Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_755/2025 vom 22. Oktober 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_755/2025 vom 22. Oktober 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. Zivilkammer) betrifft einen Rekurs (Beschwerde in Zivilsachen) des Ehemanns A._ (Beschwerdeführer) gegen einen Entscheid der Präsidentin der Zivilkammer des Kantonsgerichts Genf. Gegenstand des kantonalen Entscheids war die Ablehnung, der von A._ gegen ein Eheschutzurteil des Tribunal de première instance (erstinstanzliches Gericht) eingelegten Berufung die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das erstinstanzliche Gericht hatte A._ im Rahmen von Eheschutzmassnahmen dazu verpflichtet, seiner Ehefrau B._ (Beschwerdegegnerin) ab dem 1. Februar 2025 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von CHF 1'950 zu leisten. Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für den angefochtenen Unterhaltsbeitrag.

2. Zulässigkeit der Beschwerde und Prüfungsstandard

Das Bundesgericht qualifiziert den angefochtenen kantonalen Entscheid über die aufschiebende Wirkung als einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG, der in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 BGG) ergangen ist. Da die Hauptsache – der Unterhaltsbeitrag – vermögensrechtlicher Natur ist und der Streitwert die gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche Grenze erreicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig.

Ein Zwischenentscheid kann gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar beim Bundesgericht angefochten werden, wenn er einen unwiederbringlichen Nachteil (préjudice irréparable) bewirken kann. Ein solcher Nachteil muss rechtlicher Natur sein und darf nicht durch einen späteren Endentscheid vollständig behoben werden können; ein rein wirtschaftlicher oder faktischer Nachteil gilt in der Regel nicht als unwiederbringlich (BGE 150 III 248 E. 1.2). Die blosse Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme stellt grundsätzlich keinen unwiederbringlichen Nachteil dar (BGE 138 III 333 E. 1.3.1). Eine Ausnahme wird nur restriktiv anerkannt, wenn die Zahlung der strittigen Summe die beschwerdeführende Partei in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringt oder die Rückerstattung des gezahlten Betrags bei Obsiegen im Rechtsmittelverfahren ungewiss erscheint (BGE 5A_285/2025 E. 1.2).

Der Beschwerdeführer machte geltend, die Zahlung des Unterhaltsbeitrags gefährde sein Existenzminimum und die Beschwerdegegnerin sei nicht in der Lage, die Beträge im Falle eines Obsiegens zurückzuerstatten. Das Bundesgericht liess die Frage, ob ein unwiederbringlicher Nachteil vorliegt, jedoch offen, da es die Beschwerde aus materiellen Gründen ohnehin als unbegründet erachtete (vgl. unten Ziff. 6).

Da es sich bei der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung um eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG handelt, kann vor Bundesgericht nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie vom Beschwerdeführer ausdrücklich vorgebracht und klar und detailliert begründet wurden (Rügeprinzip, Art. 106 Abs. 2 BGG). Eine Entscheidung gilt nur dann als willkürlich (Art. 9 BV), wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, eine klare und unbestrittene Rechtsnorm oder einen Rechtsgrundsatz in schwerwiegender Weise missachtet, das Gerechtigkeitsempfinden in stossender Weise verletzt oder von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne sachlichen Grund abweicht. Es genügt nicht, dass eine andere Lösung denkbar oder sogar vorzugswürdig erschiene; die Entscheidung muss sowohl in ihrer Begründung als auch in ihrem Ergebnis willkürlich sein (BGE 148 III 95 E. 4.1).

Die Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz bindet das Bundesgericht grundsätzlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung des Sachverhalts ist nur möglich, wenn der Beschwerdeführer eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte (insbesondere Willkür) nachweist. Dabei genügt es nicht, die Feststellungen der Vorinstanz durch eigene Behauptungen zu ersetzen; es muss präzise dargelegt werden, inwiefern die Feststellungen willkürlich sind (Art. 106 Abs. 2 BGG).

3. Rechtliche Grundlagen der aufschiebenden Wirkung bei Eheschutzmassnahmen

Gemäss Art. 315 Abs. 2 lit. b ZPO hat die Berufung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, wenn sie Entscheide über vorsorgliche Massnahmen zum Gegenstand hat. Eheschutzmassnahmen, wie der hier streitige Unterhaltsbeitrag, stellen solche vorsorglichen Massnahmen dar (BGE 138 III 565 E. 4.3.1).

Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO (in der seit dem 1. Januar 2025 geltenden Fassung) ermöglicht jedoch, die Vollstreckung von vorsorglichen Massnahmen ausnahmsweise auszusetzen, wenn der betroffenen Partei ein schwer wieder gutzumachender Nachteil droht. Dieser Nachteil kann tatsächlicher, vermögensrechtlicher oder immaterieller Natur sein. Die Berufungsinstanz hat bei einem Antrag auf aufschiebende Wirkung eine Interessenabwägung vorzunehmen: Sie muss den schwer wieder gutzumachenden Nachteil des Gesuchstellers (Ehemann), falls die Massnahme sofort vollstreckt wird, gegen den Nachteil des Antragstellers (Ehefrau), falls die Massnahme nicht sofort vollstreckt wird, abwägen (BGE 138 III 378 E. 6.3).

Die Berufungsinstanz hat dabei Zurückhaltung zu üben und die Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Entscheids nur in Ausnahmefällen auszusetzen. Ihr steht ein weites Ermessen zu, um alle konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BGE 138 III 565 E. 4.3.1). Das Bundesgericht überprüft Ermessensentscheide nur mit Zurückhaltung. Es greift nur ein, wenn der kantonale Entscheid ohne Grund von der etablierten Rechtsprechung zur freien Ermessensausübung abweicht, auf für den konkreten Fall irrelevanten Fakten beruht oder Elemente ignoriert, die zwingend hätten berücksichtigt werden müssen. Es korrigiert Ermessensentscheide zudem, wenn sie zu einem offensichtlich ungerechten oder stossend unbilligen Ergebnis führen (BGE 145 III 49 E. 3.3).

4. Begründung der Vorinstanz (Präsidentin des Kantonsgerichts Genf)

Die Präsidentin des Kantonsgerichts Genf lehnte die Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit folgender Begründung ab: * Der Beschwerdeführer habe zur Stützung seiner Argumentation, er verfüge nicht über ausreichende finanzielle Mittel, ein Budget vorgelegt, das zusätzliche Ausgabenpositionen enthalte. * Was seine Einnahmen betrifft, habe er die Anrechnung von Beträgen, die auf sein persönliches Bankkonto überwiesen wurden, zusätzlich zu seinem Gehalt bestritten. * Auf den ersten Blick (prima facie), und gestützt auf das Existenzminimum des Betreibungsrechts, sei es nicht offensichtlich gewesen, dass das erstinstanzliche Gericht Ausgabenposten übersehen habe. Es obliege dem Sachrichter, abschliessend über die Berücksichtigung weiterer Posten zu entscheiden. * Hinsichtlich der Einkünfte des Ehemanns sei – selbst wenn ein Teil der auf seinem persönlichen Konto eingegangenen Beträge für berufliche Rechnungen verwendet werde – angesichts des vom erstinstanzlichen Gericht angenommenen verfügbaren Saldos von CHF 3'639.86 nicht ersichtlich, dass der Unterhaltsbeitrag (CHF 1'950) sein Existenzminimum verletzen würde. * Zudem seien die Beträge, die der Beschwerdeführer seiner Ehefrau bis September 2024 freiwillig geleistet hatte, insgesamt höher gewesen als der nun festgelegte Beitrag. * Schliesslich habe sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt zu behaupten, seine Ehefrau sei aufgrund ihrer Einkünfte und ihres Gesundheitszustands nicht in der Lage, ihm zu Unrecht gezahlte Beträge zurückzuerstatten, ohne weitere Erklärungen, die dies glaubhaft erscheinen liessen.

Auf dieser Grundlage lehnte die Präsidentin die Aussetzung der Vollstreckung des Unterhaltsbeitrags zugunsten der Ehefrau ab.

5. Rügen des Beschwerdeführers und Beurteilung durch das Bundesgericht

Der Beschwerdeführer rügte vor Bundesgericht eine willkürliche Anwendung von Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO (korrekt: vormals Abs. 5, neu Abs. 4 lit. b) und eine Verletzung seines Existenzminimums durch die Ablehnung der aufschiebenden Wirkung.

