Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_353/2025 vom 5. November 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 9C_353/2025 vom 5. November 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A.A._ und B.A._ * Beschwerdegegner: Kantonales Steueramt Zürich

Gegenstand: Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und direkte Bundessteuer, Steuerperioden 2010 bis 2015, betreffend Nachsteuern aus nicht deklarierten Darlehenszinsen.

Vorinstanz: Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Urteil vom 7. Mai 2025)

I. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Die Kantonspolizei Zürich informierte das Kantonale Steueramt Zürich (nachfolgend: Steueramt) am 4. April 2017 über eine Strafuntersuchung wegen Wuchers gegen A.A._. Gestützt darauf eröffnete das Steueramt am 3. Januar 2018 ein Nachsteuer- und Bussenverfahren gegen A.A._ und dessen Ehefrau B.A.__ (nachfolgend: Pflichtige) für die Steuerperioden 2008 bis 2015. Begründet wurde dies mit der Annahme, erhebliche Vermögenswerte und Erträge seien nicht versteuert worden.

Nach diversen Schriftenwechseln auferlegte das Steueramt den Pflichtigen mit Verfügung vom 14. Juli 2022 Nachsteuern (samt Zins) für die direkte Bundessteuer und die Staats- und Gemeindesteuern der Perioden 2008-2015. Zudem wurde A.A._ wegen Steuerhinterziehung gebüsst, während das Bussenverfahren gegen B.A._ und für die Perioden 2008-2011 eingestellt wurde. Die hiergegen erhobenen Einsprachen führten zu einer teilweisen Reduktion der Nachsteuern und Bussen (Einspracheentscheid vom 8. November 2024).

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess den daraufhin eingereichten Rekurs bzw. die Beschwerde teilweise gut. Es setzte die Nachsteuern (samt Zins) für die Steuerperioden 2010 bis 2015 fest (CHF 42'819.40 für die direkte Bundessteuer und CHF 93'541.10 für die Staats- und Gemeindesteuern). Die Nachbesteuerung für die Steuerperioden 2008 und 2009 schloss das Gericht aufgrund der eingetretenen absoluten Verjährungsfrist von 15 Jahren aus. Die separaten Bussenverfahren wurden bis zum Erlass eines rechtskräftigen Entscheids über die Nachsteuern sistiert.

Die Pflichtigen reichten gegen dieses Urteil Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein, mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückweisung zur Neubeurteilung der tatsächlichen Geldflüsse und der Vermögensentwicklung.

II. Prozessuale Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde grundsätzlich ein, interpretierte den primären Aufhebungs- und Rückweisungsantrag nach Treu und Glauben als Sachantrag auf Aufhebung der Nachsteuerpflicht betreffend die Darlehenszinsen.

Nicht eingetreten wurde auf Begründungselemente zur Höhe der Bussen, da das diesbezügliche Verfahren noch sistiert war und somit ein Anfechtungsgegenstand fehlte. Ebenso blieben neu eingereichte Akten und Beweismittel der Beschwerdeführer aufgrund des Novenverbots (Art. 99 Abs. 1 BGG) unberücksichtigt, da kein Anlass erkennbar war, der deren Einreichung erst durch das angefochtene Urteil gerechtfertigt hätte.

Das Bundesgericht legte seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde (Art. 105 Abs. 1 BGG), da keine offensichtliche Unrichtigkeit oder Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG) dargelegt werden konnte. Die Überprüfung des kantonalen Rechts erfolgte primär unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots (Art. 9 BV).

III. Massgebende rechtliche Grundlagen und Würdigung der Sach- und Rechtslage

1. Veranlagungsverfahren und Nachsteuerpflicht

  • Untersuchungsmaxime und Mitwirkungspflicht: Das Veranlagungsverfahren unterliegt grundsätzlich der Untersuchungsmaxime (Art. 123 Abs. 1 DBG), wonach die Steuerbehörden den gesamten Sachverhalt von Amtes wegen untersuchen. Dem stehen jedoch umfassende Mitwirkungspflichten der steuerpflichtigen Personen gegenüber (Art. 124 ff. DBG). Eine Verletzung dieser Pflicht kann als Indiz gewertet werden (E. 4.1.1).
  • Nachsteuerverfahren: Eine Nachsteuer wird eingefordert (Art. 151 Abs. 1 DBG), wenn sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, ergibt, dass eine Veranlagung unvollständig war. Das Verfahren dient der korrekten Besteuerung und setzt kein schuldhaftes Verhalten der steuerpflichtigen Person voraus (BGE 151 II 435 E. 4.1.2). Die Zulässigkeit ergibt sich aus einer Abwägung der Untersuchungspflicht der Behörde und der Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person (E. 4.1.2).

2. Geschäftsmässigkeit der Darlehensvergabe und Verletzung der Mitwirkungspflicht

  • Faktische Feststellungen: Das Bundesgericht stützte sich auf die unbestrittenen vorinstanzlichen Feststellungen, wonach A.A.__ im fraglichen Zeitraum in grossem Umfang (teils sechsstellige Summen) und über unterschiedliche Konti Darlehen an Drittpersonen verliehen hatte. Die Tätigkeit wurde jahrzehntelang und gegenüber einer Vielzahl schweizweit ansässiger Darlehensnehmer ausgeübt. Regelmässige Geldflüsse auf die Konti der Pflichtigen und Abhebungen für Darlehenszwecke waren erwiesen (E. 4.2).
  • Geschäftsmässigkeit und Glaubwürdigkeit: Die Vorinstanz bejahte eine geschäftsmässig betriebene Kreditvergabe. Dies wurde vom Bundesgericht bestätigt und detailliert begründet:
    • Verletzung der Mitwirkungspflicht: Die Pflichtigen legten trotz wiederholter Aufforderung des Steueramts sachdienliche Unterlagen, insbesondere Darlehensverträge mit fixen Zinsvereinbarungen, erst verspätet im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren vor. Dies wurde als gravierende Verletzung der Transparenz- und Mitwirkungspflicht gewertet (§ 135 Abs. 1 f. StG/ZH, Art. 126 Abs. 1 f. DBG) (E. 4.2.1).
    • Widersprüchliche Angaben: Die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer wurde durch ihre widersprüchlichen Angaben zur Kreditvergabe und der Behauptung der Zinsfreiheit während des gesamten Verfahrens erschüttert. Exemplarisch detailliert wiedergegebene Darlehensverträge belegten, dass A.A.__ mehrfach unrichtige Auskünfte erteilt hatte, indem er eine gewerbsmässige Darlehensvergabe und Zinserträge bestritt (E. 4.2.1).
    • Systematisches Vorgehen: Die Vielzahl der Konten, Transaktionen und involvierten Personen deutete auf ein systematisches und schwer durchschaubares Vorgehen hin, zusätzlich erschwert durch mögliche Auslandsbezüge (Unternehmen im Ausland) und die Vergabe hoher Bargeldbeträge (E. 4.2.1).
    • Lebensfremde Annahme von "Gefälligkeiten": Angesichts des immensen (Arbeits-)Aufwands, der mit der Bewirtschaftung der Darlehen verbunden war, erachtete die Vorinstanz die Annahme blosser Gefälligkeitshandlungen ohne Eigennutz als gänzlich lebensfremd. Die Behauptung massiver Zahlungsausstände, ohne dass jemals Insolvenz angemeldet wurde, wurde als unglaubwürdig eingestuft (E. 4.2.1).
    • Ablehnung des "sozialkulturellen" Motivs: Die Beschwerdeführer beriefen sich auf ein familiäres Umfeld mazedonischer Herkunft, in dem der Solidaritätsgedanke hochgehalten werde und die Darlehensvergabe selbstlos erfolge. Das Bundesgericht wies dies als Schutzbehauptung zurück, da die geschäftsmässige Dimension der Tätigkeit dagegen sprach. Eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 1 BV) durch die Vorinstanz wurde verneint. Zudem bestätigte ein exemplarischer Darlehensnehmer (C._), A.A._ vor der Kreditvergabe nicht gekannt zu haben und auf dessen "zweiten Beruf" hingewiesen worden zu sein (E. 4.2.2).
  • Fazit zur Geschäftsmässigkeit: Das Bundesgericht bestätigte, dass Vorinstanz und Steueramt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durften, dass die Beschwerdeführer für sämtliche gewährten Darlehen Zinsen vereinnahmten (E. 4.2.2).

3. Ermessensweise Festsetzung der Darlehenszinsen

  • Voraussetzungen der Ermessensveranlagung: Eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen ist zulässig (Art. 130 Abs. 2 DBG, § 139 Abs. 2 StG/ZH, Art. 46 Abs. 3 StHG), wenn die steuerpflichtige Person ihre Verfahrenspflichten nicht erfüllt oder die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden können. Dies führt zu einem "Untersuchungsnotstand" der Behörde. Auch eine Nachsteuer kann ermessensweise festgesetzt werden (E. 4.3).
  • Anfechtbarkeit: Eine solche Ermessenseinschätzung kann nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden (Art. 132 Abs. 3 DBG, § 140 Abs. 2 StG/ZH). Die steuerpflichtige Person muss die Unrichtigkeit mittels eines umfassenden Nachweises beseitigen; blosse pauschale Bestreitungen genügen nicht (E. 4.3).
  • Konkrete Berechnung der Nachsteuer:
    • Die Vorinstanz bejahte einen Untersuchungsnotstand aufgrund der unzureichenden Mitwirkung der Beschwerdeführer. Das Steueramt habe die Darlehenszinsen daher rechtskonform nach pflichtgemässem Ermessen geschätzt (E. 4.3.1).
    • Berechnungsmethode: Das Steueramt stützte sich auf die am besten dokumentierten Darlehenskonditionen des Darlehensnehmers C._, die einen monatlichen Zins von 5 % vorsahen. Daraus wurde ein Jahreszins von 60 % (12 x 5 %) abgeleitet. Von diesem Bruttozins wurde ein grosszügiger Abschlag von 30 % für Zahlungsausfälle und Darlehen zu niedrigeren Zinssätzen gewährt. Die resultierenden Darlehenserträge wurden jährlich aufsummiert. Durchschnittliche Zinseinnahmen von 30 % wurden angesichts der Aktenlage als realistisch und nicht willkürlich erachtet, wobei einzelne Fälle (z.B. C._ 60 %, D._ 21 %, E._ 60 %) deutlich höhere Sätze aufwiesen (E. 4.3.1).
  • Bestätigung der Ermessensschätzung: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführer auch letztinstanzlich keine aussagekräftigen Beweismittel vorlegten, um die offensichtliche Unrichtigkeit des ermittelten Schätzwerts nachzuweisen. Der Vorwurf der Unverhältnismässigkeit wurde als unzureichend zur Erschütterung der qualifizierten Fehlerhaftigkeit befunden.
  • Nachsteuerbeträge: Die vom Verwaltungsgericht festgesetzten Nachsteuerbeträge von CHF 42'819.40 für die direkte Bundessteuer und CHF 93'541.10 für die Staats- und Gemeindesteuern (jeweils für die Perioden 2010 bis 2015) wurden vom Bundesgericht bestätigt (E. 4.3.2 und E. 5). Die Verjährung der Perioden 2008 und 2009 war bereits durch die Vorinstanz berücksichtigt worden.
IV. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht bestätigte die Nachsteuerpflicht von A.A._ und B.A._ für die Steuerperioden 2010 bis 2015 aufgrund nicht deklarierter Zinseinnahmen aus Darlehensvergaben. Die wesentlichen Punkte des Urteils sind:

  1. Gewerbsmässigkeit der Darlehensvergabe: Die Vorinstanz beurteilte die umfangreiche, jahrzehntelange und systematische Vergabe von Darlehen als geschäftsmässige Tätigkeit, nicht als blosse Gefälligkeit. Das Bundesgericht bestätigte diese Würdigung als plausibel und nicht willkürlich, insbesondere angesichts des immensen Aufwands und der Unglaubwürdigkeit der anderslautenden Behauptungen der Beschwerdeführer.
  2. Verletzung der Mitwirkungspflicht und Unglaubwürdigkeit: Die Beschwerdeführer hatten ihre Mitwirkungspflichten massiv verletzt, indem sie entscheidende Unterlagen (Darlehensverträge mit Zinskonditionen) erst spät im Verfahren vorlegten und in ihren Auskünften widersprüchlich waren. Dies erschütterte ihre Glaubwürdigkeit und rechtfertigte die Annahme eines Untersuchungsnotstands seitens der Steuerbehörden.
  3. Zulässigkeit und Rechtmässigkeit der Ermessensveranlagung: Aufgrund des Untersuchungsnotstands war die Ermessenseinschätzung der Darlehenszinsen durch das Steueramt rechtlich zulässig. Die angewandte Methode – basierend auf dokumentierten Fällen (z.B. 5 % Monatszins, hochgerechnet auf 60 % Jahreszins, abzüglich 30 % für Ausfälle und niedrigere Zinsen) und resultierend in einem angenommenen durchschnittlichen Zinssatz von 30 % – wurde als realistische und nicht willkürliche Annahme bestätigt.
  4. Fehlender Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit: Die Beschwerdeführer konnten die offensichtliche Unrichtigkeit dieser Schätzung, die zur Anfechtung einer Ermessensveranlagung erforderlich gewesen wäre, nicht nachweisen. Pauschale Einwände waren ungenügend.
  5. Bestätigung der Nachsteuerbeträge: Die vom Verwaltungsgericht festgesetzten Nachsteuerbeträge für die direkte Bundessteuer und die Staats- und Gemeindesteuern für die Steuerperioden 2010 bis 2015 wurden in vollem Umfang bestätigt.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war, und auferlegte den Beschwerdeführern die Gerichtskosten.