Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 5A_666/2024 vom 20. Oktober 2025
1. Einleitung und Parteien
Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. zivilrechtliche Abteilung) befasst sich mit einer erbrechtlichen Streitigkeit, die sich aus der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ergibt. Beschwerdeführer sind A._, B._, C._ und D._, die Kinder des Erblassers F._. Beschwerdegegnerin ist E._, die Witwe des Erblassers. Die Vorinstanz war das Kantonsgericht St. Gallen, welches eine Klage der Beschwerdegegnerin teilweise guthiess und damit die Erbenstellung von E.__ bestätigte, was von den Kindern F.__s angefochten wurde.
2. Sachverhalt
Der Erblasser F._ verfasste am 20. Juli 2001 ein handschriftliches Testament. Zwölf Jahre später, im Jahr 2013, heiratete F._ die Beschwerdegegnerin E._ in Serbien. F._ verstarb im Jahr 2014. Das Testament wurde am 3. April 2017 eröffnet. Die Anerkennung der Eheschliessung zwischen F._ und E._ im schweizerischen Personenstandsregister erfolgte am 29. Januar 2019.
3. Prozessgeschichte
Die Beschwerdegegnerin reichte am 26. Oktober 2020 Klage beim Kreisgericht Rorschach ein. Dieses stellte mit Entscheid vom 30. März 2023 die Erbenstellung der E.__, den Bestand des unverteilten Nachlasses und die Erbquoten fest und verpflichtete die Beschwerdeführer zur Auskunftserteilung. Die daraufhin von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde vom Kantonsgericht St. Gallen mit Entscheid vom 9. August 2024 teilweise gutgeheissen, indem es die Feststellung des Nachlassbestandes und der Erbquoten als "derzeit abzuweisen" bzw. das Interesse daran als zu verneinen erachtete. Im Übrigen wies das Kantonsgericht die Berufung ab und bestätigte somit die Erbenstellung der Beschwerdegegnerin. Gegen diesen Entscheid gelangten die Beschwerdeführer mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht.
4. Streitpunkt vor Bundesgericht: Die Erbenstellung der Ehegattin
Der zentrale Streitpunkt vor dem Bundesgericht betrifft die Erbenstellung der Beschwerdegegnerin (Ehegattin). Die Parteien sind sich über die Gültigkeit des handschriftlichen Testaments vom 20. Juli 2001 einig.
- Standpunkt der Beschwerdeführer (Kinder): Sie argumentieren, der Erblasser habe sie im Testament als Erben eingesetzt (sog. gewillkürte Erben) und sie seien zudem gesetzliche Erben. Die Beschwerdegegnerin sei zum Zeitpunkt der Testamentserstellung noch nicht Ehegattin gewesen und ihre Erbenstellung hänge von einer rechtzeitigen Herabsetzungsklage ab, welche sie nicht erhoben habe. Folglich stehe ihr keine Erbenstellung zu.
- Standpunkt der Beschwerdegegnerin (Ehegattin): Sie vertritt die Ansicht, im Testament sei lediglich die gesetzliche Erbfolge wiederholt worden. Da sie als überlebende Ehegattin eine gesetzliche Erbin sei (Art. 462 Ziff. 1 ZGB), partizipiere sie zur Hälfte am Nachlass, zusammen mit den Nachkommen des Erblassers.
Die entscheidende Frage ist somit, ob der Erblasser mit seiner letztwilligen Verfügung eine Erbeinsetzung der Kinder im Sinne von Art. 483 ZGB vornahm, oder ob er lediglich die zum Zeitpunkt der Testamentserstellung gültige gesetzliche Erbfolge (alleinige Erbenstellung der Kinder) erwähnt hat.
5. Rechtliche Grundlagen und Erwägungen des Bundesgerichts
5.1. Allgemeine Grundsätze der Testamentsauslegung
Das Bundesgericht erinnert an die massgebenden Grundsätze der Testamentsauslegung:
- Willensorientierte Auslegung: Entscheidend ist der wirkliche Wille des Erblassers. Eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip, wie bei Verträgen, kommt nicht in Betracht. Es kommt nicht darauf an, wie die Erben die Verfügung verstehen durften, sondern allein auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserstellung (BGE 131 III 106 E. 1.1).
- Auslegung anhand der Schriftform: Der Wille ist primär aus dem schriftlich festgehaltenen Text zu ermitteln. Bei Mehrdeutigkeit ist der gesamte Kontext der Verfügung zu berücksichtigen (BGE 131 III 601 E. 3.1).
- Einbezug externer Elemente (Externa): Ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente dürfen nur herangezogen werden, um den im Text unklar oder unvollständig ausgedrückten Willen zu erhellen, nicht um neue Inhalte in die Verfügung zu legen (Urteil 5A_535/2022 E. 7.3.1).
- Prävalenz des wirklichen Willens: Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR, der analog Anwendung findet, ist der wirkliche Wille massgebend, auch wenn die Ausdrucksweise unrichtig ist (Art. 7 ZGB).
- Beweislast: Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn abweichenden Willen beruft, trägt die Beweislast (BGE 131 III 106 E. 1.2).
5.2. Spezifische Auslegungsregel bei Nennung gesetzlicher Erben
Ein zentraler Punkt der bundesgerichtlichen Argumentation ist die Vermutungsregel bei der Nennung gesetzlicher Erben:
- Vermutung der gesetzlichen Regelung: Das gesetzliche Erbrecht entspricht vermutungsweise der üblichen Absicht eines Erblassers. Bei mehrdeutigen Verfügungen ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Erblasser sich der gesetzlichen Regelung anschliessen wollte (Piotet, Escher/Escher, Tuor).
- Blosse Erwähnung der gesetzlichen Erbfolge: Wenn der Erblasser alle gesetzlichen Erben ohne nähere Bezeichnung ihrer Quote als Erben aufführt, ist nach der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass es sich um eine blosse Erwähnung des gesetzlichen Erbrechts handelt (Wolf/Hrubesch-Millauer, Staehelin, Grüninger, Hubert-Froidevaux, Baddeley, Steinauer, Wolf/Genna, Weimar, Escher/Escher).
Das Bundesgericht prüft die Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch die kantonale Instanz frei, ist jedoch an die tatsächlichen Feststellungen über den inneren Willen des Erblassers gebunden, es sei denn, diese sind offensichtlich unrichtig (willkürlich) oder beruhen auf einer anderen Rechtsverletzung (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG).
5.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall durch das Kantonsgericht (vom Bundesgericht bestätigt)
Das Kantonsgericht stellte fest, dass der Erblasser im Testament einleitend seinen Bruder als Willensvollstrecker bezeichnete. Anschliessend heisst es: "Erbberechtigt sind meine Kinder, A._, B._, C._, D._". Darauf folgten Regelungen zur Aufteilung des Barvermögens, der Veräusserung einer Volière an C.__ zu einem bestimmten Preis und die Absicht, in persönlichen Gesprächen über die Zuteilung der restlichen Vermögenswerte zu befinden, sowie eine Regelung für den Fall, dass es zu keiner Einigung kommt (Teilungsaufschub).
Das Kantonsgericht kam – mit Zustimmung des Bundesgerichts – zur folgenden Auslegung:
- Wortlaut "erbberechtigt": Die Formulierung, die Kinder seien "erbberechtigt", ist nicht eindeutig. Sie beschreibt lediglich eine Berechtigung oder Eigenschaft, lässt aber den Grund der Berechtigung (gesetzlich oder gewillkürt) offen. Allein daraus lässt sich kein Wille zur formellen Einsetzung als Erben ableiten.
- Teilungsvorschriften: Die nachfolgenden Bestimmungen zum Barvermögen, zur Volière und den restlichen Werten sind als Teilungsvorschriften im Sinne von Art. 608 ZGB zu verstehen. Sie regeln die Durchführung des Erbgangs und die Realteilung, nicht aber die Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge. Auch der angeordnete Teilungsaufschub fügt sich als (negative) Teilungsvorschrift in dieses Konzept ein.
- Leitidee des Testaments: Die übergeordnete Leitidee des Testaments war es, die Durchführung des Erbgangs zu regeln, nicht aber die Kinder (zusätzlich) formell als gewillkürte Erben einzusetzen.
- Berücksichtigung externer Umstände: Zum Zeitpunkt der Testamentserstellung (2001) waren die Beschwerdeführer die einzigen Nachkommen und somit die einzigen gesetzlichen Erben des Erblassers. Die Erwähnung ihrer Erbberechtigung ging somit mit der damals geltenden gesetzlichen Erbfolge konform und überging niemanden. Es gab keine abweichenden Quoten.
- Sinn und Zweck einer (zusätzlichen) Erbeinsetzung: Das Kantonsgericht hinterfragte den Sinn einer formellen Erbeinsetzung von Personen, die ohnehin schon gesetzliche Erben sind und deren Anteile nicht verändert werden. Es wacht nicht automatisch eine Ausgleichungspflicht auf, und bei Vorversterben würden deren Nachkommen ohne anderslautende Verfügung nicht nachrücken, was bei einem juristischen Laien als Erblasser unwahrscheinlich war, dass er hierzu Überlegungen anstellte.
5.4. Auseinandersetzung mit den Rügen der Beschwerdeführer
Das Bundesgericht weist die Rügen der Beschwerdeführer im Einzelnen zurück:
- Terminologie "formelle Erbeinsetzung": Das Bundesgericht stellt klar, dass damit die gewillkürte Erbfolge gemeint ist.
- Formanforderungen: Die Beschwerdeführer rügen eine bundesrechtswidrige Erhöhung der Formanforderungen. Das Bundesgericht verneint dies, da es sich um eine Frage der Auslegung und des Inhalts des Testaments handelt, nicht der Formgültigkeit.
- Umgangssprachliche Bedeutung von "erbberechtigt": Die Beschwerdeführer argumentieren, "erbberechtigt" sei umgangssprachlich als "eingesetzt" zu verstehen. Das Bundesgericht hält diese Aussage nicht für eindeutig und bestätigt die Sicht des Kantonsgerichts, dass sie auch eine blosse Erwähnung des gesetzlichen Erbrechts bedeuten kann. Der Mangel des Wortes "einsetzen" sei zwar nicht isoliert entscheidend, aber der Wortlaut insgesamt nicht klar zugunsten der Beschwerdeführer.
- Umfassender Verfügungsplan: Die Beschwerdeführer leiten aus den weiteren Anordnungen einen umfassenden Plan zur Verfügung über den Nachlass ab. Das Bundesgericht entgegnet, dass solche umfassenden Teilungsregelungen sowohl im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge als auch bei einer Erbeinsetzung getroffen werden können und daher keine Rückschlüsse auf die Art der Erbenberufung zulassen.
- Auslegung der Literatur: Die Beschwerdeführer werfen dem Kantonsgericht vor, eine Literaturstelle (Escher/Escher) überdehnt zu haben. Das Bundesgericht verneint dies und bestätigt die Anwendung der Vermutungsregel, dass bei alleiniger Nennung der gesetzlichen Erben von einem Verbleiben beim gesetzlichen Erbrecht auszugehen ist.
5.5. Schlussfolgerung zur Erbenstellung
Das Bundesgericht bestätigt die Auslegung des Kantonsgerichts: Der Erblasser hat in seinem Testament alle seine Kinder – und damit alle gesetzlichen Erben – ohne nähere Bezeichnung ihrer Quote aufgeführt. In Übereinstimmung mit der Lehrmeinung ist dies als blosse Erwähnung der gesetzlichen Erbfolge zu verstehen. Ein anderer Wille lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Umständen ableiten.
Daher kommt die gesetzliche Erbfolge gemäss Art. 462 Ziff. 1 i.V.m. Art. 457 ZGB zur Anwendung. Dies bedeutet, dass die Beschwerdegegnerin als überlebende Ehegattin die Hälfte der Erbschaft erhält und die Beschwerdeführer die andere Hälfte zu gleichen Teilen.
6. Folgen für die weiteren Begehren
- Auskunftserteilung: Das Begehren der Beschwerdeführer gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung stützt sich allein auf die Behauptung, die Beschwerdegegnerin sei nicht Erbin. Da sich diese Behauptung als unbegründet erwiesen hat, wird auch dieses Begehren abgewiesen.
- Herabsetzungsklage und Jahresfrist: Die Argumente der Beschwerdeführer, das Kantonsgericht habe Art. 516 ZGB bundesrechtswidrig nicht angewendet und die Jahresfrist für die Herabsetzungsklage gemäss Art. 533 ZGB sei bereits abgelaufen, zielen ins Leere. Da die Beschwerdegegnerin als gesetzliche Erbin qualifiziert wird, bedarf es keiner Herabsetzungsklage, um ihre Erbenstellung durchzusetzen.
7. Kosten und Entschädigung
Die Beschwerdeführer tragen als unterliegende Parteien die Gerichtskosten. Ein spezifischer Einwand der Beschwerdeführer bezüglich einer angeblichen Doppelbelastung mit Parteikosten wird vom Bundesgericht als gegenstandslos abgewiesen, da die relevante Anordnung der Vorinstanz aufgehoben wurde. Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung des Kantonsgerichts, wonach das handschriftliche Testament des Erblassers F._ aus dem Jahr 2001 keine Erbeinsetzung der damals alleinigen gesetzlichen Erben (seine vier Kinder) darstellt, sondern lediglich eine Erwähnung der bereits bestehenden gesetzlichen Erbfolge. Entscheidend war die willensorientierte Auslegung, die bei der Nennung aller gesetzlichen Erben ohne spezifische Quoten oder abweichende Bestimmungen von einer blossen Erwähnung des gesetzlichen Erbrechts ausgeht. Folglich findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung, wonach die Ehegattin E._ (die der Erblasser nach Testamentserrichtung heiratete) als überlebende Ehegattin die Hälfte der Erbschaft erhält und die Kinder die andere Hälfte zu gleichen Teilen. Die Rügen der Beschwerdeführer wurden vollumfänglich abgewiesen.