Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_70/2025 vom 22. Oktober 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (BGer) detailliert zusammen:

Urteil des Bundesgerichts 5A_70/2025 vom 22. Oktober 2025

Parteien: * Beschwerdeführerin: Fondation A._ (Stiftung mit Sitz in U._, tätig im Umwelt-, Energie- und Gesundheitsbereich, steuerbefreit wegen Gemeinnützigkeit). * Intimierte: B.B._ (ehemaliges Stiftungsratsmitglied, Ehemann der Intimierten C.B._). * Intimierte: C.B._ (Stiftungsratsmitglied, Ehefrau des Intimierten B.B._, Tochter von F.D._, Schwester von D.D._). * Aufsichtsbehörde: Autorité fédérale de surveillance des fondations (ASF).

Gegenstand: Stiftungsaufsicht, hier spezifisch die Gültigkeit der Abberufung eines Stiftungsratsmitglieds.

Sachverhalt: Die Fondation A._ wurde 2018 gegründet. Ihr Stiftungsrat bestand ursprünglich aus F.D._ (vom Gründer G._ ernannt), dessen Kindern D.D._ und C.B._, sowie B.B._ (damals zukünftiger Ehemann von C.B._). Gründer G._ verstarb im September 2018. Am 10. Dezember 2020 beschloss der Stiftungsrat, B.B._ abzuberufen, E._ als neues Mitglied zu ernennen, den Rücktritt von F.D._ zur Kenntnis zu nehmen (der zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde) und D.D._ zum neuen Präsidenten zu bestimmen. B.B._ und C.B._ reichten Beschwerden bei der ASF gegen diese Entscheidungen ein. Die ASF wies die Beschwerden am 4. August 2022 ab. Dagegen legten B.B._ und C.B._ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (TAF) ein. Das TAF hiess die Beschwerden am 26. November 2024 gut, hob den Entscheid der ASF auf, setzte B.B._ wieder in den Stiftungsrat ein und wies die Sache zur Neubeurteilung weiterer Punkte an die ASF zurück. Gegen diesen TAF-Entscheid reichte die Fondation A._ Beschwerde beim Bundesgericht ein, mit dem Hauptantrag, den TAF-Entscheid aufzuheben und den ursprünglichen ASF-Entscheid (Abweisung der Beschwerden von B.B._ und C.B._) zu bestätigen. Die ASF schloss sich im Verfahren vor dem BGer den Anträgen der Stiftung an.

Rechtliche Würdigung des Bundesgerichts:

1. Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde (E. 3) Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, die ASF sei für die Beurteilung der Gültigkeit der Abberufungsentscheidung des Stiftungsrats nicht zuständig; dies falle in die Kompetenz des Zivilrichters. Das Bundesgericht verwarf dieses Argument. Es verwies auf Art. 84 Abs. 2 ZGB und seine ständige Rechtsprechung (u.a. ATF 112 II 471, 112 II 97), wonach die Aufsichtsbehörde befugt ist, Entscheidungen über die Zusammensetzung und das reibungslose Funktionieren der Stiftungsorgane zu prüfen. Die Anrufung der Aufsichtsbehörde sei ein gewöhnliches Rechtsmittel, das weit auszulegen sei, im Gegensatz zur Klage vor dem Zivilrichter, die nur subsidiär und bei Vorliegen eines subjektiven Leistungsanspruchs offenstehe. Da kein subjektiver Anspruch des Intimierten auf Verbleib im Stiftungsrat ersichtlich war, sei die Aufsichtsbehörde und damit das TAF (als Beschwerdeinstanz) zuständig.

