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Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, Aktenzeichen 9C_507/2024, datiert vom 5. November 2025, behandelt eine Beschwerde im Bereich des Krankenversicherungsrechts. Streitgegenstand ist die Frage der Parteistellung und der Zulässigkeit einer Rückforderungsklage einer Krankenkasse gegen eine Gesellschaft für ärztliche Leistungen, die von nicht zugelassenen Ärzten erbracht wurden. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Vorinstanz (Tribunal arbitral des assurances de la République et canton de Genève) die Beschwerdeführerin, A.__ SA, rechtmässig als Beklagte in das Verfahren einbezogen und zur Rückerstattung verurteilt hat.
2. SachverhaltDie Beschwerdeführerin, A._ SA, ist eine in Genf im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft, deren Zweck die Erbringung medizinischer Leistungen ist. Sie verfügt über einen eigenen Kodex im Register der Leistungserbringerkodes (RCC). Dr. B._ war bis Februar 2014 ihr Verwaltungsratspräsident und bis Mai 2024 Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift. A._ SA hatte im Januar 2004 die D._ SA (unter der Bezeichnung E.__) übernommen, die ebenfalls medizinische Leistungen erbringt und einen eigenen RCC-Kodex besitzt.
Am 8. April 2019 reichte die KPT Caisse-maladie SA (die Intimée) ein Schlichtungsgesuch beim Genfer Schiedsgericht für Versicherungsfragen ein. Das Gesuch richtete sich ausschliesslich gegen Dr. B.__. Die KPT forderte die Rückerstattung von Leistungen für die Jahre 2013 bis 2018, die von Ärzten erbracht und über A._ SA und E._ abgerechnet wurden, obwohl diese Ärzte keine Zulassung zur Abrechnung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besassen. Die ursprünglich geforderten Beträge beliefen sich auf CHF 243'936.80 (für A._ SA) und CHF 95'260.15 (für E._).
Das Verfahren wurde zwischenzeitlich sistiert. Im September 2023, anlässlich eines erfolglosen Schlichtungsversuchs, erklärte die KPT, ihre Forderung richte sich nicht nur gegen Dr. B._, sondern auch gegen A._ SA und E._. Sie reichte daraufhin ein aktualisiertes Zahlungsgesuch ein, in dem sie ausdrücklich die Feststellung beantragte, A._ SA sei als Beklagte Partei im Verfahren (für sich und E._), und die solidarische Verurteilung von A._ SA und Dr. B._ zu CHF 158'885 (A._ SA) und CHF 45'133 (E.__).
Mit Urteil vom 19. Juni 2024 rektifizierte das Tribunal arbitral die Parteibezeichnung dahingehend, dass A._ SA ebenfalls als Beklagte anerkannt wurde. Es wies die Klage gegen Dr. B._ ab, hiess sie aber teilweise gegen A.__ SA gut und verurteilte diese zur Zahlung von CHF 197'087 an die KPT.
A.__ SA reichte daraufhin Beschwerde beim Bundesgericht ein mit dem Hauptantrag, die Ziffern 1, 4 und 5 des vorinstanzlichen Urteils aufzuheben und festzustellen, dass sie keine Parteistellung im Rechtsstreit habe und die Klage der KPT gegen sie unzulässig sei.
3. Wesentliche RechtsfragenDie zentrale Rechtsfrage des vorliegenden Falles betrifft die Zulässigkeit der Parteiberichtigung und mithin die korrekte Parteistellung von A.__ SA als Beklagte. Insbesondere war zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rektifikation der Parteibezeichnung gemäss Art. 132 Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), die hier als subsidiäres kantonales Recht Anwendung findet, erfüllt waren oder ob es sich um eine unzulässige nachträgliche Hinzufügung einer Partei handelte. Damit verbunden waren Fragen des rechtlichen Gehörs und der Zusammensetzung des Schiedsgerichts.
4. Begründung des BundesgerichtsDas Bundesgericht gelangte zur Auffassung, dass die Vorinstanz Art. 132 Abs. 2 ZPO willkürlich angewendet und A.__ SA zu Unrecht als Beklagte in das Verfahren einbezogen hat. Die Argumentation des Bundesgerichts lässt sich wie folgt gliedern:
4.1. Abgrenzung zwischen Parteibezeichnung und ParteihinzufügungDas Bundesgericht hebt hervor, dass die KPT keine blosse "unpräzise Bezeichnung" einer bereits angeklagten Partei korrigieren wollte, sondern eine zusätzliche Partei in das Verfahren einbeziehen. Eine unpräzise Bezeichnung im Sinne von Art. 132 Abs. 2 ZPO betrifft lediglich rein formale Ungenauigkeiten in der Benennung einer Partei, bei der die Identität trotz des Fehlers klar ist (vgl. BGE 131 I 57 E. 2.2). Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch um die Auslassung, eine zweite Partei von Beginn an zu bezeichnen, was rechtlich als Erhöhung der Parteizahl (par adhésion) und nicht als blosse formale Rektifikation zu qualifizieren ist (vgl. BGE 131 I 57 E. 2.1; BGE 116 V 335 E. 4b). Die Vorinstanz habe dies selbst in ihren Erwägungen anerkannt, indem sie feststellte, die KPT habe nicht die Rektifikation des Beklagten, sondern die Hinzufügung einer weiteren Partei verlangt.
4.2. Fehlende unzweifelhafte Identität und ErkennbarkeitFür eine Parteiberichtigung muss die Identität der Partei für Richter und Parteien unzweifelhaft sein, insbesondere anhand des Streitgegenstandes. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt gewesen:
Ein weiterer entscheidender Punkt für die Zulässigkeit einer Parteiberichtigung ist die Bedingung, dass die unpräzise bezeichnete Partei persönlich am Schlichtungsverfahren teilgenommen haben muss (Art. 204 ZPO). Das Bundesgericht stellte fest, dass A.__ SA nicht gültig am Schlichtungsverfahren teilgenommen hat:
Aufgrund dieser Umstände kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Rektifikation der Parteibezeichnung nach Art. 132 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt waren. Die Vorinstanz hat diese Bestimmung willkürlich angewendet. Die Klage der KPT gegen A._ SA ist daher als unzulässig zu erklären. Die weiteren von A._ SA vorgebrachten Rügen, insbesondere die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und die Verjährung der Ansprüche der KPT (Art. 56 Abs. 2 LAMal i.V.m. Art. 25 Abs. 2 LPGA), mussten angesichts der Unzulässigkeit der Klage nicht mehr geprüft werden.
5. Entscheid des BundesgerichtsDas Bundesgericht heisst die Beschwerde von A._ SA gut. Es hebt die Ziffern 1, 4 und 5 des Urteils des Tribunal arbitral vom 19. Juni 2024 auf und erklärt die Klage der KPT, soweit sie gegen A._ SA gerichtet ist, für unzulässig. Die Gerichtskosten von CHF 6'000 werden der Intimée (KPT) auferlegt. Die KPT hat A.__ SA eine Parteientschädigung von CHF 8'000 für das Verfahren vor Bundesgericht zu zahlen. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Kosten und Parteientschädigungen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Tribunal arbitral zurückgewiesen.
6. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen PunkteDas Bundesgericht hat die Beschwerde der A._ SA gutgeheissen und die Klage der KPT Caisse-maladie SA gegen A._ SA als unzulässig erklärt. Die zentrale Begründung hierfür war die willkürliche Anwendung von Art. 132 Abs. 2 ZPO durch die Vorinstanz. Das Bundesgericht hielt fest, dass es sich bei der Einbeziehung von A._ SA nicht um eine blosse Rektifikation einer unpräzisen Parteibezeichnung handelte, sondern um die nachträgliche und damit unzulässige Hinzufügung einer Partei. Ausschlaggebend waren, dass A._ SA im ursprünglichen Schlichtungsgesuch nicht als Beklagte genannt wurde, ihre Identität für Richter und Parteien nicht unzweifelhaft war und sie nicht gültig am Schlichtungsverfahren teilgenommen hatte. Die separate Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft wurde missachtet. Die Entscheidung verdeutlicht die strengen Voraussetzungen für die Berichtigung von Parteibezeichnungen im schweizerischen Zivilprozessrecht.