Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_73/2025 vom 9. Oktober 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 2C_73/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_73/2025 vom 9. Oktober 2025

I. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts befasst sich mit einem abstrakten Normenkontrollverfahren gegen eine Verordnung des Staatsrates des Kantons Wallis vom 18. Dezember 2024. Diese Verordnung regelt die fakturierbaren Kosten und die Restfinanzierungsbeiträge der öffentlichen Hand für Organisationen für ambulante Pflege und Hilfe (OSAD) sowie selbstständige Pflegefachpersonen im Kanton Wallis für das Jahr 2025. Acht private OSAD haben gemeinsam Beschwerde gegen diese Verordnung erhoben und deren Aufhebung beantragt.

II. Sachverhalt

Der Staatsrat des Kantons Wallis erliess am 18. Dezember 2024 einen neuen Beschluss (RO/AGS 2024-143), der die fakturierbaren Kosten und die Restfinanzierungsbeiträge für ambulante Pflegeleistungen festlegt. Dieser Beschluss trat am 1. Januar 2025 in Kraft und ersetzt einen früheren Beschluss vom 20. Dezember 2023. Der Beschluss differenziert die Kosten und Beiträge nach Art der Pflegeorganisation (Standard-OSAD, In-House Spitex, selbstständige Pflegefachpersonen) und danach, ob die OSAD den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Langzeitpflege anwenden. Die Rekurrentinnen, allesamt Standard-OSAD im Wallis, fechten diesen Beschluss an.

III. Zulässigkeit und Prüfungsrahmen

  1. Zulässigkeit der Beschwerde: Die Beschwerde richtet sich direkt gegen einen kantonalen normativen Akt, gegen den kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung steht. Dies macht sie direkt beim Bundesgericht zulässig (Art. 82 lit. b und Art. 87 Abs. 1 BGG). Die Rekurrentinnen sind als OSAD direkt von den Tarifbestimmungen betroffen und daher gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht.

  2. Umfang der Prüfung: Obwohl die Rekurrentinnen die Aufhebung des gesamten Beschlusses beantragen, beschränkt das Bundesgericht seine Prüfung auf die Bestimmungen betreffend die fakturierbaren Kosten (Art. 2 Abs. 1 und 2) und die Restfinanzierungsbeiträge (Art. 3 Abs. 1 und 2) für sogenannte "Standard-OSAD". Die Begründung der Rekurrentinnen bezieht sich ausschliesslich auf diese Teile, während andere Leistungserbringer (z.B. In-House Spitex, selbstständige Pflegefachpersonen) von ihren Rügen nicht erfasst sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).

  3. Prüfungsdichte bei abstrakter Normenkontrolle: Das Bundesgericht prüft die Einhaltung des Bundesrechts (einschliesslich verfassungsmässiger Rechte) sowie des kantonalen Verfassungsrechts und des interkantonalen Rechts (Art. 95 lit. a, c und e BGG). Eine Verletzung des einfachen kantonalen Rechts wird nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV) geprüft, wobei hier eine qualifizierte Rügepflicht gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG). Bei der abstrakten Normenkontrolle übt das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung aus, insbesondere im Hinblick auf den Föderalismus und die Verhältnismässigkeit. Massgebend ist, ob die Norm nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen einen mit dem höherrangigen Recht vereinbaren Sinn erhalten kann. Dabei sind auch die Wahrscheinlichkeit einer gesetzeskonformen Anwendung und die Erläuterungen der kantonalen Behörde zu berücksichtigen. Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle kann das Bundesgericht die Sachverhalte eigenständig feststellen (Art. 55 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 36, 37 und 39-65 BZP).

IV. Rechtlicher Rahmen des Finanzierungssystems für ambulante Langzeitpflege

  1. Bundesrecht (Art. 25a KVG): Die Finanzierung der ambulanten Langzeitpflege erfolgt nach Art. 25a KVG über drei Schuldner:

    • Krankenversicherung: Die obligatorische Krankenpflegeversicherung leistet einen finanziellen Beitrag. Der Bundesrat hat die Tarife pro Leistungsart festgelegt (Art. 7a Abs. 1 KLV): 76.90 CHF für Abklärung/Beratung/Koordination, 63 CHF für Untersuchung/Behandlung und 52.60 CHF für Grundpflege.
    • Versicherte: Die versicherte Person kann zur Tragung eines Teils der Kosten herangezogen werden, jedoch maximal 20% des Höchstbeitrags des Krankenversicherers (Art. 25a Abs. 5 Satz 1 KVG). Kantone können günstigere Lösungen vorsehen.
    • Gemeinwesen (Restfinanzierung): Der verbleibende Kostenanteil, der weder von der Versicherung noch vom Versicherten gedeckt wird, ist von den öffentlichen Gemeinwesen (Kanton und/oder Gemeinden) zu tragen (Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG).
  2. Bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Restfinanzierung: Das Bundesgericht hat präzisiert, dass der Bund die Kantone verpflichtet, die Restkosten aller Leistungserbringer zu decken, die zur Abrechnung mit der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen sind, und zwar ohne weitere Bedingungen (ATF 142 V 94 E. 5.3; 141 V 446 E. 7.4). Die Leistungserbringer haben jedoch keinen Anspruch auf Deckung aller ihrer effektiven Kosten, sondern nur der wirtschaftlichen Kosten (Art. 32 Abs. 1 KVG). Die Kantone verfügen über einen weiten Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der kantonalen Beteiligung und können Pauschaltarife festlegen, auch wenn diese schematisch sind. Dies kann dazu führen, dass unwirtschaftlich arbeitende Institutionen ihre Kosten anpassen müssen (ATF 147 V 450 E. 4.1; 144 V 280 E. 7.2; 138 I 410 E. 4.2).

  3. Kantonales Recht (LSLD/VS): Das Wallis hat Art. 25a KVG mit den Art. 18-21 des Gesetzes über die Langzeitpflege (LSLD/VS) konkretisiert. Der Kanton legt die fakturierbaren Stundentarife pro Kategorie von Leistungserbringern und Pflegeleistungen fest. Versicherte sind bei Spitex-Leistungen von der Kostenbeteiligung befreit. Die Restfinanzierung durch die öffentliche Hand (70% Kanton, 30% Gemeinden) entspricht der Differenz zwischen den fakturierbaren Kosten und der Finanzierung durch die Krankenversicherer, da keine Kostenbeteiligung der Versicherten erfolgt.

  4. Angefochtener Beschluss: Der Beschluss des Staatsrates vom 18. Dezember 2024 legt für Standard-OSAD die fakturierbaren Kosten für Grundpflegeleistungen auf 75.10 CHF/Stunde (mit GAV Langzeitpflege) bzw. 70 CHF/Stunde (ohne GAV Langzeitpflege) fest (Art. 2 Abs. 1 und 2). Die entsprechenden Restfinanzierungsbeiträge der öffentlichen Hand betragen 22.50 CHF/Stunde bzw. 17.40 CHF/Stunde (Art. 3 Abs. 1 und 2).

V. Beurteilung der Rügen durch das Bundesgericht

A. Rüge 1: Verletzung von Art. 25a LAMal und Willkür bei der Kostenberechnung

  1. Argument der Rekurrentinnen: Die Tarife seien willkürlich festgelegt und verletzten Art. 25a LAMal, indem sie den Restfinanzierungsanteil für Grundpflegeleistungen um 18.6% reduzierten (von 21.40 CHF auf 17.40 CHF für Nicht-GAV-OSAD).

  2. Berechnungsmethode des Staatsrates: Das Bundesgericht stellt detailliert die neue Berechnungsmethode des Staatsrates dar:

    • Differenzierte Kategorien: Drei Kategorien von Leistungserbringern (Standard-OSAD, In-House Spitex, selbstständige Pflegefachpersonen).
    • Differenzierte Leistungstypen: Drei Leistungstypen (Abklärung/Beratung, Untersuchung/Behandlung, Grundpflege) unter Berücksichtigung der dafür benötigten Berufsprofile.
    • Kostenberechnung für Grundpflege bei Standard-OSAD (mit GAV):
      • Annahme eines Personalmix: 15% tertiäres Personal, 25% sekundäres Personal, 60% qualifiziertes Assistenzpersonal.
      • Stundenkosten basierend auf GAV-Löhnen, ca. 17.5% Arbeitgeber-Soziallasten und 14 Abwesenheitstagen (2 Tage Weiterbildung, 12 Tage Krankheit). Daraus resultiert ein "Stunden-Basiskosten" für Personal von 53.20 CHF.
      • Zuschlag von 13% (6.91 CHF) für allgemeine Infrastruktur- und Verwaltungskosten.
      • Zuschlag von 14.94 CHF für nicht direkt verrechenbare, aber notwendige Tätigkeiten (12.4 Minuten für Administration/Koordination und 7.3 Minuten für Fahrzeit pro Stunde Pflege, plus 2.52 CHF Fahrtkosten für 3.6 km à 70 Rp./km).
      • Gesamte fakturierbare Kosten: 75.10 CHF.
      • Restfinanzierung (nach Abzug des KVG-Anteils von 52.60 CHF): 22.50 CHF.
    • Kostenberechnung für Grundpflege bei Standard-OSAD (ohne GAV):
      • Ein pauschaler Abschlag von 7% auf die "Stunden-Basiskosten" des Personals (53.20 CHF auf 49.50 CHF).
      • Dies führt zu fakturierbaren Kosten von 70 CHF und einer Restfinanzierung von 17.40 CHF.
  3. Beurteilung des Gerichts:

    • Der Staatsrat hat sich um eine Berücksichtigung der verschiedenen Kosten bemüht, gestützt auf allgemeine Statistikdaten und Daten von öffentlichen/halböffentlichen OSAD (CMS). Die Rekurrentinnen haben selbst keine eigenen Kostenbelege eingereicht, weder in der Konsultationsphase noch im Beschwerdeverfahren.
    • Das Bundesgericht sieht keine Hinweise darauf, dass die festgelegten Tarife die wirtschaftlich notwendigen Kosten nicht decken würden (vgl. E. 3.2). Die blosse Tatsache, dass die neuen Beiträge für Nicht-GAV-OSAD unter den vorherigen Beiträgen liegen, ist kein Beweis für eine unzureichende Deckung. Die Rekurrentinnen haben auch nicht geltend gemacht, dass der alte Tarif bereits kaum kostendeckend war.
    • Die pauschale Behauptung massiver finanzieller Verluste reicht nicht aus. Das Gericht weist zudem darauf hin, dass die Beiträge für andere Leistungsarten gestiegen sind, was die Gesamteinnahmen der Rekurrentinnen (insbesondere bei Anwendung des GAV) erhöhen könnte.
    • Spezifische methodische Kritikpunkte der Rekurrentinnen (z.B. Berücksichtigung der Lohnteuerung von 0.8%, Soziallasten von 21.5% statt 17.5%, 16 statt 12 Krankheitstage, Annahme geringerer administrativen Aufwände und Fahrzeiten für private OSAD im Vergleich zu CMS) werden als unzureichend zurückgewiesen. Der vom Staatsrat angenommene "Stunden-Basiskosten" für Personal von 53.20 CHF liegt über dem GAV-Durchschnittslohn für qualifiziertes Assistenzpersonal (48.91 CHF), was zusätzliche Kosten decken könnte. Die Annahmen zu Sonntags-/Feiertagsarbeit und geringerem administrativen Aufwand für private OSAD basieren auf allgemeiner Erfahrung und kantonaler Statistik und wurden von den Rekurrentinnen nicht widerlegt.
    • Die Rüge der Verletzung von Art. 25a LAMal wird daher als unbegründet abgewiesen.

B. Rüge 2: Ungleichbehandlung (Art. 8 Abs. 1 BV)

  1. Argument der Rekurrentinnen: Der Beschluss schaffe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung durch tiefere Restfinanzierungsbeiträge für OSAD, die den GAV Langzeitpflege nicht anwenden. Zudem fehle ein klares Verfahren, um die Einhaltung GAV-ähnlicher Arbeitsbedingungen anerkennen zu lassen.

  2. Beurteilung des Gerichts:

    • Die Verordnung sieht in der Tat eine Differenzierung vor (ca. 6.5% Unterschied bei fakturierbaren Kosten, resultierend aus einem 7%-Abzug auf die Personalkosten für Nicht-GAV-OSAD).
    • Diese Differenzierung ist grundsätzlich gerechtfertigt, da OSAD, die den GAV nicht anwenden, gemäss Statistik des BFS (2023) tendenziell tiefere Löhne zahlen (im Wallis 12% tiefer als CMS mit GAV). Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit (Art. 25a KVG i.V.m. Art. 32 KVG) erlaubt, dass die öffentliche Hand nur die Standardkosten deckt, die bei wirtschaftlicher Leistungserbringung anfallen.
    • Das Bundesgericht hat bereits früher entschieden, dass die Differenzierung von Restfinanzierungsbeiträgen nach GAV-Anwendung zulässig ist, um die breite Anwendung von Gesamtarbeitsverträgen zu fördern, solange der reduzierte Tarif die effektiven Kosten immer noch deckt (vgl. 2C_727/2011 E. 6.2; 2C_642/2018 E. 5.1). Dies ist hier der Fall (vgl. E. 4.4).
    • Bezüglich der fehlenden Klarheit über das Verfahren zur Anerkennung der GAV-Anwendung oder gleichwertiger Arbeitsbedingungen hält das Gericht fest, dass eine Normenkontrolle nicht verlangt, dass ein Gesetz alle Anwendungsprobleme regelt. Solche Fragen können durch Ausführungsvorschriften oder Richtlinien geklärt oder im Rahmen einer konkreten Beschwerde gerügt werden. Die bestehende Rechtsunsicherheit allein führt nicht zur Aufhebung der Norm im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle.
    • Die Rüge der Ungleichbehandlung wird daher als unbegründet abgewiesen.

C. Rüge 3: Verletzung des kantonalen Rechts (LSLD/VS)

  1. Argument der Rekurrentinnen: Der angefochtene Beschluss sei dem übergeordneten kantonalen Gesetz über die Langzeitpflege (LSLD/VS) widersprechend, dessen Ziel die Sicherstellung einer ausreichenden und qualitativ hochstehenden Pflege sei, nicht aber gewerkschaftliche oder arbeitnehmerschutzrechtliche Ziele.

  2. Beurteilung des Gerichts: Diese Rüge genügt den erhöhten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Die Rekurrentinnen machen keine Verletzung des Willkürverbots im Sinne von Art. 9 BV geltend, was für die Überprüfung der Anwendung kantonalen Rechts durch das Bundesgericht zwingend wäre (vgl. E. 2.1). Die Rüge ist daher unzulässig.

VI. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann, ab. Die Gerichtskosten von 5'000 CHF werden den unterliegenden Rekurrentinnen solidarisch auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht wies die Beschwerde gegen die Walliser Verordnung zur Finanzierung der ambulanten Langzeitpflege ab. Es bestätigte, dass die vom Staatsrat festgelegten Tarife und Restfinanzierungsbeiträge für Spitex-Organisationen nicht gegen das Bundesrecht (Art. 25a KVG) verstossen. Die vom Kanton angewandte detaillierte Berechnungsmethode für die Kosten, die auch die verschiedenen Leistungserbringer- und Leistungstypen sowie die Anwendung eines GAV berücksichtigt, wurde als sachgerecht und nicht willkürlich befunden. Insbesondere wies das Gericht die Rüge der Ungleichbehandlung zwischen GAV- und Nicht-GAV-Organisationen zurück, da die Differenzierung durch unterschiedliche Personalkosten gerechtfertigt sei und das Bundesrecht die Förderung von GAV durch eine solche Tarifgestaltung erlaube. Eine verfahrensbezogene Rechtsunsicherheit bezüglich der Anerkennung von GAV-Bedingungen führte im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle nicht zur Aufhebung der Norm. Eine Rüge der Verletzung einfachen kantonalen Rechts wurde wegen ungenügender Begründung nicht geprüft.