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Das Bundesgericht hat im Urteil 6B_546/2024 vom 29. Oktober 2025 die Beschwerde von A.__ gegen das Urteil des Kantonsgerichts Waadt vom 7. Mai 2024 abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen.
I. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer A.__, ein Landarbeiter, befuhr am 23. April 2020 gegen 17:50 Uhr mit einem Teleskoplader der Marke Merlo TF38 10TT, ausgestattet mit einem teleskopischen Arm und einer abnehmbaren Schaufel, die mittlere Gasse eines Kuhstalls. Zunächst schob er bereits abgeladenes Futter auf die linke Seite, dann beschloss er, überschüssiges Futter zurück zum Anfang der Gasse zu bringen. Hierfür setzte er die Schaufel über das Futter und leitete eine Rückwärtsfahrt ein.
Während dieses Manövers schenkte er der befahrenen Gasse nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, obwohl er damit rechnen musste, dass sich dort eine Person aufhalten könnte. Er bemerkte dabei nicht die Anwesenheit von C.B._ (geb. 1941), der kurz zuvor mit einem Ladewagen aus dem Stall gefahren war und sich nun in der Gasse links auf Höhe der Tierboxen befand, um mit einer Heugabel den Kühen Futter zu geben. A._ stiess C.B._ mit dem hinteren linken Reifen seiner Maschine an, worauf dieser stürzte und, während der Beschwerdeführer weiter rückwärtsfuhr, überrollt wurde. C.B._ verstarb noch am Unfallort an den Folgen seiner schweren Verletzungen, insbesondere im Bereich des Rumpfes und der Wirbelsäule, wie aus dem Bericht des Centre universitaire romande de médecine légale (CURML) vom 28. September 2020 hervorgeht.
II. Vorinstanzliches Verfahren
Das Polizeigericht des Bezirks Broye et Nord vaudois verurteilte A._ am 21. November 2023 (berichtigt am 6. Dezember 2023) wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 30 CHF, bei einer Probezeit von zwei Jahren. A._ legte gegen dieses Urteil Berufung ein und beantragte Freispruch sowie die Einholung eines neuen technischen Gutachtens zur Sicht auf den rückwärtigen Bereich des landwirtschaftlichen Fahrzeugs. Das Appellationsgericht des Kantonsgerichts Waadt wies die Berufung mit Urteil vom 7. Mai 2024 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Schuldspruch.
III. Begründung des Bundesgerichts
Der Beschwerdeführer reichte beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen ein und rügte im Wesentlichen eine Verletzung des Anklageprinzips, eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung, eine Verletzung von Art. 117 StGB sowie einen Bruch des adäquaten Kausalzusammenhangs.
1. Rüge: Verletzung des Anklageprinzips (Art. 9 StPO)
Der Beschwerdeführer machte geltend, die Anklageschrift sei lückenhaft, da die verletzten Sorgfaltspflichten – insbesondere konkrete Normen des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) oder seiner Verordnungen sowie Verhaltensnormen wie die Pflicht zum Blick in die Rückspiegel oder zum Schulterblick – nicht präzise dargelegt worden seien.
Das Bundesgericht wies diese Rüge ab. Es stellte fest, dass aus dem in der Anklageschrift beschriebenen Sachverhalt klar hervorgehe, dass dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, die von ihm erwartete Aufmerksamkeit zur Vermeidung der Anwesenheit von Personen in der von ihm befahrenen Stallgasse vor Beginn des Rückwärtsmanövers nicht aufgebracht zu haben. Dies habe ihm ermöglicht, den Gegenstand der Anklage zu verstehen und seine Verteidigung vorzubereiten (Art. 9 StPO, Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK). Spezifische Details wie die Notwendigkeit, den Kopf um 90° zu drehen, seien lediglich ergänzende Präzisierungen des erwarteten Verhaltens und keine grundlegenden Elemente der Anklage.
2. Rüge: Fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB) und unrichtige Sachverhaltsfeststellung (Willkür)
Der Beschwerdeführer bestritt, eine Sorgfaltspflicht während des Rückwärtsmanövers fahrlässig verletzt zu haben.