  • Rügen zur finanziellen Situation der Ehefrau: Der Beschwerdeführer behauptete, seine Ehefrau habe entgegen der Annahme der Vorinstanz keinen Fehlbetrag, sondern ein Guthaben von CHF 205.50, da die beiden erwachsenen, erwerbstätigen Kinder bei ihr wohnten. Daher sei es nicht gerechtfertigt, das Existenzminimum eines "alleinerziehenden Schuldners" zu berücksichtigen und nur ein Drittel der Miete (CHF 627) für sie anzurechnen.

    • Beurteilung des Bundesgerichts: Diese Rügen genügen den Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht. Der Beschwerdeführer beschränke sich auf eine appellatorische Darstellung seiner eigenen Sichtweise des Sachverhalts, ohne präzise darzulegen, inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen willkürlich seien. Zudem gehe aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor, dass die Präsidentin ihre Ablehnung massgeblich auf die finanzielle Situation der Ehefrau gestützt habe, was vom Beschwerdeführer auch nicht als verfassungswidrig gerügt werde.
  • Rügen zur eigenen finanziellen Situation: Der Beschwerdeführer machte geltend, die sofortige Vollstreckung verletze sein Existenzminimum um CHF 497.87 pro Monat. Seine Einkünfte seien künstlich um CHF 7'271.42 überhöht dargestellt worden, da ein Teil davon tatsächlich seiner Gesellschaft gehöre und ihm zu Unrecht zugerechnet worden sei, was eine manifeste Verletzung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft darstelle. Zudem seien bestimmte Ausgabenposten (z.B. Garagenmiete, Steuerakonto und Rückzahlung eines von den Ehegatten aufgenommenen Kredits) willkürlich nicht berücksichtigt worden. Die Entscheidung setze ihn einem "enormen emotionalen Schaden" aus, da er riskiere, alles zu verlieren, einschliesslich seiner Gesellschaft.

    • Beurteilung des Bundesgerichts: Diese Behauptungen des Beschwerdeführers bezüglich willkürlich nicht berücksichtigter Ausgaben und "künstlich aufgeblähter" Einkünfte sind ebenfalls nicht ausreichend motiviert und genügen den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Mangels eines Nachweises, dass das prima facie von der Präsidentin festgestellte Budget in Verletzung verfassungsmässiger Rechte erfolgte, muss das Bundesgericht von diesem Budget ausgehen. Gemäss den von der Vorinstanz als massgeblich erachteten Tatsachen verfügt der Beschwerdeführer über einen monatlich verfügbaren Betrag von CHF 3'639.86. Da der streitige Unterhaltsbeitrag lediglich CHF 1'950 beträgt, wird sein Existenzminimum nicht verletzt. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der Beschwerdeführer somit nicht nachweisen kann, dass die kantonale Behörde ihr Ermessen missbraucht oder eine willkürliche Interessenabwägung vorgenommen hätte.

6. Ergebnis

Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit sie zulässig ist, ab. Folglich wird auch das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten von CHF 1'500 werden dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zudem muss er der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von CHF 500 für deren Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Der Beschwerdeführer focht den Entscheid einer kantonalen Vorinstanz an, die es abgelehnt hatte, einer Berufung gegen ein Eheschutzurteil (Unterhaltsbeitrag von CHF 1'950/Monat) die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Das Bundesgericht prüfte dies als Zwischenentscheid im Rahmen der Willkürkontrolle (Art. 9 BV, Art. 98 BGG). Der Beschwerdeführer machte geltend, die sofortige Zahlung gefährde sein Existenzminimum und die Rückerstattung durch die Ehefrau sei unwahrscheinlich.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Es hielt die Rügen des Beschwerdeführers zur angeblichen Willkür bei der Feststellung seiner Einkünfte und Ausgaben sowie jene zur finanziellen Situation der Ehefrau als ungenügend begründet und appellatorisch für unzulässig. Gestützt auf das von der Vorinstanz prima facie festgestellte verfügbare monatliche Einkommen des Beschwerdeführers von CHF 3'639.86, verneinte das Bundesgericht eine Gefährdung seines Existenzminimums durch den Unterhaltsbeitrag von CHF 1'950. Eine willkürliche Ermessensausübung oder Interessenabwägung der Vorinstanz konnte daher nicht festgestellt werden.