Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 5A_891/2024 vom 12. November 2025
1. Parteien, Gericht und Streitgegenstand
- Rekurrent: A.__ (Ehemann)
- Intimée: B.__ (Ehefrau)
- Vorinstanz: Einzelrichter der Zivilberufungskammer des Kantonsgerichts Waadt
- Streitgegenstand: Unterhaltsbeiträge im Rahmen ehelicher Schutzmassnahmen (Art. 163 ZGB).
2. Sachverhalt und Verfahrensgang
Die Parteien heirateten 2013 und haben eine gemeinsame Tochter, C.__, geboren 2011. Die Ehefrau hat zudem ein Kind aus einer früheren Beziehung (geb. 2001), der Ehemann zwei Kinder (geb. 2000 und 2003). Die Eheleute trennten sich am 1. Mai 2022.
Die Ehefrau ersuchte den Präsidenten des Zivilgerichts des Gerichtsbezirks Ost-Waadt um Anordnung ehelicher Schutzmassnahmen. Mit Verfügung vom 15. Februar 2024 setzte dieser die Unterhaltsbeiträge des Ehemannes auf monatlich 1'430 CHF für die Tochter und 690 CHF für die Ehefrau, jeweils zuzüglich Familienzulagen, ab dem 1. Mai 2023 (später korrigiert auf 1. Mai 2022) fest.
Gegen diese Verfügung legte die Ehefrau Berufung ein. Mit Urteil vom 14. November 2024 hiess die Einzelrichterin der Zivilberufungskammer des Kantonsgerichts Waadt die Berufung teilweise gut. Sie reformierte die erstinstanzliche Entscheidung und erhöhte die Unterhaltsbeiträge des Ehemannes erheblich und zeitlich gestaffelt:
* Für die Tochter C.__: 3'270 CHF (18.05.-31.12.2022), 3'370 CHF (01.01.-31.12.2023), 3'500 CHF (01.01.-30.06.2024), 1'730 CHF (01.07.-31.08.2024), 2'010 CHF (ab 01.09.2024).
* Für die Ehefrau: 870 CHF (01.05.-31.12.2022), 990 CHF (01.01.-31.12.2023), 1'140 CHF (01.01.-30.06.2024), 1'290 CHF (01.07.-31.08.2024), 850 CHF (ab 01.09.2024).
Dagegen erhob der Ehemann (Rekurrent) Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragte im Wesentlichen eine Reduktion der Unterhaltsbeiträge auf 1'730 CHF für die Tochter und 1'290 CHF für die Ehefrau ab dem 1. Mai 2022.
3. Rechtliche Grundlagen und Prüfungsraster des Bundesgerichts
Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde in Zivilsachen gegen vorsorgliche Massnahmen (eheliche Schutzmassnahmen) gemäss Art. 98 BGG nur die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässt. Dies bedeutet, dass der Rekurrent die Rügen präzis und detailliert begründen muss (Rügeprinzip, Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft Sachverhaltsfeststellungen nur, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV sind. Eine Entscheidung ist willkürlich, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, eine klare und unbestrittene Rechtsnorm oder einen Rechtsgrundsatz schwerwiegend verletzt oder dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in krasser Weise widerspricht. Es genügt nicht, wenn eine andere Lösung denkbar oder gar vorzuziehen wäre; die Willkür muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis vorliegen.
Ferner dürfen keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden, es sei denn, sie ergäben sich aus dem angefochtenen Entscheid (Art. 99 Abs. 1 BGG). Ein vom Rekurrenten eingereichtes, nach dem angefochtenen Entscheid datiertes Schreiben wurde als unzulässiges Novum abgewiesen.
