Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_223/2025 vom 6. November 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 1C_223/2025 vom 6. November 2025

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_223/2025 vom 6. November 2025) befasst sich mit der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses durch die Gemeinde Lancy gegenüber ihrer Angestellten A.__ am Ende der Probezeit. Die Beschwerdeführerin beantragte vor Bundesgericht die Aufhebung des kantonalen Urteils und die Zahlung von ausstehendem Lohn sowie einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung. Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit darauf einzutreten war, ab.

I. Sachverhalt

A.__ wurde am 1. August 2022 als Verantwortliche für die kommunale Berufssteuer (TPC) in der Lohklasse 17 bei der Gemeinde Lancy angestellt. Aufgrund der Abschaffung der TPC im Jahr 2023 sollte sie die Funktion einer Buchhalterin-Analystin (Comptable Analyste, ebenfalls Klasse 17) übernehmen. Ein Ausbildungsplan wurde im November 2023 festgelegt, um sie bis Ende März 2024 in elf neuen Aufgabenbereichen (u.a. Mehrwertsteuer, Versicherungen, interkommunale Verbände) zu schulen.

Bei mehreren Standortbestimmungen (23. Januar und 18. April 2024) wurden Fortschritte der Ausbildung evaluiert. Ende Mai 2024 waren drei Aufgabenbereiche abgeschlossen, vier in Bearbeitung und vier noch nicht begonnen worden. Am 3. Juni 2024 wurde A.__ mitgeteilt, dass sie die erforderlichen Kompetenzen für die Stelle als Buchhalterin-Analystin nicht zu besitzen scheine. Ihr wurde die Übernahme einer Stelle als Buchhalterin (Klasse 12) angeboten, was sie jedoch ablehnte, da die bisherige Lohklasse nicht beibehalten werden konnte. Seit dem 7. Juni 2024 war sie arbeitsunfähig.

Am 26. Juni 2024 informierte die Gemeinde A._ über die Absicht, ihr Dienstverhältnis wegen mangelnder Leistung zu kündigen, und forderte sie zu einer schriftlichen Stellungnahme auf. A._ bestritt die Vorwürfe am 5. Juli und erneut am 14. August 2024, wobei sie Letzteres als Erpressung zur Annahme einer schlechter bezahlten Stelle bezeichnete. Die Gemeinde bekräftigte am 19. Juli 2024, dass die Mängel seit Januar besprochen worden seien und der Gemeinderat die Kündigung nach Ablauf der 90-tägigen Kündigungsschutzfrist wegen Krankheit aussprechen würde. Die formelle Kündigung erfolgte schliesslich durch den Gemeinderat am 6. September 2024 mit Wirkung zum 31. Oktober 2024.

Die kantonale Vorinstanz (Kammer für Verwaltungsrecht des Genfer Obergerichts) wies die Beschwerde von A.__ am 8. April 2025 ab, da die Kündigung auf objektiven Gründen beruhe und die Regeln der Probezeit anwendbar seien.

II. Massgebende Punkte und rechtliche Argumentation des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV) und der Verletzung des Legalitätsprinzips (Art. 5 BV), da es kantonales bzw. kommunales Recht nur in diesem Rahmen überprüfen kann (Art. 95 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).

1. Anwendbarkeit der Probezeitbestimmungen

a) Normative Grundlagen: Das Dienstverhältnis unterstand dem Statut des Personals der Stadtverwaltung Lancy vom 24. November 2022 (nachfolgend: Statut). * Art. 74 Abs. 1 Statut: Während der Probezeit können beide Parteien das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf Monatsende frei kündigen. * Art. 74 Abs. 3 Statut: Im Falle einer Kündigung entscheidet der Gemeinderat nach Anhörung des Mitarbeitenden. * Art. 77 Abs. 1 Statut: Nach Ablauf der Probezeit kann der Gemeinderat einen Beamten nur aus begründeten Motiven unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf Monatsende entlassen. * Art. 80 Statut: Art. 336c OR (Kündigung zur Unzeit) findet während der Probezeit analog Anwendung. * Art. 336c Abs. 1 lit. b OR: Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis während einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht kündigen, und zwar während 30 Tagen im ersten Dienstjahr, 90 Tagen vom zweiten bis fünften Dienstjahr und 180 Tagen ab dem sechsten Dienstjahr. * Art. 15 Abs. 3 Statut (und Art. 335b Abs. 3 OR analog): Krankheitsbedingte Abwesenheit während der Probezeit kann zu deren Verlängerung um die Dauer der Abwesenheit führen.

b) Argumentation der Vorinstanz: Die kantonale Vorinstanz ging davon aus, dass die Probezeit der Beschwerdeführerin am 1. August 2024 endete. Da die Kündigungsabsicht am 26. Juni 2024 mitgeteilt wurde und die Beschwerdeführerin bis zum 4. September 2024 unter Kündigungsschutz wegen Krankheit stand, wurde die formell nach Ablauf der Probezeit (am 6. September 2024) ausgesprochene Kündigung gemäss kantonaler Rechtsprechung als während der Probezeit erfolgt betrachtet. Folglich waren die Bestimmungen zur Probezeitkündigung anwendbar.

c) Einwände der Beschwerdeführerin: Die Beschwerdeführerin rügte, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Anwendung der Probezeitregeln angenommen. Sie behauptete, die Kündigung sei bereits am 19. Juli 2024 mitgeteilt worden und hätte am 31. August 2024, also nach Ende der Probezeit, wirksam werden müssen. Die 90-tägige Schutzfrist sei irrelevant.

d) Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies die Rüge der Beschwerdeführerin zurück. * Die Beschwerdeführerin genügte den qualifizierten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht, da sie nicht präzise darlegte, inwiefern die kantonale Argumentation unhaltbar oder willkürlich sein sollte. * Sie wich zudem von den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ab (formelle Kündigung am 6. September 2024, nicht am 19. Juli 2024), ohne dies als offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG zu rügen. * Das Bundesgericht bestätigte die Rechtsprechung, wonach es für eine Kündigung während der Probezeit genügt, dass die Kündigungserklärung dem Empfänger vor Ablauf der Probezeit zugeht. Es ist unerheblich, ob die Kündigungsfrist über die Probezeit hinausreicht (vgl. BGE 124 V 246 E. 4). * Die kantonale Rechtsprechung, die eine formell nach Ablauf der Probezeit ausgesprochene Kündigung aufgrund einer davor liegenden Kündigungsschutzfrist als während der Probezeit erfolgt betrachtet, wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich erachtet. Andernfalls würde die Kündigungsmöglichkeit bei Untauglichkeit faktisch eingeschränkt, wenn eine Schutzfrist die Probezeit überdauert, was der Natur der Probezeit zuwiderliefe. * Unterstützend verwies das Bundesgericht auf Art. 15 Abs. 3 des Statuts, der wie Art. 335b Abs. 3 OR eine Verlängerung der Probezeit bei krankheitsbedingter Abwesenheit erlaubt, was die Begründung der Vorinstanz zusätzlich stützt. * Fazit: Die Vorinstanz hat weder das Legalitätsprinzip noch das Willkürverbot verletzt, indem sie die Probezeitregeln anwendbar erklärte.

2. Kündigungsgründe und Recht auf Gehör

a) Rechtsprechung zur Probezeitkündigung: Das Bundesgericht wiederholte, dass der Arbeitgeber während der Probezeit grundsätzlich frei ist, das Dienstverhältnis zu beenden, sofern die Kündigungsfrist eingehalten wird (vgl. Urteile 1C_321/2024 E. 4.1.2 und 1C_36/2024 E. 3.2). Bestehen keine materiellen Kündigungsvoraussetzungen, hat die Behörde ein sehr weites Ermessen. Es ist nicht erforderlich, dass die Kündigungsgründe auf einem Verschulden des Mitarbeitenden beruhen; es genügt, wenn objektive Schwierigkeiten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses behindern oder die Fortsetzung aus anderen Gründen nicht wünschenswert erscheint (vgl. BGE 136 III 562 E. 3; 129 III 124 E. 3.1). Die Probezeit dient der beidseitigen Eignungsprüfung und soll den Parteien ermöglichen, sich bei Nichterfüllung der Erwartungen rasch vom Vertrag zu lösen.

b) Recht auf Gehör: Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) umfasst insbesondere das Recht, sich vor Erlass einer rechtlichen Entscheidung zu relevanten Sachverhalten zu äussern (vgl. BGE 145 I 73 E. 7.2.2.1; 144 I 11 E. 5.3).

c) Würdigung der Kündigungsgründe durch das Bundesgericht: * Die Beschwerdeführerin konnte die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz – insbesondere bezüglich der festgestellten Mängel (unzureichende Fähigkeiten, mangelnde Autonomie, Initiative, Lern- und Ausführungsgeschwindigkeit für die Stelle als Buchhalterin-Analystin) – nicht als offensichtlich unrichtig darstellen (Art. 105 Abs. 1 BGG). * Die Beschwerdeführerin bestritt ihre Defizite im Umgang mit Excel nicht. Ihr Verweis auf die "Bestreitungslast" ist im Verwaltungsrecht irrelevant, da dort nicht der Dispositionsgrundsatz gilt. * Es war nicht willkürlich, aus den festgestellten Mängeln zu folgern, dass die Beschwerdeführerin den Anforderungen der Stelle nicht entsprach. Dies genügt als Kündigungsgrund während der Probezeit. * Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Kündigung sei eine "versteckte Sanktion" für die Ablehnung einer Herabstufung, ist unbegründet und durch keine Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz belegt. * Die Rüge einer Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (da der Arbeitgeber angeblich nicht versucht habe, sie in ihrer gewohnten Funktion zu halten) wurde mangels qualifizierter Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG) als unzulässig erachtet. Überdies überschneide sich diese Rüge in der vorliegenden Konstellation mit dem Willkürverbot und sei ohnehin unbegründet (vgl. BGE 141 I 1 E. 5.3.2; Urteil 1C_9/2025 E. 3.1).

d) Würdigung des Rechts auf Gehör durch das Bundesgericht: * Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ergaben, dass die Beschwerdeführerin spätestens am 3. Juni 2024 oder im Schreiben vom 26. Juni 2024 präzise und direkt über die ihr vorgeworfenen Mängel informiert wurde. * Sie hatte vor der Kündigung am 6. September 2024 zudem mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme, namentlich in ihren Schreiben vom 5. Juli und 14. August 2024. * Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde daher als unbegründet abgewiesen.

III. Kurz-Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Kündigung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses durch die Gemeinde Lancy bestätigt und die Beschwerde von A.__ abgewiesen. Die wesentlichen Punkte der Begründung sind:

  1. Anwendbarkeit der Probezeitregeln: Trotz der formellen Kündigung nach Ablauf der nominellen Probezeit wurde die Kündigung aufgrund einer davorliegenden krankheitsbedingten Kündigungsschutzfrist gemäss kantonaler Rechtsprechung als während der Probezeit erfolgt betrachtet. Diese Auslegung wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich und der Natur der Probezeit entsprechend befunden, da sie verhindert, dass Kündigungsschutzfristen die Probezeit faktisch verkürzen.
  2. Weites Ermessen bei Probezeitkündigung: Während der Probezeit geniesst der Arbeitgeber ein sehr weites Ermessen. Es genügen objektive Schwierigkeiten oder die Nichterwünschtheit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses; ein Verschulden des Mitarbeitenden ist nicht zwingend erforderlich. Die festgestellten unzureichenden Kompetenzen der Beschwerdeführerin für die neue Position waren ein ausreichender Kündigungsgrund.
  3. Wahrung des rechtlichen Gehörs: Die Beschwerdeführerin wurde rechtzeitig und präzise über die ihr vorgeworfenen Mängel informiert und hatte mehrfach Gelegenheit, sich vor der Kündigungsentscheidung zu äussern. Eine Verletzung des Rechts auf Gehör wurde daher verneint.