Elemente (OPE-Berichte vom April 2021 und Dezember 2024, Bericht der Kinderärztin vom März 2025) im vorliegenden Fall nicht erfüllt war.
- Rügen des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer rügte Willkür in der Sachverhaltsfeststellung und der Anwendung von Art. 315 Abs. 4 ZPO. Er machte den irreparablen Nachteil des ausgesetzten bzw. begleiteten Kontakts geltend, bestritt, ein Risiko für die Kinder darzustellen, und verwies auf das angebliche Fehlverhalten der Mutter.
- Entscheid des Bundesgerichts: Das Bundesgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer die erste Begründung der Vorinstanz (fehlendes Rechtsschutzinteresse, da Gewährung des Suspensiveffekts zu einer ungünstigeren Situation – vollständige Aussetzung – führen würde) nicht substanziiert bestritten hatte. Da diese Begründung alleine ausreichend war, um den Antrag auf Suspensiveffekt abzuweisen, war die Beschwerde aufgrund der mangelnden Anfechtung aller selbstständigen Begründungen unzulässig. Eine Prüfung der weiteren Rügen des Beschwerdeführers, die sich gegen die zweite Begründung der Vorinstanz richteten (Kindeswohl), erübrigte sich daher.
D. Fazit des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde als unzulässig erklärt. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht erklärte die Beschwerde eines Vaters gegen die Ablehnung des Suspensiveffekts für sein Besuchsrecht als unzulässig. Es hielt fest, dass ein Zwischenentscheid über den Suspensiveffekt bei Besuchsrechten einen irreparablen Nachteil bewirken und daher grundsätzlich anfechtbar ist. Im vorliegenden Fall hatte die Vorinstanz die Ablehnung des Suspensiveffekts jedoch auf zwei unabhängige Begründungen gestützt:
1. Die Gewährung des Suspensiveffekts würde zu einer für den Vater ungünstigeren Situation (vollständige Aussetzung des Besuchsrechts) als der angefochtene begleitete Umgang führen, weshalb ihm das Rechtsschutzinteresse fehle.
2. Selbst bei Wiederherstellung des früheren üblichen Besuchsrechts wäre das Kindeswohl gefährdet gewesen.
Da der Beschwerdeführer die erste dieser beiden Begründungen (fehlendes Rechtsschutzinteresse) nicht substanziiert bestritten hatte, erklärte das Bundesgericht die Beschwerde gemäss der Rügepflicht bei mehrfacher Begründung als unzulässig. Die weiteren materiellen Rügen des Beschwerdeführers wurden nicht geprüft.