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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_410/2024 vom 13. November 2025
1. Einleitung und Parteien Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (9C_410/2024) vom 13. November 2025 betrifft eine Streitigkeit im Bereich der beruflichen Vorsorge. Die Beschwerdeführerin, A.__, forderte von der AXA Fondation Prévoyance professionnelle (Intimée) Invalidenleistungen. Streitgegenstand war insbesondere die Frage, ob der zeitliche Konnex zwischen einer während der Versicherungsdauer eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und einer späteren Invalidität unterbrochen wurde.
2. Sachverhalt A._, geboren 1967, war vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2011 als Direktionsassistentin bei B._ SA angestellt und in dieser Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 bei der AXA Fondation Prévoyance professionnelle (AXA) für die berufliche Vorsorge versichert. Ab dem 6. Januar 2010 war sie wegen Hypothyreose und Burnout zu 100 % arbeitsunfähig.
Die IV-Stelle des Kantons Waadt sprach ihr mit Entscheid vom 22. Dezember 2015 für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Januar 2013 eine ganze Invalidenrente zu, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 %. Die IV-Stelle stellte jedoch fest, dass A.__ ab dem 15. Oktober 2012 in einer weniger verantwortungsvollen Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig gewesen sei. Der wirtschaftliche Schaden wurde mit 36 % bemessen, weshalb der Anspruch auf eine IV-Rente per 31. Januar 2013 endete. AXA leistete für die Periode vom 12. Dezember 2011 bis 31. Januar 2013 entsprechende Invalidenrenten.
Ab dem 1. Mai 2014 war A._ zu 60 % als Verwaltungssekretärin bei C._ SA angestellt. Am 27. Juli 2020 stellte sie erneut einen Antrag auf IV-Leistungen aufgrund einer chronischen Depression und schwerer Erschöpfung. Die nun zuständige IV-Stelle des Kantons Wallis sprach ihr mit Entscheid vom 8. Dezember 2021 ab dem 1. Dezember 2020 (mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 25. September 2019) eine ganze Invalidenrente zu, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 % in jeder Erwerbstätigkeit.
AXA lehnte mit Schreiben vom 25. Juli 2022 eine erneute Leistungspflicht ab. Sie begründete dies damit, dass die neue psychische Gesundheitsbeeinträchtigung, die zur vollständigen Invalidität führte, nach Beendigung der Versicherungsperiode am 1. Februar 2013 aufgetreten sei und es sich um eine andere invalidisierende Pathologie handle, die seit diesem Datum nicht mehr versichert gewesen sei.
3. Prozessgeschichte A.__ reichte am 20. März 2023 Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Waadt ein und beantragte die Verurteilung der AXA zur Zahlung einer jährlichen Invalidenrente von mindestens 43'040 Franken ab dem 1. Februar 2013 sowie der Beitragsbefreiung. Sie argumentierte im Wesentlichen, ihre Arbeitsunfähigkeit aufgrund ihres psychischen Gesundheitszustandes habe am 6. Januar 2010 begonnen, als sie bei der AXA versichert war, und dieser Zustand habe sich verschlechtert, was die Wiederaufnahme der IV-Rente zur Folge hatte.
AXA beantragte die Abweisung der Klage und führte das Fehlen eines zeitlichen und materiellen Konnexes zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der nachfolgenden Invalidität ins Feld. Sie betonte, die Klägerin habe ab dem 15. Oktober 2012 eine volle Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit gehabt und diese in verschiedenen Anstellungen genutzt. Das kantonale Gericht wies die Klage mit Urteil vom 20. Juni 2024 ab. Dagegen legte A.__ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein.
4. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
4.1. Grundlagen der Leistungspflicht in der beruflichen Vorsorge Das Bundesgericht erinnert an Art. 23 BVG, wonach Leistungen von der Vorsorgeeinrichtung geschuldet sind, bei der die versicherte Person zum Zeitpunkt des Eintritts des versicherten Ereignisses versichert war. In der obligatorischen Vorsorge fällt dieser Zeitpunkt nicht mit dem Rentenbeginn der Invalidenversicherung zusammen, sondern mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die die Ursache der Invalidität ist.
4.2. Die Erfordernisse des Konnexitätsprinzips Damit eine Vorsorgeeinrichtung auch nach Auflösung des Vorsorgeverhältnisses leistungspflichtig bleibt, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: * Beginn der Arbeitsunfähigkeit: Die Arbeitsunfähigkeit muss zu einem Zeitpunkt begonnen haben, als die versicherte Person bei der Einrichtung versichert war. * Enger Konnex: Zwischen dieser Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität muss ein enger Zusammenhang (Konnex) bestehen, der sowohl materiell als auch zeitlich ist (ATF 130 V 270 E. 4.1).
4.2.1. Materielle Konnexität Die materielle Konnexität liegt vor, wenn die zur Invalidität führende Gesundheitsbeeinträchtigung dieselbe ist, die sich bereits während des Vorsorgeverhältnisses manifestierte und zu einer Arbeitsunfähigkeit führte (ATF 138 V 409 E. 6.2).
4.2.2. Zeitliche Konnexität Die zeitliche Konnexität setzt voraus, dass die versicherte Person nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die Ursache der Invalidität ist, nicht während einer längeren Zeit wieder voll arbeitsfähig war. Das Bundesgericht prüft das Vorhandensein eines solchen zeitlichen Konnexes anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls, einschliesslich der Art der Gesundheitsbeeinträchtigung, der medizinischen Prognose und der Gründe für die Wiederaufnahme oder Nichtwiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Auch das Verhalten der versicherten Person im Arbeitsmarkt kann berücksichtigt werden.
Als Richtwert dient dabei die 3-Monats-Regel von Art. 88a Abs. 1 IVV: Eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, die den Leistungsanspruch beeinflusst, ist zu berücksichtigen, wenn sie während drei Monaten ununterbrochen und ohne zu befürchtende Komplikationen andauerte. Besteht für mindestens drei Monate wieder eine volle Arbeitsfähigkeit und erscheint eine nachhaltige Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit wahrscheinlich, so ist dies ein starkes Indiz für die Unterbrechung des zeitlichen Konnexes. Anders verhält es sich, wenn die betreffende Tätigkeit, auch wenn sie länger als drei Monate dauerte, als Wiedereingliederungsversuch zu betrachten ist oder massgeblich auf sozialen Überlegungen des Arbeitgebers beruht und eine nachhaltige Rehabilitation unwahrscheinlich erschien (ATF 134 V 20 E. 3.2.1).
4.2.3. Massgebende Arbeitsfähigkeit für die Konnexität Das Bundesgericht präzisiert, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglicht, allein noch nicht ausreicht, um die zeitliche Konnexität zu unterbrechen. Für eine solche Unterbrechung ist vor allem erforderlich, dass die betroffene Person wieder über eine signifikante Arbeitsfähigkeit von mindestens 80 % in einer zumutbaren (angepassten) Tätigkeit verfügt. Das Erzielen eines rentenausschliessenden Einkommens ist nur dann massgebend, wenn in einer solchen angepassten Tätigkeit eine (nahezu) volle Arbeitsfähigkeit besteht (ATF 144 V 58 E. 4.4; Urteil 9C_55/2024 vom 11. Oktober 2025 E. 3.4).
4.3. Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz Das kantonale Gericht stellte gestützt auf die Akten fest, dass A._ in den sieben Jahren nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2012 keine krankheitsbedingten Arbeitsausfälle von Bedeutung hatte, ausser etwa einen Monat zu 100 % Anfang 2014 und einen Monat zu 40 % im April 2015. Sie übte zunächst fünf Monate lang eine Tätigkeit aus, die ihrer ursprünglichen zu 100 % ähnelte. Anschliessend bezog sie von Mai bis August 2013 und von März bis November 2014 Arbeitslosenentschädigung bei 100 % Arbeitsfähigkeit. Vom 1. Mai 2014 bis zum 30. November 2019, also über fünf Jahre lang, arbeitete sie zu 60 % als Verwaltungssekretärin. Eine Vermittlungshilfe der IV zur Ergänzung dieses Pensums wurde eingestellt, weil die Versicherte nicht verfügbar war und sich nicht ausreichend engagierte. Die IV-Stellen der Kantone Waadt und Wallis waren der Ansicht, es gebe keine objektiven medizinischen Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Versicherte könne nicht zu 100 % in einer angepassten Tätigkeit arbeiten (z.B. durch Erhöhung des Pensums bei C._ SA). Während dieser Zeit wurde sie nicht psychiatrisch behandelt und legte keine medizinischen Zeugnisse vor. Der Invaliditätsgrad wurde bis zum 24. September 2019 auf 36 % festgesetzt, basierend auf einer 100 %igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit; die entsprechenden IV-Entscheide wurden nicht angefochten.
Aufgrund dieser Feststellungen kam das kantonale Gericht zum Schluss, dass A.__ nach ihrer Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit von mindestens 80 % für mehr als drei Monate wiedererlangt hatte, die ihr ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglichte. Dies habe den massgebenden zeitlichen Konnex unterbrochen, weshalb AXA ab dem 1. Februar 2013 nicht mehr leistungspflichtig sei.
4.4. Rügen der Beschwerdeführerin und Würdigung durch das Bundesgericht
4.4.1. Zur Rüge der willkürlichen Annahme des Konnexitätsbruchs Die Beschwerdeführerin rügte zunächst, die Vorinstanz habe den Konnexitätsbruch willkürlich angenommen, da die AXA diesen selbst in einem Schreiben vom 25. Juli 2022 zugestanden habe. Das Bundesgericht weist diese Rüge als unbegründet zurück. Die AXA habe im kantonalen Verfahren das Fehlen des zeitlichen Konnexes explizit geltend gemacht und begründet, weshalb das kantonale Gericht diesen Aspekt des Streitfalls prüfen musste.
4.4.2. Zur juristischen Beurteilung der zeitlichen Konnexität Die Beschwerdeführerin beanstandete, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, der zeitliche Konnex sei aufgrund ihrer beruflichen Aktivitäten seit 2012 unterbrochen worden. Sie behauptete, ihre Tätigkeiten seien, auch wenn teilweise zu 100 %, nicht mit ihrem Gesundheitszustand vereinbar gewesen. Sie wollte geltend machen, dass eine auch zu 100 % ausgeübte Tätigkeit mit weniger Verantwortung und krankheitsbedingten Einschränkungen, die zudem schubweise verlaufe, den zeitlichen Konnex nicht unterbrechen könne, insbesondere wenn es sich um Wiedereingliederungsversuche unter dem Schirm der IV handle.
Das Bundesgericht folgt dieser Argumentation nicht. Es hält fest, dass gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz die Beschwerdeführerin ab dem 15. Oktober 2012 eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 80 % in einer angepassten Tätigkeit während mehr als drei Monaten wiedererlangt hatte, die ihr ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglichte. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die Ausübung einer angepassten Vollerwerbstätigkeit über drei Monate hinweg den zeitlichen Konnex nicht unterbrechen sollte, wenn noch ein Erwerbsschaden (hier 36 %) verbleibt, widerspricht Art. 23 BVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Das Bundesgericht sieht keinen Anlass, seine ständige Rechtsprechung zu ändern, wonach die massgebende Arbeitsfähigkeit jene ist, die in einer angepassten Erwerbstätigkeit besteht (ATF 144 V 58 E. 4.5; Urteil 9C_623/2017 vom 26. März 2018 E. 3).
4.4.3. Abgrenzung zu zitierten Präzedenzfällen Das Bundesgericht weist darauf hin, dass die von der Beschwerdeführerin zitierten Urteile sich auf andere Sachverhalte beziehen und ihr daher nicht helfen. * Im Gegensatz zum Urteil 9C_209/2022 war im vorliegenden Fall nicht festgestellt, dass die Gesundheitsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin schubweise verlief. Zudem gab es seit Oktober 2012 keine signifikanten Arbeitsunfähigkeitsperioden. * Der Verweis auf das Urteil 8C_39/2023 geht fehl, da es sich um einen Fall der Unfallversicherung handelte, dessen Erwägungen (Frage des Erwerbseinkommens im Verhältnis zur Arbeitsfähigkeit) für den vorliegenden Streit ohne Belang sind. * Die Urteile 9C_92/2023 und ATF 134 V 20 E. 5.3 erinnern lediglich daran, dass für die Annahme einer Unterbrechung des zeitlichen Konnexes die Restarbeitsfähigkeit in einer zumutbaren Tätigkeit (über drei Monate) ein rentenausschliessendes Einkommen im Vergleich zur ursprünglichen Tätigkeit ermöglichen muss.
4.4.4. Zusammenfassende Schlussfolgerung des Bundesgerichts Das Bundesgericht hält fest, dass die Beschwerdeführerin eine ähnliche Tätigkeit wie ihre ursprüngliche fünf Monate lang zu 100 % ausübte und während der Arbeitslosigkeit eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit aufwies. Ihre Tätigkeit zu 60 % als Verwaltungssekretärin bei C.__ SA während fünf Jahren kann nicht als Wiedereingliederungsversuch gewertet werden, insbesondere angesichts ihrer Dauer. Die Einstellung der IV-Vermittlungshilfe aufgrund mangelnder Verfügbarkeit und fehlender Bemühungen der Beschwerdeführerin zeigt zudem, dass das 60 %-Pensum nicht das "maximal mögliche" in einer angepassten Tätigkeit darstellte. Eine einfache ärztliche Angabe eines "Dysfunktionierens seit 2010" genügt nicht, um die Beurteilung der Vorinstanz hinsichtlich einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit als willkürlich erscheinen zu lassen.
5. Fazit Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der zeitliche Konnex zwischen der im Januar 2010 begonnenen Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität, die ab Dezember 2020 zum Bezug einer IV-Rente führte, unterbrochen wurde. Eine Arbeitsfähigkeit von über 80 % in einer angepassten Erwerbstätigkeit, die ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglichte, bestand ab dem 15. Oktober 2012 während mehr als drei Monaten, tatsächlich sogar während sieben Jahren. Die Frage des materiellen Konnexes konnte daher offenbleiben. Das kantonale Gericht hat Art. 23 BVG korrekt angewendet und die Klage gegen AXA zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde ist unbegründet.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: 1. Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung: Massgebend ist der Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die zur Invalidität führt, während der Versicherungsdauer. 2. Konnexitätsprinzip: Für die Leistungspflicht nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses ist ein enger zeitlicher und materieller Konnex zwischen der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit und der späteren Invalidität erforderlich. 3. Zeitliche Konnexität bei Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit: Der zeitliche Konnex wird unterbrochen, wenn die versicherte Person für mindestens drei Monate eine Arbeitsfähigkeit von über 80 % in einer angepassten Erwerbstätigkeit wiedererlangt, die ihr ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglicht. 4. Anwendung im vorliegenden Fall: Die Beschwerdeführerin hatte nach der ersten Phase der Arbeitsunfähigkeit über sieben Jahre lang eine solche Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit, die ein rentenausschliessendes Einkommen ermöglichte. 5. Entscheid: Der zeitliche Konnex wurde somit unterbrochen. Die AXA ist für die ab 2020 erneut eingetretene Invalidität nicht leistungspflichtig. Die Beschwerde wurde abgewiesen.