Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_375/2025) befasst sich mit der Beschwerde gegen einen Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, welches seinerseits auf Berufungen eines Klägers gegen Nichteintretensentscheide des Kantonsgerichts Zug nicht eingetreten war. Die Kernfrage vor Bundesgericht ist, ob das Obergericht zu Recht auf die Berufungen nicht eingetreten ist und dabei insbesondere das Verbot des überspitzten Formalismus verletzt hat.
1. Sachverhalt und Prozessgeschichte
- Ursprüngliche Klage (Dezember 2023): A._ (Beschwerdeführer) reichte beim Kantonsgericht Zug eine Forderungsklage von rund CHF 2 Mio. gegen B.B._ (Beschwerdegegner 1, wohnhaft in Marokko) ein. Streitgegenstand waren zwei Verträge betreffend Kauf, Planung und Verkauf von Grundstücken in Spanien. Beschwerdegegner 1 erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Das Kantonsgericht beschränkte das Verfahren zunächst auf die Prüfung der Prozessvoraussetzungen gemäss Art. 59 Abs. 2 lit. b und lit. e ZPO (Sachurteilsvoraussetzungen).
- Erweiterte Klage (März 2025): Der Beschwerdeführer reichte eine "erweiterte Klage" ein, die sich nun auch gegen C.B._ (Beschwerdegegner 2, Marokko), C._ (Beschwerdegegner 3, Zug) und D.__ (Beschwerdegegner 4, Luzern) richtete. Darin beantragte er die solidarische Verpflichtung der Beschwerdegegner 1-4 zur Zahlung des ihm entstandenen Schadens, basierend auf "neuen Entwicklungen" und einer "total neuen Schadensberechnung".
- Nichteintretensentscheide des Kantonsgerichts:
- März 2025: Das Kantonsgericht Zug trat auf die erweiterte Klage gegen die Beschwerdegegner 2-4 nicht ein.
- April 2025: Das Kantonsgericht Zug trat auch auf die ursprüngliche Klage gegen den Beschwerdegegner 1 nicht ein.
- Nichteintretensentscheid des Obergerichts (Juni 2025): Das Obergericht des Kantons Zug trat auf die Berufungen des Klägers gegen beide Nichteintretensentscheide des Kantonsgerichts nicht ein. Es erwog zudem, dass die Berufungen, selbst wenn darauf eingetreten worden wäre, abzuweisen gewesen wären.
- Beschwerde an das Bundesgericht: Der Beschwerdeführer focht die Nichteintretensentscheide des Obergerichts beim Bundesgericht an und beantragte im Wesentlichen, auf die Klage gegen die Beschwerdegegner 1-4 einzutreten.
2. Begründung des Obergerichts für das Nichteintreten auf die Berufungen (gemäss Bundesgericht)
Das Obergericht begründete sein Nichteintreten auf die Berufungen des Beschwerdeführers mit mehreren selbständig tragenden Argumenten, welche die Anforderungen an eine Berufungsbegründung gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO als nicht erfüllt erachteten:
- Hinsichtlich der "erweiterten Klage" gegen die Beschwerdegegner 2-4:
- Mangelnde Substantiierung des Schadens: Der Beschwerdeführer hatte in seiner erweiterten Klage nicht dargelegt, worin der Schaden konkret bestehe (Art. 84 Abs. 2 i.V.m. Art. 221 Abs. 1 ZPO).
- Fehlende Begründung der Unzumutbarkeit einer Bezifferung: Es wurde nicht dargelegt, weshalb eine Bezifferung des Schadens unmöglich oder unzumutbar gewesen sei (Art. 85 Abs. 1 ZPO). Das Obergericht betonte, dass der Beschwerdeführer, da er Rechtsanwalt sei, die richterliche Fragepflicht nicht beanspruchen könne. Es bestand für die Erstinstanz kein Grund zur Annahme, dass es sich um denselben Schaden wie in der ersten Klage handelte, da der Beschwerdeführer selbst von einer "total neuen Schadensberechnung" sprach.
- Unzulässige Erweiterung der Klage: Eine Ausdehnung auf weitere beklagte Parteien nach Eintritt der Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage sei grundsätzlich nicht möglich.
- Das Obergericht rügte, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung diese erstinstanzlichen Begründungen nicht hinreichend entkräftet und sich nicht argumentativ damit auseinandergesetzt habe.
- Hinsichtlich der ursprünglichen Klage gegen den Beschwerdegegner 1:
- Internationale Zuständigkeit: Selbst wenn der "letzte gewöhnliche Aufenthaltsort" des Beschwerdegegners 1 in U.__ gelegen hätte, sei sein Wohnsitz in Marokko unbestritten. Die Voraussetzungen der Art. 11 Abs. 2 und 3 ZPO (Wohnsitzgericht) seien nicht erfüllt. Das Obergericht befand, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung diese Argumentation des Kantonsgerichts nicht widerlegt habe.
- Notzuständigkeit (Art. 3 IPRG): Neue Behauptungen zur Notzuständigkeit, die der Beschwerdeführer erst in der Berufung vorgebracht hatte, wurden als verspätet angesehen, da nicht dargelegt wurde, weshalb sie nicht bereits erstinstanzlich hätten vorgebracht werden können.
- Fehlende Streitgenossenschaft: Da die erweiterte Klage gegen die Beschwerdegegner 2-4 nicht eingetreten wurde, fehle es an einer Streitgenossenschaft. Die Klagenhäufung sei offensichtlich einzig erfolgt, um über einen im Kanton Zug wohnhaften Beklagten (Beschwerdegegner 3) einen Gerichtsstand zu begründen, was keinen Rechtsschutz finde.
3. Prüfung durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht prüfte, ob das Obergericht mit seinem Nichteintretensentscheid auf die Berufungen Bundesrecht verletzt hat, insbesondere ob ein überspitzter Formalismus vorlag.
- Anforderungen an die Beschwerdebegründung vor Bundesgericht (Art. 42 Abs. 2, 106 Abs. 2 BGG): Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers in weiten Teilen den hohen Anforderungen an eine hinreichende Begründung nicht genügte. Der Beschwerdeführer setzte sich nicht konkret mit den ausführlichen Erwägungen des Obergerichts auseinander, sondern wiederholte seine eigene Sicht der Dinge und seine bereits in den Vorinstanzen vorgebrachten Argumente, anstatt darzulegen, inwiefern die Vorinstanz eine Rechtsverletzung begangen haben soll.
- So unterliess er es, die Obergerichtliche Begründung zu entkräften, dass er in seinen Berufungen nicht dargelegt habe, worin der Schaden bestehe oder weshalb eine Bezifferung unzumutbar sei.
- Er ging nicht auf die Feststellung des Obergerichts ein, dass es keinen Grund gab anzunehmen, der geltend gemachte Schaden gegen die Beschwerdegegner 2-4 sei identisch mit demjenigen gegen Beschwerdegegner 1.
- Die Rügen betreffend Verletzung von Verfahrensgrundsätzen, Rechtsverweigerung oder des Gehörsanspruchs wurden als unsubstantiiert und appellatorisch verworfen, da der Beschwerdeführer seine qualifizierte Rügepflicht nicht erfüllt hatte.
- Prüfung des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV):
- Definition: Überspitzter Formalismus liegt vor, wenn rigorose Formvorschriften ohne sachliche Rechtfertigung angewendet werden, Behörden formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhaben oder überspannte Anforderungen an Rechtsschriften stellen, wodurch der Rechtsweg unzulässig versperrt wird. Prozessuale Formen sind jedoch unerlässlich. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts unhaltbar erschwert oder verhindert (unter Verweis auf BGE 145 I 201 E. 4.2.1; 142 I 10 E. 2.4.2; 140 III 636 E. 3.5 f.).
- Anforderungen an die Berufungsbegründung (Art. 311 Abs. 1 ZPO): Gemäss konstanter Rechtsprechung muss die Berufung eine Begründung enthalten, die präzise aufzeigt, inwiefern der angefochtene Entscheid fehlerhaft ist. Es genügt nicht, auf erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder den Entscheid nur allgemein zu kritisieren. Der Berufungskläger muss detailliert die erstinstanzlichen Erwägungen bezeichnen, die er anficht, und darlegen, weshalb sie nicht aufrechterhalten werden können (unter Verweis auf BGE 141 III 569 E. 2.3.3; 138 III 374 E. 4.3.1 und weitere Urteile).
- Anwendung auf den Fall: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer seine Begründungsobliegenheit in den Berufungsschriften nicht erfüllt hatte. Er konnte auch vor Bundesgericht nicht hinreichend darlegen, dass er sich in den Berufungen argumentativ mit den erstinstanzlichen Erwägungen auseinandergesetzt hatte. Das blosse Verweisen auf Klagebegründungen oder eine nachträgliche, teilweise unverständliche Begründung vor Bundesgericht konnte die Mängel der Berufungsbegründungen nicht beheben.
- Fazit: Das Bundesgericht beurteilte die Anforderungen des Obergerichts an die Berufungsbegründung als sachgerecht und nicht überspannt, sondern im Einklang mit Art. 311 Abs. 1 ZPO stehend. Die Nichteintretensentscheide des Obergerichts waren daher rechtmässig. Da das Bundesgericht das Nichteintreten auf die Berufungen bestätigte, erübrigte sich die Prüfung der alternativen Begründung des Obergerichts, wonach die Berufungen auch in der Sache abgewiesen worden wären.
4. Endgültiger Entscheid und wesentliche Punkte
Das Bundesgericht wies die Beschwerde als offensichtlich unbegründet ab, soweit darauf eingetreten werden konnte (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wurde damit gegenstandslos. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zusammenfassende wesentliche Punkte:
- Das Bundesgericht bestätigte die Nichteintretensentscheide des Obergerichts, die auf Berufungen des Beschwerdeführers nicht eingetreten waren.
- Die Hauptbegründung war die ungenügende Substantiierung der Berufungen durch den Beschwerdeführer, die den Anforderungen von Art. 311 Abs. 1 ZPO nicht genügte.
- Der Beschwerdeführer hatte es versäumt, sich konkret und argumentativ mit den einzelnen Nichteintretensbegründungen des erstinstanzlichen Gerichts auseinanderzusetzen, sowohl hinsichtlich der Schadenssubstantiierung und Bezifferbarkeit (Art. 84, 85 ZPO) als auch der internationalen Zuständigkeit (Art. 11 ZPO, Art. 3 IPRG) und der Zulässigkeit der Klageerweiterung.
- Das Bundesgericht verneinte das Vorliegen von überspitztem Formalismus, da die vom Obergericht angewandten Anforderungen an die Berufungsbegründung im Einklang mit der geltenden Zivilprozessordnung und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung standen.
- Die Beschwerdebegründung vor Bundesgericht entsprach ebenfalls nicht den qualifizierten Anforderungen des BGG (Art. 42 Abs. 2, 106 Abs. 2 BGG), da sie primär eine Wiederholung erstinstanzlicher Standpunkte darstellte und sich nicht spezifisch mit den Erwägungen des Obergerichts auseinandersetzte.