2. Interessenkonflikt und Stimmrechtsausschluss (Art. 68 ZGB) (E. 4) Dies war der zentrale Rechtsstreitpunkt, der zweifach geprüft wurde: * 2.1. Allgemeine Grundsätze (E. 4.1): Das BGer führte aus, dass die Bestimmungen des Vereinsrechts (Art. 64 ff. ZGB) über die Willensbildung und Beschlussfassung der Organe, einschliesslich Art. 68 ZGB zum Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten, analog auf Stiftungen anwendbar sind, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen (ATF 144 III 433). Art. 68 ZGB schliesst ein Mitglied vom Stimmrecht aus, wenn es selbst, sein Ehepartner, seine Verwandten oder Verschwägerten in gerader Linie Partei einer Angelegenheit oder eines Prozesses der Vereinigung sind. Die Prüfung erfolgt abstrakt, ohne Rücksicht auf ein konkretes Risiko. Der Begriff "Angelegenheiten" umfasst Rechtsgeschäfte sowie interne Akte wie Ausschlüsse, Sanktionen und Abberufungen von Organmitgliedern (ATF 128 III 209). Die Liste der in Art. 68 ZGB genannten Personen ist mehrheitlich als abschliessend zu betrachten. Allerdings können darüber hinaus die Treue- und Sorgfaltspflichten eines Stiftungsratsmitglieds einen Stimmrechtsausschluss in anderen Interessenkonfliktfällen gebieten, wenn ein konkretes Risiko besteht, dass Eigeninteressen jene der Stiftung überwiegen (im Gegensatz zum abstrakten Ausschluss nach Art. 68 ZGB). Ungültig abgegebene Stimmen werden nicht mitgezählt; ist keine gültige Mehrheit vorhanden, gilt der Beschluss als nicht gefasst.

  • 2.2. Gültigkeit der Beschwerdeeinreichung der Stiftung beim Bundesgericht (E. 4.2): Die Intimierten hatten die Gültigkeit des Beschlusses des Stiftungsrats der Fondation A.__ zur Einreichung der Beschwerde beim BGer in Frage gestellt, da alle Stiftungsratsmitglieder in einem Interessenkonflikt gestanden hätten.

    • Zum Zeitpunkt dieses Beschlusses bestand der Stiftungsrat aus D.D._, C.B._ und E.__.
    • C.B.__ war unstreitig als Partei des Verfahrens in einem Interessenkonflikt gemäss Art. 68 ZGB.
    • D.D._ (Bruder von C.B._ und somit Schwager von B.B._) und E._ standen weder in direkter Linie noch waren sie Ehepartner der direkt betroffenen Personen, sodass Art. 68 ZGB auf sie nicht unmittelbar anwendbar war.
    • Das BGer entschied, dass in dieser konkreten Situation die Interessen von D.D._ und E._ nicht objektiv von jenen der Stiftung abwichen, die Rechtmässigkeit der TAF-Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein Stimmrechtsausschluss aufgrund allgemeiner Treuepflichten wurde hier verneint.
    • Folglich wurde die Beschwerdeeinreichung der Stiftung, die mit 2:0 Stimmen (D.D._ und E._) beschlossen wurde, als gültig erachtet.
  • 2.3. Gültigkeit der Abberufungsentscheidung von B.B.__ vom 10. Dezember 2020 (E. 4.3):

    • Zum Zeitpunkt der Abberufung bestand der Stiftungsrat aus F.D._ (Präsident), D.D._, C.B._ und B.B._.
    • B.B.__: War direkt von der Abberufung betroffen und somit nach Art. 68 ZGB vom Stimmrecht ausgeschlossen.
    • C.B.__: War die Ehefrau von B.B.__ und somit ebenfalls nach Art. 68 ZGB vom Stimmrecht ausgeschlossen.
    • F.D.__: War der Schwiegervater von B.B.__ und somit ein Verschwägerter in gerader Linie; auch er war nach Art. 68 ZGB vom Stimmrecht ausgeschlossen.
    • D.D.__: Als Schwager von B.B._ war er nicht direkt von Art. 68 ZGB erfasst (Seitenverwandtschaft). Das TAF hatte jedoch festgestellt, dass D.D._ ein persönliches Interesse an der Abberufung von B.B._ verfolgte, um nach dem Austritt seines Vaters (F.D._) nicht im Stiftungsrat minorisiert zu werden. Das BGer bestätigte diese Feststellung als nicht willkürlich und schloss sich der Ansicht an, dass D.D.__ aufgrund seiner Treue- und Sorgfaltspflichten in dieser "Angelegenheit" ebenfalls vom Stimmrecht ausgeschlossen war.
    • Konsequenz: Da alle Stiftungsratsmitglieder vom Stimmrecht ausgeschlossen waren, konnte der Beschluss zur Abberufung von B.B.__ nicht gültig gefasst werden.
    • Zusätzliches, entscheidendes Argument: Selbst wenn D.D._ hätte abstimmen dürfen, wäre der Beschluss gemäss Art. 11 der Stiftungsstatuten (die für Abberufungen eine "absolute Mehrheit von 2/3 ihrer Mitglieder" und die Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder verlangen) ungültig gewesen. Bei einem vierköpfigen Stiftungsrat wären drei gültige Stimmen erforderlich gewesen. Da D.D._ maximal als einziges Mitglied hätte abstimmen können, wäre das erforderliche Quorum nicht erreicht worden.
    • Schlussfolgerung: Die Abberufungsentscheidung vom 10. Dezember 2020 war ungültig.

3. Autonomie der Stiftung bei Organisationsfragen (E. 5) Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung der Organisationsautonomie der Stiftung durch das TAF. Das BGer wies dies zurück. Die Freiheit der Stiftung, sich zu organisieren, sei im gesetzlichen und statutarischen Rahmen zu verstehen. Da die Abberufung gegen diesen Rahmen verstossen habe, liege kein unzulässiger Eingriff in die Autonomie vor.

4. Das Vorliegen "wichtiger Gründe" für eine Abberufung (Art. 72 Abs. 3 ZGB analog) (E. 6) Die Beschwerdeführerin machte geltend, es hätten wichtige Gründe für die Abberufung von B.B._ vorgelegen, und die TAF-Entscheidung beruhe auf willkürlicher Sachverhaltsfeststellung. * 4.1. Rechtsgrundsätze (E. 6.1): Eine Abberufung eines Organmitglieds ist eine schwerwiegende Massnahme, die nur dann in Betracht kommt, wenn eine konkrete Gefahr besteht, dass die Stiftungsvermögen nicht zweckgemäss verwendet werden, und mildere Massnahmen nicht ausreichen (ATF 112 II 471). Es muss ein "wichtiger Grund" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 ZGB (analog) vorliegen. Die Aufsichtsbehörde hat einen grossen Ermessensspielraum, muss aber das Verhältnismässigkeitsprinzip beachten. Das BGer überprüft die Ausübung dieses Ermessens nur zurückhaltend auf Missbrauch. * 4.2. Interpretation von "wichtigen Gründen" in den Statuten (E. 6.2): Art. 9 der Stiftungsstatuten erlaubte die Abberufung eines Mitglieds aus "wichtigen Gründen", insbesondere bei Unfähigkeit zur ordnungsgemässen Amtsausübung oder Verletzung von Pflichten. Das BGer hielt fest, dass diese Klausel nicht bedeute, dass jede Pflichtverletzung, ungeachtet ihrer Schwere, eine Abberufung rechtfertige. Vielmehr sei der Begriff "wichtige Gründe" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 ZGB zu verstehen, was eine Interessenabwägung und Verhältnismässigkeitsprüfung erfordere (ATF 123 III 193). * 4.3. Behauptetes steuerliches Risiko (E. 6.3): Die Stiftung behauptete, B.B._ habe durch seinen Vorschlag zur Vergütung von C.B._ ein erhebliches steuerliches Risiko geschaffen, das eine Steuerbefreiungsprüfung ausgelöst habe. * Das BGer bestätigte die TAF-Würdigung: Es handelte sich lediglich um ein Projekt zur Einholung einer Stellungnahme der Steuerbehörden, das nicht umgesetzt wurde. Die Steuerbehörde habe keine unmittelbare Entziehung der Steuerbefreiung angedroht, sondern Klärung verlangt. Es wurde nicht schlüssig dargelegt, dass das Verhalten des Intimierten eine konkrete Gefahr für das Stiftungsvermögen begründet hätte. Die Vorwürfe der Beschwerdeführerin seien nicht willkürlich verworfen worden. * 4.4. Weitere angebliche Pflichtverletzungen und Blockaden (E. 6.4): Die Stiftung führte weitere Vorwürfe an (z.B. wiederholte Pflichtverletzungen, Behinderung der Stiftungsarbeit, mangelnde Kooperationsfähigkeit, private Nutzung von Stiftungsressourcen, Konsultation eines Wahrsagers). * Das BGer bestätigte die TAF-Feststellung, dass der Stiftungsrat zwar gespalten war (D.D._/F.D._ versus B.B._/C.B._), aber die Stiftungsaktivitäten und Spendenvergaben dennoch möglich gewesen seien, oft durch den Stichentscheid des Präsidenten. Ein tatsächlicher Blockadezustand wurde verneint. * Das BGer hielt fest, dass die Vorwürfe gegen B.B._ oft auf Aussagen von interessierten Parteien (F.D._, D.D._) beruhten, die mit Vorsicht zu würdigen seien. Andere Zeugenaussagen sprachen positiv von B.B._s Professionalität. Die als "unangebracht" bezeichneten Verhaltensweisen (z.B. private Nutzung von Räumlichkeiten, geschäftliche Eigenwerbung) waren nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend belegt oder erreichten nicht die Schwere, die eine Abberufung als schwerwiegendste Massnahme rechtfertigen würde, die nur bei einer konkreten Gefahr für den Stiftungszweck zulässig ist. * Schlussfolgerung: Das TAF hat sein Ermessen nicht missbraucht, indem es das Vorliegen wichtiger Gründe für eine Abberufung von B.B._ verneinte.

5. Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörde (E. 7) Die Beschwerdeführerin rügte schliesslich, die TAF habe den Ermessensspielraum der ASF verletzt. Das BGer hielt dagegen, dass das TAF die Rechtmässigkeit der Entscheidungen prüft, einschliesslich Ermessensmissbrauchs (Art. 49 lit. a VwVG). Indem das TAF feststellte, dass die gesetzlichen Bedingungen für eine Abberufung nicht erfüllt waren, habe es den Ermessensspielraum der ASF nicht verletzt.

Fazit des Bundesgerichts: Die Beschwerde der Fondation A._ wird abgewiesen, soweit sie zulässig ist. Die Kosten des Verfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt, und sie hat dem Intimierten B.B._ eine Parteientschädigung zu zahlen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Stiftungsaufsichtsbehörde (ASF) und anschliessend das TAF für die Beurteilung der Abberufung eines Stiftungsratsmitglieds zuständig sind, sofern kein subjektiver Anspruch auf Verbleib besteht.
  2. Gültigkeit der Abberufungsentscheidung:
    • Die Abberufungsentscheidung von B.B.__ durch den Stiftungsrat am 10. Dezember 2020 war ungültig.
    • Alle vier Stiftungsratsmitglieder (B.B._ als Betroffener, C.B._ als seine Ehefrau, F.D.__ als sein Schwiegervater) waren gemäss Art. 68 ZGB vom Stimmrecht ausgeschlossen.
    • D.D._ (Schwager von B.B._) war aufgrund eines persönlichen Interesses (Vermeidung der Minorisierung im Stiftungsrat) und seiner Treuepflichten ebenfalls vom Stimmrecht ausgeschlossen.
    • Zudem waren die statutengemässen Quoren (2/3 absolute Mehrheit der Mitglieder) nicht erfüllt, da niemand gültig abstimmen konnte.
  3. Fehlen "wichtiger Gründe" für Abberufung: Das Bundesgericht bestätigte, dass keine "wichtigen Gründe" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 ZGB (analog) vorlagen, die eine Abberufung gerechtfertigt hätten.
    • Das TAF hatte das Risiko eines Steuerbefreiungsverlusts durch B.B.__s Verhalten als nicht konkret genug bewertet, was vom BGer bestätigt wurde.
    • Angebliche andere Pflichtverletzungen oder eine Blockade der Stiftungsarbeit wurden vom BGer als nicht ausreichend gravierend oder nicht hinreichend belegt erachtet, um die schwerwiegende Massnahme einer Abberufung zu rechtfertigen.
  4. Keine Verletzung des Ermessens der Aufsichtsbehörde: Das TAF hat das ihm zustehende Prüfungsrecht der Rechtmässigkeit des Handelns der ASF korrekt ausgeübt und nicht unzulässig in deren Ermessensspielraum eingegriffen.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Stiftung ab und bestätigte damit die Wiedereinsetzung von B.B.__ in den Stiftungsrat.