Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Bundesgericht, 5A_871/2025, Urteil vom 14. November 2025
1. Parteien und Gegenstand Das Urteil betrifft einen Fall von internationaler Kindesentführung nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKKÜ). Die Beschwerdeführerin (A._, Mutter, spanische Staatsangehörigkeit) wandte sich an das Bundesgericht gegen einen Entscheid der Cour de justice des Kantons Genf, welche die sofortige Rückführung ihres Sohnes (C._, geboren November 2019) nach Spanien angeordnet hatte. Der Kindsvater (B.__, Intimierter, französische Staatsangehörigkeit) hatte die Rückführung beantragt. Das Kind wurde durch eine Beiständin vertreten.
2. Sachverhalt und Vorverfahren Die nicht miteinander verheirateten Eltern trennten sich 2021, lebten aber weiterhin in U.__ (Spanien). Sie übten gemeinsam die elterliche Sorge aus. Seit einem Entscheid des Gerichts von Barcelona vom 23. Oktober 2023, bestätigt am 19. Juni 2025, wurde ein Wechselmodell praktiziert. Am 19. Juni 2025 wurde dem Vater von derselben spanischen Behörde die ausschliessliche elterliche Sorge über das Kind zugesprochen. Ein von der Mutter wegen Gewalt gegen den Vater eingeleitetes Strafverfahren wurde am 5. September 2024 vorläufig eingestellt. Im März 2025 verliess die Mutter mit ihrem Sohn Spanien und zog in die Schweiz.
Am 25. Juni 2025 beantragte der Vater bei der Genfer Cour de justice die sofortige Rückführung des Kindes nach Spanien. Er beantragte auch superprovisorische und provisorische Massnahmen, darunter ein Ausreiseverbot für die Mutter und die Hinterlegung der Ausweispapiere des Kindes. Die Cour de justice ordnete am 26. Juni 2025 die beantragten Massnahmen an und setzte dem Kind eine Beiständin ein. Die Beiständin sprach sich für die Rückführung aus, während die Mutter die Abweisung des Rückführungsgesuchs forderte. Die Cour de justice erklärte das Rückführungsgesuch für zulässig und ordnete am 29. September 2025 die sofortige Rückführung des Kindes nach Spanien an.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
3.1. Formelle Rügen der Beschwerdeführerin Die Beschwerdeführerin machte mehrere formelle Mängel geltend, die eine Verletzung ihres Rechts auf ein gesetzlich konstituiertes Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 1 EMRK) darstellen würden.
Anwesenheit eines Einzelrichters an der Verhandlung: Die Beschwerdeführerin rügte, dass an der Verhandlung vom 9. September 2025, die Schlichtung, persönliches Erscheinen und Schlussvorträge umfasste, nur der delegierte Richter anwesend war und die beiden anderen Richter des Kollegiums die Parteivorbringen nicht gehört hätten, was eine Verletzung von Art. 119 des Genfer Gerichtsgesetzes (LOJ) darstelle. Eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 1 EMRK) wurde als verspätet und damit unzulässig erachtet. Das Bundesgericht hielt fest, dass Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK das Recht auf ein gesetzlich konstituiertes, unabhängiges und unparteiisches Gericht gewährleisten. Die Zusammensetzung kantonaler Gerichte wird durch kantonales Recht geregelt, dessen Anwendung nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüft wird. Gemäss Art. 124 Abs. 2 ZPO kann die Prozessführung an ein einzelnes Mitglied des Gerichts delegiert werden, insbesondere im summarischen Verfahren, das hier gemäss Art. 302 Abs. 1 lit. a ZPO und Art. 8 Abs. 2 IKEG (Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen) Anwendung findet. Eine solche Delegation ist auch bei der Beweisabnahme (Art. 155 Abs. 1 ZPO) möglich. Die Parteien müssen über eine solche Delegation informiert werden, können aber verlangen, dass die Beweisabnahme durch das gesamte Gericht erfolgt. Das Bundesgericht entschied, dass die Dringlichkeit von HKKÜ-Verfahren eine Delegation der Prozessführung an einen Einzelrichter rechtfertigt. Die Beschwerdeführerin hätte ihre Rüge der fehlenden Information über die Delegation, da sie anwaltlich vertreten war, gemäss dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 52 ZPO) bereits an der Verhandlung vorbringen müssen. Die Rüge wurde daher abgewiesen.
Statuswechsel des Richters: Die Beschwerdeführerin kritisierte, dass Richter D.__, der die provisorischen Anordnungen als "Präsident" des Kollegiums getroffen hatte, im Endentscheid nicht mehr als Präsident, aber als Mitglied des Kollegiums aufgeführt war. Das Bundesgericht verneinte die Relevanz dieses Arguments, da der RCJ dem Präsidenten keine übergeordnete Stellung einräumt und die Entscheidung mit Stimmenmehrheit getroffen wird (Art. 28 Abs. 3 RCJ).
Fehlende Unterschrift der Präsidentin: Die Beschwerdeführerin beanstandete, dass der angefochtene Entscheid nicht von der Präsidentin unterschrieben war, was eine willkürliche Verletzung von Art. 29 Abs. 1 RCJ darstelle. Das Bundesgericht führte aus, dass gemäss Art. 238 lit. h ZPO die Unterschrift des Gerichts erforderlich ist, die Frage, wer unterzeichnet, jedoch kantonalem Recht unterliegt (Art. 3 ZPO). In Genf ist die Minute (Original) des Urteils von den Richtern zu unterschreiben, während die den Parteien zugestellte Ausfertigung (beglaubigte Kopie) nur den Gerichtssiegel und die Unterschrift des Gerichtsschreibers trägt. Da die zugestellte Entscheidung das Siegel und die Unterschrift der Gerichtsschreiberin trug und die Beschwerdeführerin nicht behauptete, die Originalminute sei nicht unterschrieben, wurde diese Rüge ebenfalls abgewiesen.
3.2. Materielle Prüfung – Rückführung nach HKKÜ Das Bundesgericht prüfte die materiellen Voraussetzungen der Rückführung nach dem HKKÜ, das sowohl in Spanien als auch in der Schweiz in Kraft ist. Die Rückführung eines Kindes setzt voraus, dass seine Verbringung oder sein Vorenthalten nach Art. 3 HKKÜ widerrechtlich ist. Bei Widerrechtlichkeit wird die sofortige Rückführung angeordnet (Art. 1 lit. a, 3 und 12 Abs. 1 HKKÜ), es sei denn, eine der Ausnahmen von Art. 13 HKKÜ sei gegeben.
Die Beschwerdeführerin bestritt weder die Widerrechtlichkeit der Verbringung noch die gerichtlich in Spanien festgelegten Rechte des Vaters. Sie berief sich einzig auf die Ausnahmeregelung von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKKÜ, wonach die Rückführung nicht angeordnet werden muss, wenn ein schwerwiegendes Risiko besteht, dass die Rückführung das Kind einer körperlichen oder seelischen Gefahr aussetzen oder es in eine unzumutbare Lage versetzen würde.
3.2.1. Interpretation von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKKÜ im Lichte von Art. 8 EMRK und Art. 3 KRK * Art. 3 KRK (Kindeswohlprinzip): Das Bundesgericht bestätigte, dass das Kindeswohl (Art. 3 KRK) zu berücksichtigen ist, diese Bestimmung jedoch nicht direkt anwendbar ist (ATF 150 I 93 E. 6.7.1). * Art. 13 Abs. 1 lit. b HKKÜ: Der Begriff des "schwerwiegenden Risikos" ist restriktiv auszulegen. Es müssen reale Gefahren von einem gewissen Ausmass vorliegen, die zu einer "unzumutbaren Lage" führen würden, d.h. einer Situation, die ein Kind vernünftigerweise nicht tolerieren kann. Gründe, die die Erziehungsfähigkeiten der Eltern betreffen, sind nicht relevant, da das HKKÜ nicht über die Obhut materiell entscheiden, sondern nur die Rückführung ermöglichen soll (Art. 16 und 19 HKKÜ; ATF 133 III 146 E. 2.4). * Art. 5 IKEG: Diese Bestimmung konkretisiert Art. 13 Abs. 1 lit. b HKKÜ und listet kumulative Bedingungen auf, unter denen eine Rückführung zu einer offensichtlich unzumutbaren Lage für das Kind führen würde (z.B. wenn die Platzierung beim beantragenden Elternteil nicht im Interesse des Kindes ist). * Trennung vom entführenden Elternteil: Eine Trennung des Kindes von seinem entführenden Elternteil stellt allein noch keinen Ablehnungsgrund dar. Eine Ausnahme wird nur bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren gemacht, bei denen die Unzumutbarkeit der Trennung generell anerkannt wird. Das Kind C.__ war zum Zeitpunkt der Entscheidung etwa 5,5 Jahre alt. * Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens): Die Pflichten der Staaten aus Art. 8 EMRK sind im Lichte des HKKÜ auszulegen. Es geht darum, ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Interessen des Kindes, der Eltern und der öffentlichen Ordnung zu finden. Das Kindeswohl muss dabei das entscheidende Kriterium sein, hat aber einen doppelten Aspekt: die Aufrechterhaltung der familiären Bindungen und die Gewährleistung einer gesunden Entwicklung in einer angemessenen Umgebung (vgl. EGMR, Thompson gegen Russland, Vladimir Ushakov gegen Russland). Die Beurteilung des "schwerwiegenden Risikos" obliegt primär den nationalen Behörden, die hierfür einen gewissen Ermessensspielraum geniessen.
3.2.2. Würdigung der Beschwerdegründe durch das Bundesgericht Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass keine der vorgelegten Unterlagen belegte, dass das Kind vor der Entführung unter den Beziehungen zum Vater gelitten hätte oder diese unangemessen gewesen wären. Im Gegenteil sprachen die Akten für eine angemessene und normale Beziehung. Konkrete Beweise für eine schwerwiegende Gefahr bei Rückführung nach Spanien fehlten. Strafverfahren der Mutter gegen den Vater waren vorläufig eingestellt.
Die Beschwerdeführerin hielt dem entgegen, sie sei die "primary caregiver" gewesen, was willkürlich nicht berücksichtigt worden sei. Sie führte an, es gäbe zahlreiche Hinweise auf ein gewalttätiges Verhalten des Vaters (Äusserungen des Kindes, die angebliche Anerkennung von Partnergewalt durch den Vater, strafrechtliche Ermittlungen von Amts wegen). Die Vorinstanz habe zudem die positiven Beziehungen zwischen Kind und Vater nicht ausreichend begründet und das Urteil des spanischen Gerichts, welches dem Vater die ausschliessliche Obhut zugesprochen und der Mutter kein Besuchsrecht eingeräumt habe, falsch gewürdigt, was zu einem abrupten Abbruch der Bindung führen und dem Kindesschutz widersprechen würde.
Das Bundesgericht wies diese Argumente zurück: * Ein spanischer Kindesschutzbericht belege, dass der Vater "ausreichend in die verschiedenen Familienbereiche involviert" sei, "berufliche und wirtschaftliche Stabilität" aufweise und einen "auf Dialog ausgerichteten Erziehungsstil" pflege. Das Kind habe eine "stabile Alltagsentwicklung" und eine "affektive Bindung" zu beiden Eltern. * Die Zuerkennung der ausschliesslichen elterlichen Sorge (bzw. Obhut, wie von der Mutter behauptet) an den Vater durch spanische Gerichte widerspreche der Annahme einer schwerwiegenden Gefahr. * Die vom Kind wiedergegebenen Äusserungen seien aus dem Kontext gerissen und nicht entscheidend, da das Kind seit Monaten vom Vater getrennt lebte. * Das Strafverfahren wegen Gewalt wurde vorläufig eingestellt. * Die vom Vater eingeräumte Partnergewalt betraf die Paarbeziehung, ohne dass er die alleinige Verantwortung zugab, und bewies keine konkrete Gefahr für das Kind. * Das angebliche Verhindern der Kommunikation zwischen Kind und Mutter durch den Vater betrifft dessen Erziehungskompetenzen, nicht aber eine schwerwiegende Gefahr für das Kind im Sinne des HKKÜ-Verfahrens. * Das Fehlen eines Besuchsrechts für die Mutter im spanischen Urteil ist kein Grund zur Ablehnung der Rückführung angesichts des Alters des Kindes (> 2 Jahre). Die Trennung vom Bezugselternteil ist kein Ausnahmegrund, ausser bei Kleinkindern. * Da die Beschwerdeführerin keine unzumutbare Lage nachweisen konnte, musste auch die Frage einer möglichen Begleitung des Kindes durch die Mutter nicht geprüft werden. * Die vorangehenden Erwägungen, die auf den Ausführungen der Vorinstanz beruhten, widerlegen die Rüge einer mangelhaften Begründung oder unzureichenden Prüfung der Sache durch die Vorinstanz. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK wurde folglich nicht festgestellt.
3.3. Diplomatische Garantien Die Beschwerdeführerin verlangte subsidiär, die Rückführung des Kindes von diplomatischen Garantien Spaniens abhängig zu machen, dass das Kind eine enge Bindung zur Mutter aufrechterhalten könne, und berief sich dabei auf Art. 10 IKEG.
Das Bundesgericht wies auch diese Forderung zurück: * Der Antrag stehe in Widerspruch zu ihren weiter subsidiären Anträgen. * Art. 10 IKEG (Prüfung der Ausführungsbedingungen im ersuchenden Staat) sei nicht relevant, da die Vorinstanz davon ausgegangen sei, dass keine Nachfragen notwendig seien, da der Vater vor der Entführung die Obhut geteilt habe und Gewaltvorwürfe unbewiesen blieben. Dies sei nicht willkürlich. * Die geforderten "diplomatischen Garantien" würden Schutzmassnahmen ähneln, die typischerweise bei Gewalt gegen das Kind in Betracht gezogen werden, welche hier nicht nachgewiesen wurde. Es sei anerkannt, dass das HKKÜ zu einer Trennung des Kindes von seinem entführenden Elternteil führen kann. * Es besteht keine Pflicht der Schweizer Behörden, Garantien über die persönlichen Beziehungen zwischen Mutter und Kind vom spanischen Staat einzuholen, da diese Frage von den zuständigen spanischen Gerichten zu entscheiden ist (Art. 7 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern [HKsÜ 1996]). * Schliesslich, die allenfalls zwischen den Zeilen vorgebrachte Rüge einer Missachtung des Kindeswillens (Art. 13 Abs. 2 HKKÜ) wurde ebenfalls abgelehnt, da zum einen keine tatsächlichen Hinweise auf einen Widerstand des Kindes gegen die Rückführung vorlagen und zum anderen das Alter des Kindes (knapp 6 Jahre) es nicht zulässt, diesem Kriterium entscheidendes Gewicht beizumessen (vgl. BGer 5A_482/2023).
4. Entscheid und Ausführung Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Die Rückführung des Kindes nach Spanien wurde bis spätestens 20. Dezember 2025 angeordnet, um dem Kind den Abschluss des Schuljahres in der Schweiz und den Beginn im neuen Jahr in Spanien zu ermöglichen. Der Service de protection des mineurs (SPMi), gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Beiständin des Kindes, wurde mit der Vorbereitung und Durchführung der Rückführung beauftragt, nötigenfalls unter Beiziehung der Polizeigewalt. Die RIPOL/SIS-Einträge bleiben bis zur tatsächlichen Rückführung bestehen. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und die Anwälte der Parteien sowie die Beiständin wurden aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Mutter gegen die Anordnung der Rückführung ihres Sohnes nach Spanien ab. Es bestätigte, dass die Voraussetzungen für eine sofortige Rückführung gemäss dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKKÜ) erfüllt sind. Das Gericht verneinte das Vorliegen eines "schwerwiegenden Risikos" für das Kind im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKKÜ, da die von der Mutter behaupteten Gefahren und Mängel in der Beziehung zum Vater nicht nachgewiesen oder als nicht relevant für das Rückführungsverfahren beurteilt wurden. Auch formelle Rügen bezüglich der Gerichtszusammensetzung und der Unterschriftspraxis wurden abgewiesen. Die Forderung nach "diplomatischen Garantien" zur Sicherstellung des Mutter-Kind-Kontakts wurde ebenfalls zurückgewiesen, da dies in die Zuständigkeit der spanischen Gerichte fällt. Die Rückführung des Kindes nach Spanien wurde bis zum 20. Dezember 2025 angeordnet.