2.1 Rechtliche Grundlagen: Gemäss Art. 117 StGB wird bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig handelt gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB, wer aus unvorsichtiger Unachtsamkeit eine Straftat begeht, ohne sich der Folgen seines Handelns bewusst zu sein oder diese nicht zu berücksichtigen. Die Unvorsicht ist schuldhaft, wenn der Täter die durch die Umstände und seine persönliche Lage gebotenen Vorsichtsmassnahmen nicht angewendet hat. Fahrlässigkeit setzt erstens die Verletzung einer Sorgfaltspflicht voraus. Ein Verhalten verletzt die Sorgfaltspflicht, wenn der Täter im Zeitpunkt des Geschehens nach den Umständen, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten hätte erkennen und berücksichtigen können, dass er Rechtsgüter des Opfers gefährdete und die Grenzen des zulässigen Risikos überschritt (BGE 148 IV 39 E. 2.3.3; 145 IV 154 E. 2.1). Zur genaueren Bestimmung der Sorgfaltspflicht können Normen herangezogen werden, die zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Unfallverhütung erlassen wurden (BGE 143 IV 138 E. 2.1). Bei einem Verkehrsunfall sind dies die Strassenverkehrsregeln (BGE 122 IV 133 E. 2a). Zweitens muss die Verletzung der Sorgfaltspflicht schuldhaft sein, d.h. dem Täter ist eine vorwerfbare Unaufmerksamkeit oder ein mangelnder Einsatz vorzuhalten (BGE 145 IV 154 E. 2.1). Schliesslich muss ein Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Verletzung der Sorgfaltspflicht und den Verletzungen des Opfers bestehen. Der Kausalzusammenhang ist adäquat, wenn das Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet war, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (BGE 138 IV 57 E. 4.1.3).
2.2 Würdigung des Gerichts: Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer einwilligte, dass die Sorgfaltspflicht sich auch aus den Umständen, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten bemesse, um eine Gefährdung von Rechtsgütern der Opfer und das Überschreiten zulässiger Risiken zu vermeiden. Die Vorinstanz habe zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich der Gefahr des landwirtschaftlichen Fahrzeugs bewusst war und wusste, dass er durch den alleinigen Blick in die Rückspiegel keine 100%ige Sicht nach hinten hatte. Er habe auch eingeräumt, dass er eine bessere Sicht gehabt hätte, wenn er sich umgedreht hätte. Er habe jedoch nur vor Beginn des Rückwärtsmanövers nach hinten geschaut und danach ausschliesslich die Rückspiegel benutzt. Er sei sich bewusst gewesen, dass Personen in der Gasse Futter schieben oder sich dort aufhalten könnten, insbesondere da er das Opfer und dessen Sohn in der Nähe gesehen hatte. Er durfte daher nicht davon ausgehen, dass er im Stall absolut allein war.
Die Argumente des Beschwerdeführers, wonach ihm aufgrund der Enge der Gasse und der Tiere das Rückwärtsfahren erschwert worden wäre, wenn er sich umgedreht hätte, wies das Bundesgericht als appellatorisch zurück. Die Vorinstanz habe zu Recht festgehalten, dass dies elementare Fahrkenntnisse erfordere und das Manöver im Schritttempo hätte erfolgen müssen. Zudem sei der Hangar gross und wände-frei gewesen, was eine gute Sicht bei Drehung des Kopfes ermöglicht hätte.
Ein entscheidender Punkt war das vom Beschwerdeführer unbestrittene Ergänzungsgutachten des CURML. Dieses kam zum Schluss, dass sich das Opfer im Sichtfeld des Beschwerdeführers befunden hätte, wenn dieser den Kopf um mindestens 90° gedreht hätte. Die vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Bilder der Rückspiegel zeigten die erheblichen Sichtfeldbeschränkungen auf. Das Fahrzeug verfügte zudem über eine Heckscheibe, die eine Kontrolle ermöglicht hätte. Das Bundesgericht folgerte, dass der Beschwerdeführer die Notwendigkeit hätte erkennen und umsetzen müssen, sich während des Rückwärtsmanövers um 90° zu drehen, um die Abwesenheit von Personen auf seiner Fahrbahn auszuschliessen. Seine Berufserfahrung und Gewohnheiten könnten das gefährliche Verhalten nicht rechtfertigen oder die Sorgfaltspflicht reduzieren. Die Rügen der Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und der Verletzung von Art. 117 StGB wurden daher abgewiesen.
3. Rüge: Vertrauensprinzip (Art. 26 Abs. 1 SVG)
Der Beschwerdeführer berief sich auf das Vertrauensprinzip, wonach man erwarten dürfe, dass sich andere Verkehrsteilnehmer regelkonform verhalten.
Das Bundesgericht erwiderte, dass das Rückwärtsmanöver eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs, das der Beschwerdeführer selbst als "gefährlich" bezeichnete, objektiv keine gefahrlose Situation darstellte. Da der Beschwerdeführer selbst nicht regelkonform gehandelt hatte, indem er mit eingeschränkter Sicht nur die Rückspiegel benutzte und den Kopf nicht drehte, konnte er sich nicht auf das Vertrauensprinzip berufen. Eine mögliche Mitschuld des Opfers wurde im Rahmen der Kausalitätsprüfung behandelt.
4. Rüge: Bruch des adäquaten Kausalzusammenhangs
Der Beschwerdeführer rügte eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und beanstandete einen Bruch des adäquaten Kausalzusammenhangs. Er machte geltend, das Verhalten des Opfers sei unvorhersehbar gewesen und habe den Kausalzusammenhang unterbrochen. Dies stützte er auf angeblich etablierte Sicherheitsregeln auf dem Bauernhof, die langjährige Erfahrung des Opfers und das Lärmemissionsverhalten des Traktors. Er verwies auch auf einen ähnlichen Waadtländer Kantonsgerichtsentscheid.
4.1 Würdigung des Gerichts: Das Bundesgericht bestätigte, dass der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Rückwärtsmanöver und dem Tod des Opfers gegeben war. Auch der adäquate Kausalzusammenhang sei gegeben, da das Rückwärtsfahren mit einem gefährlichen Fahrzeug in einem solchen Arbeitsumfeld ohne vollständiges Sichtfeld nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sei, ein solches Drama herbeizuführen.
4.2 Ablehnung der Gegenargumente: * Hofregeln: Die vom Beschwerdeführer angeführten Sicherheitsregeln seien lediglich Gewohnheitsregeln und nicht ausdrückliche Verbote gewesen. Sie basierten zudem nur auf seinen eigenen Aussagen und waren nicht durch andere Personen auf dem Hof bestätigt. Das Gericht konnte sie daher zu Recht nicht berücksichtigen. * Opferverhalten: Die Vorinstanz habe die Unachtsamkeit des Opfers berücksichtigt, aber festgestellt, dass die Unachtsamkeit eines Fussgängers eine Umstand sei, den jeder Autofahrer bei einem solchen Manöver einkalkulieren müsse. Ein landwirtschaftlicher Stall sei naturgemäss ein Ort, an dem sich Fussgänger aufhalten könnten. Die Anwesenheit des Opfers war somit nicht aussergewöhnlich oder unvorhersehbar. * Lärmemissionen: Die Argumentation des Beschwerdeführers, der Lärm sei ein nutzloses Sicherheitsmittel, wurde als appellatorisch abgewiesen. Die Vorinstanz hatte zu Recht festgehalten, dass sich Landwirte an den Lärm gewöhnen und ihm nicht mehr die volle Aufmerksamkeit schenken. * Referenzurteil: Das vom Beschwerdeführer zitierte Waadtländer Urteil (n° 379 vom 8. Oktober 2021) sei nicht vom Bundesgericht überprüft worden und daher nicht als Präzedenzfall geeignet. Zudem sei der Sachverhalt in jenem Fall zu unterscheiden: Dort hatte der Beschuldigte alle Sorgfaltspflichten beachtet, die Distanz zum Opfer war unbekannt, und ein Stolpern oder Ohnmacht des Opfers konnte nicht ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall hingegen hatte der Beschwerdeführer seine Sorgfaltspflicht verletzt. Das CURML-Gutachten bestätigte, dass das Opfer zum Zeitpunkt des Anstosses stand und keine Ohnmacht oder Gleichgewichtsverlust vorlag. Das Opfer befand sich im Sichtfeld des Beschwerdeführers, wenn dieser den Kopf um 90° gedreht hätte.
Das Bundesgericht schloss, dass die Unachtsamkeit des Opfers nicht die Hauptursache des Unfalls war. Der Unfall wäre vermieden worden, wenn der Beschwerdeführer sich während des Rückwärtsmanövers umgedreht hätte. Das Verhalten des Beschwerdeführers habe die mögliche Unaufmerksamkeit oder Unvorsichtigkeit des Opfers in den Hintergrund gedrängt, so dass kein Bruch des adäquaten Kausalzusammenhangs vorlag.
IV. Entscheid des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde, soweit zulässig, abgewiesen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mangels Erfolgsaussichten abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
V. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte