Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_528/2025 vom 24. Oktober 2025

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Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_528/2025 vom 24. Oktober 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A.__ (Eigentümer der Parzelle xxx in Neggio) * Beschwerdegegner: Municipio di Neggio, Dipartimento del territorio des Kantons Tessin, Consiglio di Stato des Kantons Tessin

Gegenstand: Wiederherstellungsbefehl (Abrissverfügung) betreffend unbewilligte Bauten ausserhalb der Bauzone.

Vorinstanzen: 1. Municipio di Neggio (Wiederherstellungsbefehl vom 29. März 2021) 2. Consiglio di Stato des Kantons Tessin (Abweisung des Rekurses vom 5. Oktober 2022) 3. Tribunale cantonale amministrativo des Kantons Tessin (Bestätigung des Urteils vom 25. Juli 2025)

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer A.__ ist Eigentümer der Parzelle xxx in Neggio (3'276 m²), welche gemäss Zonenplan als Landwirtschaftszone (zona agricola) ausgeschieden ist und auf der sich ein Wohngebäude befindet. Diese Parzelle entstand 2011 durch die Parzellierung des ursprünglichen Grundstücks yyy.

Im Jahr 2010 erhielt die damalige Eigentümerin eine Baubewilligung für die Renovation des Wohnhauses. 2011 wurde dem Beschwerdeführer – zwischenzeitlich Eigentümer geworden – die Bewilligung zum Bau einer unterirdischen Garage von 42 m² erteilt.

Im Jahr 2017 stellte die Gemeinde Neggio fest, dass unbewilligte Bauten ausgeführt wurden, die nicht den erteilten Bewilligungen entsprachen. Dazu gehörten ein vergrössertes Wohn- und Esszimmer, ein zusätzliches Zimmer im Erdgeschoss, neue Bad- und Schrankbereiche, eine Dachaufstockung im Mansardengeschoss sowie eine grosse Garage von ca. 150 m² (auf der gegenüberliegenden Seite der bewilligten Garage). Die Gemeinde ordnete daraufhin einen Baustopp und die Einreichung eines nachträglichen Baubewilligungsgesuchs (Sanierungsgesuchs) an.

Mit Entscheid vom 15. Juli 2019 verweigerte die Gemeinde die nachträgliche Baubewilligung. Dieser Entscheid wurde vom Consiglio di Stato am 13. Mai 2020 bestätigt. Der Consiglio di Stato führte aus, dass eine Bewilligung für Bauten in der Landwirtschaftszone nicht erteilt werden könne, da die fraglichen Bauten ausschliesslich zu Wohnzwecken dienten. Auch eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 ff. Raumplanungsgesetz (RPG) und den zugehörigen Anwendungsvorschriften sei nicht möglich. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Daraufhin erliess die Gemeinde Neggio am 29. März 2021 einen Wiederherstellungsbefehl, der A.__ zur Demolierung des Mansardengeschosses und zur Reduktion des Erdgeschosses gemäss beiliegenden Plänen, zur Beseitigung der unbewilligten Garage und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gemäss den bereits erteilten Bewilligungen verpflichtete. Dieser Wiederherstellungsbefehl wurde vom Consiglio di Stato und vom kantonalen Verwaltungsgericht bestätigt.

II. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung, der Verletzung des Vertrauensschutzes sowie des Verhältnismässigkeitsprinzips.

1. Zulässigkeit der Beschwerde (Rz. 1.2-1.3)

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Beschwerde gegen das Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichts grundsätzlich zulässig sei. Die Anträge auf Aufhebung der früheren Entscheide des Consiglio di Stato und der Gemeinde sind jedoch aufgrund des Devolutiveffekts unzulässig, da diese durch den Entscheid der letzten kantonalen Instanz ersetzt wurden (BGE 146 II 335 E. 1.1.2). Ebenso wurden neue Beweismittel, die nach Erlass des angefochtenen Urteils eingereicht wurden (sogenannte «echte Noven»), als unzulässig erklärt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 148 V 174 E. 2.2), da keine Gründe dargelegt wurden, warum diese nicht bereits früher im Verfahren hätten vorgelegt werden können.

2. Willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 BGG) (Rz. 3)

Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe willkürlich den Sachverhalt festgestellt, indem sie eine Erklärung der früheren Eigentümerin über die ursprüngliche Wohnnutzung des Untergeschosses nicht als neuen relevanten Umstand anerkannt habe. Dies hätte Auswirkungen auf die Berechnung der massgeblichen Bruttogeschossfläche für Renovationen ausserhalb der Bauzone haben können.

Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es wies darauf hin, dass die kantonalen Richter die willkürliche Natur der Beweismittelwürdigung überzeugend widerlegt hätten. Die 1959 von der früheren Eigentümerin unterzeichnete Planimetrie, die angeblich eine andere ursprüngliche Nutzung des Kellers belegen sollte, wurde vom kantonalen Gericht als inkonsistent mit anderen Dokumenten und als unzureichend für den Nachweis einer anderen ursprünglichen Zweckbestimmung beurteilt. Das Bundesgericht befand diese Würdigung als nicht willkürlich. Zudem hielten die Richter fest, dass selbst bei Berücksichtigung dieser zusätzlichen Räume die volumetrischen Vorgaben gemäss Art. 42 Abs. 3 lit. b Raumplanungsverordnung (OPT) bereits durch die Dachaufstockung der Mansarde und die zusätzliche Fläche des Schwimmbads überschritten worden wären. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten generischen und appellatorischen Rügen, die sich nicht mit der Begründung der Vorinstanz auseinandersetzen, wurden als unzulässig erachtet.

3. Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben und Vertrauensschutz (Art. 5 Abs. 3, Art. 9 BV) (Rz. 4)

Der Beschwerdeführer machte geltend, er habe aufgrund von zwei Schreiben der Gemeinde Neggio (vom 20. Juli 2009 und 20. Januar 2015) in gutem Glauben davon ausgehen dürfen, dass die umstrittenen Bauten lediglich formelle, nicht aber materielle Rechtsverletzungen darstellten.

Das Bundesgericht erinnerte an die Voraussetzungen für den Vertrauensschutz (BGE 148 II 233 E. 5.5.1): Eine vertrauensbildende Auskunft muss von einer zuständigen Behörde in einer konkreten Situation gegenüber bestimmten Personen erteilt worden sein, diese müssen darauf vertraut und nicht rückgängig machbare Dispositionen getroffen haben, und es dürfen keine nachträglichen Gesetzesänderungen erfolgt sein. Bei materiellen Rechtsverletzungen kann nur ausnahmsweise auf einen Wiederherstellungsbefehl verzichtet werden, wenn die Abweichungen geringfügig sind, das verletzte öffentliche Interesse den Schaden für den Eigentümer nicht rechtfertigt, der Eigentümer in gutem Glauben handelte oder konkrete Möglichkeiten einer nachträglichen Bewilligung bestehen (BGE 132 II 21 E. 6).

Im vorliegenden Fall hielt das Bundesgericht fest, dass das Grundstück des Beschwerdeführers unbestrittenermassen in der Landwirtschaftszone liegt. * Das Schreiben der Gemeinde vom 20. Juli 2009 bezog sich auf die alte, noch nicht parzellierte Parzelle und enthielt nur allgemeine Hinweise auf eine teilweise Bebaubarkeit in einer speziellen Wohnzone. Es wies ausdrücklich auf verschiedene Auflagen und die Notwendigkeit hin, sich für Fragen betreffend die Landwirtschaftszone an das kantonale Amt zu wenden. Angesichts der im Zonenplan festgelegten Landwirtschaftszone konnte dieses Schreiben keine berechtigte Erwartung begründen, dass weitere Bauten oder Erweiterungen über die erteilten Bewilligungen hinaus rechtmässig wären. * Das Schreiben vom 20. Januar 2015 wurde zudem nach Ausführung der unbewilligten Arbeiten verfasst, was den guten Glauben des Beschwerdeführers von vornherein ausschliesst. * Alle Baubewilligungsgesuche seit 2010 wiesen korrekt die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks aus. Dies hätte den Beschwerdeführer zur Durchführung weiterer Abklärungen verpflichten müssen.

Das Bundesgericht befand, dass die angeführten privaten Umstände (Parzellierung, Kaufpreis) für das Wiederherstellungsverfahren irrelevant seien. Folglich wurde die Rüge der Verletzung des Vertrauensschutzes als unbegründet abgewiesen.

4. Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 36 BV) (Rz. 5)

Der Beschwerdeführer argumentierte, die Wiederherstellungsmassnahmen würden keinen konkreten Nutzen für das öffentliche Interesse oder Dritte bringen und seien technisch sowie wirtschaftlich unverhältnismässig. Er führte statische und technische Probleme an (z.B. Heizungsanlage im Erdgeschoss), die eine Demolierung unmöglich machten, und behauptete, die unbewilligte Garage und der Keller seien für seinen Weinbaubetrieb C.__ SA unerlässlich und ihr Abriss würde seiner Firma irreparable Schäden zufügen.

Das Bundesgericht betonte die kardinale Bedeutung des Wiederherstellungsbefehls für die konsequente Umsetzung des Raumplanungsrechts und das Prinzip der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet (Art. 1 Abs. 1 RPG; BGE 147 II 309 E. 5.5). Bauten ausserhalb der Bauzone, die ohne Bewilligung und im Widerspruch zum materiellen Recht erstellt wurden, müssen grundsätzlich abgerissen werden. Dies stellt in der Regel keine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips dar (BGE 136 II 359 E. 6).

Im konkreten Fall überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet deutlich die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Die angeführten technischen und wirtschaftlichen Einwände waren nicht ausreichend substanziiert. Der Beschwerdeführer hat die Behörden vor vollendete Tatsachen gestellt, weshalb die daraus resultierenden wirtschaftlichen Konsequenzen (die im Übrigen nicht detailliert wurden) nicht entscheidend sind. Auch die Eigentumsgarantie (Art. 26 Abs. 1 BV) schützt das Eigentum nicht unbegrenzt, sondern im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen.

Die Rügen betreffend die C.__ SA wurden als unzulässig erachtet, da die Gesellschaft nicht am Verfahren beteiligt war und ihre Interessen somit nicht berücksichtigt werden konnten (Art. 89 Abs. 1 BGG; BGE 139 II 404 E. 11.1).

Die erheblichen Abweichungen der Schwarzbauten von den Vorschriften wurden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass der Wiederherstellungsbefehl verhältnismässig sei.

5. Neuer Termin für Wiederherstellung (Rz. 6)

Angesichts des Verfahrensausgangs setzte das Bundesgericht dem Beschwerdeführer einen neuen Termin für die Ausführung der Demolierungs- und Wiederherstellungsmassnahmen bis zum 31. August 2026.

6. Kosten (Rz. 7)

Die Gerichtskosten wurden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Antrag auf aufschiebende Wirkung wurde gegenstandslos.

III. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
  1. Schwarzbauten in Landwirtschaftszone: Die umstrittenen Bauten wurden unbewilligt in der Landwirtschaftszone erstellt. Eine nachträgliche Baubewilligung wurde rechtskräftig verweigert, da die Bauten ausschliesslich zu Wohnzwecken dienten und somit nicht zonenkonform waren.
  2. Keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung: Die Vorinstanz würdigte die Beweise nicht willkürlich; eine angebliche frühere Wohnnutzung des Kellers wurde nicht als nachgewiesen erachtet. Auch bei Berücksichtigung solcher Nutzungen wären die Volumenvorgaben der Raumplanungsverordnung bereits überschritten gewesen.
  3. Kein Vertrauensschutz: Die allgemeinen Informationen der Gemeinde konnten angesichts der klaren Zonenkonformität als Landwirtschaftsland keine berechtigten Erwartungen auf materielle Bewilligungsfähigkeit begründen. Ein Schreiben, das nach den Bauarbeiten erstellt wurde, kann ohnehin keinen Vertrauensschutz für frühere Schwarzbauten begründen.
  4. Verhältnismässigkeit des Wiederherstellungsbefehls: Das öffentliche Interesse an der konsequenten Durchsetzung des Prinzips der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet (Art. 1 Abs. 1 RPG) überwiegt die privaten Interessen des Bauherrn erheblich, insbesondere bei materiellen und nicht geringfügigen Rechtsverletzungen. Technische oder wirtschaftliche Schwierigkeiten wurden nicht ausreichend substanziiert. Die Interessen einer nicht am Verfahren beteiligten Gesellschaft (Weinbaubetrieb) sind im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung irrelevant.
  5. Neuer Termin: Dem Beschwerdeführer wird ein neuer Termin bis zum 31. August 2026 für die Ausführung der Wiederherstellungsarbeiten gesetzt.