Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts im Detail zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 6B_458/2025 vom 29. Oktober 2025
1. Einleitung und Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte über einen Rekurs von A._ gegen ein Urteil der Cour d'appel pénale des Tribunal cantonal du canton de Vaud vom 10. Februar 2025 zu befinden. A._ wurde wegen schwerer Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel (LStup) verurteilt. Die Vorinstanzen hatten ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, einer Landesverweisung von zehn Jahren und einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) verurteilt.
Persönliche Verhältnisse: Der Beschwerdeführer A.__, geboren 1977 in Eritrea, ist eritreischer Staatsangehöriger. Er absolvierte seine Schulzeit und einen zehnjährigen Militärdienst in Eritrea, bevor er 2006 in die Schweiz flüchtete und Asyl erhielt. Er ist seit 2019 verheiratet und hat drei Kinder (eines aus einer früheren Beziehung, zwei mit seiner aktuellen Ehefrau, geboren 2021 und 2024). Er ist Geschäftsführer eines eritreischen Restaurants mit einem monatlichen Einkommen von 4'000-5'000 CHF. Er hat Schulden von rund 50'000 CHF und offene Betreibungen von 8'000 CHF. Sein Schweizer Strafregister weist eine Vorstrafe aus dem Jahr 2016 wegen grober Verkehrsregelverletzung (20 Tagessätze à 50 CHF bedingt, Busse 600 CHF) auf.
Die Straftat: Zwischen Mai und November 2022 beteiligte sich A._ an einem umfangreichen internationalen Kokainhandel zwischen Frankreich und der Schweiz. Die kantonalen Gerichte stellten fest, dass er mindestens sieben Mal als Drogenkurier agierte und dabei Kokain an B._, der als Depotverwalter, Grosshändler und Verkäufer fungierte, lieferte. Die transportierte und gelieferte Menge belief sich auf mindestens 918,8 Gramm netto und 2'380 Gramm brutto. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Reinheitsgrads von 62 % (bei Mengen von 1-10 Gramm brutto im Jahr 2022) und eines minimalen Reinheitsgrads von 66,5 % für einen Teil der bei B._ sichergestellten Menge, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass A._ Kokain mit einer Gesamtreinmenge von mindestens 2'086,60 Gramm transportiert und geliefert hatte.
2. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht
A.__ rekurrierte und beantragte primär, er sei lediglich der Beihilfe (nicht der Mittäterschaft) schuldig zu sprechen, das Strafmass sei zu reduzieren (ggf. mit teilweisem bedingtem Vollzug) und es sei von einer Landesverweisung sowie SIS-Ausschreibung abzusehen. Er verlangte ferner die Rückgabe beschlagnahmter Gelder und Mobiltelefone.
3. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht beurteilte die Rügen des Beschwerdeführers in drei Hauptpunkten: Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Mittäterschaft), Strafzumessung und schliesslich die Landesverweisung samt SIS-Ausschreibung.
3.1. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Willkür, in dubio pro reo, Mittäterschaft vs. Beihilfe)
- Prüfungsstandard: Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz. Es prüft Sachverhaltsfeststellungen nur auf Willkür (Art. 9 BV) gemäss Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG. Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist oder wichtige Beweise ohne triftigen Grund nicht berücksichtigt wurden. Der Grundsatz in dubio pro reo (Art. 10 StPO, 32 Abs. 1 BV, 14 Abs. 2 UNO-Pakt II, 6 Abs. 2 EMRK) hat in der Beweiswürdigung keine über die Willkür hinausgehende Bedeutung; es müssen objektive, ernsthafte und unüberwindliche Zweifel bestehen, nicht nur abstrakte oder theoretische.
- Definition von Mittäterschaft: Als Mittäter gilt, wer vorsätzlich und massgebend mit anderen Personen bei der Entscheidung, Organisation oder Ausführung einer Straftat zusammenwirkt, sodass er als einer der Hauptbeteiligten erscheint. Der Beitrag muss für die Tatausführung wesentlich sein. Es bedarf eines gemeinsamen Tatentschlusses, der auch konkludent sein kann; Eventualvorsatz hinsichtlich des Erfolgs genügt. Es ist nicht erforderlich, dass der Mittäter den Tatplan mitentwickelt oder die Tat beeinflussen konnte, oder dass die Tat von langer Hand geplant war (BGE 135 IV 152 E. 2.3.1; 130 IV 58 E. 9.2.1).
- Argumente des Beschwerdeführers: A._ machte geltend, er habe nur eine untergeordnete Rolle im Drogenhandel gespielt, sei lediglich für den Geldtransport zuständig gewesen und habe keine Entscheidungshoheit oder finanzielle Beteiligung am Handel gehabt, weshalb er höchstens als Gehilfe zu betrachten sei. Er zweifelte die Glaubwürdigkeit der Aussage von B._ an und führte an, dass auf Tonaufnahmen lediglich von Geld und nicht von Drogen die Rede gewesen sei. Auch die kurze Aufenthaltsdauer bei B.__, das Fehlen seiner DNA an den Drogen und die Herkunft des Geldes aus seinem Restaurantbetrieb sprächen gegen seine Rolle als Mittäter.
- Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies diese Rügen als appellatorisch und daher unzulässig zurück (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es bestätigte, dass die Vorinstanz ihre Überzeugung auf eine Vielzahl konvergierender Indizien gestützt habe. Dazu gehörten Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Reisen, Telefon-Lokalisierungsdaten und Zollfotos. Überwachungsdaten widerlegten seine Angaben zu Häufigkeit und Zweck der Treffen mit B.__. Die Vorinstanz habe zutreffend auf die zahlreichen Anpassungen im Sachverhalt des Beschwerdeführers verwiesen, die er im Laufe der Enthüllung von Ermittlungsergebnissen vorgenommen habe. Angesichts der mittels Wanze in B.__s Wohnung, dessen Aussagen, polizeilichen Durchsuchungen, WhatsApp-Nachrichten, Telefonüberwachungen und Banküberweisungen gewonnenen Erkenntnisse sei die Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig nicht willkürlich. Die Feststellung der schweren Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 2 LStup), die im Übrigen im Rekurs nicht bestritten wurde, wurde bestätigt. Die Rolle des Beschwerdeführers als Transporteur und Lieferant der Drogen im Rahmen eines internationalen Drogenhandels rechtfertige die Annahme der Mittäterschaft.
- Beschlagnahmung: Die Rüge bezüglich der Beschlagnahme von Geldbeträgen und Mobiltelefonen wurde wegen ungenügender Begründung als unzulässig erachtet (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu Ersparnissen und der Herkunft des Geldes widersprüchlich und angesichts seiner Einkommens- und Ausgabensituation unglaubwürdig waren. Auch die private Nutzung der Telefone sei angesichts der belegten Beteiligung am Drogenhandel widerlegt.
3.2. Strafzumessung (Art. 47 StGB)
- Grundsätze der Strafzumessung: Gemäss Art. 47 StGB setzt der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters fest, berücksichtigt dabei dessen Vorleben, persönliche Verhältnisse und die Auswirkungen der Strafe auf die Zukunft. Das Verschulden wird durch die Schwere der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beweggründe und Ziele des Täters sowie das Mass der Vermeidbarkeit der Tat bestimmt (BGE 149 IV 217 E. 1.1).
- Spezifische Kriterien bei Betäubungsmitteldelikten: Hier sind insbesondere die Menge der Droge (verliert an Bedeutung oberhalb der Schwelle für "schwere Fälle", d.h. 18g Reinkokain), die Art und Reinheit der Droge, die Art des Handels (autonom oder in Organisation, Rolle), der Umfang (lokal vs. international) und die Anzahl der Operationen relevant. Auch die Motive (Eigenkonsum vs. Gewinnsucht) sind zu berücksichtigen (BGE 121 IV 193 E. 2b/aa).
- Ermessensspielraum: Dem Richter steht ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der Richter den gesetzlichen Rahmen überschritten, sachfremde Kriterien angewendet, wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigt oder die Strafe in einem Masse über- oder unterschritten hat, dass sie einen Ermessensmissbrauch darstellt (BGE 149 IV 217 E. 1.1).
- Argumente des Beschwerdeführers: A.__ wiederholte seine Behauptung, nur eine sekundäre Rolle gespielt zu haben, und verwies auf seine angebliche Kooperation, die Bestätigung seiner Version durch Aufnahmen und das Fehlen seiner DNA. Er betonte seine einzige, geringfügige Vorstrafe und die unverhältnismässigen Auswirkungen der Strafe auf seine Familie und Zukunft. Er habe sich nach der Haftentlassung gebessert.
- Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erachtete die Rüge als unbegründet. Die Sachverhaltsfeststellungen zu seiner Rolle seien bindend. Angesichts der eingeführten Kokainmenge (über 2 kg reine Droge) und des internationalen Charakters des Handels, welche zwei qualifizierende Umstände des Art. 19 Abs. 2 LStup darstellen, sei die Schuld als schwer einzustufen. Seine Kooperation sei von geringerer Bedeutung, und eine echte Reue sei nicht erkennbar, da er während des gesamten Verfahrens an seiner Version festgehalten habe. Da er aus Gewinnsucht gehandelt habe, seien auch keine ausserordentlichen Milderungsgründe für eine Strafreduktion wegen familiärer Auswirkungen gegeben (Verweis auf Urteile 6B_486/2025, 6B_780/2018, 6B_352/2018), da solche Auswirkungen bei einer Freiheitsstrafe dieser Dauer unvermeidlich seien. Seine frühere, geringfügige Vorstrafe bringe ihm keinen Vorteil (BGE 141 IV 61 E. 6.3.2). Die Verletzung von Art. 47 StGB wurde verneint.
3.3. Landesverweisung (Art. 66a StGB) und SIS-Ausschreibung
- Obligatorische Landesverweisung: Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB hat der Richter einen Ausländer, der wegen einer schweren Widerhandlung gegen das LStup (Art. 19 Abs. 2 LStup) verurteilt wird, unabhängig vom Strafmass für fünf bis fünfzehn Jahre des Landes zu verweisen. Die Voraussetzungen sind a priori erfüllt, vorbehaltlich der Härtefallklausel und internationaler Normen.
- Härtefallklausel (Art. 66a Abs. 2 StGB): Der Richter kann ausnahmsweise von der Landesverweisung absehen, wenn sie für den Ausländer eine schwere persönliche Härte bedeuten würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung die privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Diese Bedingungen sind kumulativ und restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1; 146 IV 105 E. 3.4.2). Bei der Prüfung sind Kriterien wie die Integration (Art. 58a Abs. 1 AIG), die familiäre Situation, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand und die Reintegrationsmöglichkeiten im Herkunftsland zu berücksichtigen (Art. 31 Abs. 1 AIGV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2).
- Verhältnismässigkeitsprinzip und EMRK: Die Landesverweisung muss dem Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 8 Abs. 2 EMRK) genügen. Gemäss Rechtsprechung des EGMR (z.B. E.V. c. Suisse, M.M. c. Suisse) ist die Ausweisung notwendig in einer demokratischen Gesellschaft, gerechtfertigt durch ein dringendes soziales Bedürfnis und verhältnismässig zum legitimen Ziel. Bei Ausländern, die im Erwachsenenalter eingereist sind, sind insbesondere Art und Schwere der Tat, die seither vergangene Zeit, das Verhalten des Täters, die Aufenthaltsdauer und die Stärke der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gast- und Herkunftsland zu berücksichtigen.
- "Zweijahresregel": Im Ausländerrecht gilt die "Zweijahresregel", wonach bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr ausserordentliche Umstände vorliegen müssen, damit das private Interesse am Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interesse an der Landesverweisung überwiegt. Dies gilt grundsätzlich auch bei Ehe mit einem Schweizer Bürger und gemeinsamen Kindern (Urteile 6B_251/2025 E. 4.2.6; 6B_1248/2023 E. 3.4).
- SIS-Ausschreibung: Signalierungen im SIS müssen gemäss Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 21 der VO (EU) 2018/1861) angemessen, relevant und wichtig sein. Eine Ausschreibung wegen Einreiseverweigerung ist verhältnismässig, wenn die zugrundeliegende Straftat mit einer maximalen Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht ist und die Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (BGE 147 IV 340 E. 4.8). Eine Meldepflicht besteht auch bei Umgehung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen (Art. 24 Abs. 2 lit. c VO (EU) 2018/1861).
- Argumente des Beschwerdeführers: A.__ führte seine 18-jährige Aufenthaltsdauer in der Schweiz, seine berufliche Tätigkeit, seine Familie (drei Kinder, Ehefrau) und die möglichen Auswirkungen auf sein Besuchsrecht sowie die Integration seiner Kinder in Eritrea oder einem anderen europäischen Land an. Er betonte seine Reue und die seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgte Verhaltensänderung.
- Urteil des Bundesgerichts: Die Argumente wurden zurückgewiesen. Obwohl ein Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz anerkannt wurde, wies das Gericht darauf hin, dass er in Eritrea aufgewachsen, zur Schule gegangen und zehn Jahre Militärdienst geleistet hatte und dort noch Familie hat (Mutter, Schwester). Seine Ehefrau sei ebenfalls Eritreerin und erst seit vier Jahren in der Schweiz. Die jüngeren Kinder (geb. 2021 und 2024) seien noch nicht eingeschult, weshalb eine Integration in Eritrea als möglich erachtet wurde. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren übersteigt die Schwelle der Zweijahresregel erheblich. Die für einen Härtefall erforderlichen ausserordentlichen Umstände fehlten. Die Rechtsprechung gebietet bei schweren Betäubungsmitteldelikten eine besonders strenge Handhabung der Härtefallklausel (Urteile 6B_712/2024 E. 4.4.2; 6B_627/2024 E. 1.5.2; 6B_1256/2023 E. 4.8). Die Landesverweisung wurde daher als verhältnismässig erachtet.
- SIS-Ausschreibung: Die SIS-Ausschreibung sei angesichts der Art der Straftaten (Schädigung der Konsumentengesundheit, Gefahr für die öffentliche Ordnung) ebenfalls verhältnismässig. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente seien appellatorisch. Die Dauer der Landesverweisung von zehn Jahren wurde vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten und vom Bundesgericht als nicht unverhältnismässig beurteilt.
4. Fazit und Urteilsspruch
Das Bundesgericht wies den Rekurs, soweit er zulässig war, ab. Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von 1'200 CHF unter Berücksichtigung seiner finanziellen Lage.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung von A.__ wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz als Mittäterschaft und nicht Beihilfe. Es stützte sich dabei auf eine detaillierte Würdigung konvergierender Beweismittel und die Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers. Das angeordnete Strafmass von vier Jahren Freiheitsstrafe wurde als verhältnismässig befunden, da das Gericht die Schuld aufgrund der über 2 kg reiner Kokainmenge und des internationalen Charakters der Tat als schwer einstufte und keine ausserordentlichen Milderungsgründe sah. Die obligatorische Landesverweisung für zehn Jahre und die SIS-Ausschreibung wurden ebenfalls bestätigt, da trotz familiärer Bindungen die für die Härtefallklausel erforderlichen ausserordentlichen Umstände angesichts der hohen Strafdauer (deutlich über der "Zweijahresregel") und der Schwere des Betäubungsmitteldelikts fehlten.