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Das Bundesgericht befasste sich mit einer Beschwerde gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, welches die Durchführung einer Sonderuntersuchung bei der A._ AG (Beschwerdeführerin) auf Antrag der B._ AG (Beschwerdegegnerin) anordnete. Die Beschwerdegegnerin, eine Minderheitsaktionärin mit 15% des Aktienkapitals der Beschwerdeführerin, hatte diese Untersuchung beantragt, da sie den Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin einer faktischen Liquidation und der Verletzung der Treuepflicht (Art. 717 OR) bezichtigte. Konkret wurde behauptet, wesentliche Betriebsteile und Vermögenswerte seien ohne Ermächtigung und im Interessenkonflikt auf die neu gegründete G.__ AG, die den Mehrheitsaktionären der Beschwerdeführerin nahesteht, übertragen worden.
Der Konflikt entstand aus einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Bereich Gastronomie-Küchengeräte, die 2010 durch eine gesellschaftsrechtliche Bindung ergänzt wurde. Nach Verschlechterung der Beziehungen ab 2020 scheiterten Vertragsverhandlungen, und ein 2021 gekündigter Aktionärsbindungsvertrag führte zur Gründung der G._ AG durch die Mehrheitsaktionäre der Beschwerdeführerin (D._ AG und F.__), um ein Nachfolgegerät zu entwickeln und vertreiben. Dies führte zu Vorwürfen der Beschwerdegegnerin, der Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin habe die Gesellschaft faktisch liquidiert und ihren Zweck geändert.
Nachdem die Beschwerdegegnerin im Vorfeld der Generalversammlung 2023 einen Fragenkatalog zur Jahresrechnung 2022 unbeantwortet gelassen hatte und ihr die Teilnahme- und Stimmrechte an der Generalversammlung durch den Verwaltungsrat entzogen wurden (aufgrund eines streitigen Rücktritts der D.__ AG von Aktienkaufverträgen), reichte sie beim Obergericht Zug ein Gesuch um Einsetzung eines Sachverständigen zur Sonderuntersuchung ein. Das Obergericht hiess das Gesuch teilweise gut und beauftragte einen Sachverständigen mit der Beantwortung von neun spezifischen Fragen bezüglich der Jahresrechnung 2022 und der Vermögensverschiebungen.
Rechtliche Würdigung durch das BundesgerichtDas Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführerin, wonach das Obergericht die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin, das Glaubhaftmachen einer Gesetzes- oder Statutenverletzung, die Erforderlichkeit der Sonderuntersuchung und das Rechtsmissbrauchsverbot verletzt habe.
1. Anwendbares RechtDas Bundesgericht stellte fest, dass die Sonderuntersuchung, obwohl zum Geschäftsbericht 2022 beantragt, dem neuen Aktienrecht untersteht (in Kraft seit 1. Januar 2023). Es betonte jedoch, dass die im vorliegenden Verfahren strittigen Voraussetzungen einer Sonderuntersuchung (Aktivlegitimation, Gesetzesverletzung und Erforderlichkeit für die Ausübung der Aktionärsrechte gemäss Art. 697d OR n.F.) materiell unverändert aus dem alten Recht entspringen. Die zum alten Aktienrecht ergangene Rechtsprechung behält daher volle Gültigkeit.
2. Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin (Art. 697d Abs. 1 Ziff. 2 OR)Die Beschwerdeführerin bestritt die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin, da die D.__ AG (Mehrheitsaktionärin) den Rücktritt von den Aktienkaufverträgen vom 30. November 2010 erklärt und die Rückübertragung der Aktien gefordert habe. Sie monierte, das Obergericht hätte dies vorfrageweise prüfen müssen.
Das Bundesgericht bestätigte die bundesrechtskonforme Erwägung des Obergerichts. Es hielt fest, dass die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils im Aktienbuch eingetragen und somit im Sinne einer widerlegbaren Vermutung Aktionärin der Beschwerdeführerin war (Art. 686 Abs. 4 OR, BGE 137 III 460 E. 3.2.2). Der von der D._ AG erklärte Rücktritt von den Aktienkaufverträgen begründet lediglich einen vertraglichen Anspruch auf Rückübertragung zwischen den Vertragsparteien (D._ AG und B.__ AG), ändert aber nichts an der Aktionärseigenschaft der Beschwerdegegnerin im Verhältnis zur Gesellschaft, solange die Aktien nicht tatsächlich rückübertragen wurden. Eine aktienrechtliche Grundlage für ein Ruhen der Aktionärsrechte in dieser Konstellation fehle. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht in ein für sie fremdes Rechtsverhältnis einmischen und die Mehrheitsaktionärin bevorzugen, um Minderheitsrechte abzusprechen. Die vorfrageweise Klärung der Rechtmässigkeit des Rücktritts sei daher nicht erforderlich.
3. Glaubhaftmachen einer Gesetzes- oder Statutenverletzung (Art. 697d Abs. 3 OR)Die Beschwerdeführerin rügte, die Beschwerdegegnerin habe keine hinreichend bestimmte Gesetzes- oder Statutenverletzung glaubhaft gemacht, sondern lediglich allgemeine Mutmassungen geäussert. Zudem habe die Vorinstanz das Beweismass falsch angewendet und entlastende Sachverhalte ignoriert.
Das Bundesgericht präzisierte die Anforderungen des Beweismasses "Glaubhaftmachen": Es genügt, wenn gewisse Elemente dafür sprechen, dass die vorgeworfenen Handlungen oder Unterlassungen Schaden anrichten könnten, ohne dass das Gericht vollends vom Vorhandensein dieser Tatsachen überzeugt sein muss (BGE 120 II 393 E. 4c; BGE 140 III 610 E. 4.3.3). Für Rechtsfragen genügt eine summarische Vertretbarkeitsprüfung. Das Bundesgericht prüft die tatsächliche Beweiswürdigung nur auf Willkür, die rechtliche summarische Beurteilung auf Vertretbarkeit.
Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz die Anforderungen der Glaubhaftmachung korrekt angewendet hatte. Der Vorwurf der faktischen Liquidation durch Abfluss bzw. Übertragung von Vermögenswerten auf die G._ AG, gestützt auf den Vergleich der Bilanzen der Beschwerdeführerin (2022 versus 2018-2021), sei hinreichend konkret. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, an wen und zu welchen Preisen Vermögenswerte (z.B. Vorräte, Sachanlagen) veräussert wurden. Auch die Präsenz von "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Nahestehenden" (vermutlich G._ AG) sei ein Indiz. Der von der Beschwerdeführerin geforderte Detaillierungsgrad würde dem Zweck der Sonderuntersuchung widersprechen, welche gerade zur Klärung solcher Sachverhalte dient.
Die Rüge, die Vorinstanz habe eine zu geringe Überzeugungsrate angenommen oder eine Beweislastumkehr vorgenommen, wies das Bundesgericht zurück. Die zurückhaltende Wortwahl der Vorinstanz ("allfällige", "es könnte sein") sei gerade Ausdruck der korrekten Anwendung des herabgesetzten Beweismasses und der summarischen Prüfung.
Auch die Rügen der Verletzung des Rechts auf Gegenbeweis und des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 8 ZGB, Art. 152 Abs. 1 ZPO, Art. 53 Abs. 1 ZPO) wies das Bundesgericht ab. Die Vorinstanz habe die Vorbringen der Beschwerdeführerin, insbesondere zur erfolgreichen Geschäftstätigkeit 2022 und zur angeblichen Verdrängungsstrategie der Beschwerdegegnerin, berücksichtigt und sich in ihrer Begründung darauf beschränkt, warum diese für die Frage der faktischen Liquidation Ende 2022 nicht ausschlaggebend seien. Eine willkürliche Beweiswürdigung sei nicht dargelegt worden.
4. Erforderlichkeit für die Ausübung der Aktionärsrechte (Art. 697d Abs. 2 OR)Die Beschwerdeführerin monierte, die zugelassenen Fragen seien bereits beantwortet, ungeeignet, auf Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen oder auf eine Ermessenskontrolle des Verwaltungsrats ausgerichtet.
Das Bundesgericht betonte, dass die Beantwortung der Fragen für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich sein muss. Die Vorinstanz habe zu Recht festgestellt, dass die von der Beschwerdeführerin in ihrer Gesuchsantwort (vermeintlich) unterbreiteten Antworten nicht abschliessend, nicht aufschlussreich oder nicht belegt waren und daher einer Sonderuntersuchung zugänglich blieben. Die Fragen (z.B. nach Übertragungszeitpunkt, Empfänger und Preisen von Vorräten, Sachanlagen, Finanzanlagen, Gründen für fehlende Forderungen an Dritte) dienten der Abklärung von Tatsachen, um die Aktionärsrechte ausüben zu können. Die Fragen nach Personalbestand und Räumlichkeiten würden Rückschlüsse auf die Geschäftsaktivitäten zulassen.
Hinsichtlich des Einwands der Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen hielt das Bundesgericht fest, dass Geheimhaltungsinteressen erst bei der Durchführung der Sonderuntersuchung (Art. 697f Abs. 4 OR) und bei der Bereinigung des Berichts (Art. 697g Abs. 2 OR) zu berücksichtigen sind, nicht bereits bei der Anordnung. Auch zielten die Fragen nach der Klarstellung der Vorinstanz nicht auf eine rechtliche Beurteilung oder ein Werturteil über die Geschäftsführung oder Ermessensentscheide des Verwaltungsrates ab.
5. Rechtsmissbrauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB)Schliesslich wies das Bundesgericht die Rüge des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB) zurück. Die Beschwerdeführerin konnte nicht aufzeigen, dass die Beschwerdegegnerin ihr Recht auf Sonderuntersuchung für sachfremde Zwecke missbrauche. Der Umstand, dass sich die Parteien zerstritten haben und sich gegenseitig schädigender Konkurrenzierung bezichtigen, sei für ein Institut, dem regelmässig Interessenkonflikte zugrunde liegen, typisch und begründe keinen offensichtlichen Rechtsmissbrauch. Auch die Verteidigung der Beschwerdegegnerin gegen den aus ihrer Sicht unrechtmässigen Rücktritt vom Aktienkaufvertrag stelle keinen Missbrauch dar, da kein rechtskräftiges Urteil zu dieser Frage vorliege.
Wesentliche Punkte der Entscheidung:Das Bundesgericht wies die Beschwerde der A.__ AG ab und bestätigte die Anordnung der Sonderuntersuchung durch das Obergericht Zug.