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Im Folgenden wird das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 7B_527/2025 vom 13. November 2025 detailliert zusammengefasst.
1. Einleitung und Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte über einen Rekurs von A._, einem nigerianischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Frankreich, gegen einen Entscheid der Chambre pénale de recours des Kantons Genf zu befinden. Gegenstand des Verfahrens war die Weigerung, A._ einen amtlichen Verteidiger (Pflichtverteidiger) zu bestellen.
A.__ weist eine mehrfache Vorstrafenregister auf, hauptsächlich wegen illegalen Aufenthalts in der Schweiz. Er wurde am 11. September 2017 zu 10 Tagessätzen, am 28. November 2023 zu 20 Tagessätzen (bedingt, Bewährung um ein Jahr verlängert am 18. Februar 2024) und am 18. Februar 2024 zu 60 Tagessätzen (bedingt) wegen illegalen Aufenthalts und Behinderung einer Amtshandlung verurteilt. Am 4. März 2025 wurde er vom Tribunal de police Genf wegen weiterer Verstösse gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (LEI), das Betäubungsmittelgesetz (LStup) sowie Art. 286 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen und einer Busse von 100 CHF verurteilt, wobei der am 28. November 2023 gewährte bedingte Vollzug nicht widerrufen wurde.
Im vorliegenden Verfahren (P/5729/2025) verurteilte die Staatsanwaltschaft Genf A._ mit Strafbefehl vom 8. März 2025 wegen Verstössen gegen Art. 115 Abs. 1 lit. a und Art. 119 Abs. 1 LEI (illegaler Aufenthalt) zu einer Freiheitsstrafe von 120 Tagen. Zudem wurde der bedingte Vollzug der Geldstrafe von 20 Tagessätzen vom 28. November 2023 widerrufen. Bei seinen Einvernahmen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft am 7. und 8. März 2025, bei denen er von einem Rechtsbeistand und einem Dolmetscher (bzw. einem Polizisten als Übersetzer) begleitet wurde, gab A._ die ihm vorgeworfenen Fakten zu und wusste, dass ein Einreiseverbot für den Kanton Genf bestand. Er rügte jedoch, dass seine Festnahme nicht rechtmässig gewesen sei und die Beweise daher aus einer rechtswidrigen Handlung stammten.
Gegen den Strafbefehl erhob A._ Einsprache. Das Tribunal de police Genf lehnte am 25. März 2025 die Bestellung eines Pflichtverteidigers ab. Dieser Entscheid wurde von der Chambre pénale de recours des Kantons Genf am 8. Mai 2025 bestätigt. Dagegen reichte A._ Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein, mit dem Antrag, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen und die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
2. Rechtliche Grundlagen zur Pflichtverteidigung
Das Bundesgericht legte die massgebenden Kriterien für die Bestellung eines Pflichtverteidigers dar:
Diese Kriterien spiegeln weitgehend die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wider (BGE 143 I 164 E. 3.5). Eine Pflichtverteidigung ist demnach immer dann geboten, wenn ein Strafverfahren die Rechtslage einer Person besonders schwerwiegend beeinträchtigen kann. Auch wenn der Schwellenwert von Art. 132 Abs. 3 StPO nicht erreicht wird, handelt es sich nicht automatisch um einen Bagatellfall (BGE 143 I 164 E. 3.6). Die im Strafbefehl vorgesehene Sanktion ist ein wichtiger Hinweis auf die voraussichtlich zu vollziehende Strafe (BGE 139 IV 270 E. 3.1).
Beurteilung der Schwierigkeit (Art. 132 Abs. 2 StPO): Zur Beurteilung, ob eine Sache Schwierigkeiten aufweist, die der Beschuldigte ohne anwaltliche Hilfe nicht bewältigen kann, sind alle konkreten Umstände des Falles zu würdigen. Die Notwendigkeit eines Rechtsbeistands muss auf objektiven und subjektiven Elementen beruhen.
3. Begründung des Bundesgerichts im konkreten Fall
Die Chambre pénale de recours liess die Frage der Mittellosigkeit offen, da sie eine der anderen kumulativen Bedingungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht als erfüllt betrachtete. Sie bejahte die fehlende Geringfügigkeit der Sache, da A.__ im Strafbefehl zu 120 Tagen Freiheitsstrafe und zum Widerruf eines bedingten Vollzugs von 20 Tagessätzen verurteilt wurde. Sie verneinte jedoch die Komplexität des Falls, da die Fakten einfach und klar seien und der Strafbefehl bereits am Tag der Einvernahme erging, ohne weitere Untersuchungshandlungen.
Das Bundesgericht beurteilte die Argumente des Beschwerdeführers wie folgt:
Rüge der Verletzung der EMRK (Hamdani c. Suisse): A.__ argumentierte, gestützt auf das Urteil des EGMR im Fall Hamdani c. Suisse vom 29. März 2023, dass die Prüfung der Komplexität "überflüssig" sei, wenn Mittellosigkeit und die fehlende Geringfügigkeit der Sache (wegen einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe) gegeben seien. Das Bundesgericht wies dieses Argument zurück. Es stellte klar, dass der EGMR mit dem Hamdani-Urteil seine etablierte Rechtsprechung zur Pflichtverteidigung (unter Verweis auf Twalib, Pham Hoang und Quaranta) nicht geändert hat. Die Prüfung des Kriteriums der Komplexität wird nicht aufgehoben, nur weil eine Freiheitsstrafe droht. Im Fall Hamdani wurde die Beschwerde letztlich abgewiesen, weil der Beschwerdeführer tatsächlich von einem Anwalt seiner Wahl verteidigt werden konnte, seine Verteidigung also nicht beeinträchtigt war. Die Vorinstanz hat demnach das Konventionsrecht nicht verletzt, indem sie die Komplexität des Falles prüfte.
Komplexität des Falles nach Art. 132 Abs. 2 StPO: A._ machte geltend, der Fall weise Schwierigkeiten auf, die er alleine nicht bewältigen könne. Das Bundesgericht widersprach dieser Ansicht. Der Sachverhalt (illegaler Grenzübertritt und Aufenthalt trotz Einreiseverbots) sei einfach, die Fakten wurden von A._ zugegeben. Es handle sich um ein einfaches Strafverfahren, das keine heiklen Fragen aufwerfe. Die ihm vorgeworfenen Straftatbestände (Art. 115 Abs. 1 lit. a und 119 Abs. 1 LEI) seien auch für eine juristisch ungebildete Person nicht schwer zu verstehen. Angesichts seiner früheren ähnlichen Verfahren sei A.__ mit diesen Bestimmungen vertraut und in der Lage, die Situation zu erfassen. Die Frage des Widerrufs einer früheren bedingten Strafe sei eine routinemässige strafrechtliche Frage, die das Gericht von Amtes wegen prüft und keine besondere Schwierigkeit darstellt.
Verwertbarkeit von Beweisen und Übersetzungsfragen: A._ rügte zudem willkürliche Tatsachenfeststellung bezüglich der Übersetzung bei der polizeilichen Einvernahme (ein Polizist, der die Einvernahme führte, fungierte gleichzeitig als Übersetzer). Das Bundesgericht stellte zwar fest, dass die Angabe der Vorinstanz, ein nicht am Verhör beteiligter Polizist oder ein Dolmetscher habe übersetzt, ungenau sei, hielt den Entscheid im Ergebnis aber nicht für willkürlich. Die Vorinstanz stützte sich darauf, dass A._ und sein Anwalt der Vorgehensweise zugestimmt hatten. Die Bedingungen seiner Festnahme und der Übersetzung machten das Verfahren nicht komplex. A.__ habe nicht dargelegt, warum er diese Rügen nicht ohne Anwalt vorbringen könne. Eine Rüge wegen Verletzung von Art. 68 Abs. 1 StPO (Verwertbarkeit von Beweismitteln) betreffe zudem die Sache selbst und sei im Rahmen der Prüfung der Pflichtverteidigung nicht relevant.
Ausländische Staatsangehörigkeit und Einreiseverbot: Die Tatsache, dass A.__ Ausländer ist und ein Einreiseverbot hat, reicht für sich allein nicht aus, um die Bestellung eines Anwalts zu rechtfertigen. Andernfalls müssten alle im Ausland wohnhaften Beschuldigten systematisch einen Pflichtverteidiger erhalten, selbst wenn sie in der Lage wären, sich selbst wirksam zu verteidigen.
Sprachliche Schwierigkeiten: Die Notwendigkeit eines Dolmetschers oder Übersetzers ist bei Sprachbarrieren ausreichend (vgl. BGer-Urteile 1B_510/2022 E. 3.4; 1B_591/2021 E. 2.3). Art. 68 Abs. 2 StPO gewährleistet lediglich, dass der wesentliche Inhalt der wichtigsten Verfahrenshandlungen in einer vom Beschuldigten verstandenen Sprache mitgeteilt wird, nicht aber eine vollständige Übersetzung schriftlicher Urteile.
Akteneinsicht: A.__ rügte eine angebliche Behinderung der Akteneinsicht aufgrund seines Einreiseverbots. Das Bundesgericht hielt fest, dass er Kopien der Akten per Post anfordern oder ein "sauf-conduit" (Passierschein) für die Akteneinsicht beantragen könne. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass er diese Anfragen nicht ohne anwaltliche Hilfe formulieren könnte.
4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Zusammenfassend hat die Chambre pénale de recours des Kantons Genf Art. 132 Abs. 2 StPO nicht verletzt, indem sie das Kriterium der Komplexität nicht als erfüllt ansah und daher die Bestellung eines Pflichtverteidigers ablehnte.
Die Beschwerde von A.__ wurde daher abgewiesen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde ebenfalls abgewiesen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Die Gerichtskosten von 1'200 CHF wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, unter Berücksichtigung seiner finanziellen Situation.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: