Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1032/2024 vom 6. November 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen.

Zusammenfassung des Bundesgerichtsentscheids 7B_1032/2024 vom 6. November 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.A.__ (nachfolgend: Beschwerdeführer) gegen einen Nichteintretensentscheid des Obergerichts des Kantons Zug zu befinden. Der Beschwerdeführer begehrte die Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses und die Rückweisung der Angelegenheit an das Obergericht zur materiellen Entscheidung. Im Kern ging es um die Frage, ob die Anklage gegen den Beschwerdeführer im Verfahren 2A 2020 263 an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen werden müsse, um eine Vereinigung mit zwei neueren, verwandten Verfahren (2A 2023 200 und 2A 2023 245) zu ermöglichen, in denen ebenfalls gegen ihn und neu auch gegen seine Ehefrau ermittelt wurde. Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung des Grundsatzes der Verfahrenseinheit und machte geltend, es drohe ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil durch die getrennte Verfahrensführung.

2. Sachverhalt und Prozessgeschichte

  • Ursprungsverfahren (2A 2020 263): Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug führte eine Strafuntersuchung gegen A.A.__ wegen verschiedener Konkursdelikte, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung. Am 17. Oktober 2023 erhob sie Anklage beim Strafgericht des Kantons Zug.
  • Neuere Verfahren (2A 2023 200 und 2A 2023 245): Nach der Anklageerhebung im Ursprungsverfahren wurden im Herbst 2023 aufgrund zweier Strafanzeigen (29. September und 29. November 2023) zwei neue Verfahren eröffnet. Diese betrafen denselben Verfahrensgegenstand und richteten sich ebenfalls gegen den Beschwerdeführer. Im Verfahren 2A 2023 200 wurde zudem gegen seine Ehefrau E.A.__ wegen Gehilfenschaft zu bereits angeklagten Sachverhalten ermittelt.
  • Antrag des Beschwerdeführers auf Anklagerückweisung: A.A.__ beantragte dem Strafgericht am 10. Januar 2024 die Rückweisung der Anklage im Verfahren 2A 2020 263 an die Staatsanwaltschaft. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Anklage zu früh erfolgt sei und der Grundsatz der Verfahrenseinheit verletzt werde, da die neuen Verfahren denselben Sachverhalt beträfen und eine Vereinigung geboten sei.
  • Entscheid des Strafgerichts: Die Verfahrensleitung des Strafgerichts lehnte den Rückweisungsantrag am 22. März 2024 ab. Sie stellte in summarischer Prüfung fest, dass die Anklageschrift und Akten ordnungsgemäss erstellt seien, die Prozessvoraussetzungen erfüllt seien und keine Verfahrenshindernisse bestünden.
  • Entscheid des Obergerichts: Gegen diesen Entscheid erhob A.A.__ Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zug. Das Obergericht trat mit Beschluss vom 20. August 2024 auf die Beschwerde nicht ein. Es begründete dies damit, dass dem Beschwerdeführer aus der Ablehnung des Rückweisungsantrags kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO drohe.
  • Bundesgerichtliche Beschwerde: A.A.__ gelangte mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Eintretensfrage vor Bundesgericht (Zulässigkeit der Beschwerde)

  • Art. 93 Abs. 1 BGG und Nichteintretensentscheide: Die Beschwerde richtete sich gegen einen Nichteintretensentscheid einer letzten kantonalen Instanz und ist grundsätzlich zulässig (Art. 78 Abs. 1 BGG). Da es sich um einen Zwischenentscheid handelt, ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG grundsätzlich nur zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder einen bedeutenden Aufwand ersparen würde (lit. b). Die zweite Variante wurde hier verneint.
  • Spezialfall der Prüfung kantonaler Eintretensvoraussetzungen: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde unabhängig vom Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig ist, wenn sie sich auf die Frage bezieht, ob überhaupt ein kantonales Rechtsmittel offensteht oder ob dessen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (BGE 149 IV 205 E. 1.2). Da das Obergericht den Nichteintretensentscheid auf das Fehlen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils für die kantonale Beschwerde stützte, war die Bundesgerichts-Beschwerde zur Überprüfung dieser Frage zulässig.
  • Aktuelles Rechtsschutzinteresse: Das Bundesgericht prüfte das aktuelle Rechtsschutzinteresse. Es stellte fest, dass das Verfahren 2A 2023 245 mit Verfügung vom 24. März 2025 rechtskräftig eingestellt wurde. Insoweit fehlte ein Rechtsschutzinteresse und eine Vereinigung kam nicht mehr in Betracht. Betreffend das Verfahren 2A 2023 200, in dem am 22. Juli 2025 Anklage gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers erhoben wurde, hielt das Bundesgericht fest, dass die Anklageerhebung eine Beschwerde gegen eine Verfahrenstrennung bzw. unterlassene Verfahrensvereinigung grundsätzlich nicht gegenstandslos werden lässt (Urteil 1B_187/2015). Insoweit wurde auf die Beschwerde eingetreten.

3.2. Inhaltliche Prüfung der Ablehnung der Rückweisung / Vereinigung

  • Grundsatz der Verfahrenseinheit und Anfechtbarkeit verfahrensleitender Entscheide:
    • Verfahrenseinheit (Art. 29 f. StPO): Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt bei Mittäterschaft oder Teilnahme (Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO). Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte können aus sachlichen Gründen Strafverfahren trennen oder vereinen (Art. 30 StPO). Dieser Grundsatz soll widersprüchliche Urteile verhindern, das Gleichbehandlungsgebot gewährleisten und der Prozessökonomie dienen. Trennungen sind die Ausnahme und müssen auf objektiven sachlichen Gründen beruhen, vor allem zur Verfahrensbeschleunigung.
    • Anklageprüfung (Art. 329 StPO): Die Verfahrensleitung prüft, ob Anklageschrift und Akten ordnungsgemäss sind, Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und keine Verfahrenshindernisse bestehen (Art. 329 Abs. 1 StPO). Ergibt sich, dass ein Urteil derzeit nicht ergehen kann, sistiert das Gericht das Verfahren oder weist die Anklage zur Ergänzung/Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück (Art. 329 Abs. 2 StPO).
    • Anfechtbarkeit (Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO i.V.m. Art. 65 Abs. 1 StPO): Die Beschwerde ist grundsätzlich gegen Verfügungen erstinstanzlicher Gerichte zulässig, ausgenommen sind jedoch verfahrensleitende Entscheide. Solche können nur mit dem Endentscheid angefochten werden, es sei denn, sie bewirken einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Das Bundesgericht hatte bereits entschieden, dass die Ablehnung eines Antrags auf Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft ein verfahrensleitender Entscheid ist (BGE 143 IV 175 E. 2.4).
  • Bewertung des Obergerichtsentscheids durch das Bundesgericht:
    • Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Ansicht, dass aus der (unterlassenen) Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft grundsätzlich kein nicht wieder gutzumachender Nachteil erwachse (BGE 143 IV 175 E. 2.3). Die Kritik des Beschwerdeführers am Verweis auf diese Rechtsprechung wurde als unbegründet abgewiesen.
    • Spezifische Problematik der Verfahrensvereinigung: Das Bundesgericht verwies auf seine jüngere Rechtsprechung (BGE 147 IV 188 E. 1.2-1.4, bestätigend Urteil 1B_230/2019), wonach bei Verfahrenstrennungen oder der Verweigerung einer Vereinigung von Strafverfahren gegen mehrere beschuldigte Personen grundsätzlich ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht. Dieser Nachteil besteht primär darin, dass Mitbeschuldigte bei getrennter Verfahrensführung in den anderen Verfahren keine Partei- und insbesondere keine Teilnahmerechte (Art. 147 StPO) erwerben oder verlieren.
    • Anwendung im konkreten Fall:
      • Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht um eine Trennung, da die Verfahren nie gemeinsam geführt wurden, sondern um die Verweigerung einer nachträglichen Vereinigung durch Rückweisung der bereits erhobenen Anklage.
      • Das Bundesgericht liess offen, ob die Rückweisung der Anklage gemäss Art. 329 Abs. 2 StPO überhaupt als Instrument zur Erzwingung einer Verfahrensvereinigung dienen kann, zumal es in einem früheren Entscheid (Urteil 1B_421/2019 E. 4.3) diese Auslegung als nicht vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt erachtete. Die kantonale Praxis ist hier uneinheitlich.
      • Fehlende Darlegung eines irreparablen Nachteils: Selbst wenn eine Rückweisung unter diesem Titel zulässig wäre, sah das Bundesgericht keinen schlüssig dargelegten nicht wieder gutzumachenden Nachteil für den Beschwerdeführer.
        • Höherer Aufwand und Kosten: Ein grösserer finanzieller und zeitlicher Aufwand, der aus der getrennten Führung mehrerer Verfahren resultiert, genügt nicht für das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 147 III 159 E. 4.1).
        • Verletzung des Fair-Trial-Grundsatzes und Untersuchungsgrundsatzes: Diese Rügen begründen nach Ansicht des Gerichts ebenfalls keinen irreparablen Rechtsnachteil, da sie im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können.
        • Verlust von Akteneinsicht und Teilnahmerechten bezüglich der Ehefrau: Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, er könne allfällige entlastende Aussagen seiner Ehefrau nicht kennen, da ihm die Teilnahme an deren Einvernahmen verwehrt sei und er kein Akteneinsichtsrecht habe. Dem widersprach das Bundesgericht, da der Beschwerdeführer selbst ausgeführt hatte, dass sich die Strafverfahren 2A 2023 200 und 2A 2023 245 auch gegen ihn bzw. von ihm kontrollierte Gesellschaften richteten. Daher sei davon auszugehen, dass ihm in diesen Verfahren Partei- und Akteneinsichtsrechte zustanden oder zustehen und ihm somit aufgrund der getrennten Verfahrensführung kein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohe.
  • Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz erwies sich als bundesrechtskonform.

4. Endgültiger Entscheid und wesentliche Punkte

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden war. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, und er wurde zur Leistung einer Parteientschädigung an die obsiegenden Privatklägerinnen 2 und 3 verpflichtet.

Wesentliche Punkte der Entscheidung:

  1. Zulässigkeit der Bundesgerichts-Beschwerde: Die Bundesgerichts-Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid einer kantonalen Instanz, der das Fehlen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils für das kantonale Rechtsmittel betrifft, ist grundsätzlich zulässig, ohne dass auf Bundesebene ein eigener irreparabler Nachteil dargelegt werden muss.
  2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse: Das Interesse an einer Verfahrensvereinigung entfällt, wenn eines der betroffenen Verfahren rechtskräftig eingestellt wurde. Eine Anklageerhebung im anderen Verfahren macht den Antrag auf Vereinigung jedoch nicht zwangsläufig gegenstandslos.
  3. Kein irreparabler Nachteil durch unterlassene Anklagerückweisung: Die Ablehnung eines Antrags auf Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft stellt einen verfahrensleitenden Entscheid dar, dessen Anfechtung im Kanton und vor Bundesgericht die Darlegung eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils erfordert. Grundsätzlich entsteht aus einer solchen Ablehnung kein irreparabler Nachteil.
  4. Kriterien für irreparablen Nachteil bei Verfahrenstrennung/-vereinigung: Zwar kann bei der Verweigerung einer Verfahrensvereinigung gegen mehrere Beschuldigte ein irreparabler Nachteil (insbesondere durch Verlust von Parteirechten gemäss Art. 147 StPO) drohen. Im vorliegenden Fall gelang es dem Beschwerdeführer jedoch nicht, einen solchen schlüssig darzulegen.
  5. Nicht ausreichende Gründe für irreparablen Nachteil: Ein höherer Aufwand oder Kosten infolge getrennter Verfahren genügen nicht. Behauptete Verletzungen des Untersuchungsgrundsatzes oder des Fair-Trial-Grundsatzes können im weiteren Verfahren geltend gemacht werden. Der vom Beschwerdeführer befürchtete Verlust von Akteneinsichts- und Teilnahmerechten im Verfahren gegen seine Ehefrau wurde verneint, da die Verfahren sich laut eigenen Angaben des Beschwerdeführers ebenfalls gegen ihn richteten, was eine Wahrung seiner Parteirechte impliziert.