Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_158/2024 vom 16. Oktober 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Rubrum: * Aktenzeichen: 2C_158/2024 * Datum des Urteils: 16. Oktober 2025 * Gericht: Bundesgericht, II. öffentlich-rechtliche Abteilung * Beschwerdeführerin: A.__ AG * Gegenstand: Publikation des Schlussberichts des Sekretariats der Wettbewerbskommission (WEKO) * Vorinstanz: Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II (Urteil vom 12. Februar 2024, B-4714/2021)

I. Sachverhalt und Verfahrensablauf

Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) eröffnete am 4. September 2019 eine Vorabklärung gegen die A.__ AG, ein Energieversorgungsunternehmen (die Beschwerdeführerin). Ziel war die Klärung, ob Anhaltspunkte für eine kartellrechtswidrige Verwendung von aus dem Monopolbereich (Stromnetz) stammenden Daten für Werbung in anderen Märkten (z.B. für spezifische Produkte) bestanden.

Mit Schlussbericht vom 18. August 2020 stellte das Sekretariat fest, dass keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vorlagen, stellte die Vorabklärung ohne Folgen ein und beschloss, den Schlussbericht zu publizieren. Die Beschwerdeführerin wurde über die beabsichtigte Publikation in der Reihe "Recht und Politik des Wettbewerbs" (RPW) informiert und um Mitteilung allfälliger Geschäftsgeheimnisse gebeten. Nach mehreren Stellungnahmen der Beschwerdeführerin, welche die Publikation ganz verhindern oder zumindest umfangreiche Schwärzungen sowie eine Gegendarstellung forderte, ordnete das Sekretariat zusammen mit einem Mitglied des Präsidiums der WEKO am 23. September 2021 die Veröffentlichung des Schlussberichts in einer bereinigten Version an.

Die dagegen erhobene Beschwerde der A._ AG beim Bundesverwaltungsgericht wurde mit Urteil vom 12. Februar 2024 abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Publikationsfähigkeit des Berichts, verneinte das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen in den strittigen Passagen, erachtete die Veröffentlichung als datenschutzrechtlich zulässig und stellte fest, dass für eine Gegendarstellung keine gesetzliche Grundlage bestehe. Gegen dieses Urteil reichte die A._ AG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein.

II. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hatte im Wesentlichen drei Hauptfragen zu prüfen: die generelle Zulässigkeit der Publikation von Schlussberichten, die Behandlung von Geschäftsgeheimnissen und datenschutzrechtlichen Belangen sowie das Recht auf eine Gegendarstellung.

1. Zulässigkeit der Publikation von Schlussberichten gemäss Art. 48 Abs. 1 KG

Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung von Art. 48 Abs. 1 des Kartellgesetzes (KG), indem sie argumentierte, diese Bestimmung erlaube primär die Publikation von Verfügungen, nicht aber von Schlussberichten, die keine Verfügungsqualität im Sinne von Art. 5 VwVG hätten. Ferner sah sie eine Ermessensunterschreitung durch die WEKO, da diese grundsätzlich alle Schlussberichte publiziere, anstatt im Einzelfall auf eine Veröffentlichung zu verzichten.

  • Auslegung des Begriffs "Entscheide" in Art. 48 Abs. 1 KG: Das Bundesgericht bestätigte seine ständige Rechtsprechung, wonach der Begriff "Entscheide" in Art. 48 Abs. 1 KG weiter auszulegen ist als der enge Begriff der "Verfügung" im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG). Es ist keine spezifische juristische Handlungsform erforderlich. Vielmehr ist der Begriff im Lichte der Publikationszwecke zu verstehen. Die Veröffentlichung von Entscheiden dient der Prävention, der Rechtssicherheit, der Transparenz der Verwaltungsaktivitäten und der Information anderer Behörden (vgl. BGE 142 II 268 E. 4.2.5; Urteil 2C_874/2020 vom 19. Oktober 2021 E. 4.5). Die Publikationswürdigkeit hängt somit vom Inhalt und dessen Übereinstimmung mit diesen Zwecken ab.

  • Anwendung auf den vorliegenden Schlussbericht: Das Bundesgericht erachtete die Qualifikation des Schlussberichts vom 18. August 2020 als "Entscheid" im Sinne von Art. 48 Abs. 1 KG durch die Vorinstanz als nicht zu beanstanden. Der Bericht enthielt neue materiell-rechtliche Erkenntnisse, insbesondere allgemeine Ausführungen zur kartellrechtlichen Einordnung der Verwendung von aus dem Monopolbereich erlangten Daten. Dies trug den erwähnten Publikationszwecken Rechnung. Der festgestellte Regelungsgehalt – keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung, Einstellung der Vorabklärung und Beschluss zur Publikation – lässt sich inhaltlich unter den Begriff des Entscheids fassen. Damit bildet Art. 48 Abs. 1 KG eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BV (Legalitätsprinzip).

  • Prüfung der Ermessensausübung: Dem Vorwurf der Ermessensunterschreitung durch die WEKO, weil sie eine Nichtveröffentlichung des Schlussberichts nicht in Betracht gezogen habe, folgte das Bundesgericht nicht. Die Praxis der WEKO, grundsätzlich sämtliche Schlussberichte zu publizieren, stelle keine Ermessensunterschreitung dar, solange die Publikation im Einzelfall im öffentlichen Interesse liege. Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses wurde vom Bundesverwaltungsgericht ausführlich dargelegt und vom Bundesgericht bestätigt. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Reputationsschaden als privates Interesse wurde im Rahmen der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung und nicht als Argument gegen die Ermessensausübung behandelt. Weitere Anhaltspunkte für einen Ermessensmissbrauch waren nicht ersichtlich.

2. Geschäftsgeheimnisse (Art. 25 Abs. 4 KG) und Datenschutzrechtliche Vorgaben

Die Beschwerdeführerin forderte eine teilweise Publikation des Schlussberichts unter Weglassung strittiger Passagen und rügte die Nichtanerkennung diverser Angaben als Geschäftsgeheimnisse sowie die Missachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben.

  • Generelle "differenzierte Publikationspraxis" für Schlussberichte: Das Bundesgericht lehnte die Forderung nach einer "differenzierten Publikationspraxis" für Schlussberichte im Vergleich zu Verfügungen ab. Der Umstand, dass Schlussberichte nicht anfechtbar sind (gemäss Art. 26 Abs. 3 KG ist die Vorabklärung eine "Triage" und nicht gerichtlich überprüfbar), berechtigt nicht zur Einführung erweiterter Parteirechte auf dem Weg der Publikationsbeschwerde. Zudem sei klar ersichtlich, dass publizierte Schlussberichte lediglich die rechtliche Auffassung des Sekretariats wiedergeben und nicht gerichtlich überprüft sind, was das Risiko einer "inkorrekten Praxis" für die Öffentlichkeit transparent mache.

  • Begriff des Geschäftsgeheimnisses gemäss Art. 25 Abs. 4 KG: Art. 25 Abs. 4 KG verbietet die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen bei Veröffentlichungen der Wettbewerbsbehörden. Ein Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn:

    1. es sich um weder offenkundige noch allgemein zugängliche Tatsachen handelt (relative Unbekanntheit).
    2. der Geheimnisherr diese Tatsachen tatsächlich geheim halten will (Geheimhaltungswille).
    3. der Geheimnisherr ein berechtigtes, objektives Interesse an der Geheimhaltung hat (objektives Geheimhaltungsinteresse). Der Gegenstand des Geschäftsgeheimnisses muss geschäftlich relevante Informationen betreffen, d.h., Informationen, deren Preisgabe Konkurrenten einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen und sich negativ auf das Geschäftsergebnis auswirken könnte (z.B. Marktanteile, Umsätze, Preiskalkulationen, Geschäftsstrategien, Kundenlisten). Das Bundesgericht betonte, dass keine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Publikationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse stattfindet, sobald das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses feststeht.
  • Behandlung reputationsschädigender Sachverhalte: Das Bundesgericht hielt fest, dass der blosse Umstand, dass eine Information potenziell einen negativen Einfluss auf das Geschäftsergebnis haben kann, weil Kunden sich aufgrund eines Vertrauensverlusts abwenden könnten, eine Information nicht automatisch zu einem Geschäftsgeheimnis macht. Reputationsschäden sind nicht als Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KG zu behandeln, da sie nicht direkt "geschäftlich relevante Informationen" im Sinne eines unlauteren Wettbewerbsvorteils für Konkurrenten darstellen.

  • Prüfung spezifischer, von der Beschwerdeführerin gerügter Angaben: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Würdigung, dass die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Angaben keine Geschäftsgeheimnisse darstellen:

    • Verfahrensgegenstand, Zeitraum, relevanter Markt: Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein Geschäftsgeheimnis.
    • Produktbeschreibung, Werbeschreiben, Daten-/Adresslieferungen, Anzahl Werbeschreiben: Öffentlich zugänglich (Werbung) oder betrifft allgemein zugängliche Sachverhalte; es fehlt an der relativen Unbekanntheit.
    • Anreicherung/Bereinigung von Adressen, geschätzte Kosten für Adressekauf, Werbemassnahmen: Keine Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit oder kein Vorteil für Konkurrenten; nicht "geschäftlich relevant". Werbemassnahmen sind zudem aufgrund ihrer Sichtbarkeit öffentlich zugänglich.
    • Marktentwicklung, Einstellung der Geschäftstätigkeit, Produktgebiet: Teils keine Geschäftsgeheimnisse, teils allgemein zugängliche Tatsachen.
    • Ausführungen zur Marktabgrenzung, zu Art. 7 Abs. 2 lit. e KG, Verwendung von Adressdaten, Kausalzusammenhang, Wettbewerbsverfälschung: Allgemeine rechtliche Ausführungen, nicht geschäftlich relevante Informationen der Beschwerdeführerin, oft im Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand.
  • Datenschutzrechtliche Vorgaben (Art. 19 aDSG): Die Publikation von Personendaten, die keine Geschäftsgeheimnisse sind, ist nach den Vorgaben des alten Datenschutzgesetzes (aDSG) zu beurteilen. Art. 48 Abs. 1 KG bildet die erforderliche formell-gesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung. Für Daten, die keine Geschäftsgeheimnisse nach Art. 25 Abs. 4 KG sind, erfolgt eine Interessenabwägung nach Art. 19 Abs. 4 aDSG. Das Bundesgericht verneinte, dass das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte private Interesse an der Beibehaltung ihres guten Rufs (Reputationsverlust) die gewichtigen öffentlichen Publikationsinteressen (Prävention, Rechtssicherheit, Transparenz) überwiegen würde. Der Verweis auf das UN-Kaufrecht (CISG) betreffend Reputationsschäden wurde als irrelevant für die vorliegende datenschutzrechtliche Interessenabwägung erachtet.

3. Recht auf Gegendarstellung

Die Beschwerdeführerin forderte die Publikation einer von ihr formulierten Gegendarstellung zusammen mit dem Schlussbericht. * Fehlen einer gesetzlichen Grundlage: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Auffassung, dass weder das Kartellgesetz noch andere anwendbare Erlasse ein Recht auf Gegendarstellung bei der Publikation von Schlussberichten gemäss Art. 48 Abs. 1 KG vorsehen. Es bestehe keine Gesetzesunvollständigkeit und somit kein Raum für eine analoge Anwendung von Art. 28g ff. ZGB, da der öffentlich-rechtliche Persönlichkeitsschutz über öffentlich-rechtliche Normierungen sicherzustellen sei. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Art. 25 Abs. 4 KG) und die datenschutzrechtlichen Vorgaben bildeten die gesetzlich vorgesehenen Korrektive zum Persönlichkeitsschutz.

III. Schlussfolgerung

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde der A.__ AG vollumfänglich ab.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Rechtmässigkeit der Publikation des Schlussberichts des WEKO-Sekretariats über eine Vorabklärung betreffend die A.__ AG. Es stellte fest, dass ein "Schlussbericht" als "Entscheid" im Sinne von Art. 48 Abs. 1 KG publiziert werden darf, da der Begriff weit auszulegen ist und die Publikationszwecke (Prävention, Rechtssicherheit, Transparenz) erfüllt werden. Eine Ermessensunterschreitung der WEKO wurde verneint. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Passagen wurden nicht als Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KG anerkannt, da sie entweder öffentlich zugänglich waren, nicht die erforderliche "geschäftliche Relevanz" aufwiesen oder keine unzulässigen Wettbewerbsvorteile für Konkurrenten generierten. Der geltend gemachte Reputationsschaden als datenschutzrechtliches privates Interesse wurde im Rahmen der Interessenabwägung als nicht überwiegend gegenüber den öffentlichen Interessen an der Publikation erachtet. Schliesslich verneinte das Bundesgericht das Bestehen eines gesetzlichen Rechts auf eine Gegendarstellung bei solchen Publikationen.