4. Kernpunkte der Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht befasste sich mit zwei zentralen Rügen des Rekurrenten:
4.1. Willkürliche Feststellung des Einkommens des Rekurrenten für das Jahr 2024
- Rüge des Rekurrenten: Der Rekurrent beanstandete, die kantonale Instanz habe in zwei Zeitabschnitten des Jahres 2024 (1. Januar bis 30. Juni 2024 und ab 1. September 2024) willkürlich ein höheres monatliches Einkommen von 11'998 CHF angenommen, obwohl sie zuvor für das Jahr 2023 ein Einkommen von 11'498 CHF festgestellt und dieses auch für die Periode vom 1. Juli bis 31. August 2024 zugrunde gelegt hatte. Die Erhöhung um 500 CHF pro Monat sei unbegründet und führe zu einer willkürlichen Erhöhung der Unterhaltsbeiträge um monatlich 100 CHF für das Kind und 200 CHF für die Ehefrau, insgesamt 300 CHF.
- Stellungnahme der Intimée: Die Intimée verteidigte die höhere Einkommensannahme mit der Begründung, der Rekurrent habe die erforderlichen Unterlagen für 2024 nicht eingereicht (vom Bundesgericht als unzulässiges Novum zurückgewiesen), sein Einkommen sei stetig gestiegen, und die Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung seien vernachlässigbar.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht gab dem Rekurrenten in diesem Punkt Recht. Es stellte fest, dass die Vorinstanz keine Begründung für die Erhöhung des monatlichen Einkommens um 500 CHF für die genannten Perioden des Jahres 2024 geliefert hatte. Die Argumente der Intimée wurden als unbehelflich erachtet; insbesondere sei es willkürlich, die mangelnde Vorlage von Unterlagen auf einer unzulässigen neuen Tatsache zu basieren oder aus der Entwicklung der Vorjahreseinkommen ohne weitere fundierte Anhaltspunkte eine derartige Erhöhung abzuleiten. Auch die als "vernachlässigbar" bezeichnete Differenz von 300 CHF pro Monat wurde vom Bundesgericht als massgeblich erachtet, da sie das Ergebnis der Unterhaltsberechnung willkürlich mache.
- Entscheid: Die Beschwerde wurde in diesem Punkt teilweise gutgeheissen. Die Unterhaltsbeiträge wurden für die Periode vom 1. Januar 2024 bis 30. Juni 2024 auf 3'400 CHF für die Tochter und 940 CHF für die Ehefrau, sowie für die Periode ab dem 1. September 2024 auf 1'910 CHF für die Tochter und 650 CHF für die Ehefrau korrigiert.
4.2. Willkürliche Festsetzung der Anpassungsfrist für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Ehefrau
- Rechtliche Grundlagen (Art. 163 ZGB analog): Das Bundesgericht bekräftigte den Grundsatz der finanziellen Eigenständigkeit der Ehegatten, der bereits ab dem Zeitpunkt der Trennung gilt, wenn keine vernünftige Aussicht auf Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens besteht (ATF 148 III 358; 147 III 301). Ein Ehegatte kann nur dann Unterhaltsbeiträge beanspruchen, wenn er trotz zumutbarer Anstrengungen nicht oder nicht vollständig für seinen angemessenen Unterhalt aufkommen kann. Die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder die Ausweitung einer Erwerbstätigkeit ist zumutbar. Die hierfür gewährten Anpassungsfristen müssen jedoch "grosszügig" bemessen sein (ATF 147 III 308; 144 III 481).
- Kriterien für die Fristdauer: Die Gerichte müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, darunter die Dauer der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt, die wirtschaftliche Lage, der Arbeitsmarkt, die familiäre Situation, der Anpassungsbedarf bei der Kinderbetreuung, notwendige Aus- und Weiterbildung sowie die Vorhersehbarkeit der Veränderungen (ATF 147 III 308; 129 III 417).
- Rückwirkende Anrechnung von hypothetischem Einkommen: Eine rückwirkende Anrechnung ist nur zulässig, wenn der Pflichtige sein Einkommen freiwillig und in Kenntnis seiner Unterhaltspflichten reduziert hat oder wenn ein Rechtsmissbrauch vorliegt (ATF 143 III 233).
- Rüge des Rekurrenten: Der Rekurrent rügte, eine Anpassungsfrist von zwei Jahren und zwei Monaten ab der Trennung (bis 1. Juli 2024) sei schockierend und verstosse gegen das Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden. Er machte geltend, die Ehefrau habe bereits vor der Trennung gewusst, dass eine Erwerbstätigkeit von ihr verlangt werden könnte, habe in ihrer eigenen Eingabe ein früheres hypothetisches Einkommen eingeräumt und zeige keine Absicht, tatsächlich Arbeit zu suchen. Zudem habe die Vorinstanz die spezifischen Umstände für die Fristsetzung nicht erklärt, sondern sich nur auf die "Situation der Beschwerdeführerin" bezogen.
- Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies diese Rüge zurück.
- Es hielt fest, dass der Richter im Rahmen der umfassenden Untersuchungsmaxime (bei eherechtlichen Massnahmen, insbesondere wenn auch Kindesunterhalt betroffen ist) weder an die behaupteten noch an die zugestandenen Tatsachen der Parteien gebunden ist. Daher sei es nicht willkürlich, wenn die kantonale Instanz der Ehefrau eine längere Frist zur Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit einräume, als sie selbst ursprünglich beantragt hatte.
- Der Vorwurf mangelnder Begründung sei unzutreffend. Die kantonale Instanz habe sich auf die "Situation der Beschwerdeführerin" bezogen und dabei explizit Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse berücksichtigt.
- Die Bedingungen für eine rückwirkende Anrechnung eines hypothetischen Einkommens seien nicht erfüllt: Die Ehefrau habe ihre Erwerbstätigkeit nicht nach oder kurz vor der Trennung aufgegeben, und es sei ihr kein Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.
- Der Rekurrent setze seinerseits lediglich seine eigene Einschätzung der Dauer der Anpassungsfrist entgegen, ohne jedoch Willkür im weiten Ermessen der kantonalen Instanz aufzuzeigen.
- Entscheid: Die Beschwerde wurde in diesem Punkt abgewiesen.
5. Gesamtentscheid des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hat die Beschwerde in Zivilsachen im Umfang der Begründetheit teilweise gutgeheissen. Es hat den angefochtenen Entscheid reformiert, indem es die Unterhaltsbeiträge für die Tochter und die Ehefrau für die Zeiträume vom 1. Januar 2024 bis 30. Juni 2024 sowie ab dem 1. September 2024 korrigiert hat, und im Übrigen abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden hälftig zwischen den Parteien aufgeteilt, und die Parteikosten wurden gegenseitig verrechnet. Die Frage der Kosten und Entschädigungen der kantonalen Verfahren wurde zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Teilweise Gutheissung wegen Einkommensberechnungsfehler: Das Bundesgericht stellte fest, dass das Kantonsgericht willkürlich ein höheres hypothetisches Einkommen des Ehemannes für Teile des Jahres 2024 ohne Begründung angenommen hatte. Dies führte zu einer unzulässigen Erhöhung der Unterhaltsbeiträge.
- Ablehnung der Rüge bezüglich Anpassungsfrist für Erwerbstätigkeit: Das Bundesgericht bestätigte die weite Ermessensfreiheit der Vorinstanz bei der Festsetzung der Anpassungsfrist für die berufliche Reintegration der Ehefrau. Es betonte, dass der Richter nicht an die Behauptungen der Parteien gebunden ist und keine Willkür vorlag, da die Vorinstanz die relevanten Umstände berücksichtigt und keine Grundlage für eine rückwirkende Anrechnung eines hypothetischen Einkommens gefunden hatte.
- Wichtigkeit des Rügeprinzips: Im Rahmen der Beschwerde in Zivilsachen gegen vorsorgliche Massnahmen wird nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geprüft, was eine detaillierte und präzise Argumentation erfordert.