Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_568/2025 vom 3. November 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 9C_568/2025 vom 3. November 2025:

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_568/2025 vom 3. November 2025

I. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer). Im Kern des Verfahrens steht die Frage der zollfreien Einfuhr von rohen Bodenerzeugnissen im Rahmen des landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsverkehrs (LBV) und die Auswirkungen einer angekündigten Praxisänderung des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). Die Beschwerdeführerin, Genossenschaft A.__, ein Landwirtschaftsbetrieb mit Standorten in der Schweiz und der ausländischen Grenzzone (Deutschland), ersuchte um die Feststellung, dass die bisherige, günstigere Zollpraxis auch über den 1. Januar 2028 hinaus für sie Geltung behält.

II. Sachverhalt und Vorinstanzen

  1. Hintergrund der Praxisänderung: Das BAZG kündigte am 14. Mai 2024 per 1. Januar 2028 "Anpassungen" im LBV an, die zu einer Verschärfung der bisherigen Verwaltungspraxis bezüglich der zollfreien Einfuhr von rohen Bodenerzeugnissen aus der ausländischen Grenzzone führen. Diese Praxisänderung erfolgte als Reaktion auf verschiedene Gerichtsurteile.
  2. Gesuch der Beschwerdeführerin an das BAZG: Die Genossenschaft A.__ ersuchte das BAZG am 21. Januar 2025 um Erlass einer Feststellungsverfügung gemäss Art. 25 VwVG. Sie beantragte die Feststellung, dass sie auch über den 1. Januar 2028 hinaus Anspruch auf die Fortführung der bisherigen zollfreien Einfuhrpraxis habe und ihr die entsprechende Bewilligung erteilt werde. Gleichzeitig verlangte sie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für ihr Gesuch bzw. für einen allfälligen Entscheid des BAZG, um die Weiterführung der bisherigen Praxis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sicherzustellen.
  3. Entscheid des BAZG: Das BAZG wies das Gesuch am 8. April 2025 ab. Es stellte fest, dass die angekündigte Praxisänderung rechtmässig sei und die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Weiterführung der bisherigen rechtswidrigen Praxis über den 31. Dezember 2027 hinaus habe. Den Antrag auf aufschiebende Wirkung lehnte das BAZG ebenfalls ab, unter anderem mit dem Hinweis, dass eine Zollbefreiung jährlich neu beantragt werden müsse und die Beschwerdeführerin im Falle eines Obsiegens eine provisorische Veranlagung mit anschliessender Gutschrift wählen könne.
  4. Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts: Gegen den Entscheid des BAZG erhob die Beschwerdeführerin am 26. Mai 2025 Beschwerde an das BVGer, wobei sie erneut die aufschiebende Wirkung beantragte. Das BVGer erliess am 5. September 2025 eine Zwischenverfügung:
    • Es stellte fest, dass der Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukomme (Art. 55 Abs. 1 VwVG). Dies bedeute, dass die Feststellungen des BAZG bezüglich der Rechtsmässigkeit der Praxisänderung und des fehlenden Anspruchs auf Weiterführung der bisherigen Praxis "vollständig gehemmt" seien.
    • Auf das "sinngemässe Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen Massnahme" (Art. 56 VwVG) – die Erteilung einer Bewilligung für die zollfreie Einfuhr bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens – trat es nicht ein. Begründung hierfür war, dass das BAZG in seiner Feststellungsverfügung über die Erteilung einer Bewilligung gar nicht befunden habe, weshalb das BVGer diesbezüglich keine Überprüfungsbefugnis habe.

III. Die rechtlichen Erwägungen des Bundesgerichts

Die Beschwerdeführerin focht die Zwischenverfügung des BVGer beim Bundesgericht an. Sie beantragte im Wesentlichen, die Zwischenverfügung aufzuheben und die Weiterführung der bisherigen Praxis sowie die Erteilung einer Bewilligung für die zollfreie Einfuhr bis zum rechtskräftigen Entscheid anzuordnen. Sie begründete dies mit der Notwendigkeit von Planungssicherheit und drohenden erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen und Investitionsverlusten, falls die zollfreie Einfuhr ab 2028 nicht gesichert sei. Sie berief sich auf Art. 9 BV, Art. 13 EMRK und Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK.

Das Bundesgericht prüfte seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen.

  1. Zuständigkeit und Beschwerdeart:

    • Das Bundesgericht stellte fest, dass die Hauptsache – eine Frage aus dem Bereich der Feststellungsverfügungen zu Zollabgaben, die nicht das Gewicht oder den Tarif betrifft – der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zugänglich ist (Art. 83 lit. l BGG ist nicht anwendbar, vgl. BGE 151 II 533 E. 1.2).
    • Der angefochtene Entscheid des BVGer ist als Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 und 93 BGG zu qualifizieren, da er das Hauptverfahren nicht abschliesst (vgl. BGE 151 III 227 E. 1.1; 151 III 287 E. 1.1). Dies gilt sowohl für die Zuerkennung als auch für die Verweigerung einer vorsorglichen Massnahme.
  2. Voraussetzungen der Beschwerde gegen Zwischenentscheide (Art. 93 BGG):

    • Ein Vor- oder Zwischenentscheid ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur selbständig anfechtbar, wenn er die Zuständigkeit oder den Ausstand betrifft (lit. a) oder wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten ersparen kann (lit. b).
    • Begriff des nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur: Das Bundesgericht präzisiert, dass es sich um einen Nachteil handeln muss, der Rechte oder rechtlich geschützte Interessen beeinträchtigt und sich auch durch einen für die gesuchstellende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt. Rein tatsächliche Nachteile, wie eine Verfahrensverlängerung oder -verteuerung, genügen nicht (vgl. BGE 151 III 227 E. 1.2; 150 III 248 E. 1.2; 150 IV 103 E. 1.2). Typische Beispiele für solche rechtlichen Nachteile sind der drohende Verlust des Rechtsschutzes oder die Verweigerung des Zugangs zu einem Gericht (vgl. BGE 142 III 798 E. 2.2; 150 III 248 E. 1.3). Dies ist beispielsweise bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege der Fall (Urteil 9D_8/2025 E. 3.2).
    • Anwendung auf den vorliegenden Fall: Die Beschwerdeführerin führte an, es drohten ihr erhebliche Mindereinnahmen, die Einstellung des Betriebs in Deutschland und nutzlos gewordene Investitionen. Das Bundesgericht hielt jedoch fest, dass diese Befürchtungen auf Nachteile tatsächlicher und nicht rechtlicher Natur hinauslaufen. Rein wirtschaftliche Auswirkungen werden regelmässig nicht als nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur qualifiziert (vgl. Urteil 2C_598/2012 E. 2.2 zu Delkredererisiken; BGE 143 III 416 E. 1.3 zur Verpflichtung zur Leistung einer Geldsumme).
    • Besondere Umstände der aufschiebenden Wirkung: Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung erfüllt nur in Ausnahmefällen die Voraussetzungen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur (vgl. BGE 126 I 97 E. 1b; 116 Ia 177 E. 2b). Im vorliegenden Fall fehlt es daran, da die geltenden Voraussetzungen für den LBV nach heutigem Kenntnisstand bis Ende 2027 unverändert bleiben und die Praxisänderung erst am 1. Januar 2028 wirksam werden soll. Das BAZG hat den Wirtschaftsteilnehmenden eine Übergangsfrist von rund dreieinhalb Jahren eingeräumt (vgl. BGE 151 II 397 E. 4.5.1; 9C_3/2024 E. 2.2.5), wodurch bis dahin kein Sicherungsbedürfnis besteht. Die Frage der Weitergeltung der Praxis über den 31. Dezember 2027 hinaus ist Gegenstand des Hauptsacheverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.
  3. Beschränkte Kognition bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide über vorsorgliche Massnahmen (Art. 98 BGG):

    • Selbst wenn die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt wären, müsste die Beschwerde als Zwischenentscheid über eine vorsorgliche Massnahme gemäss Art. 98 BGG gewürdigt werden (vgl. BGE 151 III 227 E. 1.1-1.3). In diesem Anwendungsbereich ist die bundesgerichtliche Prüfungsbefugnis auf die Frage beschränkt, ob der angefochtene Entscheid in verfassungsmässige Individualrechte der beschwerdeführenden Person eingreift (vgl. BGE 151 III 227 E. 1.4; 150 II 537 E. 2.6).
    • Qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit: Rügen der Verletzung von Bundesgesetzen sind von vornherein ausgeschlossen. Auch verfassungsrechtliche Beanstandungen werden nur geprüft, wenn sie in der Beschwerde ausreichend begründet werden (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 150 I 80 E. 2.1; 150 V 340 E. 2). Die Beschwerdeführerin muss klar und detailliert darlegen, wie und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt wurden.
    • Mangelnde Begründung durch die Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin hat lediglich Normen aus der Bundesverfassung (Art. 9 BV) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 13 EMRK, Art. 1 ZP EMRK) aufgelistet, ohne diese auf den individuell-konkreten Fall anzuwenden und eine konkrete Verletzung aufzuzeigen. Dies erfüllt die qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit nicht (vgl. BGE 148 I 104 E. 1.5; 148 IV 39 E. 2.3.5).

IV. Fazit und Entscheid

Aufgrund des Fehlens der Sachurteilsvoraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG (kein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur) und der ungenügenden Begründung allfälliger Verfassungsrechtsverletzungen gemäss Art. 98 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG, tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht ein. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 i.V.m. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ein. Es verneinte das Vorliegen eines "nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur" im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Schäden rein wirtschaftlicher Natur waren und nicht in rechtlich geschützte Interessen eingriffen. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die angekündigte Praxisänderung erst ab 2028 wirksam wird und eine lange Übergangsfrist gewährt wurde, wodurch bis dahin kein akutes Sicherungsbedürfnis bestand. Selbst unter der Annahme einer Beschwerde gegen eine vorsorgliche Massnahme (Art. 98 BGG) hätte die Beschwerdeführerin die qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit für verfassungsmässige Individualrechte nicht erfüllt.