Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_270/2025 vom 30. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_270/2025 vom 30. Oktober 2025

1. Einleitung und Streitgegenstand

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. zivilrechtliche Abteilung) befasst sich mit einer Beschwerde gegen eine von der oberen betreibungsrechtlichen Aufsichtsbehörde des Kantons Aargau (Obergericht) auferlegte Busse wegen angeblich mutwilliger Prozessführung. Der Beschwerdeführer A._ hatte eine Neuschätzung von Grundstücken im Rahmen einer betreibungsamtlichen Grundstückverwertung verlangt und gegen die Festsetzung der Schätzwerte durch das Bezirksgericht Aarau beim Obergericht Beschwerde geführt. Das Obergericht wies die Beschwerde ab und auferlegte A._ zusätzlich eine Busse von Fr. 800.-- gestützt auf Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG). Gegen diese Bussenauflage richtete sich die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht.

2. Sachverhaltliche Hintergründe der Bussenauflage

Im Vorfeld der betreibungsamtlichen Grundstückverwertung informierte das Regionale Betreibungsamt Buchs den Beschwerdeführer über die Schätzwerte von drei Grundstücken. Der Beschwerdeführer verlangte daraufhin eine Neuschätzung beim Bezirksgericht Aarau, welches nach einigen Einwänden des Beschwerdeführers einen neuen Schätzer mandatierte. Die vom Bezirksgericht festgesetzten neuen Schätzwerte wurden vom Beschwerdeführer beim Obergericht angefochten. Das Obergericht wies diese Beschwerde ab und auferlegte dem Beschwerdeführer die genannte Busse mit der Begründung, seine Beschwerde sei von Anfang an aussichtslos gewesen. Es führte aus, der Beschwerdeführer habe dieselben Argumente bereits in früheren, ebenfalls erfolglosen Verfahren (KBE.2017.14, KBE.2018.9 und KBE.2018.10) geltend gemacht. Die Vorinstanz qualifizierte sein Vorgehen daher als trölerisch, rechtsmissbräuchlich und mutwillig, mit dem offensichtlichen Ziel, das Zwangsvollstreckungsverfahren in die Länge zu ziehen.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Zulässigkeit und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts

Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde in Zivilsachen gegen den Bussenentscheid grundsätzlich zulässig ist, da dieser als Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde gemäss Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 Bst. a BGG einer Streitwertgrenze nicht unterliegt (Art. 74 Abs. 2 Bst. c BGG). Auch die Tatsache, dass das Obergericht als einzige Instanz über die Busse entschieden hatte, schadet gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG nicht. Hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung betonte das Bundesgericht, dass die Auferlegung einer Busse nach Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG einen Ermessensentscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde darstellt. Das Bundesgericht schreitet bei solchen Entscheiden nur ein, wenn die kantonale Instanz grundlos von anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, irrelevante Gesichtspunkte berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat, oder wenn der Entscheid offensichtlich unbillig ist (BGE 145 III 49 E. 3.3).

3.2. Die Rüge der Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV)

Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, da er vor der Auferlegung der Busse nicht über die beabsichtigte Sanktion orientiert und ihm somit keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Er argumentierte, die Busse habe pönalen Charakter, was eine vorgängige Anhörung umso wichtiger mache.

Das Bundesgericht wies diese Rüge zurück. Es führte aus, der verfassungsmässige Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) beziehe sich in erster Linie auf die Feststellung des Sachverhalts. Grundsätzlich bestehe kein Anspruch auf vorgängige Anhörung zur rechtlichen Würdigung der Tatsachen oder zur juristischen Argumentation im Allgemeinen, es sei denn, die Behörde beabsichtige, ihren Entscheid mit einem neuen, unerwarteten Rechtssatz oder Rechtstitel zu begründen (BGE 145 I 167 E. 4.1). Auch verlange der Gehörsanspruch nicht, dass die betroffene Person über den in Aussicht genommenen Entscheid vorab unterrichtet werde (BGE 132 II 257 E. 4.2). Das Bundesgericht stellte klar, dass die Rechtsordnung böswillige oder mutwillige Prozessführung gerade nicht toleriert, weshalb der Gesetzgeber die Sanktionsmöglichkeit in Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 2 SchKG geschaffen habe. Der angefochtene Entscheid beruhe weder auf unbekannten Tatsachen noch auf neuen Rechtsgrundlagen, mit deren Erheblichkeit der Beschwerdeführer nicht rechnen musste. Das Gericht dürfe eine disziplinarische Sanktion ohne vorherige Anhörung verhängen, wenn sich das zu ahnende Verhalten aus den Akten ergibt und eine zusätzliche Anhörung den Sachverhalt nicht weiter erhellen würde (BGE 150 I 174 E. 4.3.3). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege demnach nicht vor.

3.3. Die Rüge der falschen Anwendung von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG

Dies bildete den Kern der bundesgerichtlichen Prüfung. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass eine Busse nur bei qualifizierter Aussichtslosigkeit der Prozessführung ausgesprochen werden dürfe, die objektiv bestehen und subjektiv erkennbar sein müsse. Er argumentierte, dass die Erteilung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde durch die Instruktionsrichterin des Obergerichts gerade gegen die Aussichtslosigkeit spreche. Zudem habe das Obergericht über sechs Monate für den Entscheid benötigt, was ebenfalls gegen eine offensichtliche Aussichtslosigkeit spreche.

Vor allem aber rügte der Beschwerdeführer, die vorinstanzliche Feststellung, er habe dieselben Argumente bereits in früheren Verfahren (KBE.2017.14, KBE.2018.9 und KBE.2018.10) erfolglos vorgebracht, sei unzutreffend und unsubstanziiert. Er habe in seiner Beschwerde an die Vorinstanz konkrete neue Rügepunkte vorgebracht, wie die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Bezirksgericht und eine willkürliche Ermessensausübung bei der Festlegung des Schätzwerts. Weiter kritisierte er, dass das Obergericht sich auf Akten aus früheren Verfahren stütze, die nicht Teil des aktuellen Beschwerdeverfahrens gewesen seien, und dies unter dem Titel der "Gerichtsnotorietät" rechtfertige. Dies verstosse gegen Treu und Glauben sowie sein rechtliches Gehör.

3.3.1. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht bestätigte, dass "mutwillige Prozessführung" im Sinne von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 2 SchKG vorliegt, wenn eine Partei ohne konkretes Rechtsschutzinteresse und trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage Beschwerde führt, um das Verfahren zu verzögern (BGE 127 III 178 E. 2a). Dies kann auch der Fall sein, wenn eine Beschwerde von vornherein als aussichtslos betrachtet werden muss (Urteil 5A_576/2010 E. 4.2).

Das Bundesgericht gab dem Beschwerdeführer in dieser zentralen Rüge Recht. Es hielt fest, dass der angefochtene Entscheid gemäss Art. 112 Abs. 1 Bst. b BGG selbst nachvollziehbar darlegen muss, warum der Beschwerdeführer dieselben Argumente ohne Erfolg bereits in früheren Verfahren vorgebracht haben soll. Die Ausführungen und beigelegten früheren Entscheide in der Vernehmlassung des Obergerichts an das Bundesgericht können die ungenügende Begründung des angefochtenen Entscheids nicht heilen und sind daher unbeachtlich.

Das Bundesgericht stellte fest, dass es auf der Grundlage des angefochtenen Entscheids und der ihm übermittelten Akten des aktuellen kantonalen Verfahrens nicht überprüfen konnte, ob die Vorwürfe des Obergerichts zutreffend sind. Es verwies auf folgende spezifische Mängel der obergerichtlichen Begründung: * Das im Urteil 5A_692/2017 erwähnte Verfahren betraf eine andere Betreibung (Nr. yyy statt Nr. xxx der Pfändungsgruppe) und nur eines der drei streitgegenständlichen Grundstücke (C.__). Es war somit nicht ohne Weiteres vergleichbar. * Die Nachvollziehbarkeit des Tatsachenfundaments einer Busse darf nicht von der Zufälligkeit abhängen, ob ein früheres kantonales Urteil an das Bundesgericht weitergezogen wurde. * Die Relevanz der Verfahren KBE.2018.9 und KBE.2018.10 wurde im angefochtenen Entscheid überhaupt nicht dargelegt. Es fehlte insbesondere auch ein Hinweis darauf, ob der Beschwerdeführer in diesen früheren Verfahren auf sein mutmasslich verzögerndes Verhalten hingewiesen und für den Wiederholungsfall eine Busse angedroht wurde (vgl. dazu BGE 141 III 265 E. 5.2 für Art. 128 ZPO). * Die Berufung des Obergerichts auf die Gerichtsnotorietät der früheren Verfahren war im vorliegenden Kontext unzutreffend. Gerichtsnotorietät (Art. 151 ZPO) beziehe sich auf die Beweisbedürftigkeit streitiger Tatsachen im Parteistreit, nicht aber auf die Begründung disziplinarischer Sanktionen. Die Aufsichtsbehörde ist von Amtes wegen verpflichtet, die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Gründe für eine Sanktion gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 2 SchKG für die betroffene Person und allfällige Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar offenzulegen. Die persönliche Kenntnis einzelner Gerichtspersonen von früheren Verfahren entbindet nicht von dieser Begründungspflicht.

4. Entscheid des Bundesgerichts

Die Rüge des Beschwerdeführers, dass die Verhängung der Busse Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 2 SchKG verletze, wurde als begründet erachtet. Die Beschwerde wurde im Sinne des Eventualantrags teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids des Obergerichts (Auferlegung der Busse) wurde aufgehoben. Die Sache wurde zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen. Das Obergericht muss nun in pflichtgemässer Ausübung seines Ermessens nachvollziehbar begründen, falls es erneut zum Schluss kommen sollte, dass die Beschwerde vom 29. August 2024 als mutwillig im Sinne der zitierten SchKG-Bestimmung zu gelten habe. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und der Kanton Aargau wurde verpflichtet, den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hob die vom Obergericht verhängte Busse wegen mutwilliger Prozessführung auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Während die Rüge der Gehörsverletzung abgewiesen wurde (da keine vorgängige Anhörung zu einer Sanktionsandrohung bei klarer Aktenlage nötig ist), wurde die Rüge der falschen Anwendung von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG gutgeheissen. Das Bundesgericht kritisierte, dass der angefochtene Entscheid des Obergerichts nicht nachvollziehbar dargelegt hatte, warum die aktuelle Beschwerde als mutwillig und auf denselben Argumenten wie frühere, angeblich nicht einschlägige Verfahren basierend qualifiziert wurde. Die Begründungspflicht des Gerichts bezüglich der Sanktion muss im Entscheid selbst erfüllt werden; Verweise auf "Gerichtsnotorietät" oder Ergänzungen in der späteren Vernehmlassung sind dafür unzureichend.