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Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 4A_556/2024 vom 25. September 2025 über zwei Hauptstreitpunkte im Mietrecht entschieden: die Wirksamkeit einer ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) und die Gültigkeit einer Mietzinserhöhung (Art. 269d OR).
I. Sachverhalt
Die Beschwerdegegnerin (Vermieterin) und die Beschwerdeführerinnen (Mieterinnen) schlossen einen Mietvertrag über eine Gewerbefläche, die als Café-Bar-Restaurant-Brocante genutzt wurde. Der Vertrag begann am 1. Juni 2008 und wurde zuletzt am 1. Juni 2015 für fünf Jahre erneuert.
Im Rahmen dieser Vertragsverlängerung sandte die Vermieterin am 18. Mai 2015 eine offizielle Mitteilung über eine Mietzinserhöhung. Der jährliche Nettomietzins sollte von CHF 27'900 auf CHF 32'400 steigen. Als Begründung der Erhöhung wurde "Artikel 269a lettre a CO. Conclusion d'un nouveau bail de 5 ans..." angegeben. Die Mieterinnen fochten die Erhöhung nicht an und forderten keine weiteren Erklärungen ein.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie und behördlich angeordneten Schliessungen war der Betrieb der Mieterinnen mehrmals eingeschränkt. Die Vermieterin lehnte eine Mietzinserlassforderung der Mieterinnen vom 22. April 2020 ab. Auch ein Gesuch der Mieterinnen vom 30. Mai 2020 für Umbauarbeiten wurde von der Vermieterin abgelehnt.
Am 12. November 2020 mahnte die Vermieterin die Mieterinnen wegen eines Mietzinsrückstands von CHF 5'750 (Mietzins Oktober und November 2020) und CHF 50 Mahnspesen, setzte eine 30-tägige Zahlungsfrist und drohte die Kündigung an. Die Mieterinnen reagierten wie folgt: * 18. November 2020: Sie teilten mit, den Oktober-Mietzins bezahlt zu haben und argumentierten bezüglich des November-Mietzinses, sie würden "aufgrund einer laufenden eidgenössischen Verordnung" möglicherweise Anspruch auf eine Teilerlassung oder vollständige Befreiung haben und würden "bald ein Gesuch einreichen". * 19. November 2020: Der Oktober-Mietzins wurde bezahlt. * 26. November 2020: Die Mieterinnen sandten der Verwaltung ein Formular für ein Mietzinserlassgesuch nach den Genfer VESTA-Vereinbarungen, jedoch ohne zusätzlichen Kommentar. * 7. Dezember 2020: Die Verwaltung lehnte das Erlassgesuch der Mieterinnen per E-Mail an eine falsche Adresse ab. Die Mieterinnen erhielten die Mitteilung nicht.
Am 14. Dezember 2020 wurde über die B.__ Sàrl der Konkurs eröffnet, welcher jedoch am 22. Dezember 2020 nach Zahlung der ausstehenden Forderungen annulliert wurde.
Nach Ablauf der Mahnfrist kündigte die Vermieterin den Mietvertrag am 6. Januar 2021 auf den 28. Februar 2021. Die Mieterinnen bezahlten die ausstehenden Mietzinse erst nach Erhalt der Kündigung: * 8. Januar 2021: Mietzins November 2020 (CHF 2'880). * 13. Januar 2021: Mietzinse Dezember 2020 und Januar 2021 (total CHF 5'760). Sie forderten die Annullierung der Kündigung, da die Verzögerung durch die Wartezeit auf die Antwort der Vermieterin zum Erlassgesuch und die falsche E-Mail-Adresse verursacht worden sei.
II. Prozessgeschichte
Die Mieterinnen reichten beim Genfer Mietgericht ein Gesuch ein, um die Kündigung für unwirksam zu erklären, die Mietzinserhöhung vom 18. Mai 2015 für nichtig zu erklären und die Vermieterin zur Rückzahlung von CHF 24'750 zu verurteilen. Eventualiter verlangten sie die Aufhebung der Kündigung, subeventualiter eine Mieterstreckung von sechs Jahren. Die Vermieterin beantragte die Abweisung und widerklagte auf Räumung.
Das Mietgericht Genf erklärte die Kündigung vom 6. Januar 2021 für wirksam und gültig und ordnete die Räumung an. Das kantonale Gericht bestätigte dieses Urteil am 16. September 2024. Dagegen legten die Mieterinnen beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen ein.
III. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht befasste sich mit den zwei Hauptstreitpunkten:
1. Wirksamkeit der ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs (Art. 257d OR)
Die Beschwerdeführerinnen machten geltend, sie seien zum Zeitpunkt der Kündigung nicht in Verzug gewesen, da sie den ausstehenden Mietzins für November 2020 durch eine Gegenforderung kompensiert hätten (Art. 120 ff. OR). Sie argumentierten, die COVID-bedingten Schliessungen hätten einen Mangel an der Mietsache dargestellt, der zu einer Mietzinsreduktion von 50-80% berechtigt hätte (Art. 259d OR). Ihre Erklärungen vom 22. April, 18. und 26. November 2020, sowie die Tatsache, dass sie nur den Mietzins für Oktober 2020 bezahlten, hätten eine Kompensationserklärung dargestellt.
Das Bundesgericht führte hierzu aus, dass gemäss Art. 257d OR der Vermieter bei Zahlungsverzug eine 30-tägige Zahlungsfrist setzen und bei deren Nichteinhaltung kündigen kann. Für eine wirksame Kompensation (Art. 120 Abs. 1 OR) muss die Absicht des Schuldners klar zum Ausdruck kommen, und die Kompensationserklärung muss vor Ablauf der Mahnfrist erfolgen. Die Erklärung muss es dem Empfänger ermöglichen zu verstehen, welche Forderung kompensiert wird und welche Gegenforderung zur Verrechnung dient.
Im vorliegenden Fall verneinte das Bundesgericht eine wirksame Kompensationserklärung. Die Schreiben der Beschwerdeführerinnen vom 18. und 26. November 2020 enthielten keine eindeutige Absicht zur Kompensation. Das Schreiben vom 18. November sprach lediglich von einer Hypothese eines Anspruchs auf Erlass und einer zukünftigen Einreichung eines Gesuchs. Das Formular vom 26. November war kommentarlos und setzte die Zustimmung der Vermieterin voraus. Die blosse Teilzahlung des Rückstands konnte nicht eindeutig als Kompensationserklärung interpretiert werden, sondern liess auch andere Erklärungen zu (z.B. Liquiditätsprobleme). Die Beschwerdeführerinnen verwechselten die Kompensation mit einer Mietzinsreduktion. Im Falle eines Mangels (wie der behaupteten eingeschränkten Nutzung wegen COVID) hätten die Mieterinnen den Mietzins hinterlegen können (Art. 259g OR), anstatt ihn zurückzuhalten und damit das Risiko einer Kündigung einzugehen.
2. Theorie der Geschäftsgrundlage (clausula rebus sic stantibus) wegen COVID-19
Die Beschwerdeführerinnen machten geltend, die COVID-bedingten Schliessungen hätten eine unvorhersehbare und wesentliche Änderung der Verhältnisse dargestellt, die eine Reduktion des Mietzinses (total oder mindestens 50%) gerechtfertigt hätte. Dies hätte ihren Zahlungsverzug ausgeschlossen.
Das Bundesgericht trat auf dieses Vorbringen nicht ein. Es stellte fest, dass die Beschwerdeführerinnen diesen Einwand nicht bereits in ihrem kantonalen Rechtsmittelverfahren (Berufung) vorgebracht hatten. Gemäss dem Prinzip der materiellen Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art. 75 BGG) müssen Rügen, die dem Bundesgericht unterbreitet werden, bereits vor der Vorinstanz geltend gemacht worden sein.
3. Anfechtbarkeit der Kündigung wegen Verstosses gegen Treu und Glauben (Art. 271, 271a OR)
Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, die Kündigung sei missbräuchlich, da sie eine "Rachekündigung" nach ihrem Renovationsgesuch gewesen sei. Sie führten weitere Umstände an: die Geringfügigkeit des ausstehenden Betrags, die rasche Nachzahlung, die erstmalige Zahlungsverzögerung, die lange Wartezeit auf die Mietzinserlass-Antwort, die aussergewöhnliche COVID-Situation und ein angeblich unloyales Verhalten der Vermieterin.
Das Bundesgericht bestätigte, dass eine Kündigung nach Art. 257d OR ausnahmsweise als missbräuchlich gelten kann, diese Möglichkeit aber sehr restriktiv zu handhaben ist, um das Recht des Vermieters auf pünktliche Mietzinszahlung nicht zu untergraben (vgl. ATF 140 III 591 E. 1). Beispiele für Missbräuchlichkeit sind eine Forderung eines viel zu hohen Betrags, ein sehr geringfügiger und unmittelbar nach Ablauf der Frist beglichener Rückstand bei einem ansonsten stets pünktlichen Mieter oder eine lange Verzögerung des Vermieters bei der Kündigung. Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit liegt beim Mieter.
Im vorliegenden Fall verneinte das Bundesgericht eine missbräuchliche Kündigung. Die Zahlung des ausstehenden Mietzinses erfolgte über drei Wochen nach Ablauf der Mahnfrist, was nicht als "sehr kurz" nach Fristablauf zu werten ist. Der Betrag von CHF 2'880 (Mietzins November 2020) war nicht als "geringfügig" zu betrachten (vgl. auch ATF 120 II 31 E. 4b). Es gab keine stichhaltigen Beweise für eine Rachekündigung im Zusammenhang mit den Renovationsgesuchen. Die Vermieterin war nicht verpflichtet, das Renovationsgesuch positiv zu beantworten. Die Verzögerung der Vermieterin bei der Beantwortung des Erlassgesuchs war irrelevant, da die Mieterinnen den Mietzins hätten hinterlegen können, um die Kündigungsdrohung abzuwenden. Ein unloyales Verhalten der Vermieterin wurde nicht substanziiert.
4. Gültigkeit der Mietzinserhöhung vom 18. Mai 2015 (Art. 269d OR)
Die Beschwerdeführerinnen bestritten die Gültigkeit der Mietzinserhöhung mit der Begründung, die Begründung auf dem amtlichen Formular sei unzureichend gewesen. Die blosse Nennung von "Art. 269a lit. a CO" reiche nicht aus, um den Grund der Erhöhung zu verstehen, insbesondere für juristisch unerfahrene Personen. Daher sei die Erhöhung nichtig (Art. 269d Abs. 2 lit. b OR), und die überbezahlten Mietzinse seien zurückzuerstatten.
Das Bundesgericht hielt fest, dass Art. 269d Abs. 1 OR vorschreibt, dass Mietzinserhöhungen auf einem kantonal genehmigten Formular mit Angabe der Gründe mitzuteilen sind. Eine fehlende oder unzureichende Begründung führt zur Nichtigkeit (Art. 269d Abs. 2 lit. b OR). Die Begründung muss präzise sein, um es dem Mieter zu ermöglichen, die Tragweite und Rechtfertigung der Erhöhung zu verstehen und fundiert zu entscheiden, ob er sie anfechten will (vgl. ATF 142 III 375 E. 3.3; 137 III 362 E. 3.2.1; 121 III 6 E. 3a). Die Auslegung der Begründung erfolgt nach dem Vertrauensprinzip (Art. 18 OR), unter Berücksichtigung der Verständnisfähigkeit des Mieters und aller Umstände. Das Bundesgericht unterschied dabei zwischen der Nennung mehrerer unvereinbarer Gesetzesartikel, welche als unzureichend gilt (ATF 121 III 6 E. 3c), und der Nennung eines einzelnen, präzisen Gesetzesartikels. Ob letzteres ausreicht, wird von der Rechtsprechung fallweise beurteilt.
Im vorliegenden Fall verwies die Mietzinserhöhung auf "Art. 269a lit. a CO", der sich auf die orts- und quartierüblichen Mietzinse bezieht. Dies ist ein einziger, klar definierter Grund. Das Bundesgericht befand, dass die Anforderungen an die Begründung nicht übermässig streng sein dürfen, zumal die Konsequenz der Nichtigkeit drastisch ist. Obwohl die Formulierung "ortsübliche Mietzinse" nicht explizit genannt wurde, war der Grund durch den spezifischen Gesetzesartikel klar und präzis. Es sei den Mieterinnen zumutbar gewesen, den genannten Artikel im Obligationenrecht nachzuschlagen, um die Begründung der Vermieterin zu verstehen.
IV. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht wies die Beschwerde in allen Punkten, soweit darauf einzutreten war, ab